Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PrönumnationS- PreiS 22j Sgr. (j THIr.) vierteljährlich, Z Wr. für La» ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf dieses Beiblatt der Allg. Pr. StaatS- Zcitung in Berlin in der Expedition (FriedrichS-Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl. Post-Mintern. Literatur des Auslandes. 83. Berlin, Mittwoch den 17. Juli 1839. Griechenland. Die älteren Reisen in Griechenland. Nach der Husrterl)' Revier. Es ist eben so befremdlich als beklagenswerth, daß die Neu gier der Reisende» eine lange Periode hindurch nur äußerst selten dem Griechischen Lande sich zugewendel Hai, obschon diese-, noch abgesehen von seiner Natur und seinen Erinnerungen, immer viel zugänglicher war, als eine Menge anderer Länder. Die mit Gleichgültigkeit gepaarte Nnkcnmniß des heutigen Zustandes von Hellas Hai so lange forlgedauerl, daß selbst in dem Riesenwerk« Pinkerion'S, welches zu Anfang dieses Jahrhunderts erschien, der ganzen Halbinsel nur Line Seite gewidmet ist und namentlich Athen mit einer halben Zeilen abgefenigt wird, aus der wir fol gende wichtige Thalsache erfahren: „Alini, das alte Athen, Hai eine geringe Bevölkerung." Bis zum Jahre 1678 war Griechenland dem westlichen Europa so fremd, wie Pompeji und Herkulanum. Allerdings haue ein Bürger von Ankona, Namens Ciriaco de' Pizzicvlli, mehr als zwei Jahrhunderte früher eine Reise dahin gemacht, um Griechische Inschriften zu suchen, auf die er in solchem Grade erpicht war, daß er, als ihm auf seiner Heimreise ein anderer Passagier von dem Daseyn eines antiken Kunstwerks erzählte, das er noch nicht gesehen, sogleich das Schiff verließ und, nach der Griechischen Küste zurückgckehn, achtzig Migiien weit ins Innere vordrang, um das Monument zu untersuchen. Aber sein Jtinerarium, welches eine kurze Erzählung seiner Reise in Griechenland und anderen Gegenden enthielt, blieb dreihundert Jahre lang als Manuskript liegen und ivurde erst 1742 in Florenz gedruckt. Aus dem ganzen I6len Jahrhundert haben wir keine Erzählung von einer Reise in Griechenland; und das einzige Dokument, welches uns über den damaligen Zustand des Landes einige Nachricht giebi, ist ein Buch umer dem Titel 'I'nrcn-Kraoem. Es erschien 1784 in Basel und enthält eine Geschichte des bürgerlichen und kirchlichen Zustandes von Konstantinopel im 1Sien und I6len Jahr hundert, abgefaßt von Griechischen Einwohnern der Stadt, nebst einer Sammlung von Briefen, die mehrere daselbst wohnhafte Griechische Gelehrte an Marlin Crusius, einen Schüler Me< lanchihon's und Professor der Griechischen und Lateinischen Sprache in Tübingen, schrieben. Einer dieser Korrespondenten — ein Eingeborner von Nauplia — versichert dem Tübinger Pro fessor, alle Weisheit, Wissenschaft, Kunst und Tapferkeit scyen aus Griechenland gewichen; ja, die Musen selbst hätten den Parnaß und Helikon verlassen. Er macht sich Vorwürfe darüber, daß solch ein Schutthaufen, wie Athen, ihn bewegen könne, viele Worte zu verlieren. „Warum", so ruft er aus, „warum ver weile ich bei der Beschreibung dieses Orics, der mit dem Fell eines längst vermoderten Thieres zu vergleichen ist!" Aus seinen mündlichen Nnterhäliungen mit einem anderen Griechen zieht Crusius selber bei, Schluß, daß „in Hellas kein Hellas und in Athen kein Athen mehr existire." Die angeführte Stelle und noch viele andere Stellen des Buches, worin die Verfasser den liefen Verfall ihres Vaterlandes innig beklagen, mußten, wenn die „ll'ureo-Orueciu" zu ihrer Zeit wirklich Beachtung fand, jedes reiselustige Individuum von dem klassischen Boden ab- schrecken oder wenigstens seine Lust verkühlen. In dem Zeiträume von 1L84 bis 1678 erschienen nur zwei oder drei magere Notizen über Griechenland, und diese wimmeln so sehr von Erdichtungen und Abgeschmacktheiten, daß inan mit Recht annehmen darf, ihre Verfasser würden nimmermehr ge wagt haben, so etwas zu schreiben, hätte nicht die Unwissenheit ihrer Zeitgenossen sie vor jeder Beschämung sicher gestellt. Die folgende Notiz über die Akropolis von Athen (der ^rcbasulogia Vttica, Oxford 1671, entlehn,) würde von Münchhausen selbst schwerlich übertroffen werden. Sie lautet also: „Diese Citadelle ist jetzo die Zuflucht der barbarischen Aihenienser, und zwar liegen an die siebenmalhusiderttausend Janftscharen darin, wie Christophorus Angelo mir erzählt und versichert." Mil Ausnahme der an Crusius gerichieien Briefe, besitzen wir keine ältere Notizen über Athen, als die von Deshay cs und Guilleliere. Der Erstere ging 1621 als Französischer Botschafter nach der Pforte ab; der Andere will Griechenland im Jahre 1669 besucht haben. Auf Monsieur Deshayes ließe sich die Desinition Sir Henry Wollon's anwenden: „Texstun «8t vir bonus pere^re mi88U8 aä mentiemluui reipublicao csu8a." Die Genauigkeit seiner Beobachtungen mögen unsere Leser aus der Thalsache ermessen, daß er das Parthenon „ein ovales Gebäude" nennt, „welches weiland dem unbekannten Gone, dessen Altar Sankt Paulus gesehen, errichtet gewesen scy!" Was Guilleliere beiriffl, so war dieser höchst wahrscheinlich eine rein erdichtete Person. Seine „Vozago ä'4ttben«8 et «Io Oanäie" wurde 167!» in Paris gedruckt. Der Herausgeber, ein gewisser Guillet, sagt uns in der Vorrede, daß der Autor, sein Bruder, schon in zartem Alter Frankreich verlassen habe, nach einer Reihe von Abenteuern auf dem Mittelländischen Meere durch ganz Griechen» land gewandert und bis jetzt noch nicht heimgckehn sey. Das Buch enthielt übrigens nur einen Theil der Griechischen Reise des angeblichen Guilleliere, und erst im folgenden Jahre erschien die Fortsetzung unter dem Titel: l,aoeileuwno Lucienne et Xou. veile. Spon, der Achen im Jahre 1676 besuchte, sagt in seiner Reise (Amsterdam 1679), die Berichte des Herrn Guilleliere seyen „ein wenig krankhaft und bedürften des Arztes"; auch könne dies Niemanden Wunder nehmen, da der Verfasser nur sieben Tage in Athen verweilt habe. Viel weniger glimpflich lauter seine Replik auf eine Gegenschrift Guillet's, der die Wahrheits liebe seines angeblichen Bruders in Schlitz nahm. Spon sag« in jener Replik unumwunden, er Halle Guille« für einen Betrüger, und bestreiicl die Existenz eines Guilleliere, dessen vorgebliche Reisen er als ein bloßes Flickwerk von Erdichtungen und dürren Belehrungen aus zweiter Hand darstellt. Tavernier, ein Landsmann und Zeitgenosse Guillci'S und zu seiner Zeit ein außerordentlicher Reisender, der auf seinen icchs Reisen nach Persien und nach Ostindien mehr als 60,00« Französische Meilen durchwandert zu haben behauptet, giebt uns auch einen kurzen Bericht über Achen (zuerst erschienen 1679), worin er fast eben so viele Jrrchümcr als Thalsache» zusammen- gedrängt hat. Die siebzehn Säulen des Jupiter-Tempels, von denen sechzehn noch jetzt stehen, sind nach ihm die Ueberreste von dreihundert Säulen, welche einst zum Palaste des TheseuS, des ersten Königs von Athen, gehörten. Es dürfte dem Leser wohl Belustigung gewähren, seine Beschreibung des Parthenon zu lesen, in welcher Jklinos sein eigenes Gebäude schwerlich wierderekenncn würde- „Das Schloß enthält einen sehr schönen und sehr geräumigen Tempel, der von Oben bis Unten ganz aus weißem Marmor er baut ist und von sehr schönen Säulen aus schwarzem Marmor und Porphyr gestützt wird.... Rings um den Tempel und auf dem Dache, das ebenfalls ganz aus sehr geschickt zusam mengefügten Marmorplatten besteht, gewahrt man alle schöne Waffenihaien der alten Griechen in Basrelief, und jede Figur ist ungefähr drixehalb Fuß hoch. (!) Eine schöne Galerie, auf der vier Personen in einer Reihe gehen können, umzieht den Tempel. Sie ruht auf sechzehn Marmorsäulen.... Zn diesem Tempel gesellt sich (!) ein sehr schöner Palast aus weißem Marmor, der aber jetzt in Trümmer zerfällt." Allein Tavernier ist wenigstens von der Seite zu rühmen, daß er keinen Anspruch auf archäologische Kenntnisse macht, die er nicht besitzt. Er war keiner von den Reisenden, zu welchen die Steine reden; ja, seine Unwissenheit paarte sich öfter mit profaner Geringschätzung. So bemerkt er in seiner Vorrede bei läufig, er habe auch einmal einen kleinen Abstecher gemacht, um die Ruinen von Troja zu sehen; und setzt dann — hyrresciwus rtcksrento« — hinzu: „Ott tt'z« vnit gno ile8 Pierre«, ce gui ns vaut n»8 N8kurement la peine, «I aller zunguo lü." Der Engländer George Wheler und sein Reisegefährte Jakob Spon aus Lyon, welche Beide im Jahre 1676 Athen besuchten, haben uns die einzige genaue Schilderung von dem Zustande dieser Stadt vor der Veneiianischen Eroberung (1688) geliefert. Spon war, wie er in seiner Dcdicaiion an den Pater la Chaise (Ludwig'« XIV. Beichtvater) selbst gesteht, ein so en thusiastischer Freund des Alienhums, daß er für moderns Eitel keiten weder Augen noch Ohren Hails. Mit dieser leidenschaft lichen Sucht, in alten Ruinen herumzukriechen und verwitterte Inschriften zu entziffern, hat er den Liebhabern frischer und ange nehm zerstreuender Lektüre, wie man sich leicht denket, kann, eine» schlechten Dienst erwiesen. Aber selbst in seinem Lieblingsireiben ist er, wie cs allzu einseitigen Leuten gewöhnlich gehl, oft ei«