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Wir in Deutschland merken es gerade jetzt wieder mit unerfreulichster Deutlichkeit. Namentlich bei den Finanz- Verlegenheiten vom Reich bis zur letzten Gemeinde herab. Es wird nachgerade allerhöchste Zeit, daß der soeben zusammentretende Reichstag nun endlich mit der Reform der Arbeitslosenversicherung zu einer Entscheidung kommt. Der „zur Begrüßung" den Abgeordneten vorgelegte Ge setzentwurf über gewisse Änderungen hierüber enthüllt mit erschreckender Deutlichkeit die finanziell geradezu katastro phale Lage der Versicherung. Seit dem 1. Oktober 1928 bis jetzt haben die Reichszuschüsse, die sie erforderte, sie 500 Millionen fast erreicht und es erscheint als ausgeschlossen, daß das Reich Darlehen in größerem Umfang hierfür noch weiter hergeben kann. Dabei ist die Zeit der diesjährigen „Überschußmonate" bereits verstrichen, übersteigen die für den September notwendig gewesenen Ausgaben die Ein nahmen. Wie auch die Entscheidung fallen mag — Härten werden sich dabei kaum vermeiden lassen. Die Hauptsache aber ist, daß aus der Versicherung endlich das laufenoe Defizit verschwindet; zu entsprechenden Vorschlägen hat es aber bisher weder die Reichsregierung, haben es auch nicht die an der Regierung beteiligten Parteien gebracht, da sich hier die Gegensätze zwischen Sozialdemokratie und Volkspartei anscheinend sozusagen „versteinert" haben. Die Parteien spielen wieder einmal allzusehr „Pro gramm", haben sich auf den „grundsätzlichen Standpunkt" gestellt; die rauhe Wirklichkeit erkennt aber solche Pro gramme oder Grundsätze nur sehr teilweise an. Wenn man nichts oder nichts Ausreichendes zustande bringt, — an der Dauer, der Ausdehnung der Verhandlungen würde das bestimmt nicht liegen. Man muß ja — gerade wegen des finanziell so bedeut samen Hintergrundes der Arbeitslosenversicherung — auch das erwähnen, was im Reichstag — nicht erwähnt wird. Da nämlich die Fragen der Inkraftsetzung des Uoung- Planes und der dann notwendig werdenden Gesetzent würfe „zur Durchführung des Planes" vorläufig noch nicht „aktuell" sind, sie aber natürlich sehr erheblich die Finanzlage des Reiches, dann auch seine Finanzgebarung beeinflussen und eine baldige Reform oder doch mannig fache Abänderung unseres Steuersystems zur Folge haben müssen, so wird inan im Reichstag kaum größere Ausein andersetzungen über die finanziell-steuerlichen Fragen einer immerhin doch nicht allzu fernen Zukunft erleben. Um so mehr stehen natürlich diese Steuer- und Finanzprobleme im Mittelpunkt der Debatten auf dem Deutschen Städtetag. Schließlich ist ja das Geld überall der „nervus rerum" und die Städte halten sich übereinstim- mend für sehr — „nervenkrank". Außerdem werden die Angriffe auf die öffentlichen oder gemischtwirtschaftlichen Betriebe wegen ihrer wachsenden Ausdehnung immer heftiger; sogar der preußische Handelsminister hat sich sehr deutlich gegen diese Kommunalisierungs tendenzen und für die Vollbesteueruug dieser Betriebe ausgesprochen. In einem aber ebenso deutlichen Gegen satz dazu stehen Ausführungen seines Kollegen vom Innenministerium, der in seiner Rede auf dem Deutschen Städtetag erklärte: „Die preußische Staatsregierung hält mit mir die Angriffe der Privatwirtschaft aufdie kommunalen Betriebe für gänzlich un begründet." Dem wird man wohl doch nicht so ganz bei stimmen, denn mit Recht wehrt sich die Privatwirtschaft z. B. gegen diese Ausdehnungstcndenzen dieser Betriebe auf Gebiete, die nicht mehr nur die Deckung der Massen- versorgnng mit Gas, Wasser, Elektrizität usw. monopo listisch umfassen. Noch schlimmer liegen die Dinge aber dann, wenn die öffentliche Hand, wie es besonders drastisch bei dem Vertrag der Stadt Berlin über die Lieferung von Kleidern, Uniformen, Stiefeln usw. für die städtischen Beamten, Angestellten, Arbeiter, Erwerbslosen u. dergl. geschah, eine Mo^n o p o l l i e f e r u n g an eine einzige Firma auf lange Jahre hinaus vergibt. Vergebens haben sich die hierfür in Frage kommenden Vertretungen des Tcrtil-usw.gcwerbes bemüht, dieses Monopolverhält nis zu sprengen. Man hörte nicht auf sie; fortdauernde Klagen auch über die Qualität der gelieferten Waren blieben nutzlos. Und jetzt — hat der Steuerzahler die Kosten zu tragen. Es gibt ja einen ähnlichen „Privatmonopolbetrieb" — aber in ganz großen Verhältnissen — für einen Gegen stand des Massenbedarfs, nämlich für das Streichholz"; in Deutschland allerdings nur bei der Herstellung. Er liegt in den Händen des Zündholzsyndlkats, dessen Aktienmehr heit bekanntlich der schwedische Trustkönig Ivor Kreuger besitzt. Sensationell wirkt nun sein Vorschlag, dem Reich 150 Millionen Dollar zu pumpen, wofür als Gegenwert offenbar die Schaffung eines vollständigen Monopols von der Produktion bis zum Einzelvertrieb an den Konsumenten gefordert wird, also auch die Kon kurrenz der ausländischen Fabrikate, nämlich der russi schen, ausgeschaltet werden soll. In anderen Landern hat Ivor Kreuger mit solchen Vorschlägen häufig ein sehr schnelles Entgegenkommen gefunden. Die deutsche Regie rung und der Reichstag werden nun gleichfalls vor diese Frage gestellt; Annchmcn oder ablchnen? MMzer-MmM im Reiche? Gtreichholzauslieferung gegen Anleihe. 600 Millionen geboten. Durch Berliner Veröffentlichungen wird bekannt» der erste Mann des großen schwedischen Zündholztrustes, Ivar Kreuger, habe dem Reiche einen Kredit von 600 Millionen Mark angeboten. Ivar Kreuger halte sich in diesen Tagen in Berlin auf und beabsichtige als Gegenleistung die Aus dehnung seines bisher schon sehr starken Einflusses in der deutschen Zündholzindustrie, die bekanntlich von der Reichsrcgicrung auf Grund besonderer Gesetzesbestim mungen überwacht wird. Ivar Kreuger habe den Aus bau seiner Beziehungen zu e^rem förmlichen Monopol im Auge, dessen Preispolitik er zu diktieren habe. Zu diesen aufsehenerregenden Veröffentlichungen wird von offiziöser Seite bemerkt: Die Schwierigkeiten des deutschen Zündholzsyndikats sind schon vielfach Gegenstand besorgter Erörterungen gewesen. Infolge der Über schwemmung des deutschen Marktes mit russischen Zündhölzern ist es nicht möglich gewesen, die Leistungsfähigkeit der der deutschen Zündh'olz-Verkaufs- A.-G. angeschlossenen Werke auszunutzen. Die Gesellschaft hat stets mit Unterbilanz gearbeitet und wieK in ihrem Abschluß vom letzten Geschäftsjahre einen Fehlbetrag von 350 000 Mark bei einem Aktienkavital von einer Million Der Zündholztönrg Ivar Kreuger. Mark aus. Inzwischen haben sich "die Verhältnisse der Ge sellschaft noch weiter wesentlich verschlechtert. Nur eine wirksame Abwehr der ausländischen Konkurrenz kann hier offenbar Abhilfe schaffen. Bei dieser Sachlage wäre es durchaus verständlich, wenn die schwedische Gruppe, die bereits mit 65 Prozent am deutschen Zündholzsyndikat beteiligt ist, mit ihrem Vorschläge der Einführung eines deutschen Zündholz- monopols auf Entgegenkommen bei hiesigen maßgebenden Stellen stößt. Andernfalls müßte man mit dem völligen Ruin der deutschen Zündholzindustrie mit allen ihren schlimmen Folgen für die Volkswirtschaft rechnen. Das ist also mehr wie eine Bestätigung der bekannt- gewordeney Pläne, über deren Bedeutung für den deut schen Handel, die deutsche Industrie und die Verbrancher kreise kein Zweifel herrschen kann, ganz abgesehen von der Einwirkung des erneuten Eindringens fremden Kapital einflusses in die Staatswirtschaft. Ivar Kreuger. Man weiß, daß Ivar Kreuger, dieser noch nicht fünfzig jährige Schwede, zu den reichsten Leuten der Welt gehört. Er wurde es mit Hilse eines der — kleinsten Dinge des Massen- konsums. Das Streichholz, die „Schweden", machten thn dazu. Zunächst nahm er, selbst aus der Zündholzindustrie stammend, das eigene Land „in Angriff" und errang einen schnellen Sieg. Er sucht Verbindung mit den Finanzkapitänen der Vereinigten Staaten, die hier ein vorzügliches, weit ausgreifendes Geschäft wittern, in Ivar Kreuger den richtigen Mann dafür erkenne» und — der schwedisch-amerikanische Zündholztrust ist fertig. Mil einem Kapital von ein paar hundert Millionen Kronen. Diesen Millionen öffnen sich bald die Türen der euro päischen Kabinette: denn wo die Edelvaluta anklopste, da wurden ihr in dem Nachkriegseuropa eie Tore sehr schnell aufgetan. Ivar Kreugers Geschäftsprinzip dabei war folgendes: Er will dem Land, das er „attackiert", eine mehr oder weniger große Anleihe gewähren, wenn man ihm dafür das Zündholzmonopol in. die Hände legt. Gewöhnlich hat er mit Hilfe seiner Kapital- krast vorher schon die Zündholzindustrie des betreffenden Landes halb zu Tode konkurriert, so daß sie ihm dann leicht in die Hände fällt. Bequemer war es noch dann, wenn er ein staatliches Zündholzmonopol vorfand. Und so hat er denn in einer großen Neihe von europäischen Ländern und auch schon in einzelnen südamcrikanischen Staaten seinen Zündholztrust aus diese Weise zuin Siege geführt. Doch noch viel weiter dehnte Ivar Kreuger sein Herrschafts gebiet aus. Holz - das ist der Rohstoff für Zellulose, und so wurde zunächst auch wieder in Schweden die für die Papicr- bcreitung so notwendige Z e l l u l o s e i n d u st r i e vertrustet: dann ging es auch hierin wieder in die andern europäischen Staaten hinein. Tann folgte der Angriff auf ein zweites schwedisches Rohprodukt von größter Wichtigkeit: Vas Eise n e r z. Weiter ging es in die Eisenverarbeitung hinein und die namentlich für den Automobilbau bedeutungsvolle Kugcllager- industrie erlag dem Ansturm des Schweden, bekanntlich auch die deutsche. Und Ivar Kreuger wird weitermarschieren. Hermes zurückgeireien. Z w i st i g k e i te n nr i t d e m A u s w ä r t i g e n Amt. Der frühere Neichsfinanzminister Dr. Hermes, bis her Führer der deutschen Delegation für die Handelsver- tragsverhandlungcn mit Polen, hat, dem Vernehmen nach, an den Reichskanzler einen Brief gerichtet, in dem er seinen Auftrag niedcrlegt. Dr. Hermes begründet angeb lich den Rücktritt von der Führung der deutschen Delega tion damit, daß zwischen ihm und dem Auswärtigen Amte Unstimmigkeiten bestanden hätten und daß er in seiner Tätigkeit von dem Neichsernährungminister nicht ent schieden genug unterstützt worden sei. Dr. Hermes ist neben seinen amtlichen Funktionen auch Vorsitzender mehrerer Bauernorganisationen und An gehöriger der Zentrumspartei, die sich alsbald mit dem Vorfall beschäftigen dürfte. Hermes war auch schon Reichs- ernährungsminister und nimmt das Amt als Delega tionsführer bei den deutsch-polnifchen Wirtschaftsverhand lungen seit 1927 wahr. Er ist aus dem Landwirtsstande hervorgegangen. Das Breslauer Zentrumsblatt, die Schlesische Volks zeitung, bemerkt zu dem Rücktritt: „Wie wir aus bester Quelle erfahren, ist der Rücktritt des Verhandlungs führers darauf zurückzuführen, das; der Abschluß des deutsch-polnischen Handelsvertrages auf der Basts ver Meistbegünstigungsklausel bevorstehen soll und Dr. Hermes hiergegen starke Bedenken gehegt hat. Wie wir weiter hören, haben sich die Bedenken Dr. Hermes' weiter gegen die vorgesehene Erhöhung des polnischen Kohlen kontingents gerichtet." Neues RepublLkschutzgeseh. Der Inhalt des Entwurfes. Die Reichsregiermm wird sich in der nächsten Zeit mit dem Entwurf des neue» Republikschutzgesetzes beschäftigen. Der Entwurf ist in Verbindung mit dem Reichsjustizministerium vom Reichsinnenministerium aufgestellt worden. Er sieht eiuc Reihe von Änderungen gegenüber dem Gesetz vom 21. Luli 1922 vor, insbesondere ist eine juristisch ciuwandsrcie Formulierung in allen Fällen geschaffen worden. Der neue Entwurf geht außerdem weiter als das alte Gesetz, weil nach dem neuen Entwurf alle im politische» Leben stehenden Personen geschützt werden. Andererseits ver zichtet der vorliegende Entwurf auf alle verfassungsändernden Bestimmungen. Die Strasvorschriftcn richten sich gegen: 1. die Beteiligung an Verbindungen oder Verabredungen, die Verbrechen wider das Leben einer Person wegen ihrer politischen Betätigung beabsichtigen; 2. die Unterlassung einer Mitteilung an die Behörde oder die bedrohte Person, sofern jemand von dem Bestehen der unter 1 genannten Verbindung oder Verabredung Kenntnis erlangt hatte; 3. die Begehung eines Angriffs aus Leib und Leben gegen eine Person wegen ihrer Stellung im politischen Leben oder eine Verabredung mit einem anderen zum gleichen Zweck; 4. die Belohnung oder Begünstigung des Täters der genannten Gewalttätigkeiten; 5. die Teilnahme oder Unterstützung einer ge heimen oder staatsfeindlichen Verbindung, die den Zweck verfolgt, die republikanische Staatsform des Reiches oder eines Landes zn untergraben; 6. der Anschluß an eine geheime oder staatsfeind liche Verbindung, die selbst oder deren Mitglieder unbefugt Waffen besitzen; 7. die Beschimpfung oder durch Bekundung der Mißachtung absichtliche Herabsetzung der republikanischen Staatsform sowie die Beschimpfung oder Verlcnmdung des Reichspräsidenten oder eines Mitgliedes der Reichs- und Landesregierung; 8. die Beschimpfung oder durch Bekundung der Mißachtung absichtliche Herabsetzung der Reichs- und Landesfarben; 9. die Beschimpfung oder Verleumdung einer Person, die wegen ihrer politischen Betätigung getötet worden ist; 10. die Aufforderung zu Gewalttätigkeiten gegen Personen des politischen Lebens oder Billigung oder Verherrlichung solcher Gewalttätigkeiten sowie eines Hochverrats, der sich gegen die republikanische Staatsform gewendet hat. Auch Zwangsaufcnthatt vorgesehen. Neben Gefängnis-, in schweren Fällen Zuchthausstrafen, kann im Falle einer Verurteilung wegen Hochverrats oder einer unter 1 bezeichneten Handlung ein Z w a n g s a u f e n t ha l t in bestimmten Teilen oder an bestimmten Orten des Reiches angewiesen werden. Ferner ist bei diesen Verurteilungen oer Verlust der aus öffentlichen Wahle» hcrvorgeganacne» Rechte und bei Beamten und Soldaten der Verlust des Gehalts bzw des Ruhegehalts von Rechts wegen die Folge. Versamm