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V4.g«chrsans. Nr.»4 j, , -- - ' i s VtrnStag, rr. -ebruar 1S3» 'l' Dr«Ht«nIArifi: N-ckfttck»««» »re««, tzernlvrecher-Sammelnummer: »»»«» Nu, für Nachigelprtch«: «,.»«>»» Lchrlftlellung u. HauPlgelchäfttlleU«: Lrelden-U. 1, Marienslraße »»/«» Gegründet 1SSS ,_»» >1. ttl »». geben« l»N» bei ttiglich »»»Iinallgee ZufteNnn« frei -<m» l.70 Nl. »öftbeiügUreig I», «I-nal gedruar ».«0 Mt. einlchl.»« Plg. V°»a'ba>,r «ohne Poftjufte»ung»gebüi,r>. »inielnumm« >0 «I,.. -nßerhal» Dre«een» Id VI». «inzetgenprrtle: Die Anzeigen wer»,» nach «oldmar! berechne«: die einlvaltig« »o mm brrtt« Zeile »» «lg.. lür auiwari« «a PI«. Namilien- «»«eigen und «teUengeluche ohne N-bai« lb VI»., außerhalb i.'> PI»., die »u mm breite ReName»etle »00 «I».. außerhalb eit» Dia. cl'erlenaebllhr »o Di», «u«w»riige «ullrSae »egen «orau«be,ahlung Lrnck ». Verlag: Li»pich « Nelchmch«, Dretden. Postlcheck-Lto. IN68 Dretden Nachdruck nur mii deuil.Quellenangabe (Dretdn. Nachr.) julällig. Unverlangte Schriftstücke werden nicht au'bewahrt M Der Mieterschutz vor dem Reichstag Was haben wir von Ehautemps zu erwarten? Voo uosorom karteor Aorroopouckoai»« WaS ha« das neue französische Ltiikskabtnel« für Deutsch land und die deutsche Politik zu bedeuten? Diese für uns bedeutsame Frage läßt sich nur bcaniworien aus der Kcnntn'S der innerpolittschcn Umstande in Frankreich, die zu Tardicuö Sturz und zu EhautcmpöE Ausstieg geführt haben. Sein Kabinett eröffnet zunächst, auf,erlich betrachtet, eine neue politische Periode in Frankreich. Nachdem die ausgesprochen nationalen Parteien der Rechten und der Mitte sei Juli 1026. also säst 88 Jahre lang, die Gemalt in Händen hatten, geht diese nun wieder an die stärkste Links partei. die Nadikalsozialisten. über. Damit ergreifen wiederum die freisinnigen, freimaurerischen und kirchcnseind- lichen Parteien, deren eigentlich längst Überlebte Parole ^Latenstaat und Laicnschule" ist. die Zügel an Stelle der mehr gemüßigten oder, wie wir sagen dürfen, konservativen Parteien. Beherrscht ist die ganze innenpolitische Entwicklung Frankreichs seit 1ll24 durch dteFtnanzsrage. An ihrer Lösung ist seinerzeit bei steigender Inflation und drohendem Zusammenbruch der Währung im Svmmer IV26 das letzte Kabinett des Linkskartells, das unter Herriots Führung stand, nach kaum 24stündlgcr Lebensdauer gescheitert. Wieder über eine Finanzsrage istdaSKabinettTardieugestürzt worden. Doch war dies nur der äußerlich« Anlaß. eine kleine, fast nebensächliche Steuerfrage. In Wirklichkeit wollten die Radi- kalrn wieder dt« Macht t« dt« Han- bekommen »der wenig stens an derselben beteiligt sein. Den Augenblick dazu haben sie. wiederum vom finanziellen Gesichtspunkt aus betrachtet, geschickt gewählt. Während man vor vier Jahren, als sie selbst mithalsen. Poincars in den Sattel zu Helsen, schon nicht mehr wusste, wie man die Beamtengchälter ausbringen und die Schuidrnzinsen bezahlen sollte, ist heute im Staatsschatz an Stelle der Ebbe die gros, e Flut eingetreten: denn Poincars hat als Netter der Finanzen und Stabilisator der Währung sein Werk getan. Briand und Tardieu haben das von ihm übernommene Erbe gut und sparsam weiter ver waltet. Unter dielen Umständen ist es natürlich vcrhällnis- mästtg einfach, nun eine Periode der grasten Steuererleichte rungen etnzuleitcn. Pensionen und Gehälter zu erhöhen und endlich die hundertmal der arbeitenden Bevölkerung ver sprochenen Sozialversicherungen zur Tat werden zu lasten. Ueber all diese Punkte ging der Streit In der Kammer. Gegen die Sozialversicherungen, deren endgültige Einführung Tardieu versprochen hatte, war in den Kreisen der Unter nehmer, aber auch bei den Aerzten, ein sehr starker Wider stand erwachsen, vor allem aber ist dem französischen Volk von jeher die Abneigung gegen lebe Art von Reglementierung, wie sie eine solche Versicherung mit Karten und Oulttungs- marken mil sich bringt, eigentümlich gewesen. Selbst sonst sehr regierungstreue Kreise haben diesen Programmpunkt Tarbieus nur widerwillig angenommen. Natürlicherweise hatte PoincarS sein großes Programm der Finanzierung nur mit Hilfe gewaltiger Steuererhöhun- gen durchführen können. Seit 1V26 musste das französische Volk 13 Milliarden Franken Steuern jährlich mehr aus- brtngen. Es war selbstverständlich, dast damit zugleich eine steigende Teuerungsperiode begann. ES ist begreif lich. dast nun. nachdem die Finanzsanicruna Tatsache gewor den ist und die Staatskaste von Gold und Devisen übcrläust, hoch und niedrig gleicherweise die Wiedcraushcbung oder Herabsetzung der Steuern, die Ihren Zweck erfüllt haben, immer dringlicher verlangt. Kein Mensch zahlt gerne Steuer», der Franzose am allerwenigsten, da er ebenso spar sam wie geizig ist. Aber das Geschrei, dast der Franzose die höchsten Steuer» zu zahlen hat. und höhere als der deutsche Bürger, ist trotzdem unwahr. Der Finanzministcr Ehörvn müsste kein echter Franzose aus der Normandie gewesen sein, wenn er nicht leinen Gcldstrumps über alles liebte und nichts davon ablasten wollte. Aber es war doch ungeschickt, dast man der ganzen Welt verkündigte, man habe rund 2» Milliarden Etnnahmenübcrschüsse in der Kasse und sich dann beinahe frankcnwcise die Steuernachlässe abmarktcn liest. Dast die Uebcrschüssc zum Teil auch von den deutschen Tri- buten, die immer reichlicher flössen und schon zum zweiten Male mit der beträchtlichen Summe von mehr als einer Mil liarde ins Budget e »gestellt werden konnten, herrührten. hat auch der einfache Mann erkannt, trotzdem man ihm immer wieder vorlog, Deutschland zahle nicht. Und so wenig sich jemand ernstlich über die ungeheuren Rüstungsausgaben Frankreichs, die jedermann selbstverständlich findet, beschwer» ha», so war doch das Mißverhältnis im Staatshaushalt ein rech» offenkundiges. Bei einem Gcsamthauöhalt. der mit über VN Milliarden balancierte, werden 22 Milliarden für Schul denabzahlung verwandt. 1l Milliarde» für militärische Zwecke, und es bleiben für das ganze weite Feld der bürgerlichen Ausgaben, also für wirklich ausbauende Zwecke der Kultur und der Wirtschaft, nur >7 Milliarden in dem neuen Budget übrig. So großzügig und geschickt Tardieu sofort in seinem RegierungSprogramm die Summe von 88 Milliarden für tzandwtrlschast, Soztalpoltltk, össeutltche Arbeite» »nd Wisst» fordert weistrdili zwiligsw!r»»ast Berlin, 24 Febr. Nus der Tagesordnung steht die erste Beratung der Gesetzentwürfe, durch die die Geltungsdauer des Mieterschutz» und des NelchSmietcngesctzes bis zum SO. Juni 1032 verlängert werden soll. I» Verbindung damit stehen zur Beratung der von der Dcutschen Volkspartei eingebrachte Gesetzentwurf zur Neuregelung des Miet wesens. Anträge der Kommunisten und der Wirt schaftspaktes auf Aushebung der HauSzinsstener. ein Antrag der WIrtschastspartei aus Ausstellung eines Neichsbau- programms und ei« sozialdemokratischer Antrag aus Ausdehnung der Volkszählung 19S1 aus die Wohnungsver» hältnisse. Reichsarbeilsminister Wissen begründet die Regierungsvorlagen. Die Mieterschutzgesetz- gcbung must bestehen bleiben bis das Angebot vor allem an mittleren und kleineren Wohnungen der Nachfrage entspricht. Von diesem Zustand sind wir leider noch sehr weit ent- scrnt. Die Zahlen der Wohnnngsstatistik beweisen das deutlich. Wenn hingewtesen wird aus die Einze'personcn. die über eine eigene Wohnung verfügen, so spricht das keines wegs gegen daS Bestehen der Wohnungsnot Diese Einzel personen sind in der Mehrzahl ältere Witwen, die Zimmer vermieten. Als Ursache der Wohnungsnot kann man diesen Zustand keineswegs anschcn. Bei einer Aushebung der WohnungSzwangSwirtschafi würden Kündignnge« i« großer Zahl erfolge«. Der plötzlich verstärkten Nachfrage ans dem Wohnnngs- «arri würde ei« ausreichende- Angebot nicht gegen, überstehe«. Dle dadnrch bewirkten Mietsteigerungen würden ,« wesentlichen Lohnstetgerungen und zu starken wirtschaftlichen i Störungen führen. Aus wirtschaftlichen und sozialen Grün den läßt sich die Verlängerung der Micterschutzgesetzgebung vor allem des Reichsmielengeieves nicht vermeiden Die An träge der Wirtschaftöpartei und der Deutschen Vo'kspartci» die eine Uebergangsregelung vorschlagen, sind für die Regie rung nicht tragbar. Abg. Dr. Steiniger lD.-N.i bestreitet, dast heute noch ein Bedürfnis für eine Verlängerung der Wohiiungsiivangs- wirtschast bis 1932 bestehe. Der Begriff des Wohnnngselends und der Wohnungsnot wird vielfach falsch angewandt aus die Erscheinung der allgemeinen sozialen Not Es ist gar nicht so. daß die Wohnungssuchenden die ärgste Not leiden. Wir beantragen die Uebcrweisnng der vorliegenden Anträge und Gesetzentwürfe an den Ausschuß. Die Geltungsdauer der be stehenden Gesetze sollte jetzt nur um ein halbes Jahr ver längert werden. Abg. Winnefeld lD. Vp.j verneint die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Wohnungszwangswirtschast in dem bis herigen Umfange. Die von der Dcutschen Vvlkspartei be antragte Uebergangsvorlage würde den Mietern den notwendigen Schutz gewähren und doch für die Hausbesitzer erträglich sein. Wenn der Berliner Mieterbund behauptet, unsere Vorlage würde zu einer Steigerung der Mieten um Sü Prozent führen, so verwechselt er unseren Antrag offenbar mit dem der Wirtschaftspartet. Eine Ueberspannung der Mieten wollen wir nicht. Daran hat auch der solide Hans- besitz kein Interesse. Wohnungen über 8N Quadratmeter und gewerbliche Räume sollen nach «nserem Antrag von der Zwangswirt schaft freibleiben. Um >78 Uhr wirb die Weiterberatung auf Dienstag lv Uhr vertagt. Auf der Tagesordnung stehen weiter die Handwerksnovclle und das Gesetz über Bcrgmannssiedlnngen. Reglenmi Eäiikil it« Größt KoMion ? In die sächsische Regierungskrise haben mit Wochen- beginn zwei neue Faktoren vorwärtSiretbend ctngcgrisfcn: die Nominierung des Präsidenten des Staatsrcchnnngöhofes Schleck für die Mintsterpräsidenlschast durch die Wirt- schastspartet und der Beschluß der Sozialdemokratie, mit de» Parteien der bürgerlichen Mitte in Verhandlungen mit Ziel richtung aus die Große Koalition einzutrelen. So ent gegengesetzt diese beiden Antriebe für die Entwicklung in Sachsen aus den ersten Blick zu sein scheinen, da der erste aus die Neubildung der alten Koalition, der andere aus deren Umwandlung hinarbettet. so notwendig sind sie doch beide, wenn das Ziel einer gefestigten bürger- lichen Regierung ohne allzu großen Zeitverlust erreicht werden soll. Notwendig war die Schilderhebung einer Persönlichkeit von Nus in der sächsischen Politik, die das Staatöruder mit kräftigem Arm lenken kann, damit den durch die Krise aus- einandergesprengten bürgerlichen Parteien wieder eine ge meinsame Marschrichtung gewiesen wird. Und mit dem Prä sidenten Schieck hat die WIrtschastspartei zweifellos einen guten Griff getan. Sie hat sich zu ihrem Vorschlag wohl durch die großen Verdienste Schiecks um die Wirtschaftlichkeit In der staatlichen Finanzgebarung während der letzten Monate bewegen lallen. DaS ist in den jetzigen Zeitläuften gewiß eine ausgezeichnete Empfehlung. Aber auch in jeder anderen Hinsicht, als routinierter Verwaltungssachmann — man erinnere sich nur seiner Vorschläge zur VerwaltnngS- rcform — und als Persönlichkeit von staatsmännischem Emp finden ist Präsident Schieck der richtige Führer, der die Ge schicke des Landes im Sinne des Wahlaussalles vom 12. Mai mit auSgleichender Gerechtigkeit leiten kann. Das Echo, das seine Nominierung in den Kreisen des Bürgertums gesunden hat. ist denn auch durchaus günstig. Sogar die Demokraten willen nur Gutes von ihm zu sagen, obwohl ihre Wünsche nach wie vor auf die Große Koalition gerichtet sind. Eben deshalb aber, weil eine Negierung Schicck nicht ohne Einigung aller nichtmarristischcn Parteien im Land tag gebildet werden kann und weil die am weitesten links stehenden Demokraten noch nach einer Verbindung mit den Sozialdemokraten streben, must zuerst die Illusion von der Möglichkeit einer Großen Koalition durch Verhandlungen darüber zerstört werden. Dazu macht der sozialdemokratische Beschluß den Weg frei. Er bedeutet ja nicht mehr, als ein taktisches Manöver der Sozialdemokratie. Sie will sich von ihren Wählern und vor allem vor dem Berliner Parteivo" stand die Hände in Unschuld waschen können, wenn bc ihrer Negierungsunsähigkeit eine neue Vürgerregicrung, Sachsen gebildet werden muß. Dazu gehört, daß sie Verhau lungen nicht von der Schwelle abweist, sondern so tut, a ob sie grundsätzlich zu einer Vereinigung mit bürg« lichen Elementen bereit wäre. DaS Wesentliche ist al' nicht dieser Beschluß, sondern das Programm, l. ihm als Verhandlungsbasis folgen muß. Und das wird sch, aus Angst vor der kommunistischen Konkurrenz, die natürli sofort über ..Arbeitervcrrat" schreit, so gespickt sein mit in erfüllbaren Forderungen, baß auch den wärmsten Freunde der Großen Koalition im bürgerlichen Lager die Lust ver geht. Diese Entwicklung haben wir in Sachsen schon öfters erlebt, und es wird auch diesmal wieder so kommen müsse», damit das Feld frei wird zu einer vernünftigen Lösung. Je schneller das geschieht, desto bester ist es. Kolonien, allerdings aus einen Zeitraum von stink Jahren verteilt, zur Verfügung stellte, so kleinmütig und uberängst, lich hatte sich dann bei der Verwirklichung dieser und anderer Versprechungen sein Finanzminister gezeigt. Hier also konn ten die Feinde des Kabinett- Tardieu leicht etnhaken. Trotz dieser günstigen Gesamlatmosphäre wird es daS neue Kabinett nicht leicht haben, ein längeres Leben zu fristen. Ein großes Kabinett ist es keinesfalls. Sich, man von Briand ab. io enthält eS die üblichen mittelmäßigen Köpfe, die da» Wesen de» Parlamentarismus ausmachen. Aus den Lorbeeren der anderen auSruhen. oder Geld, da» die anderen in Jahren zäher Sparsamkeit angesammel» haben, wieder unter die Leute zu bringen, ist natürlich angenehm aber e» gehört keine große Kunst dazu, und so hat denn auch EhautempS bisher noch kein Wort von seinem Programm gesagt. Wahrscheinlich hat er überhaupt kein Programm. Er wird einfach zunächst die lausenden Geschäfte erledigen, d. h. die Bndgelberatung so rasch wie möglich zum Abschluß drin- gen. Gerade in den finanziellen Fragen wird sich dabet die Abhängigkeit von den Sozialisten, ohne die daS Kabinett nicht leben kann, sofort bemerkbar machen, vis an die Grenze des Möglichen werden S te u e re r l e i ch t e r u n- ge« »orgeschlageu «erde». Da» Gesetz über die Sozialver sicherungen wird vollends in der schon von Tardieu vor gesehenen Weise im wesentliche» nach den Vorschlägen des Senats umgearbcitet und zur Einiührung bcrettgcstellt wer- den. Ein Vergleich zwischen Chauremps und seinem Vorgänger Tardieu fällt notwendigerweise zu ungunsten Ehautemps' aus. Ein Mann von dem Format Tar- bieuS ist Chautemps nicht, er ist vielmehr der richtige Exponent desjenigen parlamentarischen Geistes, dem Tardieu in kurzer Zeit so unbequem geworden ist. Tardieu ist eine Führererscheinung und ein Herrenmensch, und trotz keiner vollendeten Höflichkeit und Eleganz ist dies den Herren Par lamentariern schwer aus die Nerven gefallen. Als sie merkten, daß da einer war. der nicht nur regieren wollte, sondern auch wirklich regierte, da sagten sie: Nun gerade nicht. Wir wollen dir zeigen, wer der Stärkere ist. Und kraft des in jedem eingefleischten und verrosteten Parlamentarismus liegenden Stumpfsinns habcn sie es ihm gezeigt. Also gerade die her vorragenden Eigenschaften TardicuS haben ihn. wenn man die Sache einmal psychologisch betrachten will, zu Fall ge bracht. Al» Tardieu mit seinen — vom französischen Gesichts- pnnkt au» betrachtet — unbestreitbaren Erfolgen außenpoli tischer Art vom Haag zurückkehrte, als er öfters, ebenfalls alt»