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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.02.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-02-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110217016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911021701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911021701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-02
- Tag 1911-02-17
-
Monat
1911-02
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis wr L«tpzia ua» 2>or»rr« durch unlrrr Lrt««r and Svedneu» Smcl «äglich üu Hau» ««bracht: Vv loaatl., L.7V dtrrttljädrl «e> unler» HUialrn ». «n. aatz«bell«a adgebolu 7L 2Z monatig ».LS »'«nrliLbrl. Lorch dt« Poft- tanrrhalb Druiichland« and der deatlchen p,l»ai«a «errelitdrl. it.Sc» monall. I«r. aa«Ichl. Posldrstkllgcld. ,Zern«r m Belgien, Dänemark, d«n Tonauliaaten, Jtallea. »iuremdurg, Niederlande, «,r- w««n. Oesterreich -Ungarn, »lubland, Schweden, Schweiz a. Spanien. In allen übrigen Slaalen nur direlt durch di« <bchchä!»,l«ll« de« Blatt«« «rdä.ilich. La« Leipziger Tageblatt er1ch«ini 2 mal täglich. Sonn. » gieieriaa« nur morgen«, »bann« >«at»Lnnahme: Augustu«vlatz^ b«i aa>er«n Trägern. Filialen, Lpediteurrn Mtd Lanahmestellen, Wwre Bostämlera aab Bneiträgera. ?1»,»l»«rk»,I«pr«i« der Marge», aulgabr Itt 2z, dar Ldrnd iu«aab» 5 «d. Nrdaktlda and <»rschäkt«kellrr Idbannidgaste 8*n»io«ch«rr 146VL llütk, r««vt. Nr. 48. Morgen-Ansgabe. UtiBiWrTagtblM Handelszeitung. Amtsvlalt des Aales und des Votizeiamtes Ser Ltadt Leipzig. /rettsy, üen 17. /ebruar 1911. Anzeiqea-Preis chr Ialerai, «a« Leipzig und Umgeduag di, vgeipalten» SO «in breit» Petitzeil» !L ch di» 7« mm drrlte SkrNamezeil, l »aa aa«wän» üo gz, Beklam«» l-L> Ialerat, »an Beddrden -» «mUtchen Teil di» 7« w« breit, PeNrzetl, «U 2^ Selchätt-anzeigcn mit Blavaorichrillr» »ad m »er SdrndauSaad« nn tireii, erdtht. Vladatt nach Taril. Seilagegebüd» » ». Taulrnd «xkl. Lostgedübr. ,^esterteilt« vutttäa« können incht zurllck- ae«ogen werden. Astr da» itrlcheinra an ««stimmten Tagen und Plätzen wir» keia» Garantie übernommen. »nzrtgen. Lnaabme: La«uttu«platz tD bei iämtlicheo Atlialen a. allen «nnone«» itzpediiiaain »«« In» aab tluälaade«. chaiuti GUial» Berliwt Carl Luaä«, prrzog«. Bayr- yasbitch» dandlung Lützowstraste IN oleirpho» Vl. «o «Sl«>. -aupt-itiliale Lr««»r« S«estr,tze 4. i (Telephon 462U. 105. Zshrgsng. Dss Wichtigste. * Der Kaiser stiftete aus seinem Disposi tionsfonds 30 000 Zt zur Bergung der Halber- städtcrDinosaurier-Funde. sS. K. Ws * Der Reichstag beendete am Donnerstag die zweite Lesung des Marineetats. Zu Be ginn der Debatte gab Staatssekretär von Tirpitz befriedigende Erklärungen zu dem hier erwähnten Gerücht über die Bergungsarbeiten beim Unfall des „II. 3" ab. (S. Reichsragsber.) * In der Budgetkommission wurden am Donnerstag amtliche Erklärungen über die ,.Z e p p e l i n"-K a t a st r o p h e bei Weilburg abgegeben. sS. Dischs. R.s * Am Donnerstag beschäftigte sich der Deutsche Landwirtschaftsrat mit den wirtschaft, lichen Beziehungen zwischen der deutschen Industrie und Landwirtschaft. sS. d. bes. Artikel.) * Der OrtsverbaiH Berlin des Hansabundes hat einstimmig eine scharfe Resolution gegen Len konservativen Abgeordneten v. Heydebrand angenommen. sS. Dtschs. R.s * Der Oberpräsident der Provinz Westfalen von der Recke ist am Donnerstag in Münster ge storben. sS. Letzte Dep.s * In Triest hat eine passive Resistenzder gesamten Staatsbeamtenschaft eingesetzt. sS. Ausl.s * Wegen Unterschlagungen im 'Betrage von über eine Million wurde in Berlin ein Agent verhaftet. sS. Tageschr.s * In einer portugiesischen Kaserne wurden bei einem Fußbodeneinsturz 150 Men sch e n v e r l e tz t. sS. Tageschr.s Sriessgekstzr im äußersten Glien? Während das Wüten der Pest Europa be unruhigt, beginnen die aus Ostasien einlaufen den Nachrichten mit der Möglichkeit zu rechnen, daß der widerwärtigen Schwester sich ihr grimmer Bruder, der Krieg, gesellen könne. Die als offiziös geltende Petersburger „Rossija" bläst ins Horn. „Die vertragsmäßige Exterritorialität der russischen Konsulen werde von den Chinesen verletzt, und es sei sogar von jener Seite eine Kündigung des Kuldscha- Vertrages zu befürchten. Es folgen dann die üblichen Redensarten von Wiedergewinnung der freien Hand usw., in die der moderne Kurial- stil kriegerische Drohungen zu gießen liebt. Von Ungebührlichkeilen gegen russische Kon suln ist nichts Sonderliches bekannt geworden — aber die Russen haben ja nähere Verbin dungen mit dem Innern Chinas. Auch wäre es nicht gerade zu verwundern, wenn die Chinesen an die Kündigung des angezogenen Vertrages dächten, dessen Wirkungen ihnen mitten im Frieden eine Provinz zu entfremden drohen. Der Vertrag vom 29. August 1881 hatte die Kuldscha-Frage zu einem vorläufigen Ab schlüsse gebracht. Anläßlich der muhammedanischen Erhebung in Ost-Turkestan, welche die alten Khanate von Kaschgar und Parkand auf fünf zehn Jahre von China unabhängig machte, hatten die Russen bei einer günstigen Gelegen heit sich die fruchtbare Oase von 2li Kuldscha im Tarim - Becken, am westlichen Rande der Mongolei, angeeignet. Inzwischen erholte sich China von seinen Schwächungen durch den englisch-französischen Krieg und den Taiping- Aufstand und eroberte das Reich des Jakub Beg nach dem Tode seines Gründers zurück. Im Hochgefühl seines ersten Sieges nach einer langen Zeit des Niederganges trat es nun auch an die weiße Großmacht mit der Aufforderung heran, ihm Kuldscha wiederzugeben. Nach mehr jährigen Unterhandlungen geschah das Uner wartete: Rußland willigte ein! Es hatte gerade einen neuen Zaren bekommen, dessen Interesse an Asien geringer war als das an westeuro päischen Dingen. Aber wenn auch die Mandarinen nach Kuldscha zurückkehren durften: das Zugeständnis war an so bedenkliche Bedingungen geknüpft, daß der chinesische Gesandte in Petersburg, der den Ver trag unterschrieben hatte, daheim das Schaffst besteigen mußte, und daß eine Flottendemon stration nötig wurde, um die Ratifikation zu erreichen. China mußte nämlich den Russen Handelsfreiheit in der Mongolei ge währen. Diese Bestimmung sieht harmloser aus als sie ist. Es war aber die Einfuhr nicht allein von dem Nachweise des russischen Ur sprunges befreit, sondern auch bis zu einer Sondervereinbarung von chinesischer Zoll belastung entbunden, und überdies Tauschver kehr an Stelle der Barzahlungen ausdrücklich zugelassen. Mit solchen Klauseln war die wirt schaftliche Unterjochung der geld- uns verkehrs armen Provinz, die tatsächliche Errichtung eines russischen, sogar den chinesischen Teehandel ver drängenden Monopols ausgesprochen, und Ruß land hat von seinen Vorrechten den ausgiebigsten und erfolgreichsten Gebrauch gemacht. z Ein Weiteres trat aber hinzu. Nußla: hotte, gleichfalls auf dem Grunde des Kuldscha- Vertrages, die Mongolei mit einem Netze von Konsuln umsponnen. Ein russischer Konsul be deutet aber in Ländern niederer politischer Entwicklung allemal zugleich einen politischen Agenten. Bei der Auswahl dieser Beamten hatte man eine geschickte Hand gehabt. Ihnen und den Händlern ist es in außerordentlich hohem Grade gelungen, an das Herz des mon-, gotischen Volkes heranzukommen, das niemals von der chinesischen Oberherrschaft sonderlich er baut gewesen ist. Insbesondere ist es bemer kenswert, wie die Russen zu einer religiösen Verständigung mit dem Volke gelangt sind, das seit Jahrhunderten ein strenger Bekenner des Buddhismus ist. Das Bindeglied sind hier die Burjäten, die begabteste und fleißigste Nation des russischen Sibiriens. Ihrer Vermitt lung war es vor einigen Jahren gelungen, den Dalai-Lama zurAbsendung einerGesandtschaft an den Petersburger Hof zu vermögen, die Freund schaftsversicherungen ihres Auftraggebers mit dem Zaren ausgetauscht hat und auch durch eine Abordnung nach Lhaffa erwidert wurde. Freilich hat diese angebahnte russisch-tibetanische Intimität einen vorläufigen Abschluß gefunden durch die englische militärische Expedition Pounghusbands nach der heiligen Stadt des innerasiatischen Priesterreiches und nachher durch das englisch-russische Abkommen über die beiderseitigen Interessenkreise in dem großen Erdteile. Demgemäß hat auch der Dalai-Lama seinen Weg nach Indien, nicht nach Sibirien genommen, als die Chinesen ihn vor Jahres frist vertrieben. Aber eben dieses Unternehmen hat die Herzen der Mongolen den frevlen An greifern der Inkarnation Buddhas erst recht entfremdet. Man muß mit dem nahen Bevor stehen einer sehr wichtigen politischen Verschie bung auf dem zentralastatischen Hochlande, mit einem Uebergang der Mongolen aus der chine sischen in die russische Klientel um so stärker rechnen, als Japan durch das Abkommen vom Juli 1910 Rußland freie Hand in der Mongolei eingeräumt hat, in Gegengabe der russischen Zustimmung zur Einverleibung Koreas. Rechnet man nun die verworrenen poli tischen Verhältnisse der Mandschurei hinzu, wo die Verzweiflung des seuchenbedrohten Volkes täglich ein wildes Auflodern des Fremdenhasses befürchten läßt, so ist nicht zu leugnen, daß sich im äußersten Osten neuer schwerer Zündstoff in Fülle aufgesammelt hat. Eine kriegerische Wendung berge aber nicht auszudenkende Ge fahren für eine Verschleppung der Pest. Dazu kommt das Handelsinteresse der europäischen Ausfuhrländer an der staatlichen Zugehörigkeit der Mandschurei — die Mongolei ist uns noch gleichgültiger als den Japanern. Die mit solcher Feierlichkeit verkündete „offene Tür" erscheint wenig gewährleistet, wenn wir Rußland im Besitze ihres Schlüssels wissen. Ssnsüs unü üie vereinigten Stasten. ir. London, 15. Februar. Es ist unzweifelhaft eine der großen Fragen des 20. Jahrhunderts, welches das Schicksal Kanadas sein wird. Ein Stück Menschheitsgeschichte hängt an der Antwort, die uns die Zukunft erteilen wird. Denn Kanada, dieses reichausgestattete und menschen stählende Land, wird einmal sein Gewicht, sein schwer wiegendes Gewicht, entscheidend in die Waaschalen des Geschehens werfen. Dreifach sind die Möglich keiten, die wir heute vor uns sehen: es kann an die Seite Englands treten und sich jener groß britischen Idee einordnen, die darauf aus ist, einen wahrhaft erdumspannenden Weltstaat aufzurichten, einen neuen, aber festeren ägäischen Bund, der nicht alle Ionier, sondern alle Briten umfaßt, und der nicht Athen, sondern London zum Mittelpunkt hat. Diese Politik wird in England von der machtvollen, jetzt in der Opposition sich befindenden Partei der Unionisten getragen und sie zählt auch in den eng lischen Tochterländern zahlreich« überzemfte Anhänger. Die zweite Möglichkeit für Kanada, das 41 Prozent nicht englisch-, sondern französisch sprechender Einwohner umsaßt, ist das Programm der eigenen Rationalität. Kanada den Kana diern! Dieses neu hier zusaminenwachiende Bolt will seine eigenen Wege in der Geschichte gehen. Es will sein eigenes Leden führen und seine eigene Art zur Entwicklung bringen. Es will zeigen, was für Menschen in dem Lande glühender Sommertage und grimmiger Winterkälte auswachsen können. Es vertraut aus seine unerschöpflichen Bodenschätze und die natürliche Freundschaft mit dem latcinflchen Amerita. Kanada liegt aber nördlich der großen Seen, es grenzt an die Öuellgebietc des Mississippi und des Mrjsouri — außer dem Ozean und dem ewigen Eise hat es zum einzigen Nachbar den Amerikaner der Bereinigten Staaten. Dies bedeutet seine dritte Möglichteit. Ans den Bereinigten Staaten des süd lichen und mittleren Nordamerika können eines Tages die Bereinigten Staaten des gesamten Nordamerika entstehen. Ein Reich von unheim licher wirtschaftlicher Stoßkraft. Ern Reich, das die am großzügigsten ausgebaute Landwirtschaft und die am modernsten durchgebildete Industrie besitzen würde: das unabschützbare Naturkräfte und -gaben und eine weiße Bevölkerung von über 100 Millionen Seelen, vornehmlich germanisch-europäischer Abstam mung, sein eigen nennen könnte. Unterdessen haben wir unsere Tage auf die Er eignisse zu richten, um zu erkennen, nach welcher der drei Möglichkeiten sich Kanadas Geschichte wendet. Noch sind vielerlei Kräfte am Werk, die nach ver schiedenen Richtungen wirken: Borzugszölle für die englische Industrie, Einwanderung amerikanischer Farmer im Westen, die Regierungsleitung eines Ministerpräsidenten französischer Abstammung. Die Vorzugszölle für Großbritannien erneuern die bereits schwächer gewesenen wirtschaftlichen Bande mit dem Mutterland und schädigen den amerikanischen lund deutschen) Import. Die Masseneinwanderung ameri kanischer Farmer schafft neue Verbindungen mit den Vereinigten Staaten. Die Regierung Lauriers meist auf die Entwicklung einer besonderen kanadischen Nationalität. Das jüngste Ereignis dagegen, von dem jetzt die Zeitungen melden, bedeutet wieder eine Annäherung an den südlichen Nachbar, es ist ein Schritt vorwärts im Sinne des „Kontinentalismus", wie man diese Bewegung, etwas allgemein um schrieben, auch bezeichnet findet. Der kanadisw-nordamerik^nische Eeaenseitia- keits vertrag ist es, um den es sich hier handelt. Was bedeutet er? Der Vertrag setzt fest, daß Lebensmittel und Rohmaterialien die ameri kanisch-kanadische Grenze frei überschreiten sollen. Die Zölle für verarbeitete Lebensmittel und Halb fabrikate werden herabgesetzt und auf beiden Seiten der Grenze in genau gleicher Höhe erhoben. Für einige besonders aufgeführte Fabrikate bewahren sich Kanada und die Staaten voneinander verschie dene Zölle. Der erste Satz ist der wichtigste, und zwar bedeutet er für Kanada einen großen Vorteil: dem jung aufblühenden Aararstaat erschließt sich widerstandslos ein riesiger Markt. Der Fischer von Neu-Schottland, der Kartoffelzüchter von Neu-Braun- schweig, der Farmer von Quebec und Ontario, der Eetreidebauer der Prärie, der Holzfäller von Ko lumbien, sie alle gewinnen durch die Oeffnung der amerikaniichen Grenze. Aber auch der kanadische Roheisen-Produzent erhält ein neues Absatzgebiet, und dem kanadischen Industriellen erleichtern sich die Exportbedingungen. Auf der andern Seite — was gewinnt der Ame rikaner? Denn auch er muß doch gewinnen, da das Ganze ein Gegenseitigkeitsvertrag sein soll. Nun beachte man aber, daß die Vorteile auf der amerikanischen Seite gar nicht so ohne wei teres zu erkennen sind. Oekonomisch angesehen sieht der Vertrag zweifellos für Kanada günstiger aus. Denn was tuen die Vereinigten Staaten? Sie schaffen ihren Farmern durch die Zollbeseitigung die kanadische Konkurrenz. Sie erniedrigen ihren Zoll auf Halb- und Fertigfabrikate. und gewinnen dafür auf der Gegenseite ? Die Rechnung scheint nicht ganz zu stimmen. Leistung steht offenbar nicht gegen Leistung. Die Tatsache, daß oie Rechnung nicht glatt auf geht, muß argwöhnisch machen, und man kann den Gedanken nicht von sich weisen, daß Präsident Taft bei Abschluß des Vertrags auch politische Dinge mit erwog. Vielleicht hat er sich an ein ähnliches Ereignis aus dem vorigen Jahrhundert erinnert, da Cavour mit Frantreich einen für Piemont un günstigen Handelsvertrag abschloß, um dafür später das französische Bündnis zu ernten. Das ist auch der Grund, warum die englischen Unionisten diesen jüngsten Vertrau für „politisch gefährlich" anjehen. Denn wenn dieser Eegenieitigkeitsverirag der eiste kleine Schritt zum gesamt nord amerikanischen Z o l l v e r e i n ist - er wurde in den achtziger Jahren schon einmal erwartet — dann ist es in der Tat mit den Ideen des größeren Britannien für immer aus. Daher auch der Zorn der Unionisten gegen die eng lische Regierung, die die Kanadier zu dem Ab kommen beglückwünscht, und erklärt, man könne seine Politik natürlichen Notwendigkeiten nicht entgegen setzen. Die Kolonien sollten ihren eigenen Weg gehen. Was für Kanada gut sei, müsse auch für das englische Weltreich gut jein. Daher die lebhafte Debatte im englischen Unterhaus, in der der junge Chamberlain, der jetzige parlamentarische Führer der Zolltarif-Reformer, einen kräftigen Vorstoß gegen die „Ratgeber des Königs" aussührtc, die es verabsäumten, das rasch aufdlühende Tochterland durch Errichtung eines Vorzugszolls in Groß britannien an deffen Markt zu binden. Statt dessen laste man nach alter „manchesterlicher" Art die Dinge laufen, wie sie wollten, und so verfalle Kanada der „kommerziellen Annexion" der Vereinigten Staaten. Alle Unionisten stimmen darin überein, daß der neue Handelsvertrag einem „Disaster" für das britische Weltreich gleichkomme, während die Liberalen über solche Besorgnisse lachen. Man muß aber den Unionisten zugestehen, daß dies Lachen der Liberalen dem Ernst ber Situation für England nicht entspricht. Bayern unü üer Vatikan. Was man befürchten mußte, ist leider eingetreten. Das bayerische Kultusministerium hat sich in der Frage des Modernisteneldes dem Vati kan unterworfen und damit auch die Eidver weigerer in Bayern der Exiftenzlosigkeit preisze- geben. Wie erinnerlich hatte der Eidverwelgerer Konstantin Wieland wegen seiner Amtsenthebung infolge der Eidverweigerung durch das bischöfliche Ordinariat Augsburg Beschwerde beim bayeri schen Kultusministerium eingereicht. Nun ist, w.e Kaplan Wieland in einer Erklärung mitteflt, die Antwort eingclaufen. Sie lautet, wie der Draht aus München der „Tgl. Rdsch." meldet: Dem Rekurs des Konstantin Wieland kann keine Folge gegeben werden. Die Ent- fcheidungsgründe sind im wesentlichen folgende: Konstantin Wieland hat den Rekurs eingelegt, weil er seiner Stelle enthoben wurde und vom Ausiiben der Seelsorge suspendiert sei, es ist des halb die Frage zu prüfen, ob die Enthebung und Suspendierung, durch die sich Wielcno beschwert fühlt, gegen die fe st gesetzte Ord nung verstößt. Diese Frage ist zu v e r n e l n e n. Die Bestimmung von Vikaren für erledigte Pfrün den liegt nach kirchlichem wie nach bayen)chem Recht ausschließlich in der Zuständig keit der Bischöfe. Wenn der Bischof im vorliegenden Fall von seiner Befugnis Gebraum gemacht hat, so hat er sich innerhalb der Grenzen seiner Wirksamkeit gehalten und die festgesetzte Ordnung nicht verletzt. Es ist jedoch für das Er gebnis der Rekursprüfung nicht von Bedeutung, von welchen inneren Erwägungen ber Bischof tat sächlich ausgegangen ist, ob ein bestimmter Grund und welcher ihn dazu bewogen hat. Soweit die ministerielle Begründung. Mfl kcrncr Silbe geht der Minister auf die Grundfrage e.n, die darin besteht, daß die bayerische Staaisrcgierung das Plazet zur Durchführung des Modernisteneides er teilt oder nicht. Wieland erklärt weiter: Zn einer fast einstündigen Audienz beim Kultus minister v. Wehner habe ich mit Entschiedenhcfl die Rechtsauffastung vertreten, daß es nicht daraus an komme, ob ich auf eine Pfründe investiert sei, sondern vielmehr darauf, ob der Bischof von Augsburg für seine Forderung des Modernistenerdes das königliche Plazet eingeholt und erhalten hat. Wieland erklärt weiter, daß von einer Erteilung des Plazets nichts bekannt geworden ist, auch der M i n i st e r hüllt sich über diese entscheidende Frage bisher in undurchdringliches Schwei gen. Wieland richtet daher an den Kultusminister die offene Frage: Ist zur Durchführung des Modcr- nisteneides bas königliche Plazet erteilt worden ober nicht? Und fährt fort: Wenn nicht, dann stellt sich die Eidesforderung der Bischöfe al» verfassungswidrig dar, und es ist unerklär lich, wie die königliche Staatsregierung einem solchen verfassungswidrigen Vorgehen msehen, dasselbe still schweigend zulasten und sich dazu noch der Pflicht ent ziehen konnte, die dadurch betroffenen Geistlichen zu schützen bzw. sie zu entschädigen. Wielanc schließt seine Erklärung mit dem Satze: Ich wiederhole, daß ich in meine gegenwärtige Zwangslage nicht geraten wäre, wenn die königliche Staatsregierung das ver fassungswidrige Vorgehen der Bischöfe verhindert hätte. Oder ist diese dauernde Stellenlosigkeit etwa keine Zwangslage, kein Gewissenszwang? Soweit Wieland. In Bayern bleibt also Zen trum Trumpf! Eine Llusreüe. Wir lesen in der „Sächs. Natl -Korr ": „Das kon servative „Vaterland" entrüstet sich über ein „neue Entstellung", die es im „Nationalliberalen Bereins- blait" gefunden hat. Es handelt sich um den Be richt über die vom Landtagsabgeordneten N r c tz s ch k e - Leutzsch in Kieritzsch gehaltene Rede, in deren Verlauf er darauf aufmerksam machte, daß die Rechte entgegen jeder „Sammlungspolitik" die erste war, die mit einer Kandidatur gegen einen nationalliberalen Abgeordneten vorging, nämlich gegen Dr. Weber im Wahlkreise Löbau-Ebersbach. Was ist nun entstellt? Das „Vaterland" behauptet, die Aufstellung eines nationalliberalen Kandidaten, eben des Herrn Nitzjchle, im Wahl kreise Borna Pegau sei nichts anderes, als eine Mandatshascherei: die Aufstellung eines konservativen Kandidaten im Wahlkreise des Herrn Dr. Weber sei dagegen geradezu eine P f l i ck t gewesen. Denn Herr Dr. Weber habe schon Eiure 1908 „den nationalliberalen Parteiinstanzen erklärt, daß er nicht wieder kandidieren werde". Das ist eine Ausrede, der man sich jetzt auf konservativer Seite bedient, weil man kein gutes Gewissen hat. Die Wahrheit ist, daß die nationalliberale Partei im Wahlkreise Löbau-Ebersbach mit der konservativen Gegenkandidatur in aller Form überrumpelt worden ist. Es ist schon so, wie Herr Nitzschke sagte: Die konservative Partei yat in Sachsen mit Gegenkandidaturen den Anfang ge macht. Er hätte noch hinzufügen können, daß die konservative Partei in Leipzig laut Schreiben des Vorsitzenden bereits am 19. Mai 1910 beschloß, Herrn Dr. Iunck einen eigenen Kandidaten ent gegenzustellen. Eiliger konnte man doch wohl auf konservativer Seite nicht oevahren. Das ganzzv Verhalten stimmt übrigens auch mit der im Juni in der „Kreuzzeitung" erfolgten Ankündigung, daß die Abgeordneten Iunck, Weber und Stresemann nicht wieder aus die konservative Mithilfe zu rechnen hät ten, vielmehr in Acht und Bann zu tun seien. Wenn sich das „Vaterland" mit diesen Tatsachen abfinden will, bleibe ihm freilich nichts anderes übrig, al» Ausflüchte. Die konservative Partei in Sachsen hat > zuerst mit Kampfkandidaturen gegen nationallibe- 1 rale Abgeordnete begonnen. Das steht fest."
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