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Freitag. Nr. 7V. 9. September 1870. Weißerih-Ieitung. Amts- und Anzeige-Dlatt der Königlichen Gerichts-Ämter und Stadtrathe zn Dippoldiswalde und /ranenstciu. Vermüwortlicher Ledacteur: Carl Fehnr in Vippoldirwatde. Preis pro Quartal 10 Ngr. Inserate die Spalten-Zeilß 8Pfg. Erscheint Dienstagsund Freitags. Hu beziehen durch alle Postanstalten. Tagesgefchichte. Dippoldiswalde. Der Bau der so lange er sehnten, kurz vor Beginn des Krieges völlig genehmigten Straße von hier nach Klingenberg ist natürlich bis jetzt unterblieben. Wir können aber heute unseren Lesern mittheilen, daß nach einer am 7. Septbr. hier eingegangenen Nachricht von der Königl. AmtShaupt- mannschaft zu Dresden, dieser Bau nunmehr, und zwar in allernächster Zeit, beginnen wird. Freilich wird es nicht möglich sein, in diesem Jahre noch den selben ganz zur Vollendung zu bringen. — Die 33jährige Caroline Gleditsch aus Elend, die am Palmsonntage d. IS. ihr drittes, unehelich geborenes Kind im OberhäSlicher Birkenwäldchen aus gesetzt hatte, wo es von zwei Söhnen deS hiesigen Postdieners Wolf gefunden wurde, — ist in öffentlicher Gerichtsverhandlung zu Dresden am 6. Septbr. zu einer Gefängnißstrafe von 5 Monaten verurtheilt worden. Dippoldiswalde, den 8. Septbr. Trotz des Kreischaer Jahrmarkts, von dem man wesentlichen Ab bruch für unsern 5. Patriotischen Unterhaltungsabend fürchtete, ist derselbe doch gestern unter sehr erfreulicher Theilnahme abgehalten worden. Hr. Lehrer Stein hatte den Vortrag übernommen und sprach derselbe „über Deutschlands Westgrenzen," die bisherigen und die bei einem baldigen Frieden zu bestimmenden. Dürfte man auch geographische Grenzbestimmungen an und für sich mehr den trocknen Gegenständen zuzuzählen geneigt sein, so verstand es Hr. Stein doch, feinem Gegenstände durch lebendige und inhaltsreiche Darstellung ein Inter esse zu verleihen, das sich in reichen Beifallsspenden aussprach. Die übliche Blumenlese aus Zeitungen, ernsterer und heiterer Art, auch die Vorlesung eines Feldpostbriefes, wie nicht minder der Gesang patriotischer Lieder — natürlich fehlte „die Wacht am Rhein" nicht — füllten den Abend aus. Leider konnten die Lieder mit Orchesterbegleitung nicht gesungen werden, da Hr. Stadtmusikdirector Fischer durch den Kreischaer Jahr markt abgehalten war; er will nächste Mittwoch sein Versprechen lösen. -s- Lauenstein. Die Erfolge des 2. September riefen auch bei uns einen hohen Grad von Freude und Enthusiasmus hervor. Am Abend des 3. Septbr. all gemeiner Jubel, Trommelwirbel und Böllerschüsse; am 4. früh ebenfalls. Viele Häuser flaggten, auch das K. Gerichtsamt. Das von dem Gesang-Vereine am Abend gegebene Concert, in welchem namentlich Herr Grenz-Aufseher Thomä aus Fürstenwalde als Geiger wacker mitwirkte, war zahlreich, jedoch nur von Ein heimischen, besucht, und brachte für die Hinterbliebenen unserer Krieger das immerhin erkleckliche Sümmchen von über 15 Thlr. ein. Die Illumination des Schlosses und Marktes war sehr schön; das nahe Schloß des Herrn Major von Lüttichau ebenfalls prachtvoll er leuchtet; vom Berge aus gesehen, ein imposanter An blick. — Schließlich noch die Bemerkung, daß man auch bei uns sich immer mehr deutsch fühlt. — Dresden. Die von unseren Prinzen an König Johann gelangten Telegramme über die Schlacht bei Sedan lauten wie folgt: „Am 1. Septbr. in einer I2stündigen Schlacht bei Sedan ist die Armee Mac MahonS durch die Armee des Kronprinzen von Preußen und durch die meinige vernichtet! Das sächsische Corps hat sich brillant be nommen. Georg und ich ganz wohl. Verluste weiß ich noch nicht; doch glaube ich, sind dieselben nicht so groß, wie am 18. August. Albert." „Großer entscheidender Sieg bei Sedan, wobei das sächsische Corps eine entscheidende Rolle gespielt. Dasselbe hat Trophäen und Gefangene in großer Zahl gemacht, jedoch mit schweren Verlusten. Georg." — Wie in fast allen größeren Städten der im Kriege gegen Frankreich stehenden Staaten, so sind auch in Sachsen die Residenz, Leipzig, Chemnitz und andere Städte daran gegangen, an das Bundes-Ober haupt und auch an unsern König Adressen abzusenden, welche einen Protest gegen jede fremde Ein mischung und die Forderung reeller Bürgschaften gegen neue Kriegsdrohungen Frankreichs ent halten. ES gilt hier, dem Auslande zu zeigen, daß das deutsche Volk einig ist in dem Willen, einen Frieden zu erlangen, welcher der großen Opfer an Gut und Blut werth sei, und keine fremde Macht hineinreden lassen. Nach solchen Kundgebungen wird die Diplomatie um so zuversichtlicher unterhandeln, und das Ausland wird die Forderungen, hinter denen die Nation steht, respectiren. * Berlin. Eine Republik hätten nun die Fran zosen; ob aber auch Republikaner, das ist eine andere Frage. Unter den Männern der provisorischen Regierung hat der Name des Advocaten Jules Favre noch den besten Klang, und doch gehörte auch er zu den Mitgliedern des Gesetzgebenden Körpers, welche sich die Napoleonischen Lügen nur zu lange und nur zu gern gefallen ließen. Er wurde 1809 zu Lyon geboren, zählt also schon zu dm älteren Republikanern, während der Advocat Gambetta mit seinen 32 Jahren zu den jünger« gehört. Das sollte so eigentlich eine neumodische republikanische Größe sein; allein wer seinen Reden in der Kammer gelauscht, wird kaum viel Antikes,