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Antonln Dvorak „Stabat mater“ Nicht nur dem weitverzweigten Gebiete der Instrumentalformen, die er mit meisterlichen Beiträgen zu bereichern wußte, sondern auch den vielfältigen Möglichkeiten der Vokalkomposition vom Sololied bis zum sinfonischen Chor werk diente Dvoraks Feder, die für die Nachwelt auch hier Außerordentliches und Bleibend-Gültiges schuf. Seine Leistung auf dem vokal-sinfonischen Gebiete ist um so höher zu werten, als vor ihm die tschechische Musik nicht gerade reichhaltig ist an Belegen für diese Gattung, die ihm etwa eine Grund lage für deren Weiterentwicklung mit den durch die Charakteristika der nationalen Intonation gebotenen Mitteln an die Hand gegeben hätten. Die Kantate weltlichen und geistlichen Inhalts, die liturgische Messe, das Oratorium sind Formen, die Dvorak — einstmals lernbegieriger Zögling der Prager Orgelschule und als solcher mit Gattungsbelegen aus Vorklassik (zumal Händel) und Klassik hinreichend vertraut — mit neuen Inhalten füllte, In halten, die sowohl von allgemein-nationalen Gegebenheiten als auch von ganz persönlicher Aussagenotwendigkeit bestimmt wurden. Dem im Denken der einfachen Menschen seiner eigenen Herkunft wurzelnden „böhmischen Musikanten“, der Sage und Märchen, Glauben und Aberglauben der Heimat in einer Reihe seiner Werke (sinfonische Dichtungen) einzufangen wußte und sein Ringen um Erkenntnis zum Verhältnis Mensch Natur unter anderem in seinen Programmouvertüren niederlegte, eignete eine ausgeprägt schlichte Frömmigkeit und ein ehrliches, von religiösem Fanatismus weit ent ferntes Gefühl für Glaubensdinge. Beides wurde mitbestimmend für Werke, die in direktem Zusammenhang mit einschneidenden Erlebnissen standen. Hierhin gehört das „Stabat mater“ auf den lateinischen liturgischen Text des Laienbruders im Franziskanerorden Jacopone da Todi (1230 bis 1306), das übrigens auch - - um nur einige Namen anzuführen — Meister wie Palestrina, Orlando di Lasso, Pergolesi, Haydn, Rossini und Verdi zu Tonschöpfungen inspirierte. Vom letztgenannten setzt sich Dvoraks Werk dadurch ab, daß er nicht so sehr der ins Dramatische verlagerten musikalischen Schilderung von Einzelheiten nachgeht, sondern innerhalb der Sätze an einer Grundstimmung - allerdings auch unter Einfügung musikalisch kontrastierender Mittelteile — festhält. Damit (und unter der Notwendigkeit persönlichster Aussage) macht sich Dvoraks Werk frei von allen mit dem Text und seinen herkömmlichen Deutungen gegebenen Bindungen und findet seinen Ort im Allgemein-Mensch lichen, das neben dem Schmerz selbst um die durch ihn bewirkte Läuterung weiß und damit eine neue Zuversicht gewinnt. Mit der Skizze zum „Stabat mater“ (19. Februar bis 7. Mai 1876) reagierte Dvorak zunächst impulsiv auf den Tod seines Töchterchens Josefa (21. Sep tember 1875), der zu einem Zeitpunkt eintrat, als der Meister völlig im Banne der ersten Arbeiten an seiner im Entstehen begriffenen Oper „Wanda“ stand. Eine Aufführung der Skizze unterblieb zunächst unter dem Druck anderer von der Öffentlichkeit erwarteter Arbeiten. Dann aber gab der Tod zweier weiterer Kinder (Dvoraks zweiter Tochter am 13. August 1877 und seines erstgeborenen Sohnes am 8. September 1877) den letzten Anstoß für die endgültige Nieder schrift der Partitur (Anfang Oktober bis 13. November 1877). Das zehnsätzige Werk, von dem nur der erste und der letzte Satz thematische Beziehungen zueinander aufweisen, wurde - überzeugend reichhaltig in den Ausdrucksmitteln vom tiefsten Schmerz bis zu dessen Überwindung in seiner Eindringlichkeit und gleichzeitigen Schlichtheit der Tonsprache, in seinen unbestreitbaren rein musikalischen Werten in den Bezirken sowohl der lied haften Intimität als auch des imposanten Aufschwungs in den Ensemble partien, eines der erschütterndsten Werke dieser Gattung. Seine Erfolge machten es auch richtungweisend für inhaltlich entsprechende vokalsinfonische Werke der tschechischen Musik. Nach der ersten Aufführung in Prag (Dezember 1880 unter Adolf Cech) und einigen weiteren in der Heimat des Komponisten sorgte im März 1883 Josef Barnby in der Londoner Albert-Hall für eine so nachhaltige Wirkung des Werkes, daß es auf Grund einer Einladung der Albert-Hall Choral Society an den Meister am 18. März 1884 vor rund 12000 Zuhörern mit einem Chor von fast 1000 Sängern und einem Orchester von 160 Spielern zu jener denk würdigen Aufführung im Lande der großen Chöre und intensiven Chorpflege kam, die Dvoraks Ruhm im damaligen England endgültig begründete. Seither hat das Werk seinen festen Platz im Musikleben der gesamten Welt. Prof. W. Bänsch LITERATURHINWEISE: Sourek: Antonin Dvorak, Biographie und Werkanalysen, Bd. I, Artia-Verlag Prag Vorankündigung : Nächste Konzerte im Anrecht B 25-/26. 2. 1960, jeweils 19.30 Uhr Einführungsvorträge: jeweils 18.30 Uhr 3. Kammermusikabend, Anrecht I) 7. Februar 1961, 19.30 Uhr Werke v. J. J. Quantz — L. v. Beethoven - J. P Thilman P. I lindemith Freier Kartenverkauf! 6056 Ra II1-9-5 161 1,4 It-G 003/14 <u