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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.08.1912
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1912-08-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19120820025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1912082002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1912082002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-08
- Tag 1912-08-20
-
Monat
1912-08
-
Jahr
1912
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Das Mässigste. * Der König von Sachsen trifft, von Turin kommend, morgen früh 5,38 Uhr in Leipzig ein und begibt sich von hier nach Besichtigung des 13. Infanterieregiments Nr. 178 nach dem Truppen übungsplatz Zeithain. * An der Grenze zwischen Montenegro und der Türkei soll ein heftiger Kampf im Gange sein. sS. bes. Art.) * Bei den Kämpfen um Managua (Nikaragua) sollen 1000 Menschen ums Leben gekommen sein. Die neuen Lslksnwirren. (Von unserem Konstantinopeler Mitarbeiter.) Konstantinopel, 18. August. Es kann keinem Zweifel mehr unterliegen, daß die Montenegriner und Bulgaren einen Streit vom Zaune gegen die Türken zu brechen suchen, seitdem die albanische Frag« ihrer Lösung entgegengeht. Beide Völker wären schon längst über die Osmanen hergefallen, wenn sie die Kriegserklä rung verantworten könnten. Die Reisen des Königs Ferdinand und Nikita nach Wien standen mit dem Kriegsdediirfnisse ihrer Untertanen in engstem Zu sammenhangs. Dort wurde zum Frieden gemahnt, weil die Großmächte, bosonders OesterreichÄngarn, unbe-oingt Ruhe auf der Balkan-Halbinsel gehalten wissen wollen. Die Vorgänge bei Maikowatsch und Sel- tsche, sowie die Dombemrttentate gegen die öster reichische Post in Saloniki werden begreiflich, wenn man zwischen ihnen und der Lösung der albanischen Frage Beziehungen sucht. Die schlimmsten Gegner aller griechischen und slawischen Balkanstämme sind nicht die Türken, sondern die Albanesen, die ihre engere Heimat vor dem Eindringen und der Aus breitung fremder Völkerschaften zu bewahren ver suchen. Alle Forderungen der Albanesen, die von der türkischen Regierung gebilligt werden, laufen hier auf hinaus. Die endgültige Einigung der Albanesen mit den Türken bedeutet mithin für die Bulgaren, Serben, Montenegriner und Griechen eine Schwä chung ihres Einflusses auf halberöbertem Gebiete und die Unmöglichkeit, jemals in Westrumelien ein „größeres" Serbien, Bulgarien, Griechenland oder Montenegro zu gründen: Noch vor etwa 50 Jahren wurde zum Beispiel im adriatischen Skutari nur Albanesisch und Türkisch gesprochen. Gegenwärtig ist die Handelssprache das Serbische, wie es in Monte negro gelehrt wird. Di« Bulgaren haben im Nord ostalbanien und die Griechen im Wilajet Janina jährlich riesige Summen für bulgarische und grie chische Schulen und nationale Agitationen geopfert. Alle diese Summen sind verloren, wenn die Alba nesen ihre Heimat vor dem weiteren Eindringen fremder Rassen schützen dürfen. 106. Zshr-sny Viens«-, ürn 20. Uugull ISI2 kJ In der vergangenen Nacht fand auf der Pforte ein außerordentlicher Ministerrat statt, der sich mit der Kabinetisfrage, den albanesischen Angelegenheiten und der montenegrinischen Frage be faßte. — Der ehemalige Kriegsminister Salin Pascha ist erneut zum Kriegsmini st er ernannt worden. Der Plan, Reschid Bei zum Minister des Innern zu ernennen, ist aufgegeben worden. Nunmehr gilt die Ernennung des ehemaligen Malis von Janina, des Albanesen Aly Nisa Bei, zum Minister des Innern als sicher. Eine Schlacht rwis:! en Türken und Montenegrinern. Cetinje, 20. August. Im Bezirk Berana ist seit gestern ein heftiger Kampf zwischen türkischen Truppen und montenegrinischem Militär im Gange. Längs des ganzen Gr-nzdistrikts ist starker Kanonen donner vernehmbar. Einzelheiten fehlen noch. Der Donner der Geschütze dauerte den ganzen Tag an. hak- unü perillnslnschrichten. * König Friedrich August begibt sich am 26. August nach Leipzig und wohnt am 27. August ü«r Paraoe bei Merseburg bei. * Der sächsische Kronprinz Georg wild am 1. Oktober d. I. bei der Leibkompanis des Lridgre- nadier-Regiments Nr. 100 zum aktiven Dienst «mtreten, dem der Kronprinz bereits jetzt als Lrur- nant zugeteilt ist. Im Jahre 1014 dürft« der Kron prinz seine akademischen Studie» auf einer oeuischen Universität beginnen und im Jahre 1915 an der Lanoeounioersitä't Leipzig fortsctzen, wo auch der Abschluß der Stüoien des Kronprinzen erfol gen soll. Die Bombenattentate bulgarischer Verbrecher, i Ueber die gegenwärtige Lage wird aus Kon- Uoberfälle bulgarischer Bandcnführer auf türkische f stantinopel gemeldet: 1882 in Genf geboren. Kuri nachdem Cantos Du mont seine ersten Luftiprünae ausführte und Farman der erste geschlossene Kreisslug gelang, widmete sich Audemars im Jahre 19^9 dem Flugwesen. Als be währtem Motorradfahrer, der manchen ersten Preis davontrug, so z. B. im Eoupe Monod, im Rennen des Deutschen Motorfahrcr-Verbandes im Forstcnricder Park bei München und in verschiedenen Bergrennen, z. B. auf dem Kesselberg und Semmering, war Audemars die Behandlung des Motors r>er« traut. Er steuerte zunächst einen Eindecker von Santos Dumont, der mit seinen 5,50 m Spannweite und 10 <gn Tragfläche noch heute der Zwerg unter den Flugzeugen ist. Mit dem bekannten Garros zu sammen verbesserte er diesen Typ der „Demoiselle" und brachte sie auf 130 l-m Stundcngejchwindigkeit, 1910 erzielte er auf der Flugwoche in Rouen mit dieser Maschine den zweiten Preis liir die schnellste Runde. Die mangelhafte Querstabilrtüt des Ein deckers machte ihn diesem Typ abtrünnig, und er wandte sich dem Eindecker Blöriots zu. Auf Blö- riot beteiligte er sich auch am englischen Rund fluge sowie an verschiedenen französischen Wett bewerben. Auf seinem Fluge Paris—Berlin steuerie er gleichfalls einen Blörioteindecker, der mit einem siebcnzylindrigen 100 ?. 8.-Em>me-Motor ausgestattet ist. Mit seiner jetzt vollbrachten Leistung stellte sich Edmond Audemars in die Reihe der großen Ueber- landflieaer Conneau (Beaumont), Vödrines, Helmut Hirth, Abramowitsch und Leutnant 2oly. Motor radfahrern dürfte bekannt sein, daß Audemars als Generalvertreter der Motosacoche-Motorradwerke in Zürich seinen ständigen Wohnsitz in Berlin hat. H- Im Pariser „Matin" spricht sich der Flieger Audemars über den liebenswürdigen Empfang, der ihm in Berlin, ganz besonders aber auf dem Militärflugplätze Döberitz von selten der deutschen Offiziere bereitet worden ist, sehr lobend aus. Eisenbahnen und Reisende und Grenzüberschreitun gen der Montenegriner mit blutigen Gefechten sind so häufig, daß solche Zwischenfälle in Konstantinopel gewöhnlich kaum noch beachtet werden. Erst die jüngsten Ruhestörungen verdienen aus oben genann tem Grunde ein reges Interesse. Auch die Griechen leiden unter der Einigung zwischen den Albanesen und den Türken, aber Herr Venijelos hält sie zurück, denn Griechenland braucht Ruhe zu seiner wacker fort schreitenden Entwicklung, und die Lehren des Krie ges von 1896 reden eine zu deutliche Sprache über die Stärkeverhältnisse zwischen ihm und der Türkei. Zu dem ist man in Athen davon überzeugt, daß nach Be endigung des italienisch-türkischen Krieges die Insel Kreta und vielleicht auch einige ägäische Inseln in den Besitz der Hellenen übergehen werden, und will sich bei den Großmächten daher nicht zur Unzeit uirüeliebt machen. Anders steht es mit den Bulgaren. Sie sind durch die lange, weife Regierung ihres Königs zu innerer und äußerer Stärke herangewachsen und füh len sich imstande, den Türken zu trotzen und das grö ßere Bulgarien zu erobern, das heißt albanesische Landesteile der Türkei, die einst, vor der Schlacht auf dem Amselfelde, den Bulgaren gehörten und nun von einigen hunderttausend ihrer Landsleute bewohnt werden. Auch stünde hinter ihnen rm Notfälle Ruß land, der starke Förderer des panslawistischen Ge dankens, als Schutzmacht zu rechtzeitigem Eingreifen bereit. Montenegro wartet nur auf die Kriegs erklärung Bulgariens, um sich über das Wilajet Skutari nach Südosten, also auf Kosten der Alba nesen, auszudehnen, und Serbien würde sich an dem Kriege der Slawen gegen fremde Nationen sofort be teiligen. Die Kriegsstimmung ist in Sofia unge heuer gewachsen, und es würde wohl zum Angriff auf den Halbmond kommen, wenn nicht Oesterreich- Ungarn und mit diesem gemeinsam allen anderen Großmächte an der Erhaltung des Statusguo auf dem Balkan und dem Schutze der Albanesen gelegen wär«. Es stohen daher energische Schritte der betref fenden Gesandten bei den Regierungen zu Sofia, Cettinje und Belgrad bevor. Der Tag ist demnach noch nicht herangenaht, an dem die Türken ihren Rückzug aus Europa antreten müssen, DLUtlches Reich. Sachsen und das Jesuitengesetz. Dresden, 19. August. Ueber die Stellung der sächsischen Staatsregirrung zu der neuen bayrischen Auslegung Les Jesuitengesetzes teilt die „Tägl. Rundschau" mit oaß Sachsen oieser Angelegenheit auch jetzt noch schroff ab lehnens gegenübcr- stehe. Die Vertreter Sachsens hätten auch im Bun desrate keine Zweifel über ihren Standpunkt gelassen und den Nachgeordneten Regierungsbehörden Sachiens sei erst vor einiger Zeit wieder die Auffassung der säch sischen Staatsregierung zu dieser Frage bekannt gegeben worden. Hiernach sei den Jesuiten nicht nur Paris-Berlin im Flugzeug. Als Mitbewerber um den „Pommery-Pokal" hat Edmond Audemars, wie bereits berichtet, die Strecke Paris—Berlin, mit Um- und Abwegen etwa 1000 km, zurückgelegt. Die Ungun t der Witte rung hat den kühnen Flieger um die Anwartschaft an den Preis gebracht. Dessen Bedingungen schreiben nämlich vor, daß der Flieger zwischen Sonnenauf gang und Sonnenuntergang 600 km zurückgelegt haben muß. Sturm und Regen hinderten ihn, die Strecke von Wanne bis Hannover, nicht ganz 200 Kilometer, noch am Sonntag zu fliegen und damit die vorgeschriebene Kilometerzahl zu er reichen. Trotzdem hat Audemars eine glänzende Leistung vollbracht, da die von ihm gebrauchte reine Flugzeit von Paris bis Wanne nur sechs Stunden beträgt. Einschließlich seiner Wartezeiten bei den Zwischenlandungen hat der Flieger den Weg von Paris nach Berlin in 34 Stunden 50 Minuten zurückgelegt, da er 7.55 Uhr am Sonntag früh in Jssy bei Paris ausstieg und am Montagabend 6,50 Uhr in Johannisthal bei Berlin landete. Ist schon diese Leistung an sich bedeutend, so wird sie es noch mehr vom militärischen Standpunkte aus, wenn man bedenkt, daß bei militärischer Organisa tion — Errichtung von Benzinslationen, besseres Kartenmaterial, Mitnahme eines ausgebildeten Begleiters — der Flug in etwa der halben Zeit zurückgelegt werden könnte. Ueber den Flug selbst hat sich Audemars verschiedentlich geäußert. Erfolgte schon der Aufstieg bei dichtem Nebel, so setzte während der Fahrt ein stürmischer Wind ein, der das Vorwärtskommen oft stark behinderte. Der ge fährlichste Teil des Weges war der Flug über die Ardennen. Seiten- und Rückenböen schaukelten den Eindecker und drückten ihn oft um 100 i» nach unten. Auch auf der Weiterfahrt in Deutschland zeigten sich Nebel und Wind sehr ungünstig. Daß Audemars trotzdem den Flug glücklich durchführte, beweist, daß er ein vorzüglicher Flugzeugführer ist. Edmond Audemars zählt zu den alten Kämpen des Kunstfluges, wiewohl er selbst erst 30 Jahre alt ist. Er ist am 3. Dezember * Zur Anregung des Grafen Verchkold. Wie der „N. pol. Korr." von diplomatischer Seite geschrieben wird, beruht die von manchen Blättern vertretene Auffassung, als handle es sich bei der Anregung des Grafen Verchtold um ein verpflich tetes Programm, auf einem Irrtum. Die Bedeutung der von dem Wiener Kabinett ergriffenen Initiative liegt darin, daß die Mächte zu einem Meinungs austausch aufgefordert werden, ob Erklärungen über eine Politik der Rücksichtnahme auf die christlichen Nationalitäten in der Türkei, in Konstantinopel, Sofia, Athen und Belgrad zweckmäßig erscheinen. Den näheren Inhalt solcher Erklärungen gegebenen falls festzustellen, soll eben die Aufgabe des Mei nungsaustausches sein. Es läßt sich annehmen, daß keine der Signatarmächte sich weigern wird, an der gemeinsamen Aussprache mit den anderen teil zunehmen. In dieser Aussprache wird jede Macht Gelegenheit finden, die Bemerkungen vorzutragen, zu denen der Gedanke des Grafen Berchtold ihr etwa Anlaß gibt. Die -rotze Ssrrlere. 35) Roman von A. von Klinckowftroem. (Nachdruck verboten.) Er zwang sich zum Lächeln und setzte sich in «inen der tiefen Sessel am Kumm. Die kleine Frau nahm auf der Seitenlehne dicht neben ihm Platz und stützte den Arm auf seine Schulter. Sie genoß immer noch das unschuldig« Vergnügen, mit ihrem Besitzrecht auf ihn zu paradieren, wenn sie, wie eben jetzt, mit Ausnahme der wenigen fremden Gäste, im Familien kreise blieben. „Wir sind nämlich zu Hause beinah Temperenzler, wir zwei," fuhr sie scherzend fort. „Mer mehr der Not gehorchend als dem eigenen Trieb. Sekt trinken wir nur auf anderer Leute Kosten, und dann gleich im Vorrat." „Das ist nun lächerlich, Katherl," ließ sich der alte Hausherr vernehmen. „Ihr könnt doch ganz gut leben. Du tust gerade so, als wäret Ihr arme Leute." „Arm? Im Gegenteil! Ich komme mir unmensch lich reich vor. Aber zum Champagner langt's doch nicht. Den brauchen wir auch gar nicht. Ich bin schon bei einem Quartel Bier immer wie im Rausch." Die Umsitzenden lachten. Jeder gönnte dem reizen den Ding das junge eheliche Glück von Herzen. Aber Haidek saß schweigsam da und konnte in sich nicht den korrespondierenden Klang aufbringen. Es kam ihm mit einem Male so merkwürdig, fast sündhaft vor, daß dieses kindlich« Geschöpf seine Frau sei und Rechte an ihn besaß. Gewiß, er hätte sie jetzt nicht mehr hergeben mögen, war ihr von Herzen gut und, als er sich mit ihr verlobte, ehrlich über zeugt gewesen, daß er frei sei von der anderen —. ganz frei. Aber er war es eben doch nicht. Das hatte er schon damals mit Schrecken s^fühlt, als er ihr bei der Heimkehr von der Hochzeitsreise im Eisenbahn wagen beg^nete, und jetzt — vorhin aufs neue. Trotz ihrer brutalen Worte und zur Schau getrage nen inneren Unkultur behielt sie für ihn den sinn lichen Reiz, den sie von jeher auf ihn ausgeübt. Es half nichts, daß er sich dagegen zur Wehr setzte. Mit einer Art Verzweiflung machte er sich's klar, daß er wieder völlig unter dem Eindruck ihrer sieg haften Schönheit stand, jetzt vielleicht noch mehr als in ihrer Mädchenzeit, denn sie konnte sie nun in dem Rahmen zeigen, der zu ihr gehörte. Mit zusammengezogenen Brauen starrte er vor sich hin und hörte wortlos die Neckereien mit an. welche der jungen Frau auf ihr Bekenntnis hin von feiten der Familie reichlich zuteil wurden. „Ich muß leider feststellen, daß du kein sehr inter essanter Gesellschafter bist", scherzte Kathi und zupfte ihn am Ohr. „Nach deiner düsteren Schilderung unserer pe kuniären Lage —", versuchte er lachend auf ihren Ton einzugchen. und erhob sich dann plötzlich rasch, denn der Landschafter kehrte mit Esther in den Salon zurück, und im Augenblick ging es ihn: instinktiv gegen den Strich, daß jene seine kleine Frau in dieser kindlichen und zugleich zärtlich vertraulichen Stellung sehen könne. Es sollte nun Musik gemacht werden, aber Haidek lehnte es ab. Klavier zu spielen. Er war nicht Herr seiner selbst, und, unter dem Dann einer starken Befangenheit, unfähig, auch nur einen musikalischen Gedanken zu finden. Pallinger jedoch kam der Auf forderung bereitwillig nach und setzte sich an den Flügel. Die Zigarette schief im Mundwinkel, ließ er seine schlanken Künstlerhände zuerst leicht, beinahe liebkosend über die Tasten hingleiten, um schließlich bei einem Thema zu bleiben, das er mit glänzenden Variationen und absurden Uebergängen umrankte. In solchen Momenten pflegte Esther stets den großen persönlichen Charme zu empfinden, den ihr Mann besaß, und der ging auch jetzt nicht spurlos an ihr vorüber. „Warum kann ich ihn nicht lieb haben?" dachte sie. „Wer so spielen kann, — wer das in sich hat, der muß doch liebenswerte Eigenschaften besitzen. Liegt es an mir, daß ich die nicht bei ihm aus zulösen verstehe? — Warum mußte der andere da in mein Leben treten — gerade heute hier sein?" Sie vermied jeden Buck nach Haidek hin, und auch er tat das gleiche ihr gegenüber, blieb sich jedoch ihrer Gegenwart peinlich bewußt. Ohne die Augen aufzuschlagen, sah er im Geist die prachtvollen Linien ihrer Gestalt, den stolzen Ansatz des schmalen Schwarzkopfes, die sanft abfallenden Schultern. Um 11 Uhr brach dann alles auf. denn der alte Graf vertrug keine späten Stunden mehr. Kathi, welche, wie gesagt, heute auf seinen Wunsch hier die Hausfrau spielte, trat neben ihren Großonkel, um die Verabschiedung der Gäste entgegenzunehmen, und Haidek stand etwas abseits und sah ihr dabei zu. Für jeden fand sie ein liebenswürdiges Wort, ein Lächeln, ein« graziöse herzliche Wendung. Wahr haftig, wenn es darauf ankam, war sie ganz die vor nehme Dame, die mit einfachster Natürlichkeit zu repräsentieren verstand, wie geschaffen zur Frau eines Mannes, der in der ganz großen Welt eine Rolle zu spielen gedachte. Er könnt« sich in dieser Be ziehung zu seiner Wahl beglückwünschen. Sic war eben in seinen Kreisen zu Hause, beherrschte deren Formen von klein auf, und trug obendrein immer die ganz persönliche herzenswarme Note hinein. Jetzt gingen auch die Pallingers. und in dem Augenblick zeigte sich Esther nicht von ihrer vorteil haftesten Seite. Verlegen und etwas linkisch streckte sie der anderen die Hand entgegen, und wußte auf deren freundliche Bemerkungen nichts zu erwidern. O, sie hatte sich ja im allgemeinen Aplomb und Ge wandtheit genug angeeignet, nur gerade dieser jungen Frau gegenüber ließen jene Errungenschaften sie im Stich. Und dann schritt sie überhastig an Haidek vorüber, als habe sie seine Anwesenheit übersehen. Da hob Kathi erstaunt den Kopf, denn ihr Gatte gehörte eigentlich nicht zu den Menschen, die man überging. Ihr« Augen folgten befremdet der Da vongehenden, und in einem der großen Spiegel, die zu seilen der Tür zum Vestibül hingen, fing sie zu fällig di« Blicke ihres Mannes auf, welche ebenfalls hinter Esther herwanderten. Sie erschrak? Was war das? Was lag denn in diesem Blick? Den hatte sie noch ni« bei ihm ge sehen. Aber da wandte er sich auch schon ab und begann ein gleichmütiges Gespräch mit Vetter Fred. Vielleicht hatte sie sich getäuscht. Und überhaupt, — Kathi hatte gar nicht klar zu sagen gewußt, wes halb ihr der Ausdruck in ihres Mannes Gesicht aus gefallen. Außerdem mußte sie Professor Maurer Rede und Antwort sieben, der sic und ihren Mann zu seinem nächsten Ateliertee einlud, und die Selbst beherrschung war ihr von klein auf zur zweiten Natur anerwgcn worden. Niemand hätte es ihr angemcrkt, daß sie eben einen ganz kleinen Schrecken gehabt. Auf dem Heimweg zeigt« sich Haidek sehr aufge räumt, war voll Rücksicht für seine Frau, zog ihren I Arm in den seinen und trug ihr Fächer und Hand täschchen. Sie schmiegte sich an ihn und freute sich an seinem straffen, elastischen Gang. „Ich glaube, ich war heute ein bißchen unlieben?- würdig," meinte er heiter. „Onkel Hugo wird einen netten Begriff von mir bekommen haben." „Na, es ging an. Tu kannst freilich schon an genehmer sein. — Was war dir denn, Wolf?" „Gott — die vielen Leute. — Ich hatte mich auf ein kleines intimes Diner im Familienkreis« gefaßt gemacht, und nun waren so viele Fremde da. „Nur sechs. Junge. Di« anderen gehörten doch alle zur nächsten Verwandtschaft, und Maurer ist ein so intimer Freund von Onkel, daß man den auch schon halb und halb zur Familie rechnet." „Ja, apropos! Ich Hütte, daß du eine Einladung von ihm annahmst? „Ist es dir nicht recht?" „Ganz offen gestanden, liebes Herz —" — Es fiel ihm ein, daß der Professor auch di« Pallingers auf gefordert hatte. — „Ich habe gerade jetzt den Kopf voll, möchte meine militärisch« Arbeit vollenden und bin nicht sehr auf Geselligkeit erpicht. Je mehr Ruhe du mir läßt, um so dankbarer wäre ich dir." „Dann sagen wir also ab." „Geh du doch allein hin, oder mit dem Onkel. Du mußt deine Hugcndfreuden haben." „Ohne dich macht's mir keinen Spaß. Ich habe ja meinen Amüsicrwinter als Mädchen gehabt. Jetzt ist mir unser Zusammensein zu zweit in unserer Häuslichkeit das Wonnigste von der Welt." Er drückte ihren Arm leicht an sich und scherzte ein wenig mit ihr. Das kostete ihn nicht einmal Ueberwindung, denn sie ging immer so drollig und niedlich auf alles ein. und er freute sich, wie ihr Lachen hell auftrillerte. Dieses frohe Kinderlachen tat ihm gut. „Soll ich uns noch einen Tee machen?" fragte Kathi daheim eifrig. „Das magst du ja gern." „Nein, danke. Weißt du, ich möchte nach diesem verlorenen Abend noch ein stilles Nachtstündchen am Schreibtisch haben. Geh du nur schlafen." Sie fügt« sich sofort, half ihm aus dem Waffen rock heraus und in die warm« Hausjoppe hinein und gab ihm den Gutenachtkuß. Das war auch ein Angenehmes an ihr, daß sie niemals schmollte. Sogar die grünbcschirmte Arbcitslamp« auf dem Schreibtisch zündete sie noch rasch an, damit er nur sein Behagen haben solle. 1 (Fortsetzung in dec Morgenausgabe.)
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