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Dresdner Journal : 19.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188711198
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871119
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871119
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-19
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 19.11.1887
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Sonnabend, den 19. November, abends. M2«8 UvriUnprvlir I». Gnat»««» 4«uc,rv«^ L«loit« ! 6LtirIjot>! ... 18 Kcuk. ^jLkrliok: 4 ÜO Pf. Liorvto» ^amiuvro: IO Lk. 4n»»«rv»tdä«i,6vott«:t>«o ttsicks« tritt koit- uu6 8tiutp«I»u»odl»js tiüua. ^i»Kt.«6t^iui^8^«!bttt>»«-L r t'är 6«o 1t.iteiiu «iu«r ^««pitltvoso 2«il^ üli-insr Beitritt 20 Lk. tlotvr, ^,uG«,8i«i>6t" 6iv itvils KOLt. U«i HlisUva- Hori /:lüiu«^tL eotn^r. ^uk»oti1»8 N es-llerIounm!. Lr8vtl«li»en r IL^Iind mit ^aiar»üui«j 6sr 8i-rui- uml k'yivrtt^s »beoä». I<>raspr«oti ^Q»viilu»»: Rr. tivb. Für di« Gesamtleitung verantwortlich: Dito Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. 1887. TllLnkw« «»» Loktlaät^M»re» »«vLrl«» l^iprlG: LreidtciÄ etter, LoounüuuvvLr ä« l)rv«1llvr 6ourv»t»; S»md«rG->«rU»-Vi«» I-«1p»tG L»»«I->r«»t»» ^r«»1tt«rt «. N ; 7/aa«ert«te»n L L«rU» Vi«»-L«wd»rM- er«G-l^ip,tG rruLtiu-r ». ». »iU>ev«o: M««,- k«rt» l.ooäo» -r«rU» -rr«itLt»r» « N. »tattG«N: /-<»«-« «e t/'o8«rUn: ovrUU: k/. Lkatter« A'aL/i/vtAer, Smoor«,: Le^ü«t«r,' U«N» «. >., /. L«rct tÄ U » r » u » x v d « r t Kipsäitioo 6s» l)r««6u«r 6oanutti, l)rv»6vo, /viosksrntra«»« SO. ksrusprsolt-^Lsollit»» l^r. 12VS. Amtlicher Ttil. Den schon vor dem Erscheinen der Notariatsord- nunc, als Notare immatrikulirten Rechtsanwälten Jo- bann Georg Einert, Justizrath Konrad Ottokar Hoffmann, Hermann Wanckel und Alexander Zink et sen, allerseits zu Leipzig, ist — einem Jeden für die Zeit, während welcher derselbe seinen Wohnsitz in Leipzig behalten wird — die Besugniß zu Ausübung des Notariats in dem durch die Notariatsordnung vom 3. Juni 1859 bestimmten vollen Umfang ertheilt, auch sind die Rechtsanwälte Justizrath Or. Richard Otto Robert Enzmann, Johannes Theodor Ham mer, i'r. Gottlob August Oppe und Justizrath Max Richard von Stern, allerseits zu Chemnitz — unter gleicher Beschränkung bezüglich des Wohnsitzes — in Gemäßheit der Notariatsordnung zu Notaren ernannt worden. Bekanntmachung, eine Erweiterung der Befugnisse des Aichamtes zu Bernsbach betreffend, vom 14. November 1887. Im Anschlusse an die Bekanntmachung, die Er richtung eines Aichamtes in Bernsbach betreffend, vom 18. Juli 1884 — Gesetz- und Verordnungs blatt S. 197 — wird hiermit zur öffentlichen Kennt- niß gebracht, daß die Befugnisse des Aichamtes zu Bernsbach (Ordnungszahl 25) auf das Aichen metallener Trockenhohlmaaße aller zulässigen Größen erstreckt worden sind. Dresden,den 14. November 1887. Ministerium des Innern v. Nostitz Wallwitz. Müller. Nichtamtlicher Teil. NelegrcrpHiscHe WachrrcHLen. Berlin, IS. November. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der russische Botschafter Graf Schuwaloff empfing noch gestern abend den Schwarzen Adlerordev. Bei de» Diner trank Kaiser Alexander dem Fürsten Bismarck noch besonder» sehr freundlich ru. Heute vormittag war Prinz Wilhelm beim Fürsten Bismarck. Königsberg, IS. November. (Tel. d. Dresdn. Journ) Die Schiffahrt für Segelschiffe ist ge- schloffen. Pari», 18. November, abends. (W. T. B.) Die äußerste Linke verblieb in einer von ihr ab- gehaltenen Versammlung bei dem Entschlusse, mor gen eine Interpellation an die Regierung zu rich ten, und beauftragte Elemenceau mit deren Be gründung. Der Ministerpräsident Rouvier wird, wir anS Regierungskreisen verlautet, nicht darauf eingrhen, daß die Interpellation Clemenceau mor- gen beraten werde, vielmehr beantragen, daß die Beratung auk den 24. d. Mts. vertagt werde. Mehrere republikanische Gruppen der Kammer haben sich bereits für die Vertagung der Beratung ausgesprochen, man glaubt, daß auch die Rechte die Vertagung unterstützen werde und hält deshalb einen zustimmenden Beschluß der Kammer für wahrscheinlich. Paris, 19. November. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Dem „Journal des Döbats' zufolge gab Grövy im Verlaufe cime Gesprächs mit verscdiedenen politischen Persönlichkeiten der unverweigerlichen Feuilleton. Frieda. Erzählung von B. Mercator. (Fortsetzung.) Frieda nickte bejahend und reichte Paul das dritte Fleischbutterbrot, erhielt es aber umgehend zurück mit der beschämenden Bemerkung: „Du SchafI Du hast mir ja den Braten auf die trockne Seite gelegt!" Ein Glück nur, daß Frau Selma hocheifrig nach Wally hinhörte, die eben erzählte: „Nun, mich fand er übrigen« nicht weniger verändert als ich ihn! Vor drei Jahren — trug ich da nicht noch kurze Kleider? — Du hättest seine Augen sehen sollen, Mama! ,Jn der That, gnädige« Fräulein,' sagte er, sich würde Sie nur mit Mühe wiedererkannt haben, wenn Sie mir unerwarteterweise begegnet wären.' — ,Jch habe mir doch keinen mächtigen Bart stehen lassen, wie Siel' sagte ich; darüber mußte er natürlich furchtbar lachen, und so waren wir gleich in der köstlichsten Unter haltung." „Du, Frieda! Du kannst mir nach Tisch noch ein paar Lieder begleiten, die will ich mir doch noch etwa» gründlicher einüben; wahrscheinlich wird morgen bei uns tüchtig musiziert. Der Assessor schwärmt für Schubert." ,La, da- weiß ich wohl," flüsterte Frieda, aber fo leise, daß niemand eS hörte Nachdem der Tisch abgeräumt, die Knaben zur -tuhr gebracht und ihre heutigen Heldenthaten an Absicht Ausdruck, auf seinem Posten zu verbleiben; niemals sei es den Mitgliedern de» Parlament» gestartet, durch Pression die Dcmissionierung de» Präsidenten herbeizuführeu. Das würde geradezu vernichtend für die Verfassung sein, welche die RcgiernngSgcwalt des Staatsoberhauptes auf 7 Jahre scstsetze und dasselbe während dieser Zeit deu Kumpfen der Parteien entziehe. Eine De mission drs Präsidenten würde einen sehr bedenk- licken Prücedenzfail schaffen. Dies Stellung de» Präsidenten würde jederzeit widerruflich werden, wodurch der jeweilige Nachfolger gezwungen wäre, dann zu demissionieren, wrnn entweder die augen blickliche Strömung gegen ihn oder zu Gunsten einer anderen Persönlichkeit vorherrsche. Wilson wurde gestern vom Untersuchungsrichter vernommen; derselbe sagte nichts wesentlich neue» aus, später werde er ausführliche Aufklärungen abgeben. Rom, 18. November, abends. (W. T. B.) T epuliertenkammer Präsident Biancheri richtete bei Einnahme dec Präsidrntensitze» eine Ansprache an die Kau mrr, gedachte dabei mit anerkennenden Wortin d r znm Dienst in Afrika verwendeten Truppen nur widmete dem verstorbenen Minister präsidenten Tcpretis einen warmen Nachruf. Mi- nisiripräsident Crispi erklärte, daß er demnächst einen Gesetzentwurf einbringen werde, wonach unter dem Prrisiyl des Denkmals für den König Viktor Emanuel in der Hauptstadt sowohl für Depretiö, sowie für die anderen Mitarbeiter an dem natio nalen Werke der Einheit Statuen errichtet wer den sollen. Die Kammer beschloß, »ine Büste vou L epretiS im Präsidialsaale aufst Üen und auf da» Grab desselben einen Bronzekranz niederlegen zu lassen. Ferner soll der Witwe von Depreti» daS Beileid der Kammer ausgesprochen und ei»e Sammlung seinrr parlamentarischen Reden ver öffentlicht werden. Dresden, 19. November. Die Alters- und Jnvalidenversorgung und die Presse. Wir haben in der letzten Nummer unsere» Blatte» die sehr auSsührlichen Grundzüge der Alter»- und Invalid enVersorgung der Arbeiter und die denselben beigegebene Denkschrift in ihrem vollen Umfange mit geteilt und zugleich unserer Freude über diese neue Förderung der segensreichen Sozialreform bekundet. Der Gegenstand dieses gesetzgeberischen Unternehmen» ist so unendlich wichtig, der Einblick in den Plan des Gesetzgebers, welchen die Grundzüge bieten, ein so fesselnder, daß das Interesse, welche» da» deutsche Volk dieser Veröffentlichung entgegenbringt, ein sehr verständliches ist. Wir glauben daher einem Wunsche unserer Leser entgegenzukommen, wenn wir die — natürlich nur vorläufigen und allgemein gehaltenen — Erörterungen der Blätter verschiedener Parteien über dies n Gegenstand im Folgenden übersichtlich zusam menstellen. Die „Post" sagt: „Die Durchführung der Alter«, und Invalidenversicherung seitens Deutschlands wird einen Sieg der realen Kräfte de» christlichen Volkslebens — um uns eine- Ausdruck« der Kaiser!. Botschaft, seit deren Erlaß heute gerade 6 Jahre verflossen sind, zu bedienen - aus dem Kampfselde der sozialen Frage von ganz ungeahnter Bedeutung darstellen und gern wird man dem gegenüber noch an die Überwindung so mancher Schwierig keit, die sich dem Werk entg egen stellt, gehen nnd sich noch so manchem Opfer unterwerfen, die es auferlegt. Bemerkt sei, daß, wenn die Alters- und Invalidenversicherung sich in so hohem Grade der Berufsgenosienschast als Stütze bedient, e« selbst verständlich von besonderer Wichtigkeit ist, zu erwägen, inwieweit die Berufsgenosienschast al« solche Stütze in ihrem jetzigen Or ganismus Vertrauen verdient." Rissen und fehlenden Knöpfen mit geübter Hand den Blicken der Welt entzogen; nachdem in ein» von Wallys Kleidern neue Spitzen gereiht und Frau Selmas Morgenhaube mit fuschen Schleifen versehen worden, fand sich auch Frieda in dem behaglich und elegant ausgestatteten Wohnzimmer ein, wo Kurt v. Alten die Abendstunden bei feiner Zeitung genoß und seine Damen lebhaften Meinungsaustausch über die neueste Nummer von Henels „Modetelephon" pflogen. „Endlich geruhst Du!" sagte Wally, der Mama die Blätter in den Schoß werfend und sich langsam au» dem Schaukelstuhl zu voller Größe aufrichtend. „Nun aber auch flott, sonst bin ich zu schläfrig, und dann muß ich morgen nicht» mehr davon!" Und „flott" sang sie nach wenigen Minuten mit kräftiger, metallreiner Altstimme nacheinander „Guten Morgen, schöne Müllerin" und „Der Eichwald brauset," „Ihr Blümlein alle" und „Ich schnitt' e» gern"; dann den „Erlkönig" und „die Post," bei welcher sie jedoch mitten in dem klagenden ,^>at keinen, keinen Brief für mich," abbrach, den Flügel fo ungestüm zuschlug, daß Frieda» Fingerspitzen nur mit genauer Not d?m Geklemmtwerden entgingen, und lachend rief: „So, nun hab' ich's satt, ich denke, da» genügt!" „Wenn Du dummes Ding nur für da» Kostüm gesorgt hättest!" war da» letzte Wort, da» Frieda heute abend aus Menschenmunde vernahm. — Aber als Schönau in nächtlicher Ruhe lag, und die Traum- rngel von HauS zu Hause schwebten, da neigte sich der holdeste von allen über die schlummernde Waise, da ließ er leise, leise die goldne Harfe klingen und sang dazu so lind und süß: Die „Neue Preußische Zeitung" erklärt: „Wenn wir un« auch übcr Einzelheiten unfer Urteil Vor behalten, fo können wir den „Grundzügen" in ihrer Gesamtheit schon jetzt zustimmen. Die „Nordd Allg. Ztg" nennt sie „wieder einen gewichtigen Schritt weiter auf der Bahn der Sozialreform", weist also mit Recht die Ansicht derjenigen zu rück, welche meinen: Sei erst die Alters- und JnvaliditätS- vcrsicherung durchgcführt, so könne mann ruhig die Hände in den Schoß legen. Wie die verbündeten Regierungen bisher tue ihnen ost recht schwer gemachte Arbeit an der Verwirklichung der in der Kaiser!. Botschaft weit gesteckten Ausgaben eifrig ge fördert Halen, so werden sie die Sorge um „die dauernden Bürgschaften des inneren Friedens" niemals aus dem Auge lassen und hoffentlich niemals die Unterstützung des Rcich-tageS vermissen; der Segen Gottes wird ihnen dabei nicht schien." Die „Kölnische Zeitung ' bemerkt in einer vor läufigen Erörterung: „Sache aller beteiligten industriellen Kreise der Arbeitgeber sowohl, wie der Arbeiter, soweit sie überhaupt die Ziele der Vorlage in ernster Mitarbeit fördern wollen, ist es nun, sich über die Grundzüge auszusprechcn. Eugen Richter hat bereits die Verwirklichung dieser schönen sozialen Aufgabe dadurch lächerlich zu machen gesucht, daß er erklärt hat, die Vorlage be absichtige nichts Anderes, als Pfennigrentncr zu schaffen Wir denken, daß gerade die Arbeiter ihm jetzt, wo sie die Unterlage zu einem richtigen Urteil haben, auch die richtige Antwort geben werden. Es ist ja sehr schön, goldene Berge zu versprechen, wenn man weiß, daß man sie nicht zu verwirklichen braucht; hier in diesen Grundzügen sind nun ganz bestimmte Versprech ungen gemacht, deren Erfüllung möglich ist und die aufs schnellste erfüllt werden sollen. Sie werden dem einzelnen Ar beiter eine bisher für unwahrscheinlich, wenn nicht sür unmög lich gehaltene Verbesserung seiner Lage in sür ihn schlechten Zeiten bringen; und trotz aller Gegnerschaften wird dafür ge sorgt werden, daß sie bald verwirklicht werden." Die „Nat-Ztg." äußert sich u. a. folgendermaßen: Zunächst kann eS sich nur um ein vorläufiges Urteil über die Hauptpunkte handeln. Als ein solcher tritt vor allem die Thatsache m den Vordergrund, daß >2 Millionen Personen, nämlich 7 ^Millionen männlicher und 4'^ Millionen weiblicher, durch den Entwurf der Sorge um den Lebensabend wenigstens so weit überhoben werden sollen, um vor schlimmster Not ge schützt zu sein. Die sozialpolitische Bedeutung dieses Zweckes ist so groß, daß dadurch ohne Zweifel manche Einzelbedenken, auch wenn sie im Verlaus der Verhandlungen nicht zu beseitigen sein sollten, ausgewogen werden. Denn darüber kann man sich nicht täuschen: es wird, da es nichts vollkommenes in der Welt giebt, überhaupt nicht leicht irgend ein wichtiges gesetzgeberisches Un ternehmen denkbar sein, gegen das sich nicht begründete Zweifel erheben ließen; will man sich durch die Existenz solcher stets hindern lassen, so kommt überhaupt nichts zu stände, so bleibt man politisch und sozial immer aus dem nämlichen Flecke. Es kommt zuletzt darauf an, die Gesamtheit der Vorteile und der Bedenken gegen einander abzuwägen, sich, je nachdem die einen oder die anderen größer erscheinen, zu entscheiden. Und da wird allerdings unter den Momenten, welche, wenngleich nicht sür alle Einzelheiten, so doch für das allgemeine System des Entwürfe« sprechen, der Umstand wesentlich in Betracht kommen, daß !2 Millionen Deutschen dadurch die Gewißheit eines, wenn auch nur in den allerbescheidcnsten V rhältuissen gesicherten Lebensabend« zu teil werden soll. Ein Aufsatz der „Magdeburgischen Zeitung" enthält folgende sehr beherzigenswerte Worte: „Man hat aus gegnerischer Seite die Kranken- und Unfall versicherung spöttisch eine „verbesserte Armenpflege" genannt. Als ob mit einem solchen Einwand etwas gesagt wäre Immer hin wird doch die Verbesserung zugestanden, und darauf kam eS un- an, nicht aus den Namen, um so weniger, als diese Ver besserung darin besteht, daß der Arbeiter jetzt als sein gutes Recht in Anspruch nehmen kann, was ihm früher als eine öffentliche Wohlthat zufiel. Und wenn weiter emgeredet wurde, daß der Zweck d,cser Gesetzgebung, die Arbeiterwelt versöhnlicher zu stimmen, vollkommen verfehlt sei, wie das stete Anwachsen der Sozialdemokratie beweist, so sagen wir, daß auch der Gärt ner nicht nur Bäume pflanzt, deren Früchte er selbst noch ein ernten kann. Auch über die „Psennigrentner", welche das neue Gesetz schaffen wolle, ist bereits gewitzelt worden. Welch ein bill'ger und verwerflicher Witz zugleich, verwerflich darum, weil er darauf angelegt zu sein scheint, die Arbeiter von vornherein mit Verachtung gegen das niedrige Angebot zu erfüllen, während eS doch eine Thatsache ist, daß die, welche sich also lustig machen, den Arbeitern nicht einmal eine solche „Pfennigrente" zu ge währen Miene gemacht haben. . . . Wir wünschen, daß dieses Gesetz in nicht zu langer Zeit zu stände kommt, auch mit Rücksicht aus den greisen Monarchen, über den jetzt so schweres Herzeleid gekommen ist und der e« immer als einen Lieblingswunjch bezeichnet hat, auch die Krö ¬ nung der von ihm auf sozialpolitischem Gebiete geplanten Re formen noch erleben zu können." Der deutschsreisinnige „Börsen - Kourier" sagt „Zu bedeutungsvoll ist der Entwurf, als daß wir sein Er scheinen vorübergehcn lassen könnten, ohne den Versuch zu be grüßen als einen jedenfalls kühnen und großartigen. Kühn ist er in erster Reihe und großartig, daß man bei dem Entwurf der Alters- und Jnvalidenversorgung es gewagt hat, die Grund lagen zu verlassen, welche in den vorausgegangencn sozialresor- matorischen Gesetzen gegeben waren. Tie Alters- und Jn validenversorgung beschränkt sich nicht auf diejenigen weiten Kreise, für welche die Unfallversicherungsgejctzgebung anfänglich und in wiederholter Ausdehnung erlassen worden ist, sondern erstreckt sich weit darüber hinaus auf solche Kreise, deren Zahl wir augenblicklich auch nicht annähernd anzugeben vermögen, deren Zahl aber jedenfalls eine sehr beträchtliche ist. ES scheint, daß der Entwurf der Alters- und Jnvalidenversorgung in sei ner Ausarbeitung beeinflußt worden ist von dem Worte, daS bei der ersten Ankündigung Fürst Bismarck im Reichstage ge äußert Hal: wenn eS nach seinem Wunsche ginge, sollte eS heißen, jeder Deutsche habe einen Anspruch aus Aller-- und Jn validenversorgung. Gar zu weit entsernen sich die jetzt bekannt gegebenen Grundzüge des Entwurss von diesem Ziele nicht, da- Fürst Bismarck gesteckt hat, und deshalb ist auch der Name einer Arbeitcralters- und Jnvalidenversorgung kaum noch fcst- zuhalten Wir verhehlen uns nicht, daß in dieser Ausdehnung eine Erschwerung liegt; aber gleichviel, ob diese Erschwerung ohne allzu große Anstrengung sich überwinden läßt oder nicht, so bleibt doch, wie wir oben gesagt haben, die Kühnheit de- Vorgehens anzuerkennen. . . ." Die „Germania" sagt: „Die Grundzüge zur Alters- und Jnvalidenversorgung der Arbeiter sind heute, am Jahrestage der Kaiser! Botschaft des Jahres tt^l, dem Urteil der öffentlichen Meinung unterbreitet worden, Sie sind auch im Geiste der Kaiser! Botschaft geyaUen, und wer auch noch so vi>! im einzelnen anders wünschen mag — er wird gern anerkenn-!! oder der Wahrheit gemäß wenig stens anerkennen müssen, daß im Sinne des praktischen Christen tums wieder ein wesentlicher Schritt vorwärts gcthan werden soll, vorwärts zu einer gerechteren und würdigeren Ausgestaltung der Lebensbedingungen der arbeitenden Klussen, und zwar dieser Klaffen in eimm sehr weite.! Sinne des Wortes; vorwärts zur Beseitigung vieler Notstände und gerechter Klagen Und auch das wollen wir gleich hier zusügen, daß wir zwar mancherlei und weniger wichtige Besserungsvorschläge machen werden, wie sie gewiß noch im verschiedensten Sinne von den verschiedensten Seiten kommen weiden, daß wir aber gern anerkennen: auch in den Grundzügen selbst liege schon ein tüchtige- Stück Arbeit vor uns, eine wohldurchdachte Leistung gegenüber der neuen und so überaus schwierigen und verwickelten Ausgabe. Vor allein im kleinen sind AnSsührungsschwierigkeiten oft in einer sehr geschickten, viel Nachdenken und scharfsinnige Kombination verratenden Weise gelöst." Wie man sieht, stehen die Blätter der verschieden sten Parteien — wenn sie sich auch Ausstellungen und Abänderungsvorschläge in dieser und jener Rich tung Vorbehalten — doch grundsätzlich dem gesetz geberischen Unternehmen, welches in den „Grundzügeu" zum ersten Male in die Erscheinung tritt, sehr sym pathisch gegenüber. Nicht verschweigen wollen wir allerdings, daß die „Freisinnige Zeitung", welche den Grundzügen und der Denkschrift zusammen kaum 2 Spalten ihres kostbaren Raumes widmet, es für die Gesiniiungsiüchtigkelt ihres Publikums als unerläßlich erachtet, diesem Auszuge einen anderthalb Spalten langen Artikel voeauszuschlcken, welcher die bezeichnende Überschrift trägt „Ein Linsengericht für die Arbeiter gegen Aufgabe der persönlichen Freiheit", welche letztere die „Fr. Ztg" in dem Ouittungsbuche findet, welche» über die geleisteten Beiträge des Arbeiters gesührt werden soll. Mit Recht bezeichnet dem gegenüber die „Nordd. Allg. Ztg." das Verfahren des sozialdemo kratischen „VolksblatteS", weiches sich bisher darauf beschränkte, die Grundzüge vollinhaltlich seinen Lesern zu unterbreiten, ohne sich selbst zu der Sache auszu sprechen, a!S ein objektives. Dieser Leistung der „Freisinnigen Ztg." schließt sich ein Aufsatz der gleich gestimmten „Volkszeitung" an, welcher die Überschrift trägt „parturiuut miuitvs". Wie passend dieselbe ist, dürfen wir dem Urteile eines jeden, der die Grund züge eines Blickes gewürdigt hat, überlassen. Den Lauf der Thaisachen dürsten diese beiden Leitartikel wohl kaum beeinflussen und wir können daher bei dem „In Jesu Hand leg all dein Sehnen, Hoffen, Dein Lieben leg an Jesu treue» Herz, Geh hin zum Herrn, er hält die Arme offen Für dich, sür deine Lust, sür deinen Schmerz! Wicdrum ein Tag im Strom der Zeit entschwindet, O, fasse fester deine- Heilands Hand, In Freud und Leid den Blick auf ihn, so findet Ein GotteSkind den Weg zum Vaterland!" Es war am anderen Nachmittage. Frieda v. Al ten kehrte recht schweren Herzens von dem dritten er folglosen Ausgange wegen des bewußten Gesellschafts kleides zurück. Die Näherin konnte das Kostüm beim besten Willen nicht vor sechs Uhr fertig stellen, ob gleich Wally durch höchsteigenes Erscheinen ihr am Morgen keinen geringen Schrecken eingejagt hatte. „Wa» wird sie nun sagen?" dachte Friedchen ver zagt und drückte sich an die nächste Hausmauer, um einem vorüberrasselnden Möbelwagen auSzuweichen. Ein von der andern Seite kommendes kleines Mäd chen machte e» ebenso. Die Straße war eng und holperig. DaS ärmlich angezogene Kind schleppte sich mit einem unförmlichen Weidenkorbe und trug außerdem noch eine große, gelbe Düte, die es an der untersten Spitze mit dem mageren Händchen umschloß. Da» Hin- und Her schwanken der umgekehrten stroh- papiernen Pyramide schien ihm großen Spaß zu machen, dann aber kam da» Fuhrwerk, da» Kind wich au», die Düte schwankte stärker, — zu stark und da» dünne Papier riß und ein Maß getrockneter Erbsen rollte und hüpfte, plötzlich in Freiheit gesetzt auf dem holperigen Straßenpflaster dahin! Mit offenem Munde sah da» kleine Mädchen nach d«> Erbe» auf der Erde, sah nach dem jämmerlichen Rest im Dütenspitzchen, setzte den Korb hin und fing an bitterlich zu weinen. Aber es war noch nicht über das erste Schluchzen hinaus, als Frieda ihm mit leichtem Finger die zerzausten Härchen von der Stirne strich und mitleidig sagte: „All Deine schönen Erbsen gefallen! Komm, Lenchen, weine nicht, wir lesen sie flink wieder auf. Mach's Schürzchen auf, dahinein sollen sie, siehst Du wohl?" Und sie hatte auch schon oie Handschuhe abgestreift, und bald kniete Lenchen neben ihr, nach Kinderart aus dem Unglück schnell ein Vergnügen machend, und statt wie vorher zu schreien: „Was krieg' ich gehauen, o, was krieg ich ge- hauen," jubelte sie nun fröhlich: „Ich hab schon wieder zwei Hände voll, und da liegt noch eine, und da noch drei ganz dicke, in dem Loch da!" So vertieft waren die beiden in ihre Täubchen arbeit, daß sie gar nicht bemerkten, wie vom Thore her ein schlanker junger Mann sich ihnen, nachdem er sie schon eine kleine Weile beobachtet hatte, mit schnellen Schrcken näherte. Plötzlich sah Frieda auf. sie wußte selbst nicht warum, aber sie sah aus und — gerade in ein Paar warme, lichtbraune Augen hinein! Die mühsam gesuchten Erbsen rollten ihr durch die Finger, denn sie faltete die Hände und — nicht Erröten, aber eine süße, weltvergessende Andacht um flutete sie. „Friedchen", sagte der Fremde mit weichem Klang und noch einmal: „Friedchen!" Aber der Ton seiner Stimme schien sie zu vollem Bewußtsein zu bcingen. Sic sprang empor und legte schüchtern und doch vertrauensvoll ihre Hand in die seine „So kennst Du mich wirklich noch?' fragte cr.
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