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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.08.1896
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1896-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18960819011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1896081901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1896081901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-08
- Tag 1896-08-19
-
Monat
1896-08
-
Jahr
1896
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Die Morgen-A»sgabe erscheint um '/«? Uhr. die Abend-Ausgabe Wochentag- um 5 Uhr. Le-artio« m»d ErpeMon: I»hanne-,asf« 8. Dirlxpeottton ist Wochentag- ununterbrochen ^ifiul von früh 8 bi» Abend« 7 Uhr. BezugS-PreiS in her HiUlptexpedition oder den im Stadt- bentrk und den Vororten errichteten Ao«- gavestrllen abgebolt: vierteljährlich ^l«LO, bei zweimaliger täglicher Zustellung in« Han- üchO. Durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich: vierteljährlich -ckl S.—. Direete tägliche Krruzbandlrnduog in- Vu-land: monatlich ^l 7.b0. Filialen: Vit» Ale»m » Eorti«. (AlfreV Hahn). Uuivrrsität-strab« S (Paulinum), Lo«i- Lösche, NatbarNienstr. 14, van. und Könlg-vlah 7- Morgen-Ausgabe. MpMer Tagtbiatt Anzeiger. Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Rathes und Volizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzetgen-Preis die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg. Reklamen unter dem Redactionsstrich (4ge- spalten) 50-H, vor den Familiennachrichtrn (6gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellariicher und Zisserasatz »ach höherem Taris. Ertra-Vrilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Poslbeförderung -4i 60.—, mit Postbesörderung ^lt 70—> Ilnnahmeschluß für Anzeigen: tlbend-Au-gabe: Bormittag- 10 Uhr. Marge n-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr, vet den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stet» an die Expedition zu richten. Druck und Berlaa von E. Polz in Leipzig Mittwoch den 19. August 1896. Sv. Jahrgang. Vie wesentlichen Mängel der Militairstraf- gerichtsordnung vom 3. April 1845. II. (Schluß.) r. 6. Freilich ist auch der Einfluß de« AuditeurS in dem an und für sich gründlicheren und mit mehr RechtS- garantien auSgrstatteten „krieg-gerichtlichen Verfahren" kein unbedingt wirksamer. Denn das Amt des Auditeurs entbehrt nach jeder Richtung der Selbstständigkeit. Er ist ledig« lich dem militairischen Gerichtsherrn bei Ausübung der ge- richtSherrlichen Befugnisse desselben al- richterlicher Beamter zugeordnet, nnd hat als solcher zwar nach tz 78 der M. St. G- O. „die Gesetzlichkeit der im Namen de- Gericht- zu erlassenden Verfügungen zu vertreten", hat aber dennoch der Anweisung des Gerichtsherrn in Bezug auf seine richterlichen Pflichten selbst dann unbedingt Folge zu leisten, wenn er dieselbe mit Len gesetzlichen Vorschriften nicht für vereinbar hält! Diese grundsätzlich unselbstständige und abhängige Stellung muß aber nicht nur nach der Natur der Sache ihre Wirkung auf die Behandlung des einzelnen Rechts falls äußern, sondern ist auch geeignet, aus das StanteS- bewußtsein und die gesammte Berufstbätigkeit des Auditeurs in wenig erwünschter Weise einzuwirken. Es kommt hinzu, daß die Auditeure sich beut zu Tage ausschließlich aus den Reiben der Assessoren ergänzen, die mit der richterlichen Vor bildung keineswegs die richterliche Erfahrung, welche nicht minder als die erstere zum Erweise der Brauchbarkeit und Tüchtigkeit im Beruf gehört, in das neue Amt Milbringen, mit dessen Uebernabme sie die, wenn auch nicht gesetzliche, so doch thatsächliche Anwartschaft auf die Anstellung im staat lichen Civil-Justizbieiist verlieren, so daß sie auf das Wohl wollen der vorgesetzten militairiscken Dienstbehörde zu ihrem Fortkommen mehr oder weniger angewiesen sind. Entbehrt also diese Stellung des Auditeurs als solche derjenigen äußeren Selbstständigkeit, die keinem richterlichen Amt icblen sollte, so ist dieser Umstand doppelt bedenklich bei der Stellung im Verfahren, welche da- Gesetz ibm anweist. Die Obliegenheiten des AuditeurS sind so vielseitig und so schwierig and stellen so außergewöhnliche Anforderungen an die Urthcilö- sähigkeit und Unparteilichkeit, daß nian billig zweifeln muß, ob dieselben nicht an und für sich schon über die durchschnitt liche Leistungsfähigkeit des menschlichen Vermögens erheblich hinausgeben. Derselbe Auditeur hat in demselben Verfahren zunächst die Voruntersuchung zu führen (den Thatbestand festzustellen), über den Erfolg derselben und dessen juristische Tragweite dem Gerichtsberrn Vortrag zu halten, der darauf über die Einstellung oder Eröffnung des Hauptoerfahrens beschließt; er hat demnächst die förmliche Untersuchung zu führen und in der Spruchsitzung ans den Acten, die in allen Fällen, in denen nicht eine nnlitairische Slrafthat den Gegenstand der Untersuchung bildet, nur ihm bekannt sind, dem versammelten Gericht nicht nur objectiv „über die Lage der Sache und das anzuwendende Gesetz Vortrag zu halten und seinen Antrag zu stellen, wie nach feiner rechtlichen Ueberzengung zu er kennen fei", sondern er soll auch bei dieser Gelegenheit die Belastungs- wie die Entlastungs-Momente, selbstverständlich wie sie ihm subjectiv erscheinen, entsprechend her vorheben und die Gesetzesstellen, welche er an ¬ gewendet wissen will, vorlesen und erläutern. Kurz, in seiner Hand, — ganz abgesehen davon, ob er das gehorsame Werkzeug des Gerichtsberrn ist, der ihn „in Bezug auf seine richterlichen Pflichten mit Anweisungen ver sieht", oder ob er diesen durch seine Sachkenntniß und seine Ueberzeugungsgabe zu beherrschen versteht, — liegt von vorn herein das Schicksal des Angeschuldigten. Schon die Fassung, die der Auditeur den Protocollen geben zu müssen glaubt, welche die einzige Unterlage des Verfahrens bilden, wird ent scheidend fein für den Verlauf und den Ausgang des Pro zesses, zunächst einschließlich des Bestätigungs-Verfahrens, und wenn man sich vergegenwärtigt, daß in allen den Fällen, in welchen eS sich nicht um militairische Straffälle handelt, kein einziger der an der UrtheilSfällung betheiligten militairischen Richter etwas Anderes aus den Acten erfährt, als waS der Auditeur sür wesentlich hält, daß seiner das Richtercollegium binsichtlich der Bedeutung des Gesetzes lediglich auf die Rechtsbelehrung des AuditeurS angewiesen ist, so wird kein praktischer Jurist sich über die immense Tragweite der Be fugnisse dieses Amtes unschlüssig sein. In der Tbat sind die Fälle außerordentlich selten, in denen im kriegsrechtliche» Verfahren gegen die Anträge des AuditeurS erkannt wird, und die Gewohnbeit der militairischen Unterordnung, welche in früheren Zeiten vielfach mit dem „militairischen Interesse" verwechselt wurde, bas ja nach ausdrücklicher Vorschrift des Gesetzes in dem Verfahren gewahrt werden soll, brachte eS mit sich, daß solche ver einzelte Fälle gemeiniglich an den maßgebenden Stellen höchst unliebsam empfunden wurden; ja, wenn sie bei einem und demselben Auditeur öfter sich wiederholten, waren sie wohl geeignet, die dienstliche Stellung desselben in unerwünschter Weise zu beeinflussen. Ein Mittel, solchen Wiederholungen wirksam vorzubeugen, liegt jedenfalls in der Besugniß deS Gerichtsberrn, in jedem einzelnen Fall die Commaudirungen zu dem Spruchgericht selbst vorzunehmen. Man ist hier und da so weit gegangen, die Stellung deS Angeschuldigten im militairischen Strasproceß dahin zu cdarakterisiren, daß derselbe nichts Anderes sei als ein „Vivi- sectionSobject in der Hand de- AuditeurS." Vielleicht geht dieser Ausdruck zu weit in der Sache und namentlich zu weit in der Form; man wird aber in der That zugeben müssen, daß die Bestimmungen derMilitairstrafgerichtSordnung, die von dem Recht der Vcrtheidigung bandeln, keineswegs so geartet sind, daß sie die wirksame Gestaltung derselben selbst kann verbürgen würden, wenn nicht die Erschwerung der Praktischen Durchführung hinzuträte, welche sich aus der Eigen art der militairischen Verhältnisse ergiebt. Wir haben aber schon gesehen, daß eine „Vertbeidigung" un standrechtlichen Verfahren überhaupt grundsätzlich aus geschlossen ist, und daß der Angeklagte, auf seine eigene Ein sicht und seine eigene Beurtheilung der thatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse angewiesen ist. Im kriegsrechtlichen Verfahren darf allerdings „die Vertheidigung mit aller Frei- müthigkeit geführt werden", aber in ziemlich dehnbarer Weise ist diese Besugniß schon durch den Zusatz eingeschränkt, daß sie nicht „in eine absichtliche Verletzung des Dienstansehens auSarten darf". Abgesehen davon, darf der Angeschuldigte bei militairischen Verbrechen seine Vertbeidigung überhaupt nur dann durch einen Andern, der jedoch auch eine Militairperson sein muß, führen lassen, wenn das Verbrechen mit mehr als zehnjähriger Freiheitsstrafe oder mit Todesstrafe bedroht ist, und diese Vertheidigung kann nur „zu gerichtlichem Protokoll erfolgen", und auch bei gemeine» Verbrechen tritt diese Besugniß nur ein, wenn die Slrafthat mit einer härteren Strafe als drei jähriger Freiheitsentziehung bedroht ist. Eine Vertheidigung in der Spruchsitzung, also vor Allem eine Controle des Vor trags des Auditeurs in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung findet überall nicht statt. Der nicht nur ungenügende, sondern absolut fehlende Rechtsschutz Les Angeschuldigten im standrechtliche» Verfahren, die Stellung des auditorialen Amtes und des hinter dem selben stehenden Gerichtsherrn, die ganz unzulängliche Ge staltung der Rechte deS Angeschuldigten auch im kriegsrecht- lichen Verfahren, die ihren deutlichsten Ausdruck rn der wahrhaft phänomenalen Bestimmung findet, daß dem Verurteilten die Gründe seiner Verurteilung über haupt erst nach der Bestätigung des Urtheils, d. h. wenn dasselbe unumstößlich geworden — denn eine Wiederaufnahme deS Verfahrens giebt es natürlich eben so wenig, wie eine Berufung — mitgetheilt werden dürfen, was auch dann nur auf sein ausdrückliches Verlangen und mündlich geschieht, während eine Abschrift des Erkenntnisses nur auf Grund einer besonderen Entscheidung des Gerichtsherrn in dem Falle zu erlange» ist, „wenn kein Mißbrauch davon zu besorgen ist" — müssen als die hervorstechendsten Mängel res militairischen Strafverfahrens bezeichnet werden, wie es heutzutage auf Grund der Milstairstrafgerichlsordnung vom 3. April 1845 in der Praxis sich gestaltet hat und in Uebung ist. Man wird kaum zu viel sagen, wenn man behauptet, daß diese Mängel daS gesammte Verfahren unerträglich machen für ein Reich, in dem die all gem ein e D i en stp flicht gilt, und sür ein Volk, welches sich auf gesetzlicher Grundlage an die Oeffentlichkeit und Mündlichkeit des civilgerichtlichen Verfahrens in Strafsachen gewöhnt hat. Man braucht die Mängel dieser letzteren Organisation nicht zu verkennen und kann selbst bereitwillig zugeben, daß dieselbe nicht geeignet ist, ohne Weiteres und in allen einzelnen Bestimmungen auf die militairischen Verhältnisse übertragen zu werden; die Staatsktugheit und die Moral aber fordern gleichmäßig, daß endlich mit diesen fossilen Ueberresten eines durchaus veralteten Verfahrens aufgeräumt werde, dessen charakteristischer Zug darin gesunden werden muß, daß das Streben nach idealer Gerechtigkeit nur mit dem Vorbehalt eines falsch verstandenen, angeblichen „militairischen Interesses" zum Ausdruck kommt, eines militairischen Interesses, das auf die eben so unrichtige wie unheilvolle Voraussetzung sich gründet, die absolute Gerechtigkeit könne irgendwie und irgendwo in Widerstreit stehen mit der wohlverstandenen Pflege der Manneszucht. Die Militairstrafgerichtsordnung vom 3. April 1845 kennt als Strafmittel noch die körperliche Züchtigung. Der Geist, auf dem sie als Ganzes beruht, ist der des Corporal- stockes, — der Aufrechterhaltung der Autorität ausschließlich oder jedenfalls in erster Linie durch äußeren Zwang. Wir wollen die Autorität nicht über Bord werfen, sondern sie auf die richtige, zeitgemäße Grundlage stellen, und sie dadurch stärken und erhalten, wenn wir fordern, daß diejenigen Grundlagen, die mit innerer Notbwendigkeit zum Umsturz drängen und dadurch das ganze Gebäude gefährden, endlich beseitigt werden. Deutsches Reich. * Berlin, 18. August. Wie befriedigt man in der fran zösischen Presse die neuesten Berliner Vorgänge be- urtheilt, davon mögen die folgenden, der „Nat.-Ztg." ent nommenen Bemerkungen deS „TempS" eine Vorstellung geben: „Der Rücktritt deS Generals Bronsart von Schellen dorf hat schon an sich eine recht bedenkliche Bedeutung. Unter der Regierung Wilhrlm'S II. hat der Verbrauch von Kriegs ministern (eS ist der vierte in acht Jahren. D. Red.) außer ordentliche Verhältnisse angenommen; obgleich dieser Hobe Beamte in einem so monarchischen Staate und unter einem so militairischen Herrscherbause nicht eine so große Wichtigkeit wie sein Eollege in Frankreich hat, und obgleich General Bronsart nicht die unvergleichliche Bedeutung eines Roon besitzt, so sieht man doch den Tag kommen, wo der Kaiser einige Mühe haben wird, diesen Posten zu besetzen. Bei alledem wurde der Rücktritt des Generals Bronsart noch in den Schatten gestellt werden durch den deS Fürsten Hohenlohe, falls Vieser erfolgt. Ein vierter Kanzler in sechs Jahren, während eS während der ersten zwanzig Jabre deS Reiches nur einen einzigen gab, da- wäre keine gleichgiltige Erscheinung. Die Unstctigkeit an einer derartigen Stelle ist noch viel mißlicher, al- in den Ministerien parlamentarisch regierter Länder. Man fragt sich, wo der Kaiser seinen neuen obersten Rath geber (wir baden hier ein anderes Wort gebraucht, als der „Temps") sucvkn würde. Fürst Hohenlohe hatte zum Mindesten eine lange Vergangenheit al- Diplomat und Staatsmann hinter sich. Ein Eulenburg dagegen, der besonders durch seinen Antheil an dem Sturz des Grafen Caprivi bekannt ist, oder ein Waldersee, Soldat und hervorragender Vertreter der ausgesprochenen Reaction, müßte lebhaft die öffentliche Meinung im Jnlande und Auslande beunruhigen. * Berlin, 18. August. Die „Nat.-Lib. Corr." schreibt: „Unter den Forderungen, welche schon jetzt in großer Zahl von Seiten der absolut zünftlerisch gerichteten Handwerker bebus« Abänderung de- Gesetzentwurf- über die Zwang-oraanisation de« Handwerks angemeldet werden, darf wohl eine auf allgemeine Billigung rechnen, nämlich das Verlangen, daß der Unterschied zwischen Hand werksbetrieb und Fabrikbetrieb im Gesetz selbst fest gelegt werde. Wir haben bereits nachgewiesen, daß die Annahme der Begründung des Gesetzentwurf-, die Fälle, in welchen eS zweifelhaft sei, ob Handwerks- oder Fabrikbetrieb vorliege, würden wenig zahlreich sein, nicht zutrifft. Die Nothwendigkeit, feste Normen auf zustellen, nach welchen dieser Zweifel gelöst wird, ergiebt sich aber auch aus anderen Erwägungen. So lange eine gesetzliche Organisation des Handwerks, welche das Handwerk mit Rechten und Pflichten ausstattet, nicht besteht, kann das Hinübergreifen der für die Fabriken bereits in Kraft befindlichen Gesetze in den Kreis der Handwerksbetriebe vielleicht noch hingenommen werden. Im Unfallver sicherungsgesetz ist bestimmt, daß als Fabriken im Sinne des Gesetzes insbesondere diejenigen Betriebe gelten sollen, in welchen die Bearbeitung oder Ver arbeitung von Gegenständen gewerbsmäßig ausgeführt wird, und >n welchen zu diesem Zweck mindestens zehn Arbeiter regelmäßig beschäftigt werden, ferner daß das ReichS- versicheruiigsamt zu entscheiden habe, welche Betriebe außerdem als Fabriken im Sinne des Gesetzes an- zufehen seien. Auf Grund dieser Bestimmungen ist das Reichsversicherungsamt bestrebt gewesen, den Begriff „Fabrik" möglichst weit auszudehnen, um thunlickst viele Arbeiter in die Unfall-Versicherung einzubeziehen. Wird der Entwurf, betreffend die Zwangsorganifalion des Handwerks, Gesetz, so wird das naturgemäße Bestreben der Innungen dahin gehen, möglichst viele leistungsfähige Fabrikbetriebe in ihren Bereich zu ziehen. Ist nun keine feste Grenze zwischen Handwerk und Fabrik gezogen, so liegt die Möglich- lichkeit vor, daß ein und derselbe Betrieb auf Grund des Unsallversicherungsgesetzcs durch richterliche Entscheidung als Fabrik in Anspruch genommen und zu Leistungen vcrurtheilt wird, während er Lurch den Spruch der höheren Verwaltungsbehörde dem Handwerk zugerechnet und zur Zahlung von Jnnungöbeiträgen ungehalten wird. Die „Rechtsunsicherheit", welche die Motive des Gesetzentwurfs auf diesem Gebiete schon jetzt beklagen, würde bann einen doppelt gefährlichen Charakter annedmen. So leicht freilich, wie sich der deutsche Tischlertag und süddeutsche Zünftlerorgane die Scheidung zwischen Handwerk und Fabrik vorstellen, dürfte die Sache nicht sein. Der deutsche Tischler tag will nur den Betrieb als Fabrik angesehen wissen, in welchem vollständige Theilung der Arbeit statt findet. Die Anwendung von Maschinen und die Zahl der beschäftigten Arbeiter soll nicht in Betracht kommen. Diese Forderung ist augenscheinlich von dem Bestreben dictirt, die Grenzen des Handwerks möglichst weit zu ziehen. Bis her hat das Reichsgericht bei der Entscheidung über die Frage, ob Handwerks- oder Fabrikbetrieb vorliege, eine ganze Reibe von Merkmalen in Betracht gezogen. In erster Linie allerdings Vie Arbeitstheilung zwischen der vorwiegend kaufmännischen Thätigkeit des Unternehmens und der tech nischen Thätigkeit der Gehilfen, sowie die Arbeits- tbeilung unter den Gehilfen. Daneben ist aber auch die Arbeiterzahl, die Ausdehnung der Betriebsräume und anderer stehender Betriebs - Einrichtungen, die Verwen dung von Kraft- und Arbeitsmaschinen in größerem Umfange und der Umfang der Production in Betracht gezogen worden. Eine feste Praxis hat sich dabei aber nicht herausgebildet, namentlich hat auch das Kriterium der ArbeitStheilung in manchen Fällen versagt, da auch im Handwerk bereits vielfach Arbeitstheilung sowohl zwischen Unternehmer und Gehilfen, wie zwischen den Gehilfen unter sich verkommt. Aufgabe einer sorgfältigen Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse wird eö sein, die Grenze zu finden, deren Absteckung auch nach unserer Meinung notb- wenbig ist, um „Competenzconflicte" zu vermeiden, welche sür unser gewerbliches Leben wenig zuträglich sein würden." Berlin, 18. August. Der Kaiser traf mittels Wagens heute früh 8l/r Uhr vom Neuen Palais im Lustgarten in Potsdam ein. Hier war das 1. Garde-Regiment zu Fuß anläßlich des Jahrestages der Schlacht bei Gravelotte auf gestellt. Es fand zweimaliger Parademarsch statt, das erste Mal in Zügen, das zweite Mal in Comxagniefront. Sodann formirte sich das Regiment im offenen Viereck. Der Kaiser hielt eine kurze Ansprache und ritt sodann nach dem OsficierScasino des Regiment-. Nach seiner Rückkehr nach dem Neuen Palais nahm der Kaiser den Vortrag des Chess deS Militaircabinets Generaladjutanten v. Hahnke entgegen und empfing später den Flügeladjutanten des Königs von Sachsen, Vitzthum v. Eckstädt, welcher ein eigen händiges Schreiben seines SouverainS über brachte. Um 1»/« Uhr fand zur Feier des Geburtstages deS Kaisers von Oesterreich eine größere Frühstückstafel statt. L. Berlin, 18. August. (Privattelegramm.) Das Krieg-Ministerium ist, wie die „Nat.-Ztg." hort, nachdem die Annahme de« EntlassungsgrsucheS des Generals v. Bronsart beschlossen war, mehreren hohen Officieren angeboten worden, die es abgelehnt haben, bis Generallieutenant v. Goßler sich zur Uebernabme bereit erklärte. (Der com- mandirende General deS 11. Armeecorps v. Wittich, der Commandeur der 22. Division v. Collas und General lieutenant v. Bock in Hannover waren jüngst in WilhelmS- höhe. Red. d. „L. T.") T Berlin, 18. August. (Telegramm.) Die „N. A. Z." meldet: Der bisherige Kriegsnunister Bronsart ». Schellen dorff ist gestern hier eingetroffen. Er verabschiedete sich heule von den Officieren und Beamten de- KriegsministeriumS. Der neue Kriegsminister v. Goßler wird in den nächsten Tagen zur Uebernahme der AmtSgeschäste erwartet. — „Die antisemitische „Staatsb.-Ztg." will glauben machen, General von Bronsart habe innerhalb der Regierung nicht die Unterstützung, auf die er Anspruch batte, gefunden, weil anderen Mitgliedern derselben sein energische- Auftreten gegen die Socialdemokratie unerwünscht gewesen. Der Zweck dieser Insinuation wird durch die gleichzeitige Be hauptung, daß ein „Pact" mit den Socialdemokraten beim Bürgerlichen Gesetzbuch und früher bei den Handelsverträgen geschloffen worden, so offen gezeigt, daß wir sie gar nicht erst erwähnen würden, wenn daS Blatt nicht anscheinend jetzt ebenso wie bei der Entlastung des Herrn von Köller von einer Seite inspirirt und benutzt würde, wo man den Rücktritt des ausscheidenden Ministers zur Verdächtigung der verbleibenden zu benutzen sucht; daß dies im jetzigen Falle sogar im Interesse derer geschehen könnte, welche den Rücktritt des Generals von Bronsart selbst berbcigesührt haben, ist keineswegs aus- gescklossen. Es ist vielleicht arif ähnliche Quellen zurück zuführen, wenn in den letzten Tagen in der ausländischen, auch in der französischen Presse als demnächstiger Reichs kanzler — Graf Botho Eulenburg, der gleichzeitig mit dem Grasen Caprivi zurückgetretene damalige Minister präsident, genannt wird." — Don mehreren Seiten wird mitgetheilt, daß der commandirende General des vierten ArmeecorpS v. Harnisch sein Abschiedsgesuch eingereicht habe. General der Cavallerie v. Harnisch, früher Bevollmächtigter zum Bundesratb, steht im 68. Lebensjahre. — Generallieutenant v. Wittenburg, Commandeur der 3. Jngenieur-Jnipection, bat, der „Köln. Ztg." zufolge, zum 1. Oclober sein Abschiedsgesuch eingereicht. — Die hiesige „Damen-Zcitung" enthielt den „B. N. N." zufolge in ihrer Nummer 32 Folgendes: „ ... Oder ein anderes Bild! Eine große Menschenmenge siebt auf einer morschen Brücke, jeden Augenblick kann sie einstürzen und die Menge ist in Gefahr, zu ertrinken. — Einige Menschenfreunde wollen Rettungsmittcl schaffen, aber ein fachmännisch gebildeter Brückenmeisler ist der einzige, der in der Verwirrung den Kopf nicht verliert. Er lächelt überlegen: Lassen Sie dock die Leutchen machen, was sie wollen, ruft er. Es macht ihnen ein großes Vergnügen, ein Bischen zu schwimmen. Im Hochsommer ist es ja äußerst an genehm, mit dem Wasser in Berührung zu kommen. Sie haben ja doch gelesen, mit welcher Begeisterung die Be satzung des „Iltis" ins Wasser ging." Welche Rohheit der Gesinnung kommt in diesen Worten zum Ausdruck! — Bei dem Comit6 für den Bau einer Centralbahn in Deutsch-Ostafrika ist eine Depesche cingegangen, wonach Herr Kindermann nach der Küste zurückgekehct ist. Es wird ferner mitgetheilt, daß nach seinen Untersuchungen zwischen Tabora und Udjidji ein für Eisenbahnzwecke gutes ' Gelände vorhanden ist. — Die Putzer Berlins haben am Sonntag im Feen palast die Einführung der Arbeitslosenunterstützung und Gründung eines eigenen Arbeitsnachweises vorläufig ab gelehnt. — Der Ludwig-Windthorstverein feierte am Sonnabend sein erstes Stiftungsfest. Die „Germania" bemerkt dazu tadelnd: „Der Umstand, daß der junge Verein fein erstes Wiegenfest in der Nacht zum Sonntag feiert, zumal an einem kirchlich gebotenen Festtage vor dem Feste Mariä Himmelfahrt, wird ihm die Sympathien der übrigen katholischen Vereine nicht erwerben." Wirklich? lfhdtkuhnen, 17. August. Der Amtßvorsteber Mett beschlagnahmte bei einer Haussuchung in dem benachbarten Jodringkebmen große Ballen nihilistischer und socia- listischer Flugschriften und Proklamationen. Diese Drucksachen waren kurz zuvor aus Leipzig eingetroffen und sollten nach Rußland über die Grenze geschmuggelt werden. * Posen, 18. August. An dem Verlauf des Sokol- Cong resse s ist zu constatiren, daß die Veranstalter und Theilnehmer allen nationalen Demonstrationen vorsichtig aus dem Wege gingen. Sie begnügten sich mit einer stillen Ver brüderung. Hieraus ist am besten zu erkennen, daß wir stets gegen polnische Uebergriffe und Anmaßungen geschützt sein werden, wenn durch ein thatkräftiaes Verhalten der Behörden den Polen von vornherein die Möglichkeit genommen wird, ein Benehmen zur Schau zu tragen, das ihnen als preußischen Unterthanen nicht zustebt. Deshalb sei des lobenswerthen vorbeugenden Verhaltens der hiesigen Polizei-Direktion be sonders gedacht. * KrieVrichSruh, 17. August. Am Sonntag war Prinz Max von Baden beim Fürsten Bismarck zum Besuch. Der 29jährige Prinz, eine frische, sympathische Erscheinung, traf um 1 Uhr von Hamburg ein, ward vom Grafen Rantzau vom Babnbofe abgeholt und vom Fürsten vor der Tbür des Schlosses empfangen. Nachmittags machten der Prinz und Graf und Gräfin Rantzau eine Spazierfahrt in den Wald, um 5 Uhr erfolgte die Weiterreise Les Prinzen nach Berlin. — Das Befinden deS Fürsten ist augen scheinlich gut. Geheimralh Prof. Schweninger ist nach London abgereist und dort beim Baron Rothschild ab gestiegen. (Hambg. Nachr.) * Hannover, 17. August. Ein hier znsammengetretenes Comits bat beschlossen, eine Feier LeS SedanlageS in ähn licher Weise ins Werk zu setzen, wie daS in früheren Jahren geschehen ist. Es wird Lemnach am Sedantage des Morgens ein Festgotlesdienst abgehalten werten, nachdem vorher Schul acte in sämmtlichen höheren und niederen Schulen statt gesunden haben. Mittags wird der Tag durch ein allgemeines Geläute der Glocken seine Weihe erhalten. Dann folgen am Nachmittage Wettkämpfe der turnenden Jugend. Ten Abend nimmt eine Feier am schön geschmückten Kriegerdenkmale und an einem brennenden Holzstoße ein, und den Abschluß bildet ein gemeinsamer Festcommers. * VreSlau, 18. August. (Telegramm.) In der heutigen Sitzung LeS BerbandStages der deutschen Bäckerinnnn^en gab die Neuorganisation des Handwerks Anlaß zu einer sehr lebhaften Debatte. Geh. Ober - Reg.»Rath Or. Sieffert erklärte auf eine Anfrage, daß die Zwangs organisation für da- gesammte Handwerk vorgesehen sei, die Regierung glaube nur die außerhalb LeS Handwerkes stehen den freien Vereinigungen nickt hören zu sollen Die meisten Redner erklärten sich für die Zwangsorganisation, bezeichneten aber die Vorlage als noch verbesserungsbedürftig Die Beschlußfassung wurde auf morgen vertagt. * VreSlau, 18. August. Während der Kaisertage w BreSlau wird der Reichskanzler Fürst Hohenlohe, wie di« „Schl^Ztg." hört, bei dem Oberpräsidenten Fürsten Hatz- feldt Wohnung nehmen.
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