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9S. Jrrhrg. 3. August 1929 Der Adorser Grenzbote gelangt jeden Wochent. nachm. zur Ausgabe, für den nächsten Tag vorda tiert.—Anzeigen nach Tarif.—Postscheck-Konto 37869 Leipzig. — Fernruf Nr. 14. Segr. 1835 Im Falle höherer Gewalt (Krieg oder sonstige Störung des Betriebes) hat der Bezieher keinen Anspruch aus Lieferung oder Nachlieferung der Zeitung oder auf Rückgabe des Bezugspreises. Sonntags eine Illustrierte AnterhaltunsSbeilase Druck und Verlag: Otto Meyer, Adorf (Vogtl.), Bergstraße 14. — Verantwortlicher Schriftleiter: Otto Meyer, Adorf (Vogü.) Dies Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshaupt. Mannschaft Oelsnitz i. Vogtl., des Amtsgerichts, der Amtsanwaltschaft und des Stadtrates zu Adorf im Vogtland Tageblatt «.AWiver > M Mort WoE Nad Elster, Bab Brambach, Arnsgrün, Brettenseid, Bergen, Freiberg, Sbev u. Meroetteagrün, Sermsgrün, Ägelsburo, Leubetha, Mübibausen Mbersreuch, Remtengrün, Schönberg, Siebenbrunn, EM Wohlbach u. das übr. obere Bgtl. Der Plan über die Auslegung von Fern- speLrH-Eräkakeln in» OV Adorf (Vogtl.) liegt bei dem Postamt in Adorf (Vogtl.) auf die Dauer von 4 Wochen öffentlich aus. Lelegrahhannent Plauen (Vogtl ), 31 Juli 1929 Was gibt es AeueS? — Der Reichspräsident nahm am Donnerstag den Dortrag des Reichsaußenministers Dr. Stresemann «nt- «egen. — Pvincarö hat sich am Donnerstag einer Operation unterzogen, die einen normalen Verlauf nahm. — Der englische Ministerpräsident Macdonald begab sich am Donnerstag im Flugzeug nach seiner schottischen Heimat in Lossiemvuth, wo er sich etwa drei Wochen aushalten will. — Der frühere englische Außenminister Sir Allsten Chamberlain rst von seiner Nordlandreise nach London zurückgekehrt — In Kolumbien ist ein Kommunistencrufstand ous- geb^o^en. — In der Mordsach« Rosen hat die Strafkammer Breslau die .Haftbeschwerde der angeschuldigten Neumann verworfen, weil dringender Tatverdacht und Fluchtverdacht Knappschaftslazarett Waldenburg sind noch drei Schwerverletzte gestorben, so daß sich die Zahl der Toten der Grubenkatastrophe auf 30 erhöht hat. — Nachts wurde auf das Haus des Rechtsantvalts- Dr. Strauß in Lüneburg ein Sprengstoffanschlag verübt. — In Wanne-Eickel hat ein betrunkener Bergmann zwei Polizeibeamte niedergestochen und wurde schließlich ^lich verletzt. — In den Bergwerken von Escarpelle bei Lens wurde ein Schacht, in dem sich 160 Arbeiter befanden, von schlagenden Wettern hcimgesucht; acht Tote wurden go borgen. Die We Mche. Das Kabinett Briand hat in der Kammer deinen ersten Sieg errungen. Mit 324 gegen 1 .U> Stimmen hat die Kammer das Vertrauensvotum an genommen. Nach den recht knappen Mehrheiten, die das Kabinett Poincarö bei den Abstimmungen über die Schuldenabkommcn erhalten hat, ist die Mehrheit von 188 Stimmen, die das Kabinett Briand erzielte, besonders eindrucksvoll. Die Kammer ließ sich dabei russchließlich von außenpolitischen Gesichtspunkten lei. ten. Nach den Oppositionsreden der Sozialdemokraten und Kommunisten hatte Briand noch einmal der Hoff nung Ausdruck gegeben, daß sich am Vorabend der Haager Konferenz eine breite Mehrheit finden werde, um dw Regierung der rhrem Versuch, die Interessen Frankreichs zu verteidigen, zu unterstützen. Wörtlich fuhr er dann fort: „Wenn das ganze Land hinter mir steht, so werden meine Anstrengungen verstärkt werden, und man wird den Eindruck gewinnen, als ob ganz Frankreich durch mich vertreten wird. Für diese Aufgabe hätte die Kammer meiner Auffassung nach die innerpolitischen Probleme vergessen können. Sie weiß, was im Haag bevorsteht. Als Folge des ProtakEs vom September letzten Jahres ist eine Re gelung der Wiedergutmachungsfrage erfolgt, die Frank- reich gestatten wird, als unerbittlicher Gläu- brger aufzutreten: denn solange dieser Zustand fort- ^uert, wird es keine Annäherung zwischen Deutsch- mnd und Frankreich geben. Man mutz die Vergangen heit bedingen. Erst dann werden wir die Sicherheit wir bis zum Schluß bezahlt werden, eine Sicherheit, aus der sich für ganz Europa eine Ent spannung ergeben wird." Nachdem Briand dann noch nnmal seinen Plan der „Vereinigten Staaten von Europa" verteidigt hatte, schloß er: „Im Augenblick handelt es sich nicht um Politik, sondern um Frank reich selbst, um Frankreichs Schicksal, über das im Vaog verhandelt werden wird. Ich bin zum Anwalt Frankreichs berufen. Je stärkeres Vertrauen mir dis Kammer schenkt, um so nachdrücklicher werde ich sprechen rönnen " * Die Pariser Presse schwelgt angesichts des Siege» Briands in Wonne. Das die Ansicht des General stabes vertretende „Echo de Paris" stellt fest, die Mehr- heit habe selbst die kühnsten Erwartungen der Op timisten übertroffen. Sie sei von neuem ausschließlich Nationaldemokratisch und bedeute für Briand eine große «hre. Die Verantwortung im Haag, von der Briand m seiner Rede gesprochen habe, so ruft da« Blatt dem neuen Ministerpräsidenten warnend und besorgt zu. kürde ihn zermalmen, falls er die Interessen Frank reichs zu billig verhandele. Der „Matin" erklärt die Rede Briands al« eine Btusterrede und erkennt an, daß °rr Erfolg des neuen Kabinetts Aber alles Erwarten »roß sei. EprenolWimWlise in Lüneburg. Re Maroarinelifte als WIenmaWne. In der Nacht zum Donnerstag wurde in Lüne burg ein Sprengstoffanschlag verübt, durch den erheb licher Sachschaden angerichtet wurde; ein zweiter An schlag wurde versucht, doch kam die Höllenmaschine nicht zur Explosion. Amtlich wird über den Anschlag be richtet: „An der Nacht zum 1. August um 1 Uhr erfolgte ein Attentat mit einer Höllenmaschine auf das Haus des Rechtsanwalts Dr. Strauß am Luener Weg in Lü neburg. Bon der Höllenmaschine sind nur noch Vat- te.iercstc im Keller des Hauses gefunden worden. Tie übrigen Teile der Maschine sind vollständig zerstört worden. Durch die Explosion find Mauerwerk und Fensterrahmen erheblich beschädigt worden. In einem Umkreis bis zu 73 Metern wurden Fensterscheiben uns Türen eingedrückt. Personen sind nicht z« Scha ren gekommen. An den frühen Morgenstunden ist ferner eine Höllenmaschine an der Landkrankcnkasse am Lüner Tamm gefunden worden. Diese Höllenmaschine, die nm 24 Nhr explodieren sollte, ist nicht zur Explosiv» Leiommcu. Die Maschine besteht aus einer Margarinekiste tn einer Größe von 45:13:18 Zentimeter. In der Kiste befanden sich eine Metallkanne, drei Trocken batterien Marke Pertrix, Sprengstoff, sowie ein wecker artiges Uhrwerk. Der Verschluß war auf 24 Uhr ge stellt. Die Explosion ist deswegen nicht erfolgt, weil der Uhrzeiger sich in den Drähten verwickelt hatte. In dem Hause der Landkrankenkasse wohnt der Ver waltungsdirektor Kruse sowie eine Chauffeurfamilie. Wäre die Explosion erfolgt, so wäre die Familie des Chauffeurs das erste Opfer gewesen. Die Ermitt lungen sind noch im Gange. Ob auch politische Gründe maßgebend sind, steht «och nicht fest. Die Ermittlungen werden von der Landeskriminalpolizeistelle und der Staatsanwaltschaft Lüneburg geführt. Der Regierungspräsdent hat für die Ermittlung der Täter eine Belohnung in Höhe von 5000 Mark ausgesetzt." In der Bevölkerung wird allgemein ein poli tisches Moment als Beweggrund zu dem Sprengstoff, anschlag angenommen. Rechtsanwalt Strauß gehört der demokratischen Partei au und ist außerdem Mit glied des Verbandes deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Betrachten wir die Regierungserklärmrg Briands vom deutschen Standpunkt aus, so müssen wir uns darüber klar sein, daß unsere Delegation im Haag einen schweren Stand haben wird. Briand hat sich stark gemacht, im Haag als Anwalt Frankreichs auf zutreten. Für ihn bedeutet die Konferenz nichts an deres als eine Gelegenheit, Frankreichs Forderungen restlos durckzusetzen. Er wird dabei übrigens nicht nur mit den deutschen Interessen kollidieren, sondern au» mit den englischen. Bekanntlich fordert Eng land eine Aenderung des im Uoungplan vor gesehenen Verteilungss chlüssels. Diese For derung richtet sich ausschließlich gegen Frankreich: aber wenn wir selbst auch an diesem englisch-französischen Streit nicht unmittelbar beteiligt sind, da die deut schen Zahlungen im Uoungplan unabhängig von dem Verteilungsschlüssel festgelegt sind, so besteht doch die Gefahr, daß England und Frankreich einen Ausgleich aus Kosten Deutschlands suchen. Insbesondere kommen englische Zugeständnisse an Frankreich in der Räu- mungssrage bzw. in der Frage der Kontrollkommis sion in Betracht. Nur zu ost mußten wir schon dis Erfahrung machen, daß der Dritte nicht immer An laß hat, sich zu freuen, wenn zwei sich streiten. Zu weilen muß er die Kosten des Streites tragen. * Das Reichskabinett ist nunmehr — mit Aus nahme des Reichskanzlers — wieder vollzählig in Ber lin versammelt. Vor der Abreise der deutschen Dele gation nach dem Haag wird es sich noch einmal mit Ver Politischen Lage beschäftigen. Im übrigen ist aber die Haltung der deutschen Delegation bereits durch frühere Kabinettsbeschlüsse festgelegt; nicht zum wenig sten auch durch die Kundgebungen einzelner Minister zu der Frage der „Versöhnungskommission". Sowohl Dr. Wirth als Minister für die besetzten Gebiete wie auch der Außenminister Tr. Stresemann und der Reichs kanzler haben keinen Zweifel darüber gelassen, daß für Deutschland eine Kontrolle irgendwelcher Art über das Jahr 1935 hinaus nicht in Frage kommt. Landtag-Präsident Mnigbauer 1. München, 1. August. Am Mittwoch «m Nhr abends ist im Krankenhans des drittens Or dens in Nymphe ntmrg der bayrische Landtagspräsi dent Dr. h. «. Heinrich KönigHaner nach läm- gerem Leide«, nachdem er sich am 11. Anni einer Operation hatte «nterziehen «stffmr, -estorde». Mit dem Tode Dr. Königbauers hat der bay rische Landtag einen schweren Verlust erlitten. Di« außerordentliche parlamentarisch« Gewandtheit und Er fahrung, die nie versagende Ruhe und zuverlässige Objektivität, die stete Würde und Sicherheit der Amts- uud Geschäftsführung Dr. Königbauers verlieh ihm ein in dm Lagern aller Parteien anerkanntes Auf sehen und allgemeine persönliche Hochschätzung. Dr. Künigbauer stand erst im 53. Lebensjahre. Er 2s" ii. November 1876 in München geboren, wo er das Schretnerhandwerk erlernte und bis 1902 als Gehilfe arbeitet«. 80 Johr« lana war er dann Sekretär am Volks bureau und Arbcitssekrelariat München. Als Mitglied dec Zentrumspartei gehörte er von 1907 bis 1912 der Mge- ordnetenkmmner an. Bon 1912 bis 1924 war er Mitglied des Münchener Magistrats bezw. des Stadtrates. Seit dem 1. November 1922 bekleidete er die Stelle des Direktors des Landesamtes für Arbeitsvermittlung. Vom 21. Fe bruar 1919 bis 18. März 1920 war er Vizepräsident und von da an ununterbrochen Präsident des Bayerischen Land tages. Als Abgeordneter vertrat er in den Reihen der Bayerischen Volkspartei den Stimmkreis Grafenau-Regen- Viechtach. Vor einigen Jahren wurde ihm von der medi zinischen Fakultät der Universität München der Ehren doktortitel verliehen. , Deutsches Reich. — Berlin, den 2. August 1929. ° Freigabe eines Nebungöplatzss in Ehrru^reii- stein. Das Gelände auf dem Asterstein in Ehrenbrcir- stein, der frühere Uebnngsplatz der Koblenzer Pioniere, mit Feldern und ertragreichen Obstbäumen in einer Größe von 120 Morgen ist von der Besatzung frei gegeben worden. Der Platz war zuletzt von den Ame rikanern und nach deren Abzug von der französischen Besatzungsbehörde beschlagnahmt worden. Sie Zoller in der Tschechoslowakei. Ei« Zwischenfall im Duka-Prozcß. In dem Preßburger Prozeß gegen den des Lan desverrats beschuldigten tschechischen Abgeordneten Tuka gab es am Donnerstag eine Ueberraschung. Der Zeuge Mraz, der sich wegen Spionage im Militärgefängnis von Theresienstadt befindet, widerrief bei seinem Ver hör alle belastenden Aussagen gegen Tuka und er klärte, daß er sie nur gemacht habe, weil er mißhandelt worden sei. Er beantwortete alle Fragen des Vor sitzenden mit einem glatten „Nein". Vorfitzender: „Sie haben doch ein Protokoll unterschrieben?" Mraz: „Ich pal'« wohl unterschrieben, aber ich wurde dazu gezwun gen. Ich mußte aussagen, weil «an mich schlug und mir erklärte, daß ich dann besser behandelt wurde. Da habe ich mcine Phantasie ««gestrengt «ad alles mög lich« und unmögliche erzählt." Vorsitzender: „Sie Ha ven doch auch Einzelheiten zu Protokoll gegeben?" Mraz: „Das ist wahr, aber was blieb mir übrig?" Der Staatsanwalt beantragte darauf zur Fest stellung des Sachverhaltes die Vernehmung des Un tersuchungsrichters und des Protokollführers sowie die Weiterleitung des Protokolls an das MilitärgesängniS in Theresienstadt. Der Verteidiger wandte sich gegen diesen Antrag mit der Erklärung, daß die Vorgänge tn der Hauptverhandlung für das Gericht maßgebend feien und nicht die Dinge, die sich in der Vorunter suchung ereignet hätten. Dem Antrag des Staats« inwaltes wurde schließlich insofern stattgegeben., ab» das Protokoll über die Aussagen des Mraz nach The resienstadt abgehen wird. Der Zeuge bat noch de« Gerichtshof, dahin zu wirken, daß er nicht mehr ins Gefängnis Theresienstadt zurückkomm«, wesl er veue Mißhandlungen fürchte.