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Dl« .Mtihtritz-Ztttuna' rrlchelnt wöchentlich drei» mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend und wird an den vorhergehen- denMendenansgegeven. Preis vierteljährlich 1M. W Psg., zweimonatlich 84 Psg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — Alle Postan- Mten, Postboten, sowie «nsereAusträgernehmen Bestellungen an. Wtlßelitz-Ititlillg Anzeiger für Dippoldiswalde und Umgegend. Inserat« werden mit II Psg., solche aus unsere» Ämtshauptnuumschast mit 12 Pfg. die Spaltzeile oder deren Raum berech net. Bekanntmachungen auf der ersten Seite (nur von Behörden) die zwei gespaltene Zeile 3S bez. 30 Pfg. - Tabellarisch« und komplizierteJnserat« mit entsprechendem Aus schlag. - Eingesandt, im redaktionellen Teile, di« Spaltenzeile 30 Pfg. Amtsblatt für die Königliche Amtshauptmamifchaft, das Königliche Amtsgericht «nd dm Stadtrat zu Dippoldiswalde. Mit achtfeMgem „Illustrierten Anterhaltungsblatt". Mit land- «nd hauswirtfchastlicher Monats-Beilage. Für die Aufnahme eines Inserats an bestimmter Stelle und au bestimmten Tagen wird keine Garantie überiumnnen. Verantwortlicher Redakteur: Paul Jehnr. - Druck und Verlag von Carl Irhne in Dippoldiswalde. Nr. 36. Dienstag, den 30. März 1909. 78. Jahrgang. > " , ' , No««ar»l38, äs« 1. üprU ü». ^8-, mittags 12 lldr, soll in Brösgen bei Kreischa «in 8vk«vin öffentlich gegen Barzahlung versteigert werden. Sammelort der Bieter: Gasthof Brösgen. Dippoldiswalde, am 29. März 1909. . (2 190/09. Der Gerichtsvollzieher des Konigl. Amtsgerichts. Ansteckende Kinderkrankheiten vetr. Da gegenwärtig ansteckende Krankheiten — namentlich unter Schulkindern — wieder -Sufiger auftreten, wird hierdurch erneut auf die Bestimmungen hingewiesen, nach denen Haushaltungsvorstände, Hauswirte usw. verpflichtet sind, jeden Erkrankungs- oder Todes fall an Diphtherie, Scharlach usw. sofort und binnen 24 Stunden dem unterzeichneten Stadt rate zu melden, wenn sie sich nicht empfindlichen Strafen aussetzen wollen. Gleichzeitig werden alle Eltern und Erzieher aufgesordert, ihre Kinder so oft als möglich auf Krankheitserscheinungen hin zu untersuchen und bei den geringsten Anzeichen, die den Ausbruch einer der vorgedachten Krankheiten vermuten lassen, sofort einen Arzt zu Rate zu ziehen. Die Stadtschule wird in den bevorstehenden Osterferien gründlich desinfiziert werden; die Eltern und Erzieher haben aber streng daraus zu achten, daß namentlich außerhalb der Schule kränke Kinder oder Kinder aus Familien, in denen ansteckende Krankheiten herrschen, mit anderen Kindern nicht in Be rührung kommen. Dippoldiswalde, am 26. März 1909. Der Ttadtrat. Die Erschütterung der Blockpolitik. Die unglückselige Lage der Reichssinanzreform und die scheinbar unüberbrückbare Abneigung der konservativen Parteien inbezug auf die Einführung einer Nachlaßsteuer scheinen bereits zu einer Erschütterung der Blockpolitik im Reichstage geführt zu haben, denn einer der Führer der Konservativen hat dem Führer der Nationalliberalen, Herrn Bassermann, erklärt, er habe den offiziellen Auf trag, den Nationalliberalen mitzuteilen, datz die konser vative Fraktion die Reichssinanzreform unter allen Um ständen und gleichviel mit welcher Reichstagsmehrheit machen werde. Die konservative Partei wäre bereit, etwa 400 Millionen indirekte Steuern zu bewilligen und etwaige fehlende Beträge sollten durch Matrikularumlagen aufge bracht werden. Unter keinen Umständen würden die Kon servativen einer Besitzsteuer oder einer Nachlaß- und Erb schaftssteuer zustimmrn. Der konservative Führer, der diese folgenschwere Erklärung abgegeben hat, ist Herr v. Nor mann, und er hat bei seiner Erklärung in Abrede gestellt, datz sie eine Kündigung der Blockpolitik bedeute, denn für nationale Zwecke könne der Block ja noch bestehen bleiben. Die Reichssinanzreform ist aber doch auch im hohen Matze eine nationale Aufgabe, und es kann kein Zweifel darüber bestehen, datz die nationalliberale Partei diese Haltung der Konservativen als eine Kündigung der Blockpolitik ange sehen wissen will. Der freisinnigen Partei und der Zentrumspartei ist übrigens von der konservativen Partei die gleiche Erklärung übermittelt worden. Man mutz diese Haltung der Konservativen in hohem Matze im Interesse einer nationalen Politik bedauern, denn die Reichssinanz reform wollen auch die übrigen Blockparteien, sie wollen aber diese dringende Finanzresorm mit solchen Mitteln durchsetzen, die sie für gerecht und billig halten und wollen nicht das Volk mit einer ungeheuerlich grotzen neuen in^ direkten Steuer belasten. Es kommt dazu, daß die Ein führung einer Reichserbschaftssteuer als eine durchaus ge rechte Belastung des gröberen Besitzes allgemein im deutschen Volke immer mehr gewünscht wird, und datz auch die größten Autoritäten der Nationalökonomie und des Rechtswesens die Einführung der Erbschaftssteuer für durchaus zweckmäßig erachten. Man darf auch nicht ver gessen, daß die Reichsregierung selbst die Einführung einer Nachlaß- oder Erbschaftssteuer wünscht. Nach der ganzen Haltung der konservativen Partei soll aber die Reichs finanzreform nur nach ihrem Rezepte und unter Ausschluß der Besteuerung des gröberen Besitzes erfolgen. Praktisch betrachtet, können aber die Konservativen jetzt nur mit der Zentrumspartei noch eine Mehrheit sür die Reichssinanz reform bilden, und man darf nun begierig sein, was für Vorschläge der Regierung bezüglich der Reichsfinanzreform gemacht werden! — Soll nun der nationale Ring, der mühsam bei den letzten Reichstagswahlen für den Reichs- tag durch die Bildung des Blocks errungen worden ist, ohne weiteres wieder zersprengt werden!? Der Reichs kanzler selbst hat doch die Bildung einer Reichstagsmehr- heit in diesem Sinne gewünscht und eine Abhängigkeit der Regierungsvorlagen von der Zustimmung der Zentrums partei sür höchst gefährlich und bedenklich erachtet. Man steht der neuesten parteipolitischen Entwickelung im deutschen Reichstage gegenüber wie vor einer Ueberraschung und einem Verhängnisse, denn viel Gutes kann dem Deutschen Reiche doch wahrhaftig nicht daraus entstehen, wenn plötz lich die Reichstagsmehrheit, auf die sich die Regierung stützen wollte und sollte, in die Brüche geht und schließlich die alte parlamentarische Misere wieder eintritt. Man darf auf die Haltung des Reichskanzlers in dieser kritischen Frage gespannt sein. Birelmdruckfachen fertigt Buchdruckerei Lar! Iehne. Lokales und Sächsisches. Dippoldiswalde. Am Sonnabend, den 27. März, nachmittags gegen V22 Uhr ist ein hiesiger Gastwirt in seiner Gaststube von zwei unbekannten Männern (angeb lich arbeitsuchende Maurer oder Bauarbeiter) überfallen, zu Boden geworfen, an den Händen und Füßen mit starkem Bindfaden gefesselt, im Gesicht mit den Fäusten blutig geschlagen, mit den Absätzen wiederholt gegen den Leib und Brust getreten, mit einem Beile bedroht und be raubt worden. Um ein Hilferufen zu verhindern, haben die Täter dem Ueberfallenen einen Knebel und ein Tuch in den Mund gewürgt. Von den Tätern ist die Gaststube während der Ausführung der Tat von innen verriegelt worden. Die Täter werden beschrieben: Der Kleinere 25 bis 28 Jahre alt, 164—165 Zentimeter groß, mittlere untersetzte Statur, rundes, blasses Gesicht, schwarzen Schnurr bart und schwarzes, gekräuseltes Kopfhaar. Bekleidet war er mit dunklem, weichen, rund eingedrücktem Hut, dunklem (blauen) Jackettanzug und weißem Chemisett. Der Größere: 28 bis 30 Jahre alt, 170 — 175 Zentimeter groß, übermittel, untersetzte Statur, längliches, rötliches Gesicht, gesunde Gesichtsfarbe, blonden Schnurrbart, desgl Kopfhaar, links gescheitelt. Bekleidet war er mit dunkler Mütze oder Hut, dunklem (vermutlich braunem) Jackettanzug und grau ge schipperte Hose. Beide sächsischen Dialekt sprechend. In den hiesigen Baugeschästen haben dieselben um Arbeit nachgefragt. Da die Täter noch nicht ermittelt worden sind, werden alle Personen, welche Angaben machen können, die zur Ermittelung der Täter führen, gebeten, Mitteilung den Polizeibeamten zu machen. Die in Altenberg vorläufig festgenommenen zwei Personen mußten wieder entlassen werden, da sie mit den Tätern nicht identisch waren. — In voriger Woche fanden in unserem Stadtschul- gebäude die Prüfungen der Schulabteilungen für das fortbildungsschulpflichtige Alter statt und zwar am Mitt woch die der städtischen Fortbildungsschule, am Dienstag und Freitag die der Handelsschule A und 8. In allen drei Lehranstalten zeigten die Schüler anerkennenswertes Wissen und Können. Von Vertretern der Behörden, Lehr herrn, Eltern und Freunden der Schule waren die Prüfungen erfreulicherweise zahlreich besucht. Nach ernsten und herzlichen Abschiedsworten seitens der Lehrerschaft wurden die Abgehenden entlassen. Für die Handelsschule 8 haben schon jetzt 15 Väter auf Michaelis d. I. den Ein tritt ihrer Söhne in Aussicht gestellt. In der Handels schule Abt. konnten Schüler Alfr. Scheinpflug hier und die Schülerin Marianne Meißner-Schmiedeberg für regen Fleiß und gutes Betragen mit Bücherprämien beschenkt werden. In Abteilung 8 ist Prämiierung noch nicht ein geführt. Die Handelsschule wird hauptsächlich von An gehörigen des Kaufmanns- und Beamtenstandes besucht, aber auch junge Gewerbetreibende benutzen diese billige Gelegenheit, sich kaufmännische und erweiterte allgemeine Kenntnisse anzueignen, denn heutzutage muß gewisser maßen ein jeder ein Kaufmann sein, will er sein Geschäft oder sein Gewerbe mit Nutzen betreiben. Außerdem haben auch seil einer Reihe von Jahren konfirmierte Töchter am Unterricht der Handelsschule mit gutem Erfolge teilge nommen und sich dadurch selbständige, lohnende Stellungen erworben. Es ist eine Freude für jeden Freund der Heranwachsenden Jugend berichten zu können, daß die meisten Zöglinge der drei obengenannten Schulabteilungen es ernst mit ihrer Ausbildung nehmen und sich dadurch das Wohlwollen ihrer Prinzipale verdienen und sich ein gutes Fortkommen sichern. Der Unterricht der Handels schule /I, der außer den rein kaufmännischen Fächern auch Französisch, Englisch und Stenographie umfaßt, beginnt Donnerstag, den 22. April, die Aufnahmepiüsung findet Mittwoch, den 21. April, vorm. 8 Uhr, in der Stadtschule statt. Möchten recht zahlreiche Anmeldungen zur Handels schule sowohl von Knaben, als auch von Mädchen von hier und auswärts erfolgen. — Die am 27. und 28. März stattgefundene erste allgemeine Kaninchen-Ausstellung des hiesigen Kaninchenzüchtervereins war sehr zahlreich beschickt und erfreute sich eines regen Besuchs, woraus zu ersehen ist, daß der volkswirtschaftliche Nutzen der Kaninchenzucht in weiteren Kreisen der Bevölkerung immer mehr erkannt wird. Bei der am Freitag vorgenommenen Prämiierung durch Herrn Preisrichter Behrens-Leipzig wurden der von der Stadtgemeinde Dippoldiswalde gestiftete Ehrenpreis Herrn Ernst Wolf hier auf Angora und der Vereins ehrenpreis Herrn Otto Lippolt-Döhlen zuerkanni; außerdem wurden noch 7 erste, 20 zweite und 28 dritte Preise, sowie 9 lobende Anerkennungen ausgeworfen. Als Ver treter der Stadtgemeinde besuchten die Ausstellung die Herren Bürgermeister vr. Weißbach und Stadtrat Reichel, welche sich sehr lobend und anerkennend aussprachen. — Wie der Bericht über die Stadtschule auf das Schuljahr 1908/09 uns zeigt, sind die durch ansteckende Krankheiten verursachten Versäumnisse der Schulkinder im Berichtsjahre recht bedeutend gewesen, und die Vor sicht, die Schularzt und alle Beteiligten selbst bei jeder mutmaßlichen Erkrankung eines Kindes zur Verhütung der Weiterverbreitung gebrauchen, ist deshalb voll berechtigt, so unangenehm die getrosfenen Maßnahmen auch hier und da empfunden werden mögen. Wie groß die Zahl der versäumten Schultage mit 17,6 pro Kind eigentlich ist, ersieht man, wenn man berücksichtigt, daß die Versäum nisse eines Kindes betrugen im Schuljahr 1907/08 5,23, 1906/07 5,85. 1905/6 4,76 und 1904/05 7,06 Tage. — Ostern, das liebe, frohe Fest, ist für die Schule ein kritischer Termin erster Ordnung. Gilt es da doch zu scheiden und zu sichten zwischen denen, die gut oder doch wenigstens einigermaßen gut vorwärts kommen, und jenen Sitzenbleibern und ewigen Nachzüglern, die den Eltern und Lehrern so manchen Aerger und Sorgenseufzer aus pressen. Was wird der Junge nur diesmal für eine Zensur bringen? So liegts als schwere, schwüle Frage in all den Häusern, wo man eben Grund zu allerlei öster lichen Befürchtungen hat. Und diese Frage hat einen lernäischen Schlangenkopf-Charakter. Denn es ist eigent lich ein ganzes Bündel von Fragen, was so — eins, zwei, drei — vor dem entsetzten Auge auftaucht. Hat man nicht alles getan, um dem Schlingel die Versetzung zu ermöglichen? Die teuren Privatstunden! Die unauf hörlichen, auch handgreiflichen Ermahnungen! Warum der Bengel nur so faul ist? Oder sollte er wirklich so furcht bar dumm sein? Es ist nicht selten, datz Vater und Mutter just diesen Grund mit Entrüstung abweisen. Und es kommt doch tatsächlich vor, datz auch ganz gescheite Eltern recht dürftig begabte Sprötzlinge haben. Sehr häufig aber ist auch der folgende Fall, der ohne weiteres einen beträchtlichen Trost in sich schlictzt: Das Kind hat wenig Verständnis für alte Sprachen, aber vielleicht um somehr für ein praktisches Arbeiten mit der Hand. Die Geheimnisse der Algebra und der vielen Mathematik- FormelU wollen durchaus nicht in den Jungenkopf, der aber mit Vergnügen an die Arbeiten eines Kaufmanns lehrlings denkt. Eine andere Schule, ein anderes Lern gebiet, ein anderes Berufsziel, und die Jungen, die erst so mürrisch und gezwungen lernten oder vielmehr nicht lernten, sie leben ordentlich auf, und die ganze Schererei hat auf einmal ein Ende. Freilich gehört dazu nicht selten ein tüchtiges Quantum Selbstverleugnung bei — Litern und Angehörigen. Man hatte sich etwa in den Kopf ge setzt, der Knabe müsse studieren. Nun kommen die schlechten Zensuren, nun haperts in einem fort mit der Versetzung.