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Mer Tageblatt 2ö. Jahrgang Sonntag, äen ZI. Mai 1931 -E-- Anzeiger Mr öas Erzgebirge <«ch-u«» »I, amHIchni »«kimümichmv« «M, »«««K «>» »" « Nr. 124 Neue Notverordnung - neue Steuern Die Beratungen desSieichskabinetts — Krilensteuer svr die höheren Einkommen — Weitere KSrruyg der Beamteugehiilter Berlin, 29. Mai. TvS RetchSkabtnett ist heute vormittag um 11 Uhr zu der Sitzung zusammengetre ten, in der e« sich zum ersten Male mit den VorMM- gen beschäftigt, die der au» Kanzler, Reichsfinanz- und NeichSarbeitSminister bestehende KabtnettSausschuß für die neue Notverordnung gemacht hat. Es ist nicht da- mit zu rechnen, daß die Beratungen schon heute zu «nde geführt werden können. L«zu ist die ganze Ma terie viel zu schwierig. Der Reichskanzler empfing erneut die Führer der Sozial, demokratie Berlin, 29. Mai. TaS Reichskabinett hat die heute früh begonnene Beratung der Notverordnung heute nachmittag fortgesetzt. Es ist um 4 Uhr erneut zn einer Kabtncttssihung zusammengetreten. Um 6 Uhr abends empfing der Reichskanzler T«r. Brüning ver Inhalt Ser Berlin, 29. Mai. Tiie Beratungen des ReichS- kabtnetts über die neue Notverordnung werden mor gen fortgesetzt werden, jedoch ist mit einem Verhältnis- mäßig baldigen Abschluß zu rechnen, da sich an dem vom Kanzler vnrgelegten Plan wahrscheinlich nicht allzuviel ändern wird. Tier Zweck der Notberorde- nung ist, ein Defizit in Höhe von 730 Millionen zu decken. LvS wird voraussichtlich auf folgende Weise geschehen r Im Mittelpunkt steht . die neue Krisensteuer, die vom Zeinen Einkommen erhoben wird. Dabei wird nicht die ursprünglich in Aussicht genommene Grenze von 8400 RM innegehalten, sondern eine w«i- sentlich tiefere Grenze, so daß auch die höheren Stufen der Lohnsteuer mit rinbezogen werden. Es findet eine Staffelung von 1 bis 6 v. H. statt. Täese Krisen steuer soll etwa 400 Millionen erbringen. Die Kürzung der Beamtengehalter wird voraussichtlich! zwischen 4 und 8. v. H. liegen und wird schätzungsweise 60 bi» 70 Millionen er bringen. Eine Tvppelbelastung der Beamten kommt nicht in Frage, sondern Beamte werden lediglich mit der direkten Kürzung ihrer Gehälter erfaßt und Krisen steuer hat ein Beamter nur dann zu zahlen, wenn er außer seinem Beamtengehalt etwa noch ein bssondere» Einkommen, z. B. au» dem Ertrag eines Privawer- mögens bezieht. Die Abstriche an den Sachausgaben des Etats belaufen sich auf etwa 110 bis 120 Millionen, dar unter 60 Millionen bei der Reichswehr. Die Ersparnisse an der Krisenfürsorge und an den Krieg»- beseh ädigtenrenten belaufen sich.zusammen auf unge fähr 130 Millionen. Ferner kommt eine Steigerung der Zuckersteuer um 120 Millionen in Betracht, so daß diese Steuer, die im Etat mit 150 Millionen eingesetzt war, insgesamt 270 Millionen er bringen soll. Schließlich treten Aenderungen in der Tabaksteuer und in der Benzinsteuer ein, die einen Mehrertrag von etwa 90 bi» 100 Mil lionen bringen sollen. Die Summe aller dieser neuen Einnahmen bezw. Ersparnisse beläuft sich auf etwa 9 30 Millionen, so daß gegenüber dem Defizit von 730 Millionen ein finanzieller Spielraum von rund A00 Millionen bleibt, den die Regierung aber angesichts der Unsicherheit der Steuereingängs Md angesichts der bevorstehenden RcparationSvechandlun- gen dringend benötigt. Wenn man diesen Spielraum nicht hätte, müßte man mit der Möglichkeit rechnen, daß nach Ablauf einiger Monate vielleicht wieder neue Maßnahmen zur Deckung eines neuen Defizit» er forderlich sein würden. Die Arbeitslosenversicherung steht al» autonome Versicherungsanstalt außerhalb die ser Rechnung. Lite Meldung eine» Berliner Mittags blatte», da» zu berichten wußte, daß ans Anregung de» ArbettSmtnister» Stegerwald eine Herabsetzung der Beiträge in der Arbeitslosenversicherung erfolgten sollt«, ist vollkommen falsch, e» wird dieüaehr die Führer der sozialdemokratischen Retch»tag»fraktton, Dir. Breitscheid und Dr. Hertz, zu einer erneuten Be sprechung. Sie hatten offenbar den Wunsch, sich vor ihrer Abreise nach Leipzig über den Stand der Dinge zu unterrichten. Keine Herabsetzung der Beitrüge für die Arbeitslosenversicherung Berlin, 29. Ma«. Die Meldung eines Berliner Mittag«, blatte», das Reichskabinett beabsichtige, die Beiträge für di« Ar beitslosenversicherung um zwei Prozent zu senken und einen Aus gleich durch Einbeziehung der bisher nicht versicherten höheren Einkommen (8409 Mart) zu schaffen, ist, wie wir von unterrich. teter Seit« erfahren, falsch. Es ist völlig ausgeschlossen, daß durch die Einbeziehung der höheren Einkommen nicht nur di« Sanierung der Arbeitslosenversicherung sondern auch eine KerabsetzuiH der bisherigen,Beiträge ermöglicht werden kann. vswersraming , wahrscheinlich eine Erhöhung dieser Beiträge.um 1 bi» 1,5 v. H. eintreten. * Zu diesem Programm ist ferner zu bemerken, daß neben der bisheriger. Einkommensteuer und neben der neuen Krisensteuer, die ein« Erweiterung der Etn- knmmenste'lsr darstellt, voraussichtlich auch der fünf- prozentige Zuschlag zur Einkommensteuer Wetterbe stehen bleibt, der durch die Notverordnung vom Juli vorigen Jahre» eingeführt wurde. Me Ersparnisse, die bei der Krtsenfürsorge in Aussicht genommen sind, werden im wesentlichen durch Einführung einer Be- dürstigkeitsprüfung bei der Krtsenfürsorge erzielt wer den. Die Neuordnung der Besteuerung de» Tabak» wird im wesentlichen in der Wiederherstellung des Einzel- Das Programm der internationalen Ardeitskoalerrnz Genf, 29. Mat. Auf der internattonalen Ar- beitskonferenz wurden heute vormittag die technischen Vorbereitungen für die Abwicklung des Programms fortgesetzt. Die Vollversammlung beschloß die Ein setzung von fünf Ausschüssen. Bet der Festsetzung der Zahl der Mitglieder der Kohlenkommission entspann sich eine kleine Geschäftsordnungsdebatte, in der schon bet dieser Gelegenheit ein« der Schwierigkeiten be züglich der internationalen Regelung im Kohlenberg bau, zutage trat. 'Der deutsche Arbettgebervertreter beantragte, den vorjährigen Ausschuß, der au» 48 Mit- gliedern bestand und in dem nur europäische Staaten vertreten waren, zu erweitern, damit die Möglichkeit bestehe, jetzt auch die Ueberseestaaten mit Bergbaus interessen heranzuztehen. Die Arbettgebervertreter Südafrikas und Japan» erklärten, daß sie an der Frage nicht interessiert seien und nicht den Wunsch hätten, in der Kohlenkommtsston vertreten zu sein. Die Kon ferenz hat beschlossen., e» bei der ursprünglich vor gesehenen Zahl von 48 Mitgliedern der Kühlenkom- mtsston zu belassen. Die grundsätzliche Frage, ob da» zu schließende Abkommen auf Europa beschränkt blei ben soll, wird von Arbeitgebers«^« auf der Konferenz später bestimmt noch einmal angeschnitten werden. Heute nachmittag und am Sonnabend werden sich die Kommissionen konstituieren. Dr. Braun» trifft heute abend in Genf ein. Er wird sich zunächst von seinem Vertreter, Ministerialdirektor Dr. Sitzler, über den Stand der fragen unterrichten lassen. Dr. Sitzler wird sodann am Sonnabend für einige Tage nach Berlin reisen, um dort an wichtigen Beratungen teib- zunehmen. Wie noch gekannt wird, werden di« Ro- gierungsvertreter und die Arbeitnehmervntreter der englischen Delegation am Mittwoch Genf gleichfalls für einige Tage verlassen, um in London bet «erhandt- lungen über Arbeit-zeitsragen anwesend zu sein. Am Montag Empfang der Beamten Lei« Kanzler B « rlin, 80. Mai. Reichskanzler Dr. Brüning wird dem .Tageblatt" zufolge die Führer sämtlicher Spitzen verkauf» von Zigaretten und einer stärkeren steucht, ltchen Belastung der »Zigarren bet einer gleichzntttgen Entlastung der Zigaretten bestchen. Durch diese »io- schiebung glaubt «an eine wesentliche Erhöhung der fiskalischen Einnahmen erzielen zu können. Fall» der ganze SanierungSPlan, wie er im vorliegenden in seinen Grundlagen skizziert tst, im Kabinett keine wesentlichen Veränderung»» mehr er fährt, so würde durch diese Maßnahmen di« Deckung de» gesamte« Defizit» ermöglicht werden und darüber hinaus würde «an Reserven, also eine Art „Notfonds" in Höh« von rund 200 Millionen RM haben. Eine solche Maßnahme wird in Regierungskreisen für au»retchend gehalten, um die Reichssinanzen für da» gesamte Etaffachr 1930/31 auf eine sichere Grundlage zu stellen. Man nimmt demnach! an, daß die hierin vorgeschenen Re serven ausreichen, um in absehbarer Zeit kein« neue« finanziellen Maßnahmen mehr ergreifen zu müssen. A «er «riete Berlin, 30. Mai. WTB. meldet heute mitt«,: Da» ReichSkabiuttt setzte heute die Beratungen über die neue Notverordnung sott. Die Notverordnung wird 25 neue Gesetze umfassen und die Reich»regieru«g hat da» Bestreben, die Lasten und Opfer möglichst gerecht zu ver- teilen. Da» erklärt sich auch au» der Staffelung bet der Kürzung der Beamtengehilter und bei der Krtsensteuer. Die Gehaltskürzung wird sich Praktisch mit 4 bi» ü Pro- zent, die Krisensteuer mit 1 Li» 2 Prozent «»»wirken, und die Mutmaßungen, die in der Oeffentlichkeit anaestellt wer den, find daher teilweise al» übertriebe« anzusehen. Die Krisensteuer beginnt mit 1 Prozent bei Einkommen von vielleicht 3600 Mark und erreicht bei Einkommen von 8000 Mark etwa eine Höhe von 1,5 Prozent, um nur bet den großen Gehältern eine Höhe von etwa 5 Prozent zu er reichen. verbände der Beamtenschaft am Montagvormittag emp fangen. Eine Konferenz der Ministerpräsidenten geplant Berlin, 30. Mai. Die Ministerpräsidenten der Länder werden, wie die „Dossische Zeitung" berichtet, vor aussichtlich am nächsten Dienstag in Berlin zu einer Kon ferenz zusammentreten, um über die endgültigen Beschlüsse des Kabinett» unterrichtet zu werden. Obwohl da» Sa- nierungSprogvamm durch «ine Notverordnung de» Reichs präsidenten in Kraft gesetzt werden soll und bet dem Reich»- Präsidenten die letzte und allein maßgebende Verfassung»- rechtliche Entscheidung liegt, sollen die Länderminister vor her unterrichtet werden. Einberufung der Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei Berlin, 29. Mat. Die Reich-tagSfraktion der Deutschen Volkspartei ist von ihrem Vorsitzenden für kom menden Montag zu einer Aussprache über die politische Lage einberufen worden. Die Bemühungen um die BrotpreiSsevkung Berlin, 29. Mat. Nachdem, wie schon gemeldet, von den Kölner Brotfabriken und Konsumgenossenschaften in allernächster Zeit die Preise für Graubrot von 50 auf 47 Pfennig und für Schrotbrot von 36 auf 34 Pfennig herabgesetzt werden, haben sich nunmehr, wie der Amtlich« Preußische Pressedienst meldet, auch die Kölner Bäcker dieser von der preußischen StaatSregierung eingeletteten Aktion in vollem Umfange angeschlossen. Die Sanierung der Oesterreichischen Kreditanstalt Wien, 2S. Mai. Nach einer Mitteilung der VZZ. haben sich zehn der größten Zentralbanken bereit erklärt, der Oester- reichtschen Nattonalbank «inen Devisenkredit zar Verfügung zu stellen, der in vetbtndung mit den übrigen Mitnahmen au«, reichen wird, die Stabilität der österreichischen Währung auf- rechtzuerhalten. Nach Mitteilung der Oesterreichischen Rational bank wird al» Vertreter der au,ländischen EllLubtger Prof, »ist von der Sank von Frankreich Lei der Oesterreichischen Krrditan- statt al» Lussichworgan fungieren.