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Sächsische Volkszeitung : 16.08.1920
- Erscheinungsdatum
- 1920-08-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-192008161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19200816
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19200816
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1920
-
Monat
1920-08
- Tag 1920-08-16
-
Monat
1920-08
-
Jahr
1920
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 16.08.1920
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Nr. LS« 1». Jahrg. Geschäft«^!« M»L »ekaktt»»» Lrr»»«»«A. 1«. 4« SöÄMe Montag, 1«. Angnst 1SS0 LtXIV Poftsche«»Kontor Leipzig Re. 14107 VMreLüma Äczugspret», Vlerteljährlich in der Geschäftsstelle oder von der Polt abgeholt Ausgabe ^ mit Illustr. Beilage I0.S8UV Aufgabe I> V.48 In Dresden und ganz Deutschland frei HauS Ausgabe 4 1«.«S Ausgabe It ».SV — Die Sächsische VoltSzeitung erscheint an allen Wochentagen nachm. — Sprechstunde der Redaktion: 11 btS IS Uhr vorm. Aozeigeni Annahme von SeschästSanzcigen bis 1» Uhr, von Familien»,izeigen bis II Uhr vorn,. — Preis sür die Petit-Spaltzelle 1.4» im Rellameteil 8.5» Famtlienanzelgen 1.8» ^ — Für undeutlich geschriebene, sowie durch Fernsprecher aufgegebene Anzeige» können wir die Verantwortlichkeit sür dis Richtigkeit de» Textes nicht übernehmen M»MWWMWWMW8«S«S»»SS«S>>»S«»SSSSSS«««S»SSSSSSS^ESWWWSSL Dem Slaatsbankrott entgegen? Von parlamentarischer Seit« wird uns geschrieben: Der Reichs» siiianzminister Dr. Wirth hat wiederholt in aller Oeffentlichkeit aus die ungeheuer schwierige finanzielle Lage des Reiches hingewiesen, ohne daß seine dringenden Mahnrufe überall ein geneigtes Ohr ge sunden hätten. Bei der zweiten Beratung des Ergänzungsctats hat er abermals gewissermaßen eine Flucht in die Oefsentlichleit unter» nommen und das ganze deutsche Voll darauf hingewiesen, daß die Entwicklung der deutschen Finanzen nachgerade eine latastrophale geworden ist. So ist eS in der Tat. Wenige Zahlen werden jedem, der sich überzeugen lassen will,' zu der Einsicht bringe», daß es so wie bisher nicht weiter gehen kann, wenn nicht das Reich dem sicheren Untergange in absehbarer Zeit ausgeliesert sein soll. Das laufende Rechnungsjahr weist einen Steuerbe darf von 30 Milliarden auf. Dazu kommen rund 20 Milliarden Fehlbeträge aus der Eisenbahn, und Post- perwaltung. Z» dieser Summe jährlicher Aufwendungen von 50 Milliarden tritt schließlich noch die Entschädigung, die Deutschland dem Feindbund zu zahlen haben wird Daß diese Entschädigung eine beträchtliche sein wird, darüber wird wohl niemand im Zweifel seien könne». Die Frage, woher diese ungeheuerliche Summe genom men werden soll, vermag bereits heute niemand mehr zu beantworten. Die Steuerschraube ist bis zum äußersten angezogen. Wo weitere Mittel hergenommen werden sollen, das ist eine ungelöste Frage, von der wir fürchten, daß sie «ine unlösbare bleiben wird. Zu diesen lausenden Lasten des Reiches, die, wenn die Entwicklung so weiter geht wie bisher, erheblich größer werden wird, treten die ungeheuer, lichen Schulden des Reiches. Im Jahre 1914 betrug die Reichs» schuld 5,4 Milliarden, heute beträgt sie bereits rund 280 Mil» Norden und es ist der Zeitpunkt abzusehen, wo sich diese Schuld nahezu verdoppelt haben wird, so daß das Reich sich längstens in zwei Jahren vor einer Schuldenlast von rund 500 Milliarden gestellt sehen wird. Das bedeutet allein ein« Zin- senlast von 25 Milliarden jährlich, also so viel, wie heute das deutsche Volk an Steuern anfbringen muß. Trotz dieser überaus srnsten finanziellen Lage mehren sich die Belastungen des Reiches fort gesetzt. Von allen Seiton werden immer aufs neu« Ansprüche und Forderungen an de.S Reich gestellt. Wenn dem nicht Einhalt geboten wird, dann kann man sich zahlenmäßig auSrechnen, wann der Augenblick kommen muß, an de», das Reich den formellen Staats» bankrott erklären muß, so sehr alle maßgebenden Stellen sich dagegen auch sträuben. Wir sagen den formellen Staatsbankrott, denn tat» -ächlich ist das Deutsche Reich bereits längst bankrott. Das deutsch- Jolk lebt schon längst aus der Konkursmasse. Wohin wir sehen, wird -Ine Wirtschaft getrieben, die man kaum noch anders als eine Bank- rottwirtschaft bezeichnen kann Es liegt uns fern, hi«r Vorwürfe zu »beben. An dieser Entwicklung sind zum größten Teil die Ver hältnisse und die Einsichtslosigkeit weiter BevölkerungSIreise, die eben nicht bemcistert werden konnten, schuld. Man wird sich nun fragen müssen, gibt es „och einen Weg, dem scheinbar unab wendbare n Staatsbankrott des Reiches zu be- segnen? Es ist selbstverständlich, daß alles, was nur in Men- chenmacht steht, geschehen muß, um dieses Elend vom deutschen Volke ibzuwenden, denn der Staatsbankrott würde die Einstellung sämt» .icher Zinszahlungen durch das Reich, sämtlicher Bcamtenbesoldun- M, sämtlicher Renten- und Jnvalidenbezüge bedeuten, es würde chten Ende gleichbedeutend sein mit der Auflösung des Reiches und )er Vernichtung jeglichen staatlichen Eigenlebens des deutschen Volkes, welches dgnn endgültig zum Arbeitssklaven des internationalen Ka- itals herabsinken würde. Es ist in den letzten Jahren so vi«l von Sparsamkeit gesprochen worden. Gewiß, Sparsamkeit tut uns not, iußerste Sparsamkeit', und es ist zuzugebe», daß die >!eichsbehörden und auch die Landesbehkrden und nicht zuletzt auch ic Gemeindebehörden das durch die Bettelarmut des deut» chcs Volkes dringend geforderte Maß an Sparsamkeit nicht iberall bewiesen haben, aber auch sehr weite Kr«ise des deutschen tzolkes selber haben die Mahnung zur Sparsamkeit in den Wind ge- cl,lagen. Wenn Reichs- und Landesbehörden zur äußersten Spar- amkeit angehalten werden müssen, so muß mit genau demselben "kackidruck auch von jedem einzelnen Staatsbürger die äußerste Ein- chränkung in der Lebenshaltung gefordert werden. Das deutsche Üvlk in seiner groß«» Mehrheit ist aber augenscheinlich noch immer nicht über den großen Ernst dev Lage im klaren Regierung und öarlainent können aber nur dann wirksame Mittel ergreifen, die Ver- chlechterung der Finanzlage des Reiches auszuhalten, wenn sie dabei uni dein ganzen deutschen Volke auf das wirksamste unterstützt wer den Geschieht das nicht, dann werden alle Mittel versagen, der vi'nanziiot Herr zu werden. Dann ist eine wirtschaftliche nid finanzielle Katastrophe des Reiches von unge heurer Tragweite unabwendbar. Mit Sparsamkeit allein ist »icht alles getan. Beinah noch dringlicher ist die Steigerung der Produktion, damit das Deutsche Reich seinen eigenen Be- rars durch eigene Arbeit decken und dabei noch einen Ueb'r'chuß zur Ausfuhr erzielt. Das heißt mit anderen Worten, intensivstes Arbei ten jedes einzelnen, mag er sich in Staatsstellung, mag er sich in brioatst-llung als Angestellter oder Arbeiter, oder mag er sich in den 'reien Berufen betätigen. Die Arbeitsleistung des deutschen Volkes vor dem Kriege ist mit Recht als mustergültig anerkannt war ten. aber jetzt gilt es, die Leistung nicht nur wieder nr erreichen, andern sie mindestens zu verdreifachen. Bis letzt sind ille Mahnungen unerhört verklungen, nichts bat genutzt. Sollen wir -s dahin kommen lassen daß das deutsche Volk restlos durch Not und Äend zur besseren Einsicht gezwungen werden muß? Es gibt nicht oem'ge Vertreter dieser sogenannten Katastropkenpolitik, die ans dem -«andPunkt stehen, daß das deutsche Volk nicht früher zur Besinnung oininen wird, bis es restlos den Decher des Elends und der Rot msgetrunken hat. Die Vertreter dieser Kataiittovhei'.wIM über» eben dabei aber das eine, daß dabei Werte verloren gehen werden, die beute mehr als je unersetzbar und vielleicht nie wieder einnibnn- >en sind Darum muß das deutsche Volk, wsm es das letzte Unglück ibwend-n will, und dazu ist es. wenn eS den Willen hat. nach nn» rrer Ueberzeugung auch heute noch in der Lage, alles ausbieten »nd Uno letzten Kräfte vergeben, um di- deutsche Wirtschaft >nd damit die Finanzen wieder allmählich aus die alte Höbe zu brin gen. Tut eS das nicht, dann wird e- seinen Untergang finden. Das lürde ein Schicksal sein, welche» eS sich letzten Ende» selbst bereitet md daher »erdkent ha^rn würde. Die äußere Politik des russischen Bolschewismus Drei llar erkennbare Richtlinien lassen sich in der gegenwärti gen äußeren Politik Rußlands feststcllen: Wiederherstellung der russi schen Herrschaft über die sogenannten Naudstaat^n, Anerkennung dex Räterepublik durch die Großmächte, Bekämpfung der englischen Po litik in Vorderasien. Ter Friede von Vrest-Litowsk hat Rußland die westlichen Rand staaten genommen. Tie Ukraine, die Krim, Polen, Litauen, die Balteu- länder, Finnland machten sich selbständig. Rußland kam sehr schnell von der Theorie zurück, daß eS den Randstaaten frei stehen sollte, ihre eigenen Wege zu wandeln, selbst wenn ihre Freiheitsbestrebungeil bis zur Loslösung von Rußland gehe,, sollte». Rußland braucht die Nandstaaten, denn es kann sie weder zum wirtschaftlichen Ausbau im Innern noch zur Verbindung mit Mittel- und Westeuropa entbehren. Es bedarf der Getreidegebiete und Kohlenwerke der Ukraine, de» Häfen von Reval und Riga, der durch Polen nach Europa führen- den großen Verkehrsbrücke Was die Zaren in Jahrhunderte» dnrch viele Kriege erobert hatten, kann die Räterepublik nicht hergeben, denn sonst wivd sie nicht leben. Ursprünglich ging sie mit dem Ge danken um, mit diesen Staaten Frieden zu schließen und sie als eigne Gebilde anzuerkennen. Hierbei lag die Ueberzeugung zugrunde, daß diese Neubildungen auf die Dauer nicht daseinsfähig sein würde», sondern in ein FöderativverhäliniS zu Großr-ußland treten müßten, wobei eine mehr oder weniger große Unabhängigkeit in praktischer Hinsicht gegenstandslos war. Der Krieg gegen Polen hat die Lage ivesentlich Vorschüben. Er löst« das russische Nationalgefühl aus und fachte einen Imperia lismus an, den die Moslauer Machthaber benutzten, um über die inneren Schwierigkeiten hinwegzukammen und den ermattenden Kräf ten des durch Druck und Not niedergeworfeiien russischen Volles einen starken Antrieb zu verleihen. Vorläufig ist mit Finnland, Estland, Lettland, Litauen eine Art von FriedenSzustand hergestellt, der den Russen große Rechte einräumt. Er wird in bezug aus seine Ausge staltung von dem Ausgang des Krieges mit Polen abhängen. Die Hauptfrage dreht sich mir Pole». Im April 1920 wäre Räterußland bereit gewesen, mit Polen Frieden zu schließen, auch Polen als Staat mit freier, nicht vom Bolschewismus beeinflußter Verfassung anzuerkennen Polen ließ sich durch die Entente, vornehm lich durch Frankreich, bestimmen, eine großangelegte Machtpolttik nach Osten hin zu treiben. ES wollte Teile von Weißrußland und Litauen, auch die Ukraine bis zum Gorhn und Sbrucz haben. Unter Petljnra sollte ein untsr polnischem Einfluß stehender schwacher Staat geschaffen werden, der den Polen den Machtbereich bis Odessa sicherte. Hieraus entwickelte sich der Krieg, der Polen in eine ver zweifelte Lage brachte. Rußland hat gesiegt und wird Polen seine Bedingungen stellen. Ob sie mit der Erhaltung eines veikleinerten, aber noch selbständigen Polens enden, oder ob Polen früher oder später wieder mit Rußland ausgehen wird, liegt in der Zukunft. Eng verknüpft mit dem Ausgang des polnischen Krieges ist das Verhältnis Rußlands zu Rumänien und der Tschechoslowakei, Gegen Rumänien hin ist der Besitz Bessarabiens, gegen die Tschechoslowakei die Einigung über Teile der Ostlarpathen strittig. Hier stehen Macht sragen im Vordergrund, deren Lömng von der militärischen Stellung abhängt. welche Rußland im polnischen Kriege gewinnen wird. Daß die Ukraine und die Krim in irgendeiner Form mit Rußland wieder vereinigt werden, kann schon jetzt als sicher gelten, wenn schon e-s wohl nicht ohne Kämpfe ablaufen dürfte Eine Offensive der Entente von Odessa aus gegen Rätenißland hat ebensowenig Aussichten wie das Eingreifen über Deutschland-Oesterreich oder über Daiizig-Mcmcl- Riga. Der zweite Punkt, die Anerkennung Räkernßlands dnrch die Großmächte ist für die wirtschaftliche Stärkung Rußlands von ent scheidender Bedeutung. Zurzeit liegen die Dinge nicht günstig, denn Frankreich macht die Anerkennung davon abhängig, ob Rußland die Milliardenanleihcn auf sich nimmt, die das französische Kapital zur Gewinnung des russischen Bundesgenossen zum Weltkriege hergegkbe» hat. Augenblicklich hat die Entente die Anerlcnnungsfrags deshalb vertagt, weil der polnische Krieg vom Standpunkt der Entente ans ein militärische» oder wenigstens ein politisches Eingreifen gegen Rußland'wünschenswert erscheinen läßt. Ob die Nichtanerkennung seitens der Entente ein genügend starkes Zwangsmittel gegen Ruß land bilden wird, um cs gegen Pole» nachgiebig zu stimmen, be zweifeln wir. Von großer Bedeutung ist endlich die äußere Politik Räteniß- kands in Asien. Es ist den Russen gelungen, die drei selbständigen Staaten Georgien (Tiflis), Armenien. Aserbcidjan (Baku) dem Räte system zu gewinnen und hiermit den englischen Einfluß anszuichalten. Für England bedeutet dies einen schweren Schlag, denn die Oelselder von Baku sind von höchster wirtschaftlicher Bedeutung für Englands orientalische Interessen. Wie weit die Versuche der Bolschewisten ge. lungen sind, mit den Nalionaltürlcn unter Kcmal, mit den Kurden durch Enver Beziehungen anzulnüpsen und sie praktisch auszuwerten. ist nicht mit Bestimmtheit zu erkennen. In Nordpersien hat sick, bei Ncscht unter russisch-bolschewistischem Einfluß ,ine kleine Persische Stativ, alrepublik gebildet. Turkestan ist in russischem Besitz, da gegen hat Rußland den ostsibiriichen Pufferstaat zwischen Baikalser und der Küste des Stillen Ozeans dem japanischen Einfluß über lassen müssen. Unser kurzer Ucberblick zeigt, daß sich die Frage der äußeren Politik RStenißlands sehr weit verzweigt und von großem Einfluß auf die Gestaltung der Wcltercignisse sein wird. Wir Deutsche haben alle Ursache, auch in unserer durch die Auswirkungen dcS Versailler Friedens gedrückten Lage die volle Aufmerksamkeit auf Rußland zu richten. Was dort vorgeht, wird von großem Einfluß auch auf die Gestalt unserer Angelegenheiten sein. F. I. Nochmals zum Steuerabzug vom Arbeitslohn Von einem innerpolitischen Mitarbeiter Der heftige Kampf wegen des Steuerabzuges vom Arbeitslohn geht in der Oefsentlichleit unvermindert fort. Bon den verschieden sten Teilen des Reiches aus kommen Proteste der Arbeiterschaft gegen solchen Steuerabzug. Die in den verschiedenen Bezirke» Deutschlands herrschenden Unruhen unter den Arbeiterschaft drohe» sich nunmehr aus die Arbeiter der Eisenindustrie des Nuhrreviers auszudehnen. Auch sie wollen sich gegen die Einbehaltung des Steuerabzugs mit allen Mitteln zur Wehr setzen, und verlangen von den Arbeitgebern die Einstellung dieser Maßnahme und die Rückzahlung der bisher einbehaltenen Beträge. Auch aus Württemberg, vor allem aus Stutt gart, wird über eine derartige Demonstratio» der dortige» Arbeiter schaft gegen das SteuerabzugSversahren berichtet, allerdings richtet sich die dortige Protestbewegung vor allem gegen die Einkommen- stousrsätze überhaupt. Da dürste es von größter Bedeutung sein, der Arbeiterschaft nochmals die Wichtigkeit dieser steucrtechnischen Maßnahme vor Augen zu führen. Bei der Kritik des Lohnabzuges wird immer wieder vergessen, in welch außerordentlich großer Fi-> nanznot sich das Reich befindet. Bei dieser seiner Finanznot ist eS auf die Steuern angewiesen, denn ohne diese muß jede Staatswirt schaft aufhören und als weitere Folge Staats- und Volkswirtschaft selbst zusammenbrechen. Ein solcher Zusammenb-ruch würde aber gerade am schärfsten diejenigen treffen, die sich heute gegen diese steuertechnische Maßnahme wenden, nämlich alle dieienigen, di« von der Arbeit leben müssen. Das sind in erster Linie die Arbeiter Deutsch. landS selbst, die an dem Wiederaufleben Deutschlands und an der Gesundung seiner Finanzen daher das allergrößte Interesse haben müßten. Dazu kommt noch, daß bei dem derzeitigen Tiefstand der Valuta gerade die arbeitend: Bevölkerung am schwersten leidet, und noch schwerer getroffen wird, wenn das deutsche Geld >v«iter ent wertet. Wenn nun die Anbeter sich gegen die scheinbar hohe Ein kommensteuer wenden, so müssen sie doch auf der anderen Seite be denken, daß sich ihre Löhne prozentual der Entwertung des Geldes immerhin einigermaßen entsprechend gewaltig gesteigert haben, und daß es aus der anderen Seie nicht angängig ist, daß das Reich selbst aus dieser Enttvertung nicht seine Konsequenzen ziehen sollte. Es hat dies dadurch getan, daß es auch entsprechend die Steuern erhöhte. Nun liegt es ja auf der Hand, daß die Arbeiter und Angestellten das Gefühl haben, daß sie — um ruhig einmal im Volkston zu spreche» — bei dem jetzigen steuertechnischen Verfahre» die „Dummen" sind. Denn ihr Einkommen liegt offen zutage und wird nach dem jetzigen Verfahren voll und ganz ergriffen und schonungslos ergriffen, wäh- rcnd alle anderen Kategorien von Steuerzahlern im Deutschen Reiche nach wie vor nicht einer solche» rücksichtslosen Ergreifung zu unter liegen scheinen. Dabei muß aber die Arbeiterschaft immerhin be denken, daß die hohen Einkommen entsprechend der allgemein aus gestellten sozialen Forderungen durch das neue Reichseinkommcn- steuergesetz in einem Maße ersaßt sind wie es wohl in keinem an deren Lande bisher der Fall war. Geht docki die Einkommensteuer bis zu 60 Prozent bei den, ganz großen Einkommen, wozu neben dem reinen Arbeitseinkommen die Kapitalertragssteucr. die Körper- schastssleuer und nicht zuletzt das Reichsnotopfer hinzukommcii. Wie gründlich das große Kapital ersaßt wird dürsten sich die Arbeiter doch vor Augen führen, wenn sie bedenken, daß aller Kriegsgewiim bis auf 172 000 M. weggcsteucrt wird, und daß das Neichsnotovflr das alte Vermögen bis zu 65 Prozent sortnimmt. Wenn Vas Reich sich min bestimmen ließ, die Steuer direkt bei der Lohnzahlung ein- zuhalten, so ist es von dem Gedanken ausgegaugen, daß es dadurch am sichersten die Steuern, die es nun einmal notwendig bat, ersaßt. Steuersabotage im setziaen Augenblick würde aber ein Verbrechen am Rcickie wie am ganzen Volke bedeuten, denn es würde de» Zusammen bruch des gan'en Steuersvsteiiis und damit den Ruin der breite« Masse der arbeitenden Bevölkerung unweigerlich nach sich ziehen Der zweite Reichssiedlertan Am Sonnabend begann im Leipziger Palmengarten die Ver handlungen des 2. öiejchssievlcitagcS, den der Vorsitzende des Ver bandes gemeinnütziger Siedlungs-Vereinigungen, Max Buchhol;- Berliu, namens der Reichsarbeitsgemci»>chast sür SiedliiugSwesen er öffnen;. Der 2. Neichssiedlertag solle das Sicdlcrwerl fördern. Bütigermcistcr Roth begrüßte die Tagung »ameirS der Stadt Leip zig Tie verteuerten Baumaterialien machten leider eine größere BauMigl-it den gemeimrtttzigen und privaten Baug-ffcllschasten sowie die Behörden unmöglich. Alle scharfe Erfindungsgabe könne die Fol gen der ungeheuer erhöhte» Baukosten nicht ausgleicheu. Die Stadt Leipzig habe den feste» Willen, durch umfangreiche Wvhnungsbauten. insbesondere auch durch Kleinsiedlungen, der Wohnungsnot zu be gegne», um dadurch den Schwerverletzten de» Dank abzustatten. Keine Stadtgemcinde sei imstande, der großen Ucbclstärrde Herr zu werden. Nicht durch Bauzuschüsse, sondern erst durch einen Abbau der Preise und dnrch eine Gesundung umeres wirtschaftlichen Lebens aus sich heraus werde das Siedlungswcrk gefördert werden. Namens des Sächsischen LandcSwohnnngsamtcs und des Mini steriums des Innern begrüßte Oberregieruugsrat Dr. Rusch den Sicdlertag. Die sächsische Negierung habe die Siedlcrvereine stets unterstützt und ihre sachliche Mitarbeit werde immer willkommen sein. Auch daS Sächsische Landcswohnungsamt könne sagen, daß eS immer bemüht gewesen sei, dem Siedlerwesen freie Bahn zu schaffen. Hieran schloß sich der erste Vortrag über: Das ^ke-chs» siedln ngsgesetz und die landwirtschaftlichen Siedlungen von Direktor S u d e ck - Zehlendorf. Er begann mit einem Rückblick auf die Entwicklung d«r modernen Siedlungs bewegung und die verschiedenen während des Weltkrieges erlassenen Siedlungsgesetze Grundsätzlich Neues habe das ReichssiedlungSge- setz vom 11. August 1919 nicht gebracht, sondern es handle sich dabei lediglich um den weiteren Ausbau der preußischen Sicdlungsgesetze. Man müsse verlangen die Aushebung des Privateigentums an Grund' und Boden, an dessen Stelle das gemeinschaftliche Eigentum im Sinne von Damaschke treten müsse. Die Lösung dieses Problems müsse die Hauptaufgabe sein Erforderlich bleibe daher eine Aende- vung der heutigen Gesetze, aber solange eine solche nicht erreicht wor den ist, müsse versucht werde», die bestehende Gesetzgebung den Be strebungen der Sicdlungsfrcunde dienstbar zu machen. Notwendig sei ein« Besitzcintcilung von Grund und Boden, die einen Aufstieg aller
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