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Wochen- und Kachrichtsblatt zugleich 8esWs-ÜK;tM fir Hsjttnf, Lttlit, HnMors, Msdors, 8t. Wilie», HeiniDirt, Mmems ml Nils«. Amtsblatt für Se« Stadttat zu Lichtenstein. —-———————— ————-———— ^O. Aahrgaxg. -—— ————------------- ————— Nr. 291. Dienstag, den 16. Dezember 1890. Diese« Blatt erscheint täglich sauber Sonn- und Festtags) abends für den folgende» Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 2b Pf. — Einzelne Nummer 1v Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition tu Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalte«, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene ikorpuSzeile oder bereu Raum mit 10 Pfennigen berechnet. — Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. -- . TagesgesÄickLe. *— Lichtenstein, 15. Dez. Gestern abend fand im Saale des goldnen Helm unter dem Kerzen scheine eines großen Christbaumes die diesjährige Weihnachtsbescherung des hiesigen Frauenvereins an bedürftige ältere Personen und Kinder statt. Nach einem vom Kirchensängerchor vorgetragenen Choral hielt Herr Oberpfarrer Seidel eine sehr zu Herzen gehende Weihnachtsansprache, worauf sich dann un mittelbar die Bescherung, bestehend aus allerhand Kleidungsstücken, Stollen und zum Teil Pfefferkuchen, anschloß, welche unter den Beschenkten (25 ältere Per sonen und 65 Kinder) herzliche Freude hervorrief. Außerdem wurden von obengenanntem Verein 90 Per sonen (ältere und jüngere) im Laufe des heutigen Tages in der Stille mit entsprechenden Geschenken bedacht. *— Gestern wurden an drei hiesige alte Leute in der Wohnung des Herrn Stadtrat Beyerlein die Zinsen der „Bernhard Laux-Stiftung" auf das Jahr 1890 verteilt. *— In die Rumpelkammer oder in den Ofen wandert in diesen Tagen bekanntlich so manches Stück Kinderspielzeug, welches seinen „Beruf erfüllt" hat. Und wenn die Stücke noch nicht von selbst aus dem Leim gehen wollen, dann thut die junge Welt in un bedachten Augenblicken noch ein Uebriges und versetzt dem bisherigenUnterhaltnngsgegenstande einen tüchtigen Knacks, damit nur endlich das Bindemittel sich löst, und das Spielzeug sich als unbrauchbar dokumentiert. Die kleinen Schlaumeier sind Egoisten. Von Volks wirtschaft und ihren Lehren haben sie noch keine Ahnung, und sie beabsichtigen deshalb auch nicht, durch diese Demolierung der vaterländischen Spiel- waren-Jndustrie neuen Absatz und Gewinn zu geben, der Zweck ihres Thuns ist kein anderer, als den Eltern handgreiflich zu beweisen, daß das neue Spiel zeug, die neuen Bilderbücher, die neuen Puppen, die neuen Soldaten, welche sie sich zum Weihnachtsfeste wünschen, auch unbedingt notwendig sind und wirklich herangcschafft werden müssen. Sind Splitter und Fasern am Morgen vom Mädchen zusammengckehrt und auf den Kehrichthaufen geworfen, der Puppen ¬ balg, das zerrissene Buch in der Rumpelkammer ver borgen, dann haben die kleinen Helden erreicht, was sie erzielen wollten und mit Ruhe können sie nun dem Christabend entgegensetzen und sich eine oder zwei Wochen ohne Spielzeug behelfen. Die Eltern haben in der eiligen Zeit der Weihnachtsvorbereitungen, wo Wirtschafts- und Christbaumangelegenheiten die mannig fachsten Ansprüche erheben und so manche Stunde hinter sorgfältig bewachten Thüren den Weihnachts überraschungen gewidmet wird, wenig Gelegenheit und auch weniger Zeit, die Kinder genau zu beobachten und so können diese schon ihre eigenen Wege gehen. Es ist nun wohl selbstverständlich, daß thatsächlich ausgediente Spielsachen wertlos sind, aber nicht immer sind sie ausgedient, und dann kann man ihnen mit geringen Hilfsmitteln wiederum ein ganz reputiertes Aussehen geben oder geben lassen. Einem hölzernen Pferdchen ist der abgeschlagene Kopf leicht wieder angeleimt, das zerrissene Puppenkleid zu erneuern ist auch keine Herkulesarbeit, und wenn bei einer Schachtel voll Blei-Soldaten einige dieser Krieger ausrangiert werden müssen, so verlieren darum doch noch nicht die anderen Krieger Wert und Brauchbarkeit. Das sind einige Beispiele, und wenn man sich die Mühe geben wollte, das Spielzeug genau nachzuschen, so wird man unschwer entdecken, daß von dem, welches sonst zu Weihnachten weggcworfen wird, noch manches sich mit leichter Arbeit zu hübschen Geschenken an unbemittelter Familien Kinder verwenden lassen wird. Auch in einer sparsam mit Glücksgütsrn gesegneten Familie regt sich ja die Neigung und der Wille, den Kleinen ein frohes Fest zu bereiten; aber wenn das Häuflein der Kinder sechs und mehr Köpfe aufweist, dann wird es oft schon unmöglich, über unbedingt nötige und nützliche Gegenstände hinauszugehen. Und Kinder bleiben doch nun einmal Kinder, und daß in ihren Herzen der Wunsch nach gleichem Spielzeug sich regt, wenn sie sehen, w'e andere Kinder sich daran ergötzen, ist erklärlich. So wird denn manches heute unbeachtet bei Seite geworfene Stück noch große Freude da bereiten, wo sonst das Weihnachtsgeschenk sich auf einige kleine praktische Gegenstände beschränken würde. Nennenswerte Kosten kommen hier nicht in Betracht, es genügt die Neigung, Anderen eine herz liche Weihnachtsfreude bereiten zu können. Mögen diese Zeilen eine freudige Teilnahme und ein lebhaftes Interesse in der Zahl unserer werten Leser finden! — Erfahrungsgemäß gelangt feiten des Pub likums der größte Teil der Weihnachtssend ungen erst in den Tagen unmittelbar vor dem Feste bei der Post zur Auflieferung. In der Haupt sache werden hierzu von den Aufgebern die Abend stunden benutzt. Dadurch entstehen an den Paketan nahmestellen häufig Stockungen in der Abfertigung. Im Interesse des Publikums ergeht daher an sämt liche Beteiligte von der Kaiser!. Oberpostdirektion das dringende Ersuchen, nicht nur mit der Einliefer ung der Weihnachtspakete thunlichst zeitig zu be ginnen, sondern dazu auch möglichst die Vormittags und Nachmittagsstunden zu verwenden. — Es sind nicht geringe Strafen, welche allen denjenigen angedroht werden, die sich gegen die Be stimmungen des am 1. Januar in Kraft tretenden Alters- und Invalide nvcrsicherungs- gesetzes vergehen. Sa hat eine Ordnungsstrafe bis zu 500 Mark der Arbeitgeber oder dessen Beauf tragter zu gewärtigen, welcher wider besseres Wissen, oder aus grobem Versehen falsche Eintragungen in die Versicherungspapiere macht. Mit Ordnungsstrafe bis zu 300 Mark können ferner Arbeitgeber oder deren Beauftragte belegt werden, welche versäumen, vorschriftsmäßig Marken zu verwenden. Diese Marken sollen bekanntlich bei der Bezahlung auf die Quittungs karten geklebt werden. Eine Geldstrafe bis zu 300 Mark oder Haft trifft den Arbeitgeber oder dessen Beauftragten, welcher wissentlich mehr als die Hälfte des Wochenbeitrages einem Versicherten bei der Lohn zahlung in Anrechnung bringt. Vermerke in die Quittungskarten zu machen, darf sich ebenfalls Niemand erlauben, darauf steht eine Strafe bis zu 2000 Mk. oder Gefängnis bis zu 6 Monaten. Wer Marken fälscht, oder bereits entwertete Marken abermals ver wendet, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. Diese Strafbestimmungen lehren, daß es gut ist, recht pünktlich den Vorschriften des Gesetzes nachzukommen. Am Firth of Forth. Aus Schottlands Vergangenheit. Von A. Norden. —— (Nachdruck verboten.) (Fortsetzung.) Plötzlich sprang das kleine Mädchen mit einer hastigen Bewegung auf und kauerte sich mit ihrem Buche dicht vor den Herd nieder, denn das große Stück Steinkohle war allmälig glühendrot ge worden und sandte Strahlen des hellsten Lichtes in das dämmerige Zimmer. Halb unbewußt rückte der Knabe dem Schwesterchen in den glänzenden Kreis nach. Er schürte kräftig das Feuer, bis eine ganze Menge funkensprühender Flammenzungen in die Höhe leckten und den ganzen Raum mit einem grell leuchten den Schein durchzuckten. Die Flut rötete die Wangen der Kinder und spann über ihren Häuptern ein zauberhaftes, goldenes Gewebe. Die Kleine, vor dem Herde auf den Knieen liegend, mit dem einen Arm ihr Gesicht vor dem Feuer schützend und den andern zärtlich um ihr liebes Balladenbuch ge schlungen, las jetzt ihr Schäfcrlied nicht mehr im Flüsterton — sondern halb singend, halb sprechend, quollen die Verse aus ihrem Munde. Sie wußte kaum, daß sie sang, so fesselte sie die Lektüre — aber immer lauter, immer fröhlicher trillerte das liebliche Stimmchen vor sich hin. Die Hausfrau machte jetzt mit ihrer Arbeit eine Pause und lauschte, die Hände unthätig im Schoße zusammengelegt, eine Weile dem Gesänge des Kindes. Dann sagte sie sanft: „Du wirst Dir die Augen verderben, Cathleen, höre auf mit Lesen. Es ist spät und dämmerig geworden und ich begreife nicht, weshalb Lizzie heute so lange ausbleibt. Es ist wohl am besten, Jamie, Du machst jetzt Feierabend und gehst der Schwester ein Stück Weges entgegen." Das kleine Mädchen klappte ihr Buch mit einem leisen Seufzer zu, während der Knabe sofort aufstand, die Arbeit in einen Weidenkorb legte und die Mütze vom Nagel langte, um den Auftrag der Mutter aus zuführen. „Es ist wirklich gut, wenn Du nach Lizzie siehst, Jamie," widerholte Mrs. Morison, „der Abend ist dunkel und obgleich Mylady ihr den treuen Ranger zum Schutze mitgiebt, so . . ." Da drangen plötzlich von ferne Helle, melodische Töne ins Haus hinein. Weich und in vollendeter Reinheit schienen sie gleichsam durch die stille Abend luft zu schweben und kamen langsam näher. Ein eigentümliches Lied war es, was da draußen von frischer Mädchenstimme gesungen wurde und sich harmonisch mit dem eintönigen Brausen des Firths verband — eine wunderbare Melodie — ein Jubeln und sehn süchtig Rufen — Worte, die sich aus einem bewegten Herzenlosrissen und in schwellenden Tönen zum Ausdruck kamen. Die kleine Cathleen wandte lauschend ihr Köpfchen herum. „Das ist Lizzie, Mutter," rief sie mit strahlenden Augen, „ja es ist Lizzie, wer sollte auch sonst so singen können? — Und sie versprach, mir etwas Gutes von Kellie-Cast le mitzubringen und die Lizzie hält Wort." Mit einem elastischen Sprunge erhob sie sich von ihren Knieen — da» kostbare, eben noch so bewunderte Buch entglitt unbeachtet den Händen und laut aufjauchzend, flog sie mit flinken Füßen der Schwester entgegen. „Cathleen wird niemals gesetzter werden, sie ist und bleibt ein Flederwisch," sagte der Knabe, indem er kopfschüttelnd den Quartband vom Boden aufhob und auf den Tisch legte. „Es wird Zeit, daß sie zu ernsten Dingen angehalten wird." „Sie ist die jüngste von Euch Kindern, Jamie und fehr klein und zart," entgegnete Mrs. Morison. „Sie wird niemals hart arbeiten lernen, und Du wirst einmal für sie sorgen, wenn ich nicht mehr bin — nicht wahr, mein Sohn?" „Ja, Mutter, verlasse Dich darauf," erwiderte Jamie mit leise wankender Stimme, indem er seinen Krauskopf einen Augenbick an ihre Schulter lehnte. „Du darfst nicht so sprechen, Mutter — Du mußt noch lange leben und bei uns bleiben. Ich kann mir gar kein Leben ohne Dich denken. Kümmere Dich nicht um die Zukunft. Wir sind alle zufrieden und haben Dich lieb, Mutter, unendlich lieb." — Und nun streichelte er mit seinen Kinderhänden die bleichen Wangen der armen Frau. „Ich bin gesund und kräftig," fuhr er fort, „ich werde bald imstande sein, für Euch alle zu arbeiten, dann sollst Du Dir mehr Ruhe gönnen, und was Cathleen an betrifft, da mache Dir keine Sorgen, Mutter, sie ist ein Sonntagskind!" Von draußen tönte jetzt der Gesang des Mädchens immer Heller und lauter in das dämmrige Stübchen. „O, schöner Charlie Stuart, o reizender Charlie Stuart! O, Dich auf dem Throne von England sehen — Und den fremden König übers Meer wieder gehen — Dies wäre mir mehr wie die Seligkeit wert ..." so klang's süß und ergreifend — dann wurde der Schlußreim au« voller Brust wiederholt und mit