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MB» GemNa«,». VtM«»«« üM »r«zt«rtchNstr NachrtsU«» Dresden Sernwrecher-Sammelnummer: »L«sl Nu« ja« Nacht,«tvrckcki«: Nr- »von Lchriltletlun, u. -aup>l>elchl>llsstelle! Dresden-«. 1, Marienftrabe 33/ts Gegründet »e^»ge»ckh« vom l. «» I». Detemte, »33 »et tckgltch ,wrtmal>a«r AufteNnng frei Hans l.7« Mt. Vostbezugsvrct« lür Monat Dejcmber 3.sü Ml. ohne Posttustellungsgebühr. Mnielnummer ld VI» Außerhalb Dresden« 3» PIg. «n«etgenpretle: Dl« Anzeigen werden nach Sloldmark berechnet: dt« etnipalttge »o mm bretle Letle 3» PI,., si>, auswärts «a PIg. ßamtltenan,eigen und Stellen, geluche ohne Rabatt l» PIg., außerhalb >3 Plg., dle so mm bretle RellamezeUe roo PIg.. außer halb »so PIg. vllertengebühr 30 PIg. Auswärtige AultrLge gegen Borausbezahlung Druck ». Verlag: Lteplch » Nelcharvt, Dresden. Posllcheck-Kw. >038 Dresden Nachdruck nur mit deull.Quellenangabe <Dre«dn.Nachr.> zulälllg. Unverlangt« Echrillftücke werden nicht ausbewahrt Schwere Kampfe im Zentrum Non Locarno nach Lugano Es ist nicht wett von Locarno nach Lugano, wo sich nach zehn langen Monaten »die großen Drei" der euro» patschen Politik zum erstenmal wieder treffen, um über das Schicksal ihrer Länder zu raten. Nur 20 Kilometer sind es von dem einen Ort zum andern. Gleich schön sind die Seen, gleich mild bas Klima. Ein kleiner Bummel für den Touristen, der die Schönheiten des Südens genießen will, und doch, politisch gesehen, ein so langer, beschwerlicher Weg voll enttäuschter Hoffnungen und Fchlschläge für Strescmann, Briand und Chamberlatn, die seht in Lugano die Hoffnungen zu Grabe tragen, mit denen sie vor drei Jahren in Locarno die Welt beglückt haben. Es läge nahe, die Nachbarschaft der beiden Orte zu wejtergchcnden Vergleichen heranzuzichen: aber es kommt heute nicht darauf an. interessante Be ziehungen zu entdecken, sondern vor einem wichtigen Ab schnitt der deutschen Geschichte die außenpolitische Lage zu klären. Wir wißen, daß die Außenpolitik unser Schicksal ist, und wir sind uns auch klar darüber, wenn sich heute alle Augen aus Lugano richten, daß alles das, was auf der offiziellen Tagesordnung dieser 53. Ratstagung des Völkerbundes steht, für Europa und für die Welt ohne Interesse ist. Sei es der ewige Optantenstreit oder der mühsam sich hinschleppende polnisch-litauische Konflikt, seien es auch die uns näher be- rährenden Fragen OberschlcsienS, Danzigs oder der Saar — es ist alles nebensächlich,' denn es kommt aus dem langen und breiten Parlaver in Lugano am Ende doch gerade so wenig heraus wie in Genf. Die wirkliche Geschichte wird, wie immer, wieder in den vertraulichen Besprechungen hinter verschlosse nen Hoteltüren gemacht, und diese entscheidenden Verhand lungen drehen sich um bi« drei großen R: Reparationen, Räumung und Rheinlandkontrolle. Man soll heute nicht mehr der deutschen Oesfentlichkeit etnzurcden ver suchen, daß das drei getrennte Dinge sind, die nicht mitein ander verkuppelt werden können: denn nach den Vorgängen der letzten Tage ist es eine unabweisbare Tatsache, daß die Trennung der drei Kardinalfragcn zwar technisch vollzogen ist, daß aber in der Erörterung und in der Lösung der politische Zusammenhang gewahrt wirb. Die Auspizien, unter denen die Tagung beginnt, sind denkbar schlecht. Und das einzig Gute ist vielleicht, daß dies mal ganz Deutschland ohne Illusionen auf Lugano sieht, daß selbst die Delegation, die zur Stunde vielleicht schon die ersten Fäden der Anknüpfung sucht, ganz ohne über triebene Erwartungen gekommen ist. Diese Ernüchterung »ach dem Locarnvrausch geht so weit, daß sogar von Strcse- mann ganz nahestehender Seite bezweifelt wurde, ob es über haupt noch Sinn und Zweck habe, daß wir nach Lugano gehen, und sie hat ihren Grund darin, daß die alliierten Gegenspieler sich diesmal von vornherein in allen zur Entscheidung stehenden Punkten so festgelegt haben, daß für den deutschen Standpunkt nichts mehr zu gewinnen, nur noch zu verlieren ist. So wie über Dantes Hölleneingang steht über der Luganopforte das Wort der Erkenntnis: „Laßt alle Hoff nung fahren, die ihr hier eingeht." Es war ja in der vergangenen Woche ein wohlkercchnetes, genau eingeschossenes Trommelfeuer, das von Paris und London aus ans die deutsche Stellung gelegt wurde: ein An griff mit verteilten Rollen, Schlag auf Schlag durch- gcführt. Zuerst am Montag Chamberlatn, der, seine Ministerkollegcn desavouierend, mit brutaler Schroffheit den deutschen Rechtsanspruch auf Räumung leugnete und die un geheuerliche These aufstellte, daß ein solches Recht von Deutschland erst erworben würde, wenn es den letzte» Pfen nig der noch nicht einmal festgelegten Tributlasten bezahlt habe. Dann am Dienstag Briand, der mit seiner Kammerrebe auch die auf Locarno bancnde politische und moralische Grundlage unserer Nänmungöfvrdcrnng einriß mit dem höhnischen Hinweis, der Locarnopakt sei kein Zanberhut, aus dem man die Erfüllung phantastischer Wünsche heranöholen könne. Und schließlich am Mittwoch Poincarv, der in den Präliminarien zur Neparations- srage seiner Auffassung auf der ganzen Linie zum Siege ver balst Mit Einwilligung Parker Gilberts und der englischen Regierung wurde eine Formel geprägt, die praktisch darauf hinausläuft, daß die Garantie der Nheinlanbbesctzung nur ersetzt werden kann durch den Verkauf der deutschen Rcpara- tionsobligationen auf den Geldmärkten der Welt. Die Auf gabe des Sachverständigenkomitees wurde gegen die deutsche Auffassung so eng umgrenzt, daß es ohne Rücksicht auf unsere Leistungsfähigkeit, an den DaweSplan gebunden, nur die Höhe der Schuldsumme und die Zahl der Annuitäten fest» legen und Vorschläge machen soll, wie man am besten die politische Schuld Deutschlands in private Handelsschulden um- wandeln kann. Dazu wurde noch die Teilnahme Amerikas an der Einschaltung der Rcparationskommissivn erwirkt, wo. durch die ganzen Verhandlungen auf den Boden des Ver sailler Vertrags gestellt werden. Also ein hundertprozentiger Sieg Poiuearäs mit so starken Bindungen, baß auch die Be- Noch keine Einigung über -en Vorstand ILtgeuer Drahtbertcht der „Dresdner Nachrichten«) Köln, 8. Dez. Nachdem am Freitagabend Partetvorstand und NeichsauSschuß des Zentrums sich auf ein Kompromiß zur Vorstandswahl geeinigt hatten, wonach drei Vorsitzende mit gleichen Rechten gewählt werden sollten, haben sich über Nacht neue Schwierigkeiten ergebe«. I« weiten Kreisen der Delegierten hat nämlich der Kompromiß- Vorschlag keine Refricdigung ausgelöst. Deshalb wnrde der Wunsch laut, in neuen vertraulichen Verhandlun gen einen anderen Ausweg zu suchen. Die Folge war. daß die als erster Punkt auf der Tagesordnung stehende Vorstands wahl vom Parteitag zunächst ansgcsetzt wurde. In den Ver handlungen des Parteitages selbst kamen diese Zusammen hänge am Sonnabend fr^h nicht klar zum Ansdruck. Es wurde lediglich mitgcteilt, daß eine S8gliedrige Kom mission zur Vorbereitung der Borstands- wahlen eingesetzt worben sei. Diese Kommission hofft, wie verlautet, bis zum heutigen Nachmittag dem Parteitag einen neue» Vorschlag für den Posten des Partcivorsitzenden unter breiten zu könne«. Unter Beteiligung von etwa fünfhundert Delegierte» auS allen Teilen des Reiches trat der Zentrumspartei- tag im Saale der Kölner Messehalle zusammen, die als einzigen Schmuck zwei große schwarzrotgoldene Neichsfahnen über dem Borstandstische auswieS. Neben zahlreichen Mitgliedern der Zentrumssrakttonen deS Reichs tags und der Landtage wohnten auch die preußischen Minister Dr. Steiger und Hirtsicfer sowie Reichs- verkehrsmtnister v. GuSrard der Tagung bei. AIS Gäste bemerkte man am Vorstandstische die Reichstags abgeordneten der Bayrischen VolkSpartet Leicht, Emmingcr, Tr. Bayersdörfer und Rauch, sowie Vertreter des Zentrums und der Christlich, sozialen Partei aus Oesterreich, der Tschecho- Slowakei, Danzig und dem Saargebiet. Als Ver treter der Stadt Köln war Oberbürgermeister Dr. Adenauer sowie zahlreiche Behörden vertreten, Wetter bemerkte man zahlreiche Vertreter der Presse. (Bericht über den Parteitag ans Seite S.s Rktimflmi bei »en Deulf>bnaltmnle.i Die Beratungen »er Narteiverlretung lDrahtmelbung unserer Berliner Schriftleitung) Berlin, 8. Dez. Die heutige Sitzung der Parteivertretung der Deutschnationalcn brachte durchaus nicht die Sensationen, die in der Linkspresse und anderen Orts angckündigt waren. Bereits gestern hatten sich die Landesverbandsführcr der Deutschnattonalen VolkSpartet in vertraulicher Sitzung mit der technischen Sette der heute einzubringcnden Statuten änderung der Partei befaßt. Tie Statutenänderung zielt auf eine Berstrassung der Spitzensührnng der Partei ab. Die fetzt zwischen Parteivorstand und Parteivertretung eingeschaltete sogenannte Parteileitung soll verschwinden. Ob auch der Parteivorstand auf Grund der verminderten Mandatszahl bei den letzten Wahlen eingeschränkt werden soll, steht noch dahin. Der Grundgedanke der gesamten organisatorischen Veränderungen ist, die politische Aktions fähigkeit der Partei im Sinne einer einheitlich geführten und konsequent durchgehaltenen Opposition wieder herzustellen. Bereits in den deutschnationalen Interpellationen zur Außenpolitik, über die wir dieser Tage berichteten, wird der neue Kurs oppositioneller Entschiedenheit deutlich. Man nimmt an, baß die Statutenänderung heute nachmittag an bloo ohne größeren Widerstand angenommen werden wird. Die heutigen Vormittagsberatungen wurden von einem ausführ lichen Referat -es Geheimrats Hugenberg eingeleitet, das von den nahezu 30» aus dem ganzen Deut, schen Reich zusammengekommenen deutschnattonalen Partei vertretern beifällig ausgenommen wurde. An die Rebe Hugenbergs schloß sich eine Aussprache an. Vermutlich wird die Reorganisation der Gesamtpartet auch personelle Veränderungen in der Partet- beamten schuft zur Folge haben. U. a. spricht man von einem Wechsel in der Leitung der Pressestelle der Partei. Nichtig ist, daß sämtliche Parteibeamte zum 1. Januar eine indes vielleicht nur formale Kündigung erhalten haben. Diese Frage hängt aber auch mit dem Etat der Parteiorgani sation zusammen, der heute ober morgen ebenfalls beschlossen werden wird. Schließlich mnß der Partetvorstand neu gewählt werde«. Bereits gestern haben die bisherigen stellvertretenden Partei vorsitzenden, die Abg. S ch l a n g e - Tchöningen und Wall ras, ihre Aemter zur Verfügung gestellt, lieber die Zu sammensetzung des neuen Parteivorstandes wird zurzeit noch strengstes Stillschweigen bewahrt. Es ist aber wohl an zunehmen, baß lediglich Persönlichkeiten für ihn nominiert werden, die bereit sind, vorbehaltlos den von den neue» Parteiführern inaugurierten OpvositionSkurs mitznmache«. Gerüchtweise nennt man als Kandidaten für den neue« Partei vorstand die Abgg. Onaatz, Bang und Freqtagh» Loringhoven. sprechungen von Lugano nichts daran ändern können. Her ausforderung reiht sich an Herausforderung, eine neue Verschwörung gegen Deutschland ist geschlossen. Der Gedankenaustausch, der in Lugano noch folgt, kann höchstens theoretische Bedeutung besitzen: denn alle Ein- wände der Deutschen werden mit dem Hinweis auf die Sach- vcrständigenberatungen abgewehrt werden, von deren Er gebnis ja alles abhängt. Nachdem Poincars die Vor bereitungen getroffen hat, damit dieses Gremium nach seinem Willen funktioniert, wird Briand mit den harmlos aussehen- dcn Waffen des liebenswürdigen Plauderers dem deutschen Außenminister gegenüber das übliche Rückzugsgefecht liefern dürfen. Höchstens daß ihm noch die Aufgabe zufällt, den Deut schen die Einsetzung der unter dem schönen Namen „Aus- gleichs- und Fcststellungskomitee" schamhaft verschleierten Rhcinlandkontrvlle aufzuschwätzen. Zwischen Lugano und Locarno findet man nirgends mehr Beziehungen, eher schon zwischen Lugano und der Ruhr. Der Unterschied ist nur, daß man dort die Hand an die Gurgel des Schuldners legte und daß man sie ihm hier einfach an der Gurgel läßt. In dieser Lage gilt es für uns Deutsche vor allem, klar zu sehen und kühlen Kopf zu behalten. Klar sehen heißt, die Wandlung der politischen Lage im Verlause dieser Woche zu erkennen und die Folgerungen daraus zu ziehen. Als Dr. Strescmann am 18. November seine Reichstagsrede hielt, da gab er offen zu. daß tatsächlich Locarno erledigt sei, wenn wirklich eine englisch-französische Entente, inskesondere auf militärischem Gebiete, abgeschlossen wäre. Aus Grund eng- lischcr Beteuerungen glaubte er allerdings bas Vorhandensein einer solchen Verschwörung leugnen zu können. Jetzt aber, nach den Reden Chambcrlainö und Brianbs, ist sie offen bar, und die Folgen ergeben sich aus Stresemanns Worten von selbst. Auch Briand hat in seiner Rede über das Wesen von Locarno gesprochen. Er hat bestätigt, Locarno sei nicht das, was die Deutschen daraus machen wollen, und er hat hinzngesügt: „Locarno ist etwas ganz anderes." Was «S nun eigentlich sei, das hat auch er leider fcstzustellen ver. gesscn. Aber aus dem Geist d«r Reden, mit denen er und sein Freund Chamberlatn die Tagung von Lugano glaubten einleiten zu sollen, können wir die Lücke wohl ausfüllen: Locarno ist der größte Schwindel, mit dem jemals in der Geschichte zwei Sicgerstaaten ihren gutgläubigen Schuld ner getäuscht haben. Mit dieser Erkenntnis werden wir in Lugano wenigstens vor Enttäuschungen bewahrt bleiben, die das einzige Ergeb nis von Locarno waren. Wir werden auch nicht aus das Manöver Briands hereinfallen, der mit verblümten Worten Strescmann als einen Illusionisten hinstellte, der sein Volk mit falschen Hoffnungen gespeist habe, vielleicht um die Deutschen von seinem Vcrtrauensbruch abznlenken aus Strese- mann und die Erfolglosigkeit seiner Politik. Wir werden auf unser Recht pochen und keinen Deut davon preisgeben. Die von Lugano drohenden Gefahren sind groß. Aber das deutsche Volk weiß, wie hoch der Einsatz ist, um den dort gespielt wird, und es weiß, dank der zynischen Freimütig keit der Gegner, daß auf dem bisher begangenen Wege nichts mehr zu erreichen ist. Es erwartet von seiner Delegation nicht Wunder, die unmöglich sind: es verlangt nur, daß sie durch Festigkeit Schlimmeres verhüte. Wir scheuen vor nichts zurück, auch nicht vor neuen außen, politischen Krisen, weil es um die Zukunft unseres Volkes geht. Wenn die Verhandlungen in Lugano scheitern, wie vor auszusehen ist, bann muß es eben bei der Rechtslage bleiben. Dann müssen wir versuchen, die Reparationen weiter abzu tragen. bis sich der DaweSplan an seiner inneren Unmög lichkeit totläuft. Dann müssen wir die Schmach der Besetzung weiter tragen, sieben Jahre noch, bis die Fristen abgelaufen sind, und dann unser Recht verlangen. Nichts als unser Recht, aber dieses immer und überall. Für eine solche Politik des Widerstandes besteht über die jetzige Regierungsgemein schaft hinaus im deutschen Volke eine weitgehende sachliche Ucbercinstlmmung. Sie muß auch während der Tage von Lugano erhalten bleiben, damit die deutsche Abordnung den nötigen Rückhalt einer geschlossene» Hcimatfront hat. ES geht ums Ganze, es geht um das Schicksatjrd«» Deutschen.