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il. Wler. st. vtoutag, den 30. IU88le»UNg ^«r1«8un^, cksrä Volk. ä«ke ist bestens SIMMs bei ienhold, Schäller. eil l»lL«8l«I» pfiehlt ohn. Wochen- und Nachnchtsblatt zugleich HesMsk-SWiger für MMrf, Zödkitz, Amsdorf, Usdorf. Sl Wien, Mnnchml, Noricmii und UW». Amtsblatt für den Stadtrat zu Lichtenstein. - - - ' - - US Jahrgang. — " ' -"— Nr. 274 Freitag, den 27. November , 190z DieskS Blatt ercheint läglich eautz-r sonn- nnü für Scv folge Sen 7ag. B^rteUaylliärcr BerugopreiS i Mk. 28 Psg., ourck die Post bezogen I Mk. 80 Pf. — Pin,ein« Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer osr iry-edition in Lichlenstein, Zwickauerstraße 397. alle Kaiserl. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. Insel ate werden die fUnsgeipaltene Korpu«zev- oder deren Naum mit P!em igeu ^ereümei. Annahme der Inserare täglich bis spätestens vormittag W Uhr. — Im „Amtlichen Teil" wird die zweispaltige Zeile oder deren Raum mit 30 Pfennigen berechnet. Für auswärtigen Inserenten kostet die ögesvaltene Zeile 15 Pfennige. — Bekanntmachung. Für die demnächst vorzunehmende Gemeinderats-Ergänzungswahl der «nansäffige» Klasse ist eine Liste der Stimmberechtigten, sowie der Wähl baren ausgestellt worden. Dieselbe liegt vom 2S dieses Monat» ab 14 Tage lang während der gewöhnlichen Geschäftszeit im Gemeindeamt zur Einsichtnahme aus. Es steht jedem Beteiligten bis zum 2. Dezember dss Js frei, gegen die Wahlliste beim Gemeindevorstand Einspruch zu erheben. Nach Ablauf des 8 Dezember 19«3 wird die Wahlliste ge schlossen und e« können alle Diejenigen, welche in der geschlossenen Eiste nicht eingetragen find, an der bevorstehenden Wahl nicht teil nehme«. H 0 hnd 0 rf, am 24. November 1903. Der Gemeindevorstand —— Schaufuß^ Mdlr. Die Volksbibliothek zu Callnberg ist Sonnabends und Mittwochs nachmittags 1—2 Uhr geöffnet. Politische Rundschau Deutsches Reich * Die Einberufung des Reichstags wird endlich im „Reichsanz " bekannt gegeben. Danach soll der Reichstag am 3. Dezember, also am Donners tag nächster Woche, zusammentreten. * Wie jetzt bekannt gegeben wird, denkt Kaiser Wilhelm nicht daran, längeren Aufenthalt im Süden zu nehmen. Seine völlige Wiederherstellung ist eine Frage von einigen Tagen, auch soll Aussicht vor handen sein, daß der Monarch entgegen einer vor wenigen Tagen durch die Presse gegangenen Meldung den neuen Reichstag persönlich mit einer Thronrede im Weißen Saale des Kgl. Schlosses eröffnen werde, falls nicht von ärztlicher Seite dagegen Widerspruch geltend gemacht werden sollte. Die Stimmung des Kaisers soll, wie außerdem der preußischen Korre- spondenz versichert wird, durch die Erkrankung in keiner Weise nachteilig beeinflußt worden sein. * Furchtbare stürmische Szenen hat es auf einer Berliner Freisinnsversammlung ge geben. Nachdem vr. Barth sein altes Sprüche! über die Herrlichkeit der Umsturzpartei hergesagt hatte und von einem Vertreter der freis. Volkspartei energisch bekämpst worden war, griff der abgesagte Kandidat sür Teltow-Beeskow-Charlottenbui g vr. Artur Bernstein in die Erörterung ein, worauf die ohnehin erregte Versammlung so lebhaft wurde, daß man Tätlichkeiten befürchten konnte. Bernstein führte etwa aus: In letzter Linie sei die Parteileitung schuld, daß der Kreis der liberalen Sache verloren gegangen sei. Die beiden renitenten Urwähler Eugen Richter und Müller (Sagan) hätten nicht so lügen und stänkern sollen, dann wäre der Kreis gewonnen. (Furchtbarer Tumult. Rufe: Schuft I Gemeiner Kerl! Pfuirufe.) Der Vorsitzende, Stadtverordneter Plischke, läutet minutenlang mit der Glocke, ohne daß es ihm gelingt, Ruhezu schaffen, Dr. Mugdan und andere Volksparteiler verlassen entrüstet den Saal, dann gelingt es Dr. Bernstein, wieder zum Wort zu kommen. Er erklärt, er habe diese scharfen Ausdrücke gebraucht, um die Abgeordneten Eugen Richter und Müller (Sagan) zu zwingen, ihn zu verklagen. (Rufe: So dumm werden die nicht sein.) Mit dem heutigen Tage habe er alle seine Aemter in der Partei nieder gelegt (Bewegung), weil er nicht mit diesen Leuten an einem Strange ziehen will. (Großer Lärm und starker Beifall.) Gegen 1 Uhr nachts erreichte die Versammlung ihr Ende, die Anwesenden trennten sich in größter Erregung. * Der durch den Prozeß Ries bloßgestellte oldenburgische Justizminister R u h st r a t hat dem Großherzog keine Demission angeboren, die dieser annahm. Italien- * Ein Attentat auf das italienische Königspaar ist in Frankreich beabsichtigt gewesen. Der Distriktschef der Westbahn, Allard, fand abends auf dem Gleife, das der Zug zu passieren hatte, sieben große Steine. Als Urheber des Attentats wurde ein zur Bewachung der Linie verwandter Kolonialsoldat ermittelt. — Wenige Tage zuvor schwebten die beiden Königinnen Alexandra und Elena in großer Gefahr. Bei der Jagd in Windsor fanden sich kurz vor Früh stück die Königinnen Alexandra und Elena auf dem Stand der beiden Könige ein. Dem König Viktor ging beim Entladen ein Schuß los, der an den Ohren der beiden Königinnen vorbeifauste. Frankreich * Wir haben immer das Gefühl, als ob Frankreich seine innersten Empfindungen verheim- liche, wenn es in die Friedensschalmeien seiner Freunde einstimmt, wenn es mit Rußland den Frieden preist und sich mit England und mit Italien zur Aufrechterhaltung des Friedens in schwungvollen Tiraden verpflichtet. Und daß den Franzosen in Wirklichkeit an nichts weniger als an dem dauernden Frieden gelegen ist, das hat die jüngste Debatte in der Pariser Deputiertenkammer wieder einmal handgreiflich bewiesen. Der Minister des Auswärtigen, Delcassä, schloß eine lange Rede über Frankreichs Auslandspolitik, die in allen schwebenden politischen Fragen der größten Zuver sicht Raum gab, mit den bezeichnenden Worten: Was die Abrüstungsfrage betrifft, so begreifen Sie, daß Frankreich damit nicht den Anfang machen kann. China * Der chinesische Vizekönig Nuau - schikai hat dem Kaiser vonChina gemeldet, daß er bereit sei, den Russen in der Mandschurai den Krieg zu erklären. — In Südchina herrscht große Hungersnot. Prozeß Kwilecki. Im Berliner Justizpalast herrschte gestern wiederum ein ungeheuerer Andrang der Menschen menge. Die Tribünen wurden geradezu gestürmt, wobei sich unbeschreibliche Szenen abspielten. Nach Eröffnung der Verhandlung beginnt Rechtsanwalt Chodziesner sein Plaidoyer für den Grafen: Ange sichts der schlechten Eheoerhältnisse habe der Graf kein Interesse an der Beschaffung eines Majorats- erben gehabt. Rechtsanwalt Chodziesner greift hierauf auf das heftigste die Aussagen der Hedwig Andruszewska an und betont, es sei nur merkwürdig, daß die Hedwig nicht säwu im Posener Zivilprozeß das Geheimnis enthüllt habe. Hechelski sei ebenso wenig glaubwürdig; er bedauere nur den Grafen Hektor, der mit solchen Zeugen geriert habe. Der Verteidiger meinte in seinen Ausführungen weiter, Graf Hektor müsse trotz aller Erklärung ein besonderes Interesse an dem Besitz von Wrowblewo haben, das 70 000 M. einbringe. Der Staatsanwalt habe ge sagt, in der Wrowblewoer Gegend grassiere die Meineidsseuche, wunderbarerweise blieben aber nur Hechelski und die Hedwig Andruszewska verschont. Die Stellung der Staatsanwaltschaft zu dem Sach verständigen Prof. Dührssen sei merkwürdig. Es sei ein Widerspruch des Gesetzes, daß nicht die Ge schworenen über die Vereidigung der Zeugen ent scheiden, sondern das Dreimännerlollegium. Die Schwurgerichte seien manchem ein Dorn im Auge, schon weil sie aus dem Jahre 1848 stammten. Sie werden aber noch lange den jüngsten Berliner Staatsanwalt überleben. (Heiterkeit.) Ich halte für nicht erwiesen, fährt der Verteidiger fort, daß der kleine Parcza nach Berlin gekommen ist. Der Knabe kam schon zwischen dem 12. und 14. Januar aus Krakau weg, wohin ?, dafür gibt es eine nach Oswice führende Sour, aber diese hat man nicht verfolgt: jetzt ist sie verweht. Redner würdigt dann die Motive des Grafen Hektor, der Hedwig Andrus zewska und Hechelkis und charakterisiert diesen als den Versucher, stellt dem auch die Tatsache gegenüber, daß er über den Gang des Vorverfahrens informiert wurde. Nach einer satyrischen Besprechung der Aussagen des Droschkenkutschers Wilke bemerkt er gegenüber dem Professor Dührssen, wer als wissenschaftlicher Gutachter auf Grund tatsächlicher Momente der Beweisaufnahme dazu kommt, ein Glaubensbekennt nis abzulegen, diskreditiert sich selbst und seine Wissenschaft. Redner bittet schließlich um die Ver neinung der Schuldfragen. Als dritter Verteidiger des Grafenpaares spricht Rechtsanwalt 0. Rychlowski. Er sucht die Anschauung zu beseitigen, es sei sonder bar, daß als Hebamme mcht die Ossowska, sondern die fernwohnende Ewell engagiert worden sei und daß Dr. Rosinski so spät gerufen wurde. Er stellt sodann dem Trifolium Hedwig und Valentine Andruszewska und Hechelski das Zeugnis der beiden adligen hochangesehenen Damen gegenüber, die der Entbindung beiwohnten, und betont die zwischen dem kleinen Grafen und den Komtessen festgestellte Aehnlichkeit. Rechtsanwalt Zborowski spricht hieraus für die Angeklagten Knoska und Chwiatkowska. Nach den Repliken des ersten Staatsanwalts Dr. Steinbrecht, der sich namentlich gegen die Ausfüh rungen des Justizrats Wronker über die Vorunter suchung wendet, und des Staatsanwalts Dr. Müller verzichten die Verteidiger auf cme Erwiderung. Der Präsident gibt sodann den Angeklagten das letzte Wort. Die Gräfin erklärt: Ich bin unschuldig ; weiter habe ich nichts zu sagen. Dieselbe Erklärung geben die übrigen Angeklagten ab, mit Ausrahme der Ossowka, die meint, sie sei schuldig. Sodann erteilte der Vorsitzende die Rechtsbelehrung und weist die Behauptung zurück, daß die Nichtvertei digung einiger Zeugen auf Voreingenommenheit des Gerichts beruhe. Nach der eingehenden Rechtsbelehrung fordert der Präsident die Geschworenen auf, sich lediglich von ihrem besten Wissen und Gewissen leiten zu lassen und nicht auf die öffentliche Meinung Rücksicht zu nehmen, vielmehr dafür zu sorgen, daß kein Un schuldiger verurteilt, aber auch dafür, daß nicht ein Schuldiger hohnlächelnd darüber den Saal verlasse, daß ein Richter kleinlich und nicht scharfsinnig genug gewesen sei. Kurz vor ^4 Uhr ziehen sich die Ge schworenen zur Beratung zurück und erscheinen um 6 Uhr wieder im Saale. Der Obmann, Stadtver ordneter Fritsch, verkündet unter lautloser Spannung den Spruch der Geschworenen, wonach sämt liche Angeklagtenfürnichtschuldig erklärt werden. AIS der Obmann zur ersten Frage, ob die Gräfin der Kindesunterschiebung schul dig sei, mit lauter Stimme das „Nein" ausspricht, bricht das Publikum fortan in ein vielhundertstim- miges Bravo aus, was der Vorsitzende rügt. Während der Obmann die weiteren Fragen verliest, schallen von der Straße Hochrufe der Menschenmassen her auf, die sich seit Stunden zu Tausenden angesammelt haben. Die Gräfin, der die allgemeine Aufmerk samkeit zugewendet ist, hört den Spruch mit Selbst beherrschung, während ihre Lorgnette auf den Ge richtshof gerichtet ist, ohne mit einer Miene zu zucken. Der Präsident verkündet sodann folgendes bereits gestern abend von uns durch Extrablatt bekannt ge gebene Urteil: Sämtliche Angeklagten w erden freigesprochen,dieKo st endes Verfahrens derStaatskasseauferlegt und die erlassenen Haftbefehle auf gehoben. Die Gräfin winkt nach der Urteilsver kündigung mit dem Taschentuch nach den Logen und nach dem Zeugenraum. Der Graf wirft denZeugen