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16. Jahrgang Sonnabenä» äen 2S. Oktober 1S21 Nr. 2S4 Mer Tageblatt rM! flazeig« wr »as «rzs-dirg- UW Lelegramm», Lag,blatt ftueerzgeblrg». Vltsts Hlatt enthüll AI» amilichsn Sekanntmachungen Ars Kates ärv Etaäl Zur. poflph«k»K»n1,r stmt Letp-lg Nr. 1»«». Das Wichtigste vom Tage. Zu Bevollmächtigten der deutsch en Regie- rung Mr die oberschles.tsch« Grenzfestset. zungSkomMssston sind der Gesandte a. D. von Treutler und Gras Podewilsernannt worden. « ASqutt^ gab die offene Erklärung ab, daß er für eine Revision der Reparationen — nicht im Geist der Großmut, sondern des auf-g? klars ten .Egoismus — etntväte, und dies gilt allge- meiw als.ein bedeutsames Symptom, daß AS- quith! den Wünschen der öffen t,lich en Meinun_a vorauseilt. - ! ' ! i t j !.', , , - ! I!. l ' * Ter in Berlin eingetroffene amerikanische Bankier Vanderlip erklärte, der Plan für die Errich tung einer Goldreserve bank der Bereinig ten Staaten in Europa sei fertiggestellt. * Nach einer Meldung der Preß Association vertan' et, Lloyd George werde n ü ch stenFrettag zur W a - shingtoner Abrüstun-gSskonferenz abfahren. Die französische Antwort. (Von unserem Berliner Mitarbeiter.) Schneller als selbst die Schwarzseher annähmen, t>at die 'Botschäfterkonferenz die deutsch e P rotest- note gegpn den Ländcrrä'nb Obers ch testenS zurstckgewiesen. Nach französischen BläUerMeldun gen wird die Botschafterkonferenz Deutsch land nnttet- len, daß der deutsche Protest ails nich t et n gel c offen und .wirkungslos betrachtet werde. Teuischland habe keinerlei Meinung Wer die Entscheidung des Ober sten NateS Nuszusprechen. ES Hübe nur seine Bevoll mächtigten L» ernennen. Tas Wbe Teutschtand getan. Diese Ernennung könne als deo.HiiiEiS betrachiet toer» den, .daß 'Teuischland ohne Vorbehalt und in aller Form die Regelung der ober schlesisch en Frage, wie sie ihm bekannt gegeben wurde, ännehme. Tie in diesser französischen ZeitungLineldung umschriebene Note ist ich Augenblick, da diese Zeilen ^schrieben werden, in Berlin noch nicht eingetrvffe-n. Tie Ankündigung ist aber so besttmnrt und mit Etnzellheiten belegt, daß.leider ul«, .ihrer Nichtigkeit kaum noch gezweifelt werden kann. Man mutz sich kn die tagelangen eingehenden Be-> sprechungen der Parteien vor der Reichstagsentscheidung erinnern, um die Ungeheuerlichkeit dqr Ententeantwort richtig zu würdigen. Tamgls ist sofort von der demo kratischen Fraktion daraus hingewiesen worden, daß alles davon äbhänge, daß scharf unterschieden werde zwischen Rechtövcrwährung und Tel-egiertenents«n d u ng. In der juristischen Denkschrift, die die Fraktion vessaßt und ver öffentlicht hat, wär auf die Gefahr hingewiesen, die entstehen könne, wenn in der, Antwort der deutschen ttteglerung nicht klar Lum Ausdruck komme, daß die Ent sendung von Delegierten nicht die Annahme der Gesamtentscheidung über Oberschiesten bedeute. ES wur de verlangt, datz die ^Entsendung eines. Delegierten le diglich den Willen Deutschlands bekunden solle, Verj- !>'nndlungen mi,t Polen ßn Gang .zu bringen, nicht aber die Anerkennung der obevschlesischen Gesamtenticheidung bedeute. In der interfraktionellen Besprechung, die am Montag abend zwischen den Führern der VoLkSparcei, des Zentrums, der Demokraten, und der Diehrheitssoyia- lüsten stattsand, wurde deshalb eine Erklärung für dis. Antwortnote der neuen "Regierung entworfen, in der der letzte Satz lautete r . . , si-Ltft sich chie deutsche Regie rung gelz wungen, unter Aufrechterhaltung i- hi r e r NechtSverwahrung, dem Diktat der Mächte, ent. sprechend, die darin vorgesehenen Delegierten zu er«! nennen. In Kisner späteren Verhandlung zwischen den drei alten Regierungsparteien ist von demokratischer Getto sogar noch einmal der Versuch gemacht worden, dies« Wendung^ unter Aufrechterhaltung ihrer Rechts verwahrung noch schärfer >zu sornmltierLn. Die neue Re gierung Hat dann jene am Montagabend sornrultcrte Erklärung wörtlich nach Parts Übermittelt. Nur die Wendung, auf dio so viele» ankam! untere Aufrechter-^ Haltung Hrer Rechtsverivahrung wurde w e gg e la s» I o n. Damit Hai nachträglich vcjr Rechskanzler eine Z,k- sage unerfüllt gelassen, dije er den Demokraten al» Vor- Aussetzung ihrer Zustimmung Mr Regierungserklärung gegeben und in seiner, Reichstagsred« auch noch erfüllt hatte. Die demokratische Fraktion hat aile Ursache, bei ihrem demnächstigkn Zusamnwntritt dieser auffallendem Unterlassung weiter na'chzugehsen. Aber wichtiger poch ist di« außenpolitische Folge der Unterlassung, die sich nun setzt schon herausstellt. Die Botschaflerkon- ferenz wirft einfach di» ganz» deutsche Rechtsverwah- rung den PapierkorV und HM, sich, an Vie Tatsache de« Entsendung stz«B Delegierten. Durch dies« Entsen dung jei, ssügevt man» tn VÄM, dis Eekamtenilchsii- düng über Oberschlesien anerkannt ssacre). Wäre dem dringenden Ersuchen der Demokraten entsprochen wor den und hätte 'Reichskanzler Wirth! feine gegebene Zu sage erfüllt Und im Schlußsatz iklar bekunde:, datz die Entsendung pon Delegierten unter Aufrechterhaltung der Rechtsverwahrung erfolgt, /so wäre ein« derartige Behandlung unmögli ch 'g ewesen. Und wenn trotzd em die Franzosen behauptet hätten, die Entsendung der deutschen Delegierten bedeute schon die Anerkennung der Zerreißung Dberschlesiens und des Gefamtdiktats, so hätte der Hinweis auf den, Wortlaut der deutschen Note für allo Zukunft genügt, um das Gegenteil fest- LUstellen. Was wird di« neue Regierung tun, wenn die ange- künbigte ablehnende Antwortnote der Botschaft« rkonfe- renz eintrifft? Die Sozialdemokratie h!at ja be reits in den geheimen Verhandlungen und später in einer, öffentlichen VorwärtsevkläruNg festgestellt, daß sie mich in diesem 'Fälle bet Ablehnung des deutschen Pro testes weiterhin erfüllen werde. Das Zentrum war mit den Demokraten anderer Melkung. Ob es setzt da bei beharrt oder die schallende Ohrfeige, von der so häufig in den Vorbeisprechungew die Rede, war, ruhig einstecken wird? Die nächsten Tage müssen schon Klar heit darüber schaffen- Auf jeden Fall mutz man aber jetzt umso Mehr mit aller Deutlichkeit feststellen, daß die Außerachtlassung des deutschen Proteste- durch die Ententogewaltbäber vor dem Recht und vor der Ge schichte als eine ganz' einseitige» willkürliche Handlung keine Geltung haben kann. Die Erklärung eines elsässi schen Abgeordneten, die er am 1- März 1871 in dep Pariser Nationalversammlung ahgab, machen wir heute z'U der unfrigen: Durch gehässigen Mißbrauch der Ge walt der Fremdherrschaft ausgeliefe!rt, erklären wir einen Vertrag Mr null und nichtig, der ohne unsere Zustim mung zustande gekommen ist. Der Anspruch, auf unsere Recht« bleibt ewig. — Dec Anspruch auf unsere. Rechte bleibt auch für uns Deutsche und für die der Polen- Herrschaft aUSgelieserten Oberschleslex, ewig, wenngleich ihn die RotschafterkonferenL! nicht anerkennt und in den Papierkorb wirft. - - - - > ! ! Der Drang nach äer großen Koalition. Eine Lebensfrage de» deatschön Volke». Der preußische Ministerpräsident St eg er wald er klärte dem Chefredakteur des Deutschen u. a.: In Preu ßen ist durch die Vorgänge inr Reich- die bisherige p o litische RegierUngsbasis erschüttert. Die Einbeziehung der Sozialdemokratie in die neue Ne gierung ist jetzt sowohl ein Gebot politischen Anstands, als auch der Staaisnotwendigkett. Ter Sozialdemokratie, kann nicht zugemutet Werden, im Reich in, allen ent scheidenden Stunden in die Bresche zu springen, in den größten Bundesstaaten dagegen Pion der umuivelbaren Mitwirkung an den StavtSgeschäften ausg-eßchal-re r zu bleiben. Wir stehen zudem vor einem lehr schlim men Winter und vielleicht vor einem noch schlimmeren Frühsommex. Unter diesen Umständen wird die Ein? bezieh,, ng der Sozialdemokratie in die neue Regierung bald erfolgen müssen. Auf die Frage, ob jetzt nicht der Gedanke der Motzen Koalition unmöglich sei, erwiderte Stege,rwald : Dafür habe ich nur «in. ent- schtedeneS Nein. Die große Koalition kommt, Wei! sie kommen mUß. Der Reichstag steht in den nächsten Monaten vor Aufgaben von solcher Schwere und Tragweite, wie sie wohl noch, keinem Parlament der Welt gestellt gewesen sind. Der Reichstag mutz minde stens 60 bis KO Milliarden Papiermark an Steuern schaffen. Deutschland mutz alle Überhaupt nur mögli chen .Steuerquellen bi!» zur Leere ausschöpfen, sonst ist keine Verminderung der Inflation, kein« Besserung des MarkkurseS, keine Revision der» Reparationsleistungen erreichbar. Steuern, die sowohl Besitz wie Verbrauch auf Pas ckllerstärkste belasten, sind aber nur mit, starken Mehrheiten durchführbar. In den letzten Jahren haben Wir mit den überschüssigen Erträgnissen die ausländi schen Lebensmittel bezahlt. Womit will Deutschland heut« sie bezahlen? Unser« eigenen! Erzeugnisse rei chen nach allen bisherigen Erfahrungen höchstens bis zu,m Mai, nicht 'bis zur neuen Ernte. Wovon soll das deutsch« Volk iw der Zett leben? Wenn man zu wäh len hat zwischen einer Koälitiousverbretterung und zwei Parteien, die einander wenig freundlich sind, und dep Verelendung eines großen Teile» des deutschen Volkes, dang kann keinem wahren Vaterland», und Deutschen freund -i« Wahl schwer fallen. So steht e» aber um, da« deutsch« Volk. Diese harten Tatsachen zwingen den Reichstag zu einer festen Vteuergemetnschaft. Di» groß« Koalition ist «ine deutsche Lebensfrage. Se-lngung -rsHentrumsr Eknbeschlleßung üer deutschen volkspartek. Die am Donnerstag stattgefundenen Fraktion-- besprcchungen galten der Stellungnahme der Par teien zu dem neuen Kabinett Wirth. ZU der Zen- tr umssrakiion siegte die Anhängeschaft Wirths mit Zweidrittelmehrheit. Tie Partei stellte jedoch b'io Bedingung, daß die Koalition schleunigst auf De mokraten und Deutsche Volkspartei! ausge dehnt Herden Müsse., Die Sozialdemokraten beschlos sen die Porbehaltlose Unterstützung der Kanzlerschaft Wirths. Eine kleine Minderheit wurde Überstimmt. Bedeutungsvoll ist der Beschluß der Unabhängigen, die neue Negierung Wirth, sowohl in der. oberschlesischsn. Frage wie in der Erledigung der Äteuergesetze, wohl wollend zu un'terstiützen. Zwölf Deutsche in Graslih erschossen. Widerstand der Dcrttschbühmen gegen di« MobUmachnna In den letzten Tagen hatten im früheren Deutsch böhmen zahlreiche Militärpflichtige Einritt- kungsbefehle erhalten, Venen Folge zu geben sich jeder einzelne sträu'bts. Ti« Einberufenen schlossen sich schließlich zusammen und widersetzten sich ge meinsam, den Einrückungsbefehl avSzuführen. Am 1. Mobilmachungstage (Donnerstag) gruppierten sich die jungen Männer nach cktner Versammlung am Vormittag in der Mäumermühle in Gräslitz zu einem Demonstrw tionszug, Proklamierten Den Generalstreik und er zwangen die Schließung der Gewerbe,- und Industrie betriebe, sowie der meisten Ladengeschäfte. Gleichzeitig wurde mit sämtlichen Glocken Sturm geläutet. Als am Nachmittag bekannt geworden ioar, datz eine Abteilung tschechischen Militärs mit dpp Bahn um ö Uhr in Gras litz ankommen werde) steigert« sich di« Erregung der Menge ins Mahlose. Die Arbeiterschaft, di« VW ihren Führern aufgefordert, wurde, zum Schutz der Re publik etnzurücken, leistete dem Widchstand. Um ü Uhr träfen dann die angsskündtgten tfchechtfchen Soldaten ein. In der Mähe des Marktplatzes eröffneten die Lfcho. chen, wohl weil 'sie fürchteten, von der erbitterten AtengS kntwaftnot M werden, ein lebhaft«- Gewehr feuer. Es blieben mehrere. Tote am Platze. Freitag nachmittag sind noch einige an den erlittenen Verlebt znngen gestorben, sodatz Pt« Zahl der Toten gegen wärtig 12 und die der. Verwundeten 26 v«- trä gst. Die Verletzungen find vielfach Bauchsch ülfe von Querschlägern. Am morgigen Sonntag wirb die gemeinschaftlich« Totenbestattung erfolgen. Auf tschechischer Seite gqh es «inen Toten und einige Verwundete, Nach diesem Vor fall trieben die tschechischen Legionär« di« Deutschen mit Gewalt auseinander. Tie Bevölkerung war. fast durchweg waffenlos. AuS einer Familie, find Vater, Sohn und der zukünftige Schwiegersohn bet den Un ruhen umS Leden gekommen. Freitag früh b Uhr Wur de das Truckereigebäude des GraSlitzer VolksblatteF von den Tschechen besetzt und in ihm ein Maschi nengewehr zur Aufstellung gebracht. Tie Zeitung mutzte bis auf weiteres iht Erscheinen ei'ystejllen, Ge genwärtig ist über den ganzen Bezirk GraSlitz das Standrecht verhängt. Am gestrigen Tage blieb es in der Stadt ruhig. ' Nach Sem Mnteuer Karls. z. Erst jetzt Leigt sich, in welches Ungemach der Ex könig Karl sein Land gestürzt hat. Ti« kleine EntentO Hot ihr« Mobilisierungen jetzt nahezu vollendet, .und Ungarn sieht sich jetzt in der schlimmen Lage. .Bedin»! gungeu entsprechen zu müssen, die sein« Souveränität empfindlich verletzen. In dieser Not hat man an dein Exkönig Karl das Ersuchen gerichtet, sretwtlll'g auf de« Thro n z u v erzt ch t e n. ES scheint aber, als ob der hartnäckige Habsburger nicht gewillt wär«, diesem Ersuchen zu entsprechen. Tann bleibt dem ungortschm Parlament, will es dem Land den feindlichen Einmarsch ersparen, .nicht» anderes übrig, al- di« Thronsnl- setzun'g zu beschließen. Di« Angelegenheit kom pliziert sich freilich auch noch dadurch, datz die Tschecho slowake i den Anlaß, zu benutzen scheint, um «twM Prestigeerfolg über Ungarn dävonWtragen. Ms Will das Abkommen von Venedig als durch die neuen Er eignisse überholt ansehen. Lämii entsteht allerdings «ine überaus schwierige Lage. In Rom spricht man be reits von einem Gegensatz -wischen dar großen mm kleinen Entente. Es ist Nicht ausgeschlossen, datz.Er» köntg Karl gerade aus Viesen Gegensätzen. HosfnunM» für sich schöpft. Aber auch in diesem Falle würbe « nur erneut die Interessen seines Lande» auf» schwerst« verletzen. Es muß immerhin Wunder nehm«, daß