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Dresdner Journal : 13.09.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-09-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189909139
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18990913
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18990913
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-09
- Tag 1899-09-13
-
Monat
1899-09
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Journal : 13.09.1899
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vczuattre«»: Für Dre-den vieneljShrltch: I Mark SO Pf., bei den Kaiser lich deNlchen Postanstaltea vierteljährlich S Mark; außer halb des Deutschen Reiche» Post- und Stempelzuschlaa. Einzelne Nummern: 10 Pf. Erscheinen: Täglich mit -lu-nahme der Eonn- und Feiertage abend». Aernspr.-Anschluß: Nr 129L Dresdner Journal. Ankünstgung-gesübreur Für den Raum emer gr)pat- tenen Zeile kleiner Schrift «6 Ps. Unter „Eingesandt" die Zeile SV Ps. Bei Tabellen- und Ziffernsatz entsprechender Ausschlag. Herausgeber: Kvnigliche Expedition de» Dresdner Journal» Dre»den, Zwingerstr ro. Fernspr -Anschluß: Nr Li»». 1899 ^213 Mittwoch, den 13. September abends. Amtlicher Teil. Tres-eu, 11. September. Mit Allerhöchster Ge nehmigung Sr. Majestät des Königs ist dem Oekonomie- volontär Hans Heinrich Lampe aus Leipzig für die von ihm unter eigener Lebensgefahr am 16. Juni dieses Jahres bewirkte Errettung eines Knaben vom Tode des Ertrinkens in der Elster bei Großzschocher die silberne Lebensrettungsmedaille mit der Befugnis zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der in Sachsen staatsangehörige Kaiser!. Deutsche Gesandte in Chile, vr. Stuebel, das ihm von Sr. Königl. Hoheit dem Großherzoge von Sachsen-Weimar verliehene Komthurkreuz mit dem Stern des Hausordens der Wachsamkeit oder vom weißen Falken annehme und trage. Srveuuuugtn, Versetzungen rc. im öffentliche« Dienste. Im Geschäftsbereiche deS evangelisch-lutherischen Landesconsistoriums sind oder werden demnächst folgende Stellen erledigt: davon sind zu besetzen A. nach dem Sirchengesetze vom 8. Dezember 1896 im II. Halbjahre 18SS: Vacat. — 8. im regelmäßigen Besetzung-verfahren: das Pfarr amt zu Kosrlitz (Großenhain) Kl. I — Collator: die Ritter- qut-herrschast daselbst; da» Pfarramt zu Leukersdorf (Stoll- bergl — Kl. I — Collator: da» evangelisch-lutherische LandeS- covsistorium; da-Pfarr-und Superintendentcnamt zu Großen hain — Kl. IX — Collator: der Stadtrath zu Großenhain; da- 1. Diaconat zu St. Petri in Bautzen (Oberlausitz) — Kl. III (8) — Collator: der Stadtrath zu Bautzen; da» Dia conat zu St. Michael in Bautzen (Oberlausitz) — Kl. II — Collator: der Stadtrath zu Bautzen; das Pfarramt zu Arnoldsgrün (OelSnitz) — Kl. I — Collator: der Super intendent zu Oelsnitz. — Dagegen wurden angestellt, bez. befördert: Robert Paul Donath, Psarrer in Beerwalde, al- Psarrer in WellerSwalde mit Lübschütz (Oschatz); Georg Wilhelm Otto, Pfarrer in Maar in Hessen, al- Pfarrer in Scheibenberg (Annaberg). Nichtamtlicher Teil. Ntr-Ssk Politik. Aus konservativen Kreisen wird uns geschrieben: Man hat früher einmal gesagt, die Politik ver derbe den Charakter. Vielfach ist dieses Wort nach gesprochen worden, allein man hat bald genug erkannt, daß umgekehrt Charakter dazu gehört, um Politik zu treiben. In neuerer Zeit gilt es daher nicht gerade als ein Zeichen besonderer Charakterstärke, wenn sich deutsche und nationalempfindendc Männer zaghaft von der Politik fernhalten und zu den großen Tages fragen, die das Wohl und Wehe unseres Vaterlandes bilden, Stellung zu nehmen sich nicht entschließen können. Allerdings wird zugegeben werden müssen, daß es nicht immer ein Genuß ist, sich mit Politik zu be schäftigen. Das fortwährende Parteigezänk in den Zeitungen wirkt abstoßend, und wenn jemand die gegenseitigen Schilderungen schwärzester Pläne in der Parteipresse ernst nimmt, so muß er freilich zuletzt auf den Gedanken kommen, es sei besser, sich um politische Dinge überhaupt nicht zu kümmern, als sich einer der bestehenden, als so überaus gemeingefährlich geschilderten Parteien anzuschließen. Das übrige be sorgen dann die sogenannten parteilosen Blätter, und die Folge ist die steigende Unlust der Bevölkerung, an den Wahlen sich zu beteiligen. Die Politik ist in den letzten Jahren leider nervös geworden. Phrasen und Schlagworte beherrschen mehr und mehr die öffentliche Diskussion. Ruhige, sachliche Erörterungen der politischen Fragen gehören zu den Seltenheiten, und die Parteizerrissenheit wächst immer mehr. Herüber und hinüber fliegen die schwersten Geschosse, ein gegenseitiger Vernichtungskrieg ist im Gange — und während dem dieses nervöse Toben um sich greift, das in der That zu einer vaterländischen Gefahr geworden ist, findet diejenige Partei, deren Ziel eS ist, die Axt an die Grundlayen unserer monarchischen Staatsordnung zu legen, die beste Ge legenheit, ihre Sache zu fördern und, getrogen von dem Zwist innerhalb der bürgerlichen Parteien, in weiten Kreisen Unzufriedenheit zu säen und jede Autorität zu untergraben. Bei allen Unternehmungen, auch in der Politik, ist die Nervosität ein großes Uebel. Kaltes Blut und ruhiger Sinn bewahren vor Schaden, vor Ueber- eilungen und vor Ausschreitungen. Unter den heu tigen Verhältnissen aber hieße es tauben Ohren pre digen, wollte man die politischen Hauptfaktoren — und das sind heute die Zeitungen — mahnen, die Dinge leidenschaftslos zu betrachten. In der That sind es die politischen Blätter, welche gegenwärtig die Stimmung für die Tagesfragen machen. Ein einzelnes Preßorgan mit einem äußerst beschränkten Leserkreise vermag oft durch rücksichtsloses Vorgehen und scharfe Tonart einen unheilvollen Einfluß auSzuüben; denn für Verbreitung seiner Auslassungen sorgt, um Stimm ung gegen die Richtung zu machen, der jenes Organ angehört, die gegnerische Presse. Da nützt dann kein Protestieren und kein Dementieren; die betreffende Auslassung bleibt Jahre und Jahrzehnte lang an der vollkommen unbeteiligten politischen Parteirichtung haften. In den Redaktionen liest man die gegnerischen Zeitungen nicht mehr bloS zu dem Zwecke, sich über die Stimmungen und Pläne der übrigen Parteien zu orientieren; man durchstöbert die Blätter vielmehr, um Belastungsmaterial zu finden, das oftmals — und dabei macht wohl keine Partei eine Ausnahme — in gerade nicht loyaler Weise ausgenutzt wird. Poli tischer Kampf muß sein; allein in diesem Kampfe muß doch immer auf das Gemeinwohl Rücksicht genommen werden. Heute ist es für jedermann klar, daß jede einzelne politische Partei für sich zu schwach ist, in der Reichspolitik den Ton anzugeben, baß aber die gegenseitige Schwächung der bürgerlichen Parteien schließlich nur dazu führen kann, der Sozialdemokratie dazu zu verhelfen, daß diese am letzten Ende im Reiche tonangebend wird. Wir haben allein schon bei der „Verarbeitung" des Gesetzes zum Schutze des gewerblichen Arbeits- Verhältnisses gesehen, was die nervöse Politik daraus gemacht hat. Bevor noch das Gesetz formuliert war, ist es schon als „Zuchthausvorlage", nicht nur in der sozialdemokratischen, sondern auch in der liberalen und Zentrumspresse diskreditiert gewesen; bevor noch die Fraktionen zu dem Entwürfe Stellung nehmen konnten, war die Presse in ihrer Nervosität schon mit der Stellungnahme fertig. Was war die Folge? Daß die Parteiführer dem Vorgreifen ihrer Zeitungen Rechnung tragen und der Sozialdemokratie einen billigen Triumph bereiten muHten I Jede Partei wacht eifersüchtig über ihre Selbständigkeit und doch ist jede vollständig abhängig von ihrer Presse. Wer hat die Schuld an der Linksschwenkung der Nationalliberalen, an dem Mißerfolg des Aufrufs zur wirtschaftlichen Sammlung? Ein kleiner Teil der Parteipresse, den der nationalliberale Delegiertentag vergeblich von sich abzuschütteln versucht hatte. Der nervösen Politik, die in Deutschland recht üble Zustände gezeitigt hat, wird man nicht Herr werden können, wenn nicht die Parteiführer auch außerhalb der Parlamentszeit öffentlich auftreten und so der Presse die nötigen Direktiven gaben. In den anderen Ländern geschieht dies zum Teil in sehr aus giebiger Weise; bei uns gehört ein solches öffentliches Besprechen der politischen Tagesfragen durch maß gebende politische Führer zu den Seltenheiten. Was Wunder, wenn die Zeitungen bei uns „frei Tanzen" haben und die Parteipolitik vielfach schon im voraus festlrgen? Wir sind der Ansicht, daß es unter den heutigen Verhältnissen dringend nötig sei, daß die Führer der Partei nunmehr beginnen, in die öffent liche Meinung kräftig einzugreifen. Wer öffentlich in Person auftritt, ist sich seiner Verantwortlichkeit be wußt, insbesondere wenn er im Namen einer großen Partei zu sprechen hat Bei den Zeitungen fällt dieses subtile VerantwortlichkeitSgesühl fort und darum tritt statt ruhiger Sachlichkeit die Nervosität in den Vordergrund. Zum Wohle unseres Vaterlandes ist zu wünschen, daß die nervöse Politik aufhöre. Tagesgefchichk. Dresden, 13. September. Se. Königl. Hoheit der kommandierende General Prinz Georg wohnte gestern dem Manöver der 3. Division Nr. 32 in der Gegend von Kamenz bei. * Wie wir von zuständiger Seite erfahren, sind die diesjährigen Divisionsmanöver des XII. Armee korps auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Königs abgesagt worden. Deutsches Reich. * Berlin. Au« Karlsruhe wird vom Manöver berichtet: Die Armeeabteilung „Blau", die gestern die Aufgabe hatte, den ihr gegenüberstehenden Feind anzu greifen, wurde von Sr. Majestät dem Kaiser geführt. Se Majestät trafen mittel« Sonderzuge«, in welchem Allerhöchstderselde übernachtet hatten, um ^6 Uhr früh auf Station Thamm ein und übernahmen sofort da« Kommando über Abteilung „Blau", welche an der Glem« vereinigt stand. Um ^7 Uhr begann da« Ge fecht, welche» zunächst durch Artillerie geführt wurde. Um ^9 Uhr wurde ein heftiger Angriff gegen die Partei „Rot" unternommen, welche zurückweichen mußte. Se Majestät der Kaiser kehrten um ^4 Uhr au« dem Manövergelände zurück. Der Großherzog und die übrigen Fürstlichkeiten waren bereit« I Uhr 40 Min. eingetroffen. Heute ist der letzte Manövertag. — Der Vizepräsident de« preußischen StaatSministerium» Finanzminister vr. v. Miquel ist erkrankt Seine in Aussicht genommene Reise nach Schlesien wird deshalb ganz unterbleiben. — Wie bekannt, ist von einer größeren Anzahl euro päischer Staaten unterm 14. November 1896 ein Ab kommen zur Regelung von Fragen de« internatio nalen Privatrechts geschloffen worden. Nachdem dieses Abkommen, woran außer dem Deutschen Reiche Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Luxemburg, die Nieder lande, Oesterreich Ungarn, Portugal, Rumänien, Rußland, Schweden-Norwegen, die Schweiz und Spanien beteiligt sind, der getroffenen Vereinbarung gemäß in den Ver- tragSstaaten mit dem 26. Mai d. I«. in Kraft getreten ist, erscheint es zweckmäßig, die deutschen Kreise, die in einem der genannten fremden Staaten Rechtsansprüche im Klagewege zu verfolgen Haden, auf die für sie besonders wichtigen Bestimmungen in den Artikeln 11 und 14 de« Abkommens aufmerksam zu machen Diese beiden Artikel lauten in deutscher Uebersetzung folgendermaßen: Ar tikel 11. Treten Angehörige eines der Vertragsstaaten in einem anderen dieser Staaten als Kläger oder Inter venienten vor Gericht auf, so darf, sofern sie in irgend einem der Vertragsstaaten ihren Wohnsitz haben, ihnen wegen ihrer Eigenschaft als Ausländer oder deswegen, weil sie keinen Wohnsitz oder Aufenthalt im Jnlande haben, eine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung, unter welcher Benennung es auch sei, nicht auferlegt werden. Artikel 14. Die Angehörigen eines jeden der Vertrags staaten werden in allen anderen Vertragsstaaten unter denselben gesetzlichen Bedingungen und Voraussetzungen zum Armenrechte zugelaffen, wie die Angehörigen de» Staate«, in dessen Gebiete die Bewilligung de« Armen rechts nachgesucht wird. — An verschiedenen Orten ist seit dem Bekannt werden de« Strafurteils in Rennes versucht worden, eine Bewegung gegen die im Mai nächsten Jahres zu eröffnende internationale Ausstellung in ParrS mit dem doppelten Zwecke einzuleiten, beteiligte Aus länder zur Zurückziehung ihrer Anmeldungen zu ver mögen und da« Publikum zu dem Entschluße zu drängen, von der Reise nach Paris Abstand zu nehmen. Man begründet diese Haltung im wesentlichen mit dem Urteile des Kriegsgerichts im Dreyfu«.Prozeß, in zweiter Reihe wird auch Unruhe wegen der in Frankreich herrschenden Aufregung und die Besorgnis geäußert, daß die aus gestellten Güter nicht voller Sicherheit sich erfreuen würden Hierzu bemerkt die „B B.-Z." u. a.: „Der erste Beweggrund ermangelt der Berechtigung; was hat der Fall Dreyfu» mit der Ausstellung zu thun! Durch das etwaige Fortbleiben einiger Hundert Aussteller würden so wenig die Richter eine Strafe wie Dreyfu» eine Genugthuung erhalten Die stärkste Agitation kann nur kleine Kreise beeinflussen, da die Au»stellung»- teilnehmer durch den Rücktritt sich in« eigene Fleisch schneiden. Auch kommt der Massenbesuch nicht behufs Besichtigung der ausgestellte« Produkte nach Pari«, sondern die stars und sxcvntrios locken ihn, der groß artige Schauplatz, da« Rendezvous der Menschheit." Die „Köln. Ztg " schreibt zu der Angelegenheit: „Die Herren, die ihrer Entrüstung in jeder Form Ausdruck geben wollten, sollten doch bedenken, daß Entschlüsse dieser Art reiflich überlegt sein wollen. Sollte die der Aus stellung feindliche Strömung in andern großen Ländern verstärkt werden, sodaß diese sich veranlaßt sähen, der Ausstellung fernzubleiben, so würden auch wir die Frage zu erwägen haben, welche Stellungnahme uns hier unser wirtschaftlicher und politischer Vorteil vorschreibt. Aber wir haben nicht den mindesten Grund, bei dieser Sache an der Spitze zu marschieren. GesühlSpolitik und NützlichkeitSpolitik sind zwei verschiedene Dinge, und wir glauben, daß Deutschland am Ende de« 19. Jahrhunderts allen Anlaß hat, der Nützlichkeitspolitik treu zu bleiben, mit der eS in den letzten Jahrzehnten im ganzen und großen gar nicht schlecht gefahren ist" — Der deutsche Kommissar für die Pariser Weltausstellung Hr. Geh. Rat Richter hat sich übrigen« schon vorgestern abend in Be gleitung dreier Architekten nach Paris begeben, um die weiteren Arbeiten in der deutschen Abteilung zu fördern. Potsdam. Die Königin von Württemberg ist gestern vormittag hier eingetroffen. — Nach der im Reichseisenbahnamte aufgestellten Nachweisung sind auf deutschen Eisenbahnen, aus schließlich Bayerns, im Monat Juli d. I«. 218 Be triebsunfälle vorgekommen, wobei,68 Personen gelötet und 128 verwundet wurden. — In Hamburg fand am Sonntag und Montag der 5. Parteitag der Deutsch-sozialen Reformpartei statt, der von 418 Teilnehmern, darunter 108 stimm berechtigten, besucht war. Die Verhandlungen wurden durch den Reichstagsabgeordneten Osw. Zimmermann- Dresden mit einem begeistert aufgenommenen Hochrufe auf Se. Majestät den Kaiser eröffnet. Zu Präsidenten der Versammlung wurden die Herren Zimmermann, Liebermann v. Sonnenberg und Jakobsen-Hamburg ge wählt. Der von Hrn. v. Liebermann vorgetragene Ge schäftsbericht gab ein Bild der Thätigkeit der ReichStag«- fraktion. Bemerkenswert ist ein Teil der Rede, in dem er seine persönliche Stellung zu anderen Parteien kenn zeichnete und ausführte, wie er sich die zukünftige Taktik der Deutsch-sozialen Reformpartei denke. So betonte der Redner, die Verhetzung zwischen verwandten Parteien und Gruppen, insbesondere mit dem Bund der Landwirte, den Konservativen und den Christlich- Sozialen müsse aufhören. Die Partei müsse danach trachten, unbeschadet ihrer Selbständigkeit ein bessere« Verhältnis zu den Konservativen, dem Bund der Land wirte und den Christlich Sozialen herzustellen. Auch mit den Nationalliberalen, soweit sie in nationaler Beziehung die Bestrebungen vr. LehrS, in wirtschaftlicher die de« Abg. v Heyl vertreten, lasse sich vielleicht ein freund- nachbarliche« Verhältnis anbahnen. Als Ziel schwebe ihm ein formelles Wahlbündnis auf der Grundlage der Sicherung de« gegenseitigen Besitzstände« vor zur Er- Kunst und Wissenschaft. König!. Schauspielhaus. Am 12. d Mt»: „Es war einmal". Märchenspiel in sieben Bildern von Holger Drachmann Deutsch von H Zschalig. Musik von P E. Lange-Müller. (Neu einstudiert.) Da» vor fünf Iihren zuerst aufgeführte Märchrnspiel „ES wir einmal" des dänischen Dichter« Holger Drachmann hat in einer Reihe von Aufführungen alle Anziehungskraft bewährt, die der gelungenen Mischung phantasieooller Märchenmotioe mit freispielen dem Humor und lyrischem Zauber mit allem Recht gebührt. Drachmanns „Es war einmal" verdankte einen guten Teil seine« großen Erfolgs in Kopenhagen dem eigentümlichen Hauch spezifisch dänischer Stimmungspoesie, die über den besten Scenen de« Stückes liegt, es ist etwa« von der intimen Wirkung dänischer Landschaft und vom Reiz dänischen Leben» in diesem Märchen Doch auch weit über seine Heimat hinaus bewährt sich der Gehalt, der scheinbar kunstlose, in Wahrheit geschickte Auf bau de» Stücke«, die spielende Anmut seiner Bilder, die gerade genug Ernst und Lebensweisheit einschließt, um nicht fade und süßlich zu werden Erfindung und Aus führung entstammen einem der glücklichen Augenblicke, in denen sich die moderne Dichtung daraus besinnt, welche frische Kraft und unoerwüstliche Eindrucksfähigkeit in ur alten Ueberlieferungen wohnt und daß e« nur darauf an kommt, sie mit Feinheit zu verwenden, ihnen neue Einzel heiten und hellglänzende Farben zu leihen, ein Stück eigenen Leben» mit dem Entlehnten zu verbinden. Jeden falls ist e« ganz erfreulich, daß da» Märchenspiel, in dem unendlich mehr Sinn und echte Poesie lebt, al» in einer ganzen Reihe scheinbar verwandter Dichtungen, denen aber die Hauptsache, die beweglich kräftige Phantasie und die frische Lust de» Dichter« an seinen Gebilden und Gestalten, fehlt, mit bestemZilingen wieder ausgenommen worden ist. Die beiden Hauptrollen der Prinzessin von Illyrien und des Prinzen von Dänemark waren bei der gestrigen Wieder aufführung in den gleichen guten Händen wie bei der ersten Darstellung. Sowohl Frau Salbach, al« Hr. Waldeck lebten sich in glücklichster Weise in die Absicht de» Dichter« ein; die Wandlung der launischen verzogenen Schönheit in ein durch Leiden geprüfte« liebendes Weib, das die erstgenannte Künstlerin vor Augen stellt, ist vom wärmsten Anteil belebt und weckt wärmsten Anteil. Hrn. Waldecks Dänenprinz zeigt mehr Feuer, Kraft und wilde Freude an seiner Ueberlegenheit und weniger weiche Liebenswürdigkeit, als hier möglich wäre, aber er wächst doch immer zu einer ganzen, in sich geschlossenen Gestalt. Den Begleiter des abenteuernden Prinzen, den humoristi schen Kasper Eisenhut, den früher Hr. Swoboda spielte, hatte Hr. Gunz übernommen und führte ihn frisch und lebendig durch; Hr Swoboda ist dafür in den Purpur schlafrock des Märchenkönig« von Illyrien geschlüpft und ruft, so lange er auf der Scene steht, das fröhlichste Ge lächter hervor. Eine Anzahl kleinerer Veränderungen in der Besetzung thun der Wirkung de« Ganzen keinen Ein trag. Die Zurückführung der ursprünglichen acht auf sieben Bilder führt da« Märchen in schnellerem Tempo dem Ende entgegen und mindert die Wirkung de» lehr haften Elements der Erfindung in keiner Weise. Die Ausstattung erfreute durch geschmackvollen Glanz; der Regie des Hrn Lewinger ist ebenso wie dem Eifer aller darstellenden Kräfte für das rasche, frische Zusammenspiel besonderer Dank zu zollen. Die längeren Pausen zwischen den einzelnen Bildern sind nun einmal nicht zu vermeiden, obschon man sie nicht loben kann. A St. Wiener Brief. Allenthalben legt man sich aus den Bühnen in die Bresche, um die neue Spielzeit nachdrücklich zu beginnen. Hier ist ein neues Mitglied gewonnen worden, das nun mit vollen Kräften an die Arbeit gegangen ist, dort lugt ein neue« Stück heraus oder ist wenigsten« in Vorbereit ung. Da« Volkstheater brachte bei gewohnter Rührigkeit allen Bühnen voran eine Erstaufführung, die denn auch als erste in der langen Reihe von Premieren von der Schnur fiel. Es war eine falsche Perle. Eine begabte Dilettantin — Marie v. Berk« — hat in den Glückssack Maupassantscher Novellen gegriffen und ein LoS gezogen, da« in ihren Händen Niete wurde. Sie hat ein Schau spiel „Muschelkinder" (Wir haben bereits kurz darüber be richtet. D. Red.) daraus gemacht und außerordentlich kon sequent all' die Kraft der Innerlichkeit, diesem großen Franzosen eigen ist, vermöge ihrer dichterischen Schwäche durch Leußerlichkeit ersetzt. Da« Hauptinteresse nahm Kathi Frank in Anspruch, die bekannte Tragödin, die mit dieser Saison in den Verband de« DolkStheater» eingetreten ist. Einst wurde sie al» große Schauspielerin gepriesen; auf un» ist leider nur die Erinnerung daran gekommen Warten wir aber ab, bi« sie sich al» Vertreterin eine» Klassikers zeigt, vielleicht wirken ihre langsam abgemessenen Schritte dann weniger störend. — Da« erste Werk de« an da« Volk«theater berufenen Prof. Strakosch war die Einstudierung von „Kabale und Liebe" und die Rüstung eine» entdeckten Talentes zur „Louise". Es wurde viel Mühe darauf verwandt, Schiller zu einem Erfolg im Volk»- theater zu verhelfen — vorläufig vergebens. Man merkte tüchtige», zielbewußte« Streben, aber da» Resultat blieb weit entfernt vom Ziele, trotzdem die jugendlichen Renner ein gewissenhafte» Training hinter sich hatten Sie sollten zu viel leisten und versagten bei dieser Temponahme. Frl Lafrenz also gab die Louise. Vor allen Dingen hat sie über den Mahnungen ihre« weisen Lehrmeister» sich selber vergessen. Organ, Spiel und Aeußeres setzen nicht gerade in Staunen; man hatte den Gerüchten zufolge die Er wartungen zu hoch gespannt Doch begabt ist die junge Dame zweifellos, so begabt, daß man mit warmem Interesse ihre künstlerische Entwickelung zu versolgcn ge willt ist. Man muß ja so froh sein, einem wirklichen Talente zu begegnen! Das ist so selten der Fall. Vom übrigen — Frau Odilon ausgenommen — schweigt man besser Dieser vielstrahlende Volkstheaterstar bringt für die Lady Milford so wenig mit als beispielsweise d'Andrade für den Parsifal. Man bezweifelt die Erzäh lung ihre» Schicksal», man argwöhnt, daß der Abschied von ihrer Dienerschaft nur eine Laune sei, kurz, man glaubt ihr die Schillersche Gestalt nicht. Aber dennoch bot Frau Odilon eine Leistung, wie das nur eine Virtuosin der Schauspielkunst vermag. Im Burgtheater begann man die Spielzeit mit einer unfestlichen Goethefeier. Man gab „Götz von Berlichingen". Nun paradiert Kainz. Als König in Grillparzer» „Jüdin von Toledo" trat er zum ersten Mal als Mitglied de» Burgtheater» vor» Publikum Wer ihn hier noch nicht sah, bekam gleich den rechten Begriff von diesem großen Künstler, dessen Namen man ruhig an die Spitze der heutigen deutschen Schauspieler stellen darf. Wa« er macht, kann eben nur er Nachbildner — e« giebt schon manche — wirken komisch in dem Löwensell. Wie zu Mitterwurzer« Zeiten haben wir wieder einen Einzigen am Burgtheater; man könnte beinahe sagen — leider, gerade jetzt, wo da« Ensemble zusammengestimmt und da« Publikum an eine Gesamtwirkung der Leistungen gewöhnt werden soll Man muß ein Glied finden, das die strebende Jugend mit diesem Großen verbindet — und da» werden Proben sein, zwanzig Proben zu einem neuen Stücke und ebenso viele zu einem klassi schen Werke Bei der Aufführung der „Jüdin von Toledo" fehlte gar manche» Da durfte man am wenigsten oberflächlich verfahren, wie Frl. MedelSky z. B mit der Königin Sie besonder» ist ihrem großen Talente und dem geachteten Künstlernamen, den sie sich erworben hat, Selbstzucht schuldig Frl Bleibtreu war eine prächtige Esther, Hr Frank ein mäßiger Kavalier. — Im Hof-
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