Volltext Seite (XML)
Mittwoch, 17. Mai 1848, Diesel Blatt erscheint täglich Abend« und ist durch alle Post anstalten de« Zn» »nd Auslandes zu beziehen. Preis fiir «iertelsahe WktövNtk ÄlHUtKlU, einer gespaltene« Zeile 12 Pf. Herold für sächsische und deutsche Interessen. Redtgtrt von Aarl BiehLkmauu. Inhalt» Ein Angriff des Bundestages auf die Volkssouveränetät. — TageSgeschichte: Leipzig: Buchhandlungsdifferenzen; Verein für Wahrung der deutschen Sache im Osten. Pirna. Parlamentswahl. Berlin. Hamburg. Schleswig-Holstein. Mannheim. Aschaffenburg. Herzogtum Nassau. Hildburghausen. Prag. Paris. Rom. Sizilien. — Feuilleton.— EingrsendeteS. — GrschäftSka len der. — OrtSkalender. — Angekommrne Reisende. Ein Angriff des Bundestages auf die Bolks- souveränetät. Der König stirbt nicht! so hieß es im alten Frankreich, — der Bundestag stirbt nicht! möchte man jetzt auSrufen. Man glaubte den alten Bundestag begraben nach der erzwungenen feierlichen Lossagung von den Ausnahmegesetzen und der Ausscheidung der dem alten Met- ternich'schen Sisteme dienstbar gewesenen BundeStagsgesandten — und, siehe da! der alte Bundestag lebt noch mit seinen alten Kniffen und Pfiffen, mit seiner alten diplomatischen lichtscheuen Ränkeschmie- derei. Er war nur eine Zeit lang scheintodt, so lange nämlich, als er, unter dem Gewicht des öffentlichen Fluchs der Nazion zusammenge brochen, sich zu ohnmächtig fühlte, um Etwas gegen den Volkswillen und die Freiheit zu unternehmen. Damals fügte er sich scheinbar .gutwillig der neuen Macht, die ihn niedergeworfen hatte; damals vollzog er ohne Widerspruch und in dienstfertiger Eile den Bannspruch, den die Versammlung deutscher Männer gegen sein bisheriges Sistem und dessen Träger schleuderte; damals machte er sich zum allzeit berei ten Geschäftsführer des Fünfziger-Ausschusses, widerriefauf dessen Auf forderung sofort den eben erst erlassenen Beschluß wegen der Wahlen, und setzte einen neuen, getreu nach den Bestimmungen des Vorpar laments formulirten an dessen Stelle; damals beeiferte er sich, den Wünschen des Ausschusses in der kurhessischen, der polnischen, der schleswig-holsteinischen Angelegenheit und überhaupt in jeder Hinsicht entgegen-, oder gar zuvorzukommen. Seit einiger Zeit ist Dies mit einem Male ander- geworden. Der Bundestag — oder die ihn im Geheimen leitenden Gewalten — scheint sich stark genug zu glauben, um die eine zeitlang wider Willen übernommene Rolle eines dem Volk-wlllen dienstbaren Organs wieder aufzugeben und in seiner alten Gestalt als souveräner Fürstenbund den Vertretern jenes Volkswillens, dem Ausschüsse und der konstitui- renden Versammlung selbst, Trotz zu bieten. DaS erste Anzeichen solcher veränderter Stimmung und Rich tung des Bundestages war jene Verhandlung desselben, worin die Absicht kundgegeben ward, den Eröffnungstermin für die konstituirende Versammlung vom I. Mai auf den 18. Mai zu vertagen. Der/ Ausschuß legte damals gegen diese willkürliche Abänderung eine- Be schlusses deS Vorparlament- energische Verwahrung ein, und der Zu sammentritt der zuerst hier eingetroffenen Mitglieder der Nazionalver- sammlung am 1. Mai bekräftigte diesen Protest durch die That. Tiefer angelegt und bedenklicher war ein anderer Plan — der -es Triumvirats. Hier war, wie sich neuerdings unzweideutig herauSgestellt hat, ein förmliche- Spiel unredlicher Jntriguen und Täuschungen im Gange. Welcker, unstreitig vorgeschoben und ge- mißbraucht, um mit seinem populären Namen die beabsichtigte frei heit-feindliche Maßregel zu decken, empfahl die Errichtung einer Exe- Eutivgewalt für kräftige und einheitliche Leitung der innern wie der äußern Angelegenheiten Deutschland-, deren Mitglieder von Oester reich, Preußen und Baiern ernannt werden sollten. Gleichzeitig kam ein ähnlicher Vorschlag — angeblich von jenem unabhängig — im Schooße des Ausschusses zur Sprache. Der Ausschuß lehnte diesen ab, weil er Gefahr witterte. Doch ging er, um nicht Dem entgegen- zutreten, waS das wahre Nazionalinteresse, insbesondere nach außen hin, erfordern möchte, auf Verhandlungen wegen eine-modifizirten Plane- mit dem Bundestage und den Vertrauensmännern ein. DaS Resultat dieser Vereinbarung war ein neuer Vorschlag, der zwar die Einrichtung einer Exekutivgewalt, aber unter genau bestimmten Ver- einssitzungen und Bürgschaften anempfahl. Namentlich sollten die Mitglieder dieser Behörde nur mit Zustimmung deS Ausschus ses gewählt werden; es sollte ferner diese Behörde nur so lange be stehen, als nicht die Nazionalversammlung sich gegen deren Fortbestand erklären würde. In dieser beschränkten Form ging der Vorschlag beim Ausschüsse mit schwacher Mehrheit (22 gegen 16) durch. WaS aber that der Bundestag ? Statt den Plan nur in der mit dem Au - - schusse vereinbarten Weise einzuführen, beschloß er, eine Exeku tivbehörde zu errichten ohne jene beiden vom Ausschuss« ausdrücklich zur Bedingung gemachten Einschränkungen, fügte ferner auch noch zu deren Befugnissen und Verrichtungen eine ganz neue hinzu, von welcher vorher nie die Rede gewesen war, nämlich: „die Vermitte lung der Regiminalan sichten und Wünsche der Regierungen gegenüber der Nazionalversammlung." Der Ausschuß legte hiergegen, wie sich gebührte, entschiedenen Protest ein *). Der Bun destag antwortete trotzig und in der alten, hochfahrenden Weise, die *) Daö Schreiben des Ausschusses an die Bundesversammlung kn dieser Angelegenheit lautet so: Durch das Franfurter Journal vom heutigen Tage ist der Beschluß einer hohen Bundesversammlung vom 3. Mai veröffentlicht, bezüglich der Begründung einer neuen durch drei Personen auSzuübenden erekuti- veu Gewalt im Bundestage. Dieser Beschluß weicht in den wesentlich sten Punkten ad sowohl von dem ursprüngliches Anträge, als von nn- serm Beschlüsse vom 27. v. M. Während ein betreffender Antrag nicht, wie es nach gedachtem Bunoesbeschluffe den Anschein gewinnen dürfte, zunächst von dem Fünfziger-AuSschuffe auSgegangen, kann insbesondere von einem Anschlüsse dreier von den Bundesregierungen vorzuschlagen- den Abgesandten au die Bundesversammlung nicht wohl gesprochen wer den, ohne zugleich der beschlossenen vorgängig nothweuvigeu Verein barung über diese Personen mit dem Fünfziger-AuSschuffe zu gedenken. Nicht minder ist das Provisorische der ganzen Maßregel für de« Fall, daß letztere nicht die Zustimmung der konstituirende» Versammlung erhält, unerwähnt geblieben, dieselbe vielmehr als eine bleibende Maß regel hiugestelll; endlich aber ist dieser neuen Exekutivgewalt eine Auf gabe in der Vermittelung der Regimiualanfichten und Wünsche gegen über der Nazionalversammlung zugewieseu. Dies widerstreitet, da der konstituireuben Versammlung die Begründung der Verfassung ausschließ lich überlassen werden soll, den von dem Vorparlamente gefaßten Be schlüssen, wie denn der ganze Beschluß sowohl dem Wortlaute, als dem Geiste unsers betreffenden Beschlusses widersprich!. Der Fünfziger-Aus schuß hat iu Folge des Antrages eines seiner Mitglieder durch Akklar maziou beschlossen, einer hohen Bundesversammluug sein Befremden über den gedachten BundeSbeschluß auSzusprechen, und gegen denselben iu Betreff aller Abweichungen von unserm Beschlüsse vom 27. April »nsere entschiedenste Verwahrung einzulegen.