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stuer Tageblatt und Anzeiger rür das Erzgebirge mit der wöchentlichen Unterhaltungsbeilage: Illustriertes Sonntagsblatt. ————— m. b. H. Sprechst-nb» d« S«-aktüm mit Ausnahme der Sonntag« nachmittag« von a—r Ahr. — lelegramm-ALreff«: Tageblatt Ao«. — Fernsprech« 10. in Aue i. Lrzgeb. Für unverlangt »ingesandt» Manuskript» kann Gewähr nicht geleistet «erden. Verantwortlicher Redakteur! Irlt, KridsIS. Für di« Inserate verantwortlich: Walter ttraa». Seide in Au« i. Lrzgeb. W«I»g»pr«i,: Durch unser« Boten frei in» kau, monatlich io psg. Bei der Geschäftsstelle abgeholt monatlich «» psg. and wöchentlich io psg. — Bei der Post bestellt und selbst abgeholt vierteljährlich i.so Mk. — Durch neu Briefträger frei ins ts-ius vierteljährlich i.gr Mk. — Einzeln« Nummer <o Pfg. — Deutscher Postzeitungs- katalog. — Erscheint täglich in den Mittagsstunden, mit Ausnahm« von Sonn- und Feiertagen. Annahm« von Anzeigen bi, spätesten» Uhr vormittags. Für Aufnahme von glitzeren Anzeigen an bestimmt«» Stellen kann nur dann gebürgt werden, wenn st« am Lag« vorher der uns eingehen. Znsertionsprris: Di« flebengespalten« Aorpuszeil« oder deren Raum zo pfg., Reklamen r» pfg. Bei größeren Aufträgen entsprechender Rabatt. Diese Nummer umfaßt 6 Seiten. Das Wichtigste vom Tage. Das deutsche K o l o n i a l a in t soll einem Antwerpener Syndikat den Verkauf aller veutsch-südwes- afrikanischen Rohdiamantcn übertragen Haden. Infolge der Schulgesetze zur Erhaltung des Deutschtums in den österreichischen Kronländern droht eine par tielle Ministerkrise auszubrcchsn. Die l. Division des zweiten Geschwaders in Toulon unter dem Befehl des AdnuralS Auberl hat Befehl erhal ten, am 20. d. Mts. nach Italien abzudampfen, um den Zaren zu begrüßen. * König Eduard wird, bevor er sich nach Biarritz begibt, eine Begegnung mit dem Präsidenten Fallieres und den Ministern Briand und Pichon haben. * Der spanische Revolutionär Fcrrer ist gestern morgen in Barcelona erschossen worocn, nachoem örr spanische Mintsterratoas Todesurteil bestätigte und sich gegen eine Begnadigung ausgesprochen hatte. (S. Art. i. Big. u. Teli Wes das Herz voll ist — Die in Frankreich überaus beliebte Unsitte des Aus - fragens hervorragender Persönlichkeiten hat wisser einmal Unheil lüngerichtet. Der Matin, der in diesem Genre ziemlich berüchtigt ist, hatte einen Mitarbeiter xuGenerald'A made geschickt, den früheren Oberkommandierenden der französischen Marokkoexpedition, um sich von diesem einiges über die Marokkopolitik erzählen zu lassen. Nun kennt freilich der gute General ebensowenig die Absichten der spanischen Regierung wie die der französischen, wenn er auch einige Zeit lang die militärischen Befehle der letzteren auszuführen hatte. Aber das machte nichts, der Name des Generals hat in Frankreich, obwohl er keine allzu großen Heldentaten verrichtet hat, doch einen guten Klang, weil man sich jenseits der Vogesen gern am Ruhme der Armee berauscht. Und so wandte man sich dreist und gottesfürch tig an den Herrn General und dieser war auch nicht weiter zim perlich, sondern erzählte das Blaue vom Himmel herunter. Der Französe ist nun einmal eine 'gesprächige Natur uM macht in der Regel aus seinem Herzen keine Mördergrube. Auch der Offizier ist von dieser Charaktereigenschaft keineswegs frei, selbst in Angelegenheiten, wo Schweigsamkeit am Platze wäre. Man vergleiche damit n>ur das Verhalten unserer Offiziere gegenüber der Oeffentlichkeit. Es ist vielleicht in Erinnerung, welchen Abfall der Berliner Korrespondent oben desselben Matin erfuhr, als er sich zu dem früheren Chef des deutschen General stabes Grafen vonSch liessen wandte, um von diesem etwas über die französischen und die deutschen Manöver zu hören. Man mußte sich darüber wundern, daß dieser Journalist es überhaupt wagte, von den Bemerkungen des deutschen Generalobersten etwas in die Öffentlichkeit zu bringen, da er sich damit selber blamierte. In Frankreich ist es allerdings umgekehrt. Dort hat sich in dem vorliegenden Fall der Herr General blamiert, indem er allerlei Zeug sprach, was er nicht verantworten konnte und was noch viel weniger seine Regierung verantworten kann. Dem französischen Kabinett sind die Aeußerungen d'Amades, die darauf hinausliefen, daß Frankreich in seinem eigenen Interesse in Marokko intervenieren müsse, begreiflicher weise sehr an die Nieren gegangen und man böeilte sich unheim lich schnell, den mit dem Münde so vorwitzigen General zu des avouieren Er ist umgehend aufgefordcrt worden, sich über seine Unterredung zu äußern, er wurde kaltgestellt und gleichzeitig wurde offiziös im Petite Paristen erklärt, daß die französische Regierung keineswegs geneigt sei, sich durch den General in eine uferlose Marokkopolitik hineintreiben zu lasten. Frankreich werde nach wie vor mit allen Mitteln bestrebt sein, für die Sicherheit seiner Grenze Sorge zu tragen, diese sei aber im ADsnblick durchaus nicht gefährdet. Die Marokkopolitik hat Frankreich schon ungemein viel an Gut und Blut gekostet und es ist begreiflich, wenn sie hier nicht allzu eilig Vorgehen will, da die erforderlichen ungeheueren Auf forderungen niemals in Einklang mit den Resultaten stehen würden. Auch weiß man sehr gut, daß man bei einem schärfe ren Vorgehen daselbst in ein Wespennest stechen würde, da wei tere folgenschwere Verwickelungen nicht ausbleiben würden. Darum hält sich die französische Regierung zurück und sie tut wohl daran. Tatsache ober ist, daß in weiten Kreisen Frank reichs der lebhafte Wunsch besteht, so viel von Marokko wie irgend geht zu verschlucken und namentlich sind so bestimmte Gruppen von Unternehmern, die an einer derartigen Wenduwg großes Interests haben und kein Mittel unversucht lasten, um eine solche über kurz oder lang herbeizuführen. Daß auch die Kreise der Armee einen ähnlichen Standpunkt vertreten, ist begreiflich und General d'Amade hat daher eigentlich nur ein bischeu aus der Schule geplaudert. Ein hervorragender Stra tege scheint er allerdings nicht zu sein, denn ein kluger Taktiker muß auch etwas diplomatisch veranlagt sein. Immerhin aber wirft der ganze Vorfall ein gewisses Licht auf die französischen Wünsche und es steht außer Frage, daß die Marokkofrage noch oft genug zum mindesten die Diplomatie beschäftigen wird, wenn nicht schließlich gar deren Federn sich eines Tages in die Degen der Militärs verwandeln. Politische Tagesschau. A«e, 14. Oktober. * Telegramm Kaiser Wilhelms an den Sroßherzog von Oldenburg. Dem Grobherzog von Oldenburg ist von Kaiser Wilhelm folgendes Antworttelegramm zugegangcn: Ew. Königlichen Hoheit danke ich herzlichst für die Mel dung über den Stapellauf des zweiten Schulschiffes des Schul- schiffvereinS, das für mich ein weiteres Zeugnis bildet des unermüdlichen Interesses Ew. Königlichen Hoheit für die Ent wicklung der deutschen Seefahrt. Mögen die aufopfernden Bemühungen Ew. Königlichen Hoheit und des Vereins bald belohnt werden durch ein kräftiges Wiederaufblühen des Seeverkehrs und damit der von den Schulschiffen so vor trefflich erzogenen Jugend eine reiche Betätigung gesichert sein, (gcz.) Wilhelm I. li. * Fürst Bülow kommt nach Berlin. Wie der Han». Cour, erfährt, wird Fürst Bülow zum Geburtstag der Kaiser iln <22 Oktober) nach Berlin komnien. Um unzutreffenden Kommen taren im voraus zu begegnen, fügt das genannte Blatt hinzu, daß die Einladung nach Berlin schon aus den Tagen de, Ent lastung stammt. — Der Zweck dieser Zusatzbemerkung ist nicht recht ersichtlich. * Wiederaufnahme der Tätigkeit des Bundesrats. Nach B endigung der Sommerserien, die allerdings nur kurz waren, es Haden noch im Juli und Ende August Beratungen stattgefunden, nimmt der Bundesrat morgen seine regelmäßigen Sitzungen im LMlMWWer von -ine! Wähl! sm ri. Moder nun Stsätm Ssiier Allerhand Wetten. Wenn man vom Welten spricht, denkt man in der Regel zuerst an die Söhne des stolzen Albions, deren traditioneller Spleen sich auch auf diesem Gebiet gern äußert. Wo ein sportliches Spiel irgendwelcher Art statlfindet, wo zwei Schachspieler um die Palme des Sieges ringen, ja, wo zwei Straßenjungen sich prügeln, da knüpfen auch die Engländer, sofern welche zugegen sind, eine Wette hieran. Doch ist es nicht diese Art des Wettens, von der ich reden will, sondern vielmehr jene andere, die das Vollbringen irgend einer seltsamen oder tollkühnen Handlung zum Gegenstände hat. Wleviele Engländer, freilich auch Amerikaner, Haden nicht schon ihren Versuch, durch den Niagarafall zu schwimmen mit dem Leben gedüßil Ich selbst war einmal vor einer Reihe von Jahren zugegen, als ein Untertan König Eduards sich ver maß, angesichis des heranbrausendcn Eisenbahnznges eine bestimmte Anzahl von Malen auf seinem Bilycle über die Schienen zu radeln. Er ging eine hohe Wette bezüglich des Gelingens seines wahnsinnigen Nnlernehmes ein und — gewann sie. Viele seiner Landsleute waren anwesend, ober Niemand legte ihm ein Hinder nis in den Weg, im Gegenteil fanden sie die Idee köstlich und benntzien sie ihrerseits zu Welten. Mit der Aufzählung ähnlicher Kcaslstncke könnte man Bünde füllen. Eine Wrtle, die zwar nicht gefährlich, aber humoristisch und originell war, bestand darin, daß ein Engländer sich verpflichtete, während einer vierwöchenllichen Tournee durch deutsche Bäder kein einziges Mal ein Haus durch die Tür zu betreten. Er stieg überall durch das Fenster ein und führte um dies bewerkstelligen zu können, eine Leiter mit sich. Man möge sich das Erstaunen der Hotelgäste vorstellen, die, wie sie z. B. in einem im oberen Stock gelegenen Speifesaal an der Tadle d'hote saßen, plötzlich einen Tischgast durch das Fenster erscheinen sahen. Ueberall er« wiesen sich die Wirte dem Beginnen des betreffenden Englishman feindlich, sie wiesen ihn aus. machten bei der Polizei Anzeige gegen ihn, aber umsonst — seiner Energie gelang es dennoch, den Sieg zu erkämpfen. Wiederholt soll er auch zu nächtlicher Stunde von seinen Freunden in einem Korbe von außen in die oberen Emgcn hinauf gezogen sein. Ein Anderer der gewettet hatte, in acht Wochen die Schweiz zu durchreisen, ohne ein Wort zu sprechen oLer zu schr-iben, guvann die Wette jedoch nicht. Er bediente sich um in Gasthäusern, an Billctlschaltern usw. seine Wünsche auszudrücken, lediglich der Ze-chensprache, doch wurde er bereits am zweiten Tage polizeilichwseits in ein Irrenhaus gebracht, um dort hinsichtlich seines Geisteszustandes beobachtet zu werben. Nun hätten freilich seine Bekannten, die ihn beglei tete!!, um zu konstatieren, daß er sein gegebenes Wort hielt, ihn durch Enthüllung des wahren Sachverhalts leicht befreien können, aber nach dem abgeschlossenen Pakt war dies ungültig. Niemand durste ihn durch eine Erklärung solcher Art sein Vorhaben er- leicht.rn Ein Pmdaut zu dieser Weite biloet auch jene, bei der Jemand sich anheischig gemacht hatte, eine weite Tour ohne e 'nen Pfennig Geld in der Tasche zurückzulegen - diese ist wohl öfters, unter leichteren und schwereren Umständen, mit und ohne Erfolg zum Austrag gebracht worden. Es gibt überhaupt eine ganze Anzahl von Wetten, die — und zwar in den verschiedenst!n Ländern und Gegenden — schon so und so oft gemacht worden sind und immer wieder von Neuem gemacht werden. Zu ihnen gehört die traurige, bei der ein Mensch sich verpflichtet, zur Mnternachlsstunde mutterseelenallein auf den Kirchhof zu gehrn. Ich nenne sie traurig, da sie regelmäßig einen unglücklichen Aasgang nimmt. Tausende, ja, ich möchte fast sagen, der dritte Teil der Menschheit hält sich für überzeugt, ein solches Beginnen ohne Schwierigkeit ausführen zu können, aber keiner, der sich dessen rühmt, kann es, ja, die Erfahrung lehrt sogar, daß Leute, die ihr Heimweg durch lange Zeiten hindurch über einen Friedhof geführt hat, ihn nicht, ohne daß ihnen etwas passiert, durchschreiten können, sobald sie es auf Grund einer Nenommage tun wollen. Ihre Phantasie wird dann so er regt, daß sie ein' ivsißes Kreuz für ein Gespenst halten oder sonst wie das Opfer einer Täuschung werden. Unendlich Viele haben ihren Vorwitz schon mit dem Verlust ihrer Vernunft, ja, mit dem Leben bezahlt. Ebenso fallen auch jene Wetten, die unsinniges Trinken zum Inhalt haben, fast immer un glücklich aus. Sie waren in meiner Kindheit unter dem ost preußischen Landvolk sehr beliebt, und mein Vater, der an der Ostmark unseres Vaterlandes Arzt war, erlebte in seiner Praxis ziemlich alljährlich einen Fall der Art. Manche der Trinker starben, manchs blieben auch leben, aber kränkelten seither. Da ich gerade bei den Weiten bin, bei deren Folgen meist ein Arzt zugezogen werden muß, will ich noch eine unglaubliche, aber buchstäblich wahre Geschichte erzählen. Ein Büchsenschmied, ein etwa wüster, aber geradezu genial veranlagter Mensch, hatte mit seinen Zechkumpanen gewettet, daß es ihm nichts schaden würde, wenn man ihm die Beine mit Spiritus übergösse und anzündete. Die guten Freunde taten nach seinem Begehr, und der Mann wurde für zeitlebens ein Krüppel. Um ihm das Leben zu retten, mußten beide Beine amputiert werden. Eine ebenso tolle, wie gefährliche Wette ist seinerzeit der be dauernswerte König Ludwig von Bayern, der später mit samt dem Psychiator Gudden einen tragischen Tod im Starn berger Sce fand, eingegangen. Er wettete — und mit ihm noch sechs vornehme junge Bayern — daß er neun Tage und neun Nächte leben könnte, ohne zu schlafen. Die Sieben versuchten sich auf jede Weise wach zu erhalten — sie tranken Unmassen von starkem Kaffee, badeten kalt, verbrachten di« Nächte auf dem Pferd usw. — aber alle wurden von Gott Morpheus übermannt, alle — mit Ausnahme de» dazumal noch sehr jungen König». Einer der jungen Evelleutr soll von der furchtbaren Nervenabspannung ein lebenslängliche« Siechtum davongetragen haben, von einem zweite» erzählt man, daß er an den Folgen der unsinnigen Wette