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mr M-Wrr.v.M« Mittag» 1» U. an,»no««r» t» »« LxptdMo«: Martrnstraße 1>. ^ s.'?! ,<si' ^ f!s . - «uataÄdl. kimruna t»*1 Vmch'dt» " »«V-. ^ M o LSS Hageklatt für Unterhaltung und Geschäftsverkehr. Mitredacteur: Theodor Drobisch. Donnersta«, den 15. Mai 1862. °L7L W Dresden, den 15. Mai. — Oeffentliche Sitzung des König!. Ober-Appel lationsgerichtS vom 14. Mai. Vor dem weltlichen Richterstuhle und Wohl auch bald vor dem Richterstuhle des allmächtigen Gottes, steht heute ein Raubmörder, ein blutjunger Mensch in dem Frühling des Lebens, das er wohl binnen kurzer Zeit durch das Eisen der Gerechtigkeit seinem Schöpfer wieder zurückgeben muß Der psychologisch und juristisch merkwürdige Fall hatte die kleinen Räume des Sitzungssaales und der daran stoßen den Zimmer bis zum Erdrücken gefüllt; denn wenigstens wollte Jeder den Mann sehen, der um ein Paar lumpiger Thaler willen und nur blos, um sich mit schönen Kleidern vor der Welt sehen zu lassen, eines der scheußlichsten Verbrechen beging, ein schönes, ebenso blutjunges, braves Mädchen mit dem Mord- beil vorsätzlich erschlug. Der bereits wegen dieser That vom Bezirksgericht zu Chemnitz durch Erkenntniß vom 7. März 1862 zum Tode Verurtheilte ist Friedrich Moritz Dietrich, Sohn ei nes Schuhmachers. Der junge Verbrecher, der im Angesicht des zahlreichen Publikums mit gebeugtem Haupte sitzt und steht, zeigt ein gutmüthiges, ja sogar einfältiges Gesicht. Seine Ant worten sind halblaut aber bestimmt; seine Kleidung eine anstän dig bürgerliche. Zwei Gerichtsdiener mit Seitengewehr stehen zur Seite, an der Thür Gensd'armerie. Dietrich ist am 23. November 1841 geboren. Nach seiner Confirmation wurde er Bergarbeiter, arbeitete 1860 als solcher in dem Kohlenschacht zu Lugau und diente bis zu seiner Verhaftung am 20. Decem ber 1861 als Laufbursche bei dem Bergverwalter Müller, wo ed 10 Thaler monatlichen Lohn und freie Wohnung hatte. Er ist noch nie bestraft, wird nach dem vorliegenden Atteste als gutmüthig, theilnehmend, weichen Characters und im guten Rufe stehend, geschildert. Die Geschichte des Raubmordes ist nach dem eigenen Gestandniß des Dietrich kurz folgende: In Lugau bei Stollberg wohnt der Spediteur Striegler mit seiner etwa 20 Jahr alten Schwester Bertha. Oft kam Dietrich in den dafigen Güterspeicher, ebenso in die Wohnung, war also mit den Räumlichkeiten ziemlich bekannt. Seine Sehnsucht nach besseren Kleidern brachte ihn auf den Gedanken des Diebstahls und namentlich schien ihm bei Striegler, wo er oft im Secre- tär viel Geld gesehen, eine passende Gelegenheit zü sein. „Und wenn es nicht anders geht" — so sind seine eigenen Worte — „erschlage ich die Bertha!" Dreimal ist er mit dem furchtba ren Beil unter dem Bergkittel nach dem Schauplatz des Ver brechens gegangen, zweimal kehrte er um — der Wille Gottes waltete noch über dem Opfer — das dritte Mal aber, es war der 8. December 1861, hatte die Todesstunde des Mädchens geschlagen. Dietrich trat kurz vor 6 Uhr Abends in die Strieg. ler'sche Wohnung, Bertha aß ihr bescheidenes Abendbrod, nicht ahnend, daß sie binnen wenigen Minuten vor dem Angesicht Gottes erscheinen würde. Sein Gruß wurde erwiedert. Auf seine Frage: „Herr Striegler ist wohl nicht zu Hause?* ant wortete das Mädchens „Nein, er ist m Stollberg, ich bin ganz allein, auch der Knecht ist fortgegangen!" — In Folge seiner ferneren Frage, wieviel der Müllersche Knecht Hafer geholt habe, stand Bertha auf, öffnete das Pult, und als sie eben das Conto Nachsehen wollte, trat D. einen Sckritt zurück, zog das Beil unter seinem Bergkittel hervor und schlug sie mit dem Rücken des Mordwerkzeugs, das er in beiden Händen hielt, zuerst auf die rechte Schläfe, so daß das Mädchen schon beim ersten Schlage lautlos zusammenstürzte. Diesem ersten Hiebe folgten nun noch mehrere und der gerichtsärztliche Befund weist erstens eine am Stirnbein von links nach rechts gehende 1H Zoll tiefe Wunde nach; zweitens einen Hieb auf die rechte Schei telwand, drittens einen Hieb über das linke Auge und viertens eine 3 Zoll lange Wunde auf dem Gesicht. Außerdem fanden sich noch mehrere Zertrümmerungen und Blutungen am Hirn schädel vor. Jeder dieser vier Hauptschläge ist von dm Ge richtsärzten einzeln für tödtlich erachtet worden. Sofort nach der That zog D. die Kaffe des Schreibpultes heraus, und be mächtigte sich des darin befindlichen Geldes, das nach Angabe des Bruders der Ermordeten etwa im Betrage von 57 Tha- lern war und theils in Silber, theils in Papiergeld bestand, worunter auch ein Anhalt-Bernburgsches Cassenbillet, das spä ter eigentlich indirect zum Verräther wurde. Nach der That löschte D. das Licht aus und entfernte sich, als es eben 6 Uhr schlug. In seiner Behausung wusch er die Blutspuren am Beil und an den Beinkleidern ab, das geraubte Geld verbarg er in der Erde eines Blumentopfes. — Ueber den Thäter herrschte Anfangs ein geheimnißvolles Dunkel. Zuerst lenkte sich der Verdacht auf einen früheren Aufläder des Spediteur Strieg ler, Namens Johann August Kretzschmar zu Lugau, der wegm eines Diebstahl von 10—15 Thlr. aber aus dem Dienst entlasten und dann verhaftet war. Jndeß hier war das An halt-Bernburg'sche Kaffenbillet von der Vorsehung dazu bestimmt, die Spur auf den wahren Thäter bloszulegm Der Bergverwalter Müller hatte nämlich an seinem Gartenzaum ein derartiges Kaffenbillet gefunden und gewußt, daß ein solche- bei dem Morde mitgestohlen war. In jener Zeit hatte aber auch D. seit dem 8. December übermäßige Ausgabm gemacht, die mit seinem Lohn nicht correspondirten. Auch war ein Beil abhanden gekommen, das sich später mit Blut am Helme unter Dietrichs Bett vorfand. Die an ihn von Müller gerichtetes Fragen über das Beil und das viele Geld beantwortete er in der verdächtigsten Weise. Die bei ihm Vorgefundenen 8 Kaffen- billets soll ihm zuerst Jemand als Falle in die Tasche gesteckt, später will er sie von „Niemandem" empfangen haben. Die Frage seines Dienstherrn, ob er sich das Geld geholt, beant wortete er durch Kopfnicken, die Frage, ob er die Bertha Striegler selbst todtgesHlagen, bejahte er zuerst ebenfalls mit Kopfnicken, dann mit einem „Ja!" — In der am 7. März d. I. stattgehabten Hauptverhandlung, in welcher sein Tode», urthleil gefällt wurde, hat er seine früheren Aussagen etwa» modifieirt und auch gelegentlich geäußert: „Es ist mir nun egal, ich werde doch Hingerichtete — Wie schon erwähnt, ist D. ein Kleidernarr gewesen, was schon au- dem Umstande hervorgeht,