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-)r. 25 — IO. Jahrgang Sonnabend den II. Februar IVII Mszeitum rrfttzein» täglich nach«, mii Ausnahme der Sonn- und Festtage. «»Saab« X mtt .Die Zeit in Wort und Bild- vtertelitikrltch ».10 X In Dresden durch Boten S.40 ^ In onn» Deutschland frei Hau» «8» U»; in Oesterreich 4.4» lO AoSgabe v ohne illnttriertc Beilnqe viertel'Skrttch 1,80 Dresden durch Bote» »IO ^ In ganz Deutschland irei Hau» ».»» in Oesterreich 4,07 L. - Lu kinzet-Kr. IO 4. Unabhängiges Tageblatt für Wahrheit, Recht und Freiheit Inserat« werden die Sgespnltene Petitzeile oder deren Raum mU 4L Reklame» mit 80 ^ die Zeile berechnet, bei Wiederholungen «»sprechende» Rabatt. Buchdrucker«!, Redaktion und vteschiistSftell«! TreSden, Pillnifter Strafte 4». — Fernsprecher ISO» Für Rückgabe unverlangt. Schriftstücke kei»e PerbindItchI«tt RedaklionS,Sprechstunde: II bis I» Uhr. Mille» Sie! Sie verlebveuileo Oels an itoni teuren, ^e- lunübeiw-ckLülicben o » „e»^ o ncrvenrerrü, en-len OvNNVNKÄIlSS «1» Sie »pereu Oetck an unserem «oMleilc», gesuncliieit-rulrLglicken, nokr- kskleo uetl «telchaten k>iäki--lcakao. ?fcl. 80.100.120.140 bis 200 ?l. Oerlin^ 6^ k^0ek8lrok, Dresden. dtieclerlsgen in allen Ltalt teilen. 1451 nochmals zur Rede des preußischen Gesandten beim Vatikan. Bon hochangesehener Seite wird uns geschrieben: „Die Entgleisung des preußischen Gesandten beim Va- tikan" ist ein Artikel in Nr. 28 der „Sachs. Volkszeitg." überschnellen und auch im Leitartikel von Nr. 31 heißt eS mit Bezug auf die vielbesprochene Rede v. Mühlbergs- .Man täuscl-e sich über die Situation weder durch schöne Worte noch durch korrigierte Reden." Die Redaktion scheint also zur Meinung Hinzuneigen, daß, wenn auch die übrigens sehr von einander abweichenden Versionen des „Berl. Tage blattes" und des Wolffschen Telegraphenbureaus gänzlich unglaublich waren, die in der „Köln. Volkszeitg." veröffent lichte Rede des Gesandten auch etwas frisiert worden sei. Die „Sachs. Volkszeitg." hat den Text der Rede nach der „Köln. Volkszeitg." in seinen wichtigsten Bestandteilen be reits wiedergegeben. Daß dieser Text und nicht die Versionen des „Berl. ragebl." oder des Tclegraphenbnreans richtig ist, ergib, sich aus inneren und äußeren Gründen: aus inneren Grün den. weil ein Gesandter, wie in der „Sächs. Volkszeitg." bereits richtig bemerkt wurde, nur infolge vollkommenen Mangels an persönlichem Takt so scharfe Worte bei einer derartigen Gelegenheit gebrauchen könnte, es sei denn, er babe von einer höheren Stelle die Weisung, den Souverän, bei dem er akkrediert ist, zu brüskieren. Nun aber ist Herr v. Mühlberg ein sehr korrektor, takt voller Herr, der sich sehr genau überlegt, was er bei solchen Gelegenheiten spricht. Daß er aber vom Auswärtigen Amte i» Berlin keine Weisung erhalten hat, die Kurie zu brüskie ren, geht aus der Erklärung der „Nordd. Allgem. Zeitg." hervor, wie sie ebenfalls in der „Sächs. Volkszeitg." abge druckt ist. Ein äußerer Grund triftigster Art für die Nich tigkeit des Textes der „Köln. Volkszeitg." ist darin zu linden, daß der einzige Korrespondent der Presse, der bei offiziellen Empfängen des Herrn v. Mühlberg zugegen zu sein Pflegt, der Korrespondent der „Köln. Volkszeitg.". Herr Kappenberg, ist. Er dürfte also ganz gewiß besser in der Lage sein, den wahren Wortlaut der bei solchen Ge legenheiten gehaltenen Ansprachen richtig wiederzugeben, als der Vertreter irgendwelchen anderen Blattes. Wenn wir uns so ausführlich mit dieser Ange legenheit beschäftigt haben, so hat dies seinen Grund darin, daß uns die Erfindung des freimaurerisch-jüdischen „B. T." einen tieferen Hintergrund zu haben scheint. Man mag ge glaubt haben, durch diese Erfindung Mißtrauen zwischen oer Kurie und der preußischen Negierung zu säen, um in letzter Linie den Abbruch der diplomatischen Beziehungen ;u erreichen. Die Aufhebung der Gesandtschaft ist ja, wie noch in frischer Erinnerung, vergangenen Sommer von sei len des Evangelischen Bundes und des gesamten Liberalis mus in allen Tonarten gefordert worden. Interessant ist, daß die preußischen Liberalen hierbei, ebenso wie jene öfter- reichischen, die in den Delegationen die Abschaffung der Bot- iä)ast beim Heiligen Stuhle beantragt haben, einer allge meinen Parole gefolgt zu sei» scheinen, die von der inter nationalen Freimaurerei ausgegebeu worden ist, wie fol gender Artikel der Mailänder „Unione" vom 22. Januar beweist: „Auf Veranlassung der internationalen F r e i nra u r e r z e n t r a l o in Paris ist kürzlich von Politikern ein Weltverband gegründet worden, der auch linige italienische Mitglieder zählt, und der darauf hinaus geht, eine Agitation ins Werk zu setzen, um die Auf hebung der diplomatischen Vertretungen beim Heiligen Stuhle von denjenigen Re gierungen zu erlangen, die noch eine solche haben. Ich habe die Sicherheit, daß die Freimaurerei ichon längst in diesem Sinne tätig ist. Ich füge noch hin zu, daß sie schon 1911 ihr Ziel zu erreichen hoffte. In dem von Paris aus an die Mitglieder der Liga versandten Schreiben heißt es, Italien habe sich, um diplomatischen Verwickelungen zu entgehen, die seine damals noch nicht ge nügend gefestigte Einheit hätten bedrohen können, notge drungen damit abgefunden, dem Papste die diplomatischen Vertretungen als eine Art Ehrendienst um seine Person zu lassen. Heute sei es unmöglich, von der italienischen Regierung ein entschiedenes Vorgehen zu erlangen, das doch gewiß durch die Tatsache berechtigt wäre, daß die diplo matischen Vertretungen beim Heiligen Stuhle ihren vollen politischen Charakter bewahrt haben und deshalb für die Erhaltung des Staates eine beständige Gefahr sind. Wenn die italienische Regierung ihre Feinde bei sich duldet, so muß man auf die auswärtigen Negierungen einzuwirken suchen, damit sie diese Ueberreste vergangener Zeiten ent fernen. Man fordere das auf Wahlversammlungen, man betone es in politischen Programmen als eine Sache von großer Wichtigkeit, und wenn die Mitglieder der Liga zur Herrschaft gelangen, dann mögen sie das Ziel zu erreichen suchen. Frankreich hat zuerst hierin ein glorreiches Bei- spiel gegeben, Portugal ist auf dem Wege, nachzufolgeu und in Spanien setzt die Liga alle ihre Kräfte ein, um den endgültigen Sieg davonzutragen. Die Bemühungen der Liga müssen sich jetzt Deutschland znwenden und sich dabei auf die beiden mächtigen Hebel, den Protestantismus und den Modernismus, stützen. „Das ist ungefähr der Inhalt eines sehr wichtigen Aktenstückes, das ich vor mir habe, und das ich nur mit gro ßer Vorsicht gebrauchen kann, hauptsächlich, da es sich um ein Handschreiben handelt, und da ich Gründe habe, anzu- nehmen, daß es nicht in derselben Form und in denselben Ausdrücken an alle Anhänger der Liga geschickt wurde, um eventuelle Enthüllungen feststellen zu können. Wenn ich den genaueren Text mitteilen würde, so wäre die Person, die es mir anvertraut hat, dadurch gefährdet. Gegenwärtig zählt die Liga ungefähr 100 Mitglieder, natürlich lauter Politiker von größter Bedeutung. Italien ist mit ungefähr 20 Mitgliedern vertreten." Treffend benierkt hierzu die „Germania": „Jetzt wissen wir also, was die rege Beschäftigung der ..antiklerikalen" Presse mit den Nunziaturen zu bedeuten hat. Wir wollen damit nicht gesagt haben, daß alle Blät ter von diesem Schlage über die geistigen Väter der von ihnen vertretenen Ideen, die eigentlichen Drahtzieher hin ter den Kulissen genau unterrichtet sind. Es ist ja kein Ge heimnis mehr, daß die Freimaurer zur Erreichung ihrer kirchenfeindlichen Zwecke gern Komitees außerhalb der Logen bilden. (Vergl. darüber die Schrift: Die Wahrheit über Ferrer. Verlag der Germania.) Das war jedenfalls auch mit der Liga gegen die diplomatischen Vertretungen beim Vatikan geplant. Aber naiv sind die Leute doch, die sich in Zeitungen und Zeitschriften darüber entrüsten, daß der Apostolische Stuhl nun auch noch eine Nunziatur in Berlin. Petersburg uud Konstantinopel errichten wolle. Sie sollten sich doch zuerst einmal fragen, wer denn an der Ver breitung einer solchen Neuigkeit am meisten Interesse hat. Tie „Dresdner Nachr." haben den Mut, zu behaupten, der Vatikan selbst habe die Nachricht in die Presse gelangen lassen, um einmal seine Fühler auszustrecken. Wie das in der Mailänder „Unione" besprochene Aktenstück beweist, sind es offenbar ganz andere Leute, die ihre Fühler ausge streckt haben." Wir haben dem nichts mehr hinzuzufügen. Die Leser der „Sächs. Volkszeitg." mögen sich dieser Enthüllungen er innern, wenn, was nicht ausbleiben wird, wieder versteck: oder offen für die Aufhebung der diplomatischen Vertretun gen beim Vatikan agitiert wird. Zur Einleitung des Artikels möchten wir uns die Be merkung erlauben, daß wir die in Nr. 28 gebrauchten Worte „Entgleisung des preußischen Gesandten" mit allem Nachdrucke gebrauchen durften, selbst wenn wir in die Authentizität des durch die „Köln. Volkszeitg." übermit telten Wortlautes der Rede keinen Zweifel setzen - auch dann fordern die Worte des Gesandten unseren Widerspruch heraus. Mag sein, daß Herr v. Mühlberg nur einen historischen Rückblick geben wollte, wie die „Nordd. Allgem. Zeitg." her vorhob, es ist dennoch ein gewisser Tadel gegen den Papst und die deutschen Katholiken cingeschlossen. Wir wollen es uns versagen, auf die Begründung unserer Behauptung bezüglich des Heiligen Stuhles näher einzugehen, sondern wir wollen jene besonnene Ruhe beobachten, welche vom Papste nach der Rede des Gesandten selbst bewahrt wurde. — Anders ist es, wenn Herr v. Mühlberg behauptet, daß die deutschen und preußischen Katholiken keine Ursache zu berechtigten Klagen haben. Wird die katholische Kirche nicht auf Schritt und Tritt vom Staate am Gängelbande geführt — wir wollen gar nicht von Sachsen, Braunschweig, Mecklenburg sprechen — sollen wir erinnern an das Verbot der Ordensniederlassun- gen in einzelnen deutschen Staaten, an das Verbot der marianischen Kongregationen in Preußen? Das Bedauern des Gesandten, daß in gewissen Kreisen und in einer ge wissen Presse immer wieder die Behauptung aufgestellt werde, daß sich die „deutsche« Katholiken noch ihren Platz an der Sonne erobern müssen, ist wohl auf die Unkenntnis der Tatsache znrückzuführen, daß die Katholiken im Deut schen Reiche und in Preußen in den höheren Staatsämtern auch nicht annähernd so vertreten sind, wie sie es ihrer Zahl nach zu beanspruchen berechtigt wären. Wir haben das wohl mit Recht als eine Entgleisung in der Rede an gesehen. Dieses Gefühl hatten auch die Gäste des Gesandten an der Festtafel, als sie die Ansprache angehört hatten. Unter dem Titel: „Ein historischer Moment" bestätigt in der „Augsb. Postzeitg." (Nr. 30) ein Ohrenzeuge, daß der Wortlaut der Rede, wie er in der „Köln. Volkszeitg." ver öffentlicht wurde, genau ist, und berichtet dann über den Eindruck: „Der Eindruck der Rede war niederdrückend. Man stieß stumm die Gläser an und es folgte eisiges Schweigen. Die vorherige lebhafte Unterhaltung kam nicht mehr in Fluß. Als ich vom Speisesaale mit Seiner Exzellenz die Treppe herunterstieg in die Empfangsräume, war ich versucht, den Gesandten zu fragen: „Exzellenz, stehen wir am Vorabend eines Krieges?" Aber im nächsten Moment sagte ich mir: Die Frage könnte als eine Unhöflichkeit gegen den Gastgeber aufgefaßt wer den, und ich schwieg. Den Brief an Kardinal Fischer hatte wohl noch niemand von der ganzen Tischgesellschaft gelesen, da die Acta erst am Tage vorher erschienen oder ausge geben waren. Man war sich völlig im Unklaren und hielt die Worte da und dort für eine rednerische Entgleisung. „Eine solche ist es jedenfalls nicht," sagte ich auf dem Heim wege zu meinen Begleitern. „Aber so sprechen Diploma- ten am Vorabende eines Krieges." Man verabschiedet sich und schiebt dem anderen die Schuld zu. — Es scheint also etwas vorzngehen, und — man wird gut tun, sich auf alle Fälle bereit zu halten." Die Rede wurde also von der Tafelrunde keinesfalls als eine Harmlosigkeit angesehen, wenn sie den Eindruck des „historischen Momentes" hervorrief. Daher wird man cs verstehen, warum wir eine bei solchen Gelegenheiten ge läufige nachträgliclx! Korrektur für wahrscheinlich annahmen. Politische Rundschau. Dresden, den 10. Februar 1911. — Reichstag. Der Streit um die Laien stand am Donnerstag im Mittelpunkte der ReichStagSdebatte. als das Gerichtsverfassungsgesetz weiter beraten wurde. Wie sollen die Strafkammern zusammengesetzt sein? hieß die Frage! Die Kommission beschloß: 2 Richter und 3 Schöffen als 1. Instanz; 3 Richter als Berufungsinstanz gegen Schöffen- gertchtSurteile (heute 5 Richter). Die Juristen waren „ge teilter Ansicht", aber die Debatte beherrschte der Abg. Gröber, der mit ungeheurem Material auftrat; er konnte Nachweisen, daß die Laten heute schon vielfach in Berufungsgerichten sitzen (Kolonialgerichte, Unfallversicherung usw.). Hiergegen kannte kein Redner auskommen, weder Staatssekretär LiSco noch Juitizminister Beseler. Die Abg. Stadtvagen, Dr. Müller-Meiningen und Bassermann stimmten Gröber bei. Für die Minderheit des Zentrums sprach sich Wellstetn gegen die Zulassung von Laien bei der Berufungsinstanz aus und mtt ihm Redner der Rechten. Die Debatte kam wohl zum Abschlüsse, aber die Abstimmung findet Freitag statt. — Die Schiffahrtsabgabcnkommission ist fleißig an der Arbeit. Es werden Statistiken ausgearbeitet und Zu kunftspläne geschmiedet. So hat man jetzt folgendes Er gebnis ausgeklügelt: Für die drei Strombauverbände ist 1920 ein Verkehr von 28,3 Milliarden Tonnen-Kilometer mit einem Abgabeertrag von 10628 000 Mark zu erwarten. Die in dem Gesetzentwürfe vorgesehenen Strombauten er fordern einen Kostenaufwand von rund 184,8 Millionen Mark, so daß für Verzinsung und Tilgung jährlich 8 316 006 Mark erforderlich sind. Die Gesamtunterhaltungskosten der bestehenden Strombauwerke einschließlich der Ausgaben für Landeskultnrzwecke betragen 8 438 617 Mark. — In der heute stnttfindenden Sitzung der Kommission wird de- Staatssekretär des auswärtigen Amtes Erklärungen ab- gcben über die bisherigen Verhandlungen b'tresfs des Schiffahrtsabgabengesetzes mit Oesterreich und Holland. Diese Verhandlungen haben bisher ein negatives Resultat gezeitigt. Es besteht wenig Aussicht, mit diesen beiden in teressierten Mächten zu einer Einigung zu kommen. Auch i» parlamentarischen Kreisen nimmt man an, daß der Ge- setzentwurf vorläufig z u r ü ck g e st e l l t werden wird, bis cs gelingt, die völkerrechtlichen Verträge mit Oesterreich und Holland ans eine andere Grundlage zu stellen. — Die silberne Hochzeit des Fürsten und der Fürstin Bülow in Nom benützen zahlreiche Blätter, um in wenig geschmackvoller Weise an die erste Ehe der Fürstin mit dem Grafen v. Dönhoff zu erinnern, die vom Papst aufgelöst worden, sei. In Wien vermählte sich der damalige Bot schaftsrat der deutschen Botschaft in St. Petersburg, Bern hard v. Bülow, am 9. Januar 1886 mit Maria Beccadelli di Bologna aus dem Hause der Principi di Eamporeake, nachdem ihre erste, am 15. Mai 1867 geschlossene Ehe mit dem Grafen Karl v. Dönhoff 1881 gerichtlich getrennt und vom Papste für ungültig erklärt worden war. Der Papst hat also die „Ehe" der Fürstin nicht getrennt, weil er eine gültige und vollzogene Ehe überhaupt nicht trennen kann, sondern er hat erklärt, daß die Verbindung mit dem Grafen Dönhoff infolge eines bis dahin unbekannt gebliebenen trennenden Ehehindernisses überhaupt keine Ehe war. — Deutsche Geistliche über unsere Beziehungen zu Eng land. Präsident O. Spiockcr und Gchcimrat IX Harnack sind am Mittwochabend von ihrer Londoner Mission als Delegierte des Komitees deutscher Geistlicher zur Förderung der deutsch-englischen Beziehungen zurückgekchrt. Ihre Aufgabe hatte in der Teilnahme an einem großen Meeting l