Volltext Seite (XML)
Voiglländischer Anzeiger. Amtsblatt für das Königliche Bezirksgericht zu Plauen, sowie für die Königlichen Gerichtsämter und Stadträtbe zu Plauen, Pausa, Elsterberg, Schöneck und Mühltroff. ZwemiWebenziglser Jahrgang. Verantwortliche Redaction, Druck und Verlag von Moritz Wieprecht in Plauen. Diese- Blatt erscheint wöchentlich dreimal, und zwar Dienstags, Donnerstag« und Sonnabend«. Jährlicher Abonnement«preiS, welcher pnäaumel-auä« zu entricht« ist, auch bei Beziehung durch die Post, 1 Thlr. 10 Ngr. — Annoncen, die bi« Vormittags 11 Uhr eingehen, werden in die Tag« darauf erscheinende Nummer ausgenommen, später eingehende Annoncen finden in der nächstfolgenden Nummer Aufnabme. — Inserate werden mit 1 Ngr. für die gespaltene EorpuS-Zeile berechnet. Einzeilige mit 2 Ngr. — Für die auswärtigen König!. GcrichtSämter und Stadträtbe, für welche der Boigtländische Anzeiger Amtsblatt lst, bestehen die Geschäftsstellen in Pausa bei Herrn Bürgermeister Leh mann, in Elsterberg bei Herrn L. A. Diezel, in Schöneck bei Herrn Eduard Meyer, in Mühltroff bei Herrn Ehausseegelder-Einnehmer Holzmüller. Donnerstag. 51« 2. Mai 1861 Es hat wohl kaum eine Zeit gegeben, in der die Welthandel so gründlich verwickelt waren und die Gegensätze in den Anschauungen und Bestrebungen der Menschen kinder so schroff einander gegenübertraten, als die unsern. Die eine Part will vorwärts, was das Zeug hält, so rasch und entschieden, als möglich, mit Dampf verbessern, einreißen im Staate und in der Kirche, was nicht neumodisch-schön ist, und sollte auch darüber das ganze Haus, das gesammte Staatswesen um gestürzt und mit den enormsten Kosten an Blut und Geld das gewünschte neue, natürlich bessere und beste ausgebaut werden. Die andere Part mag von dem Alten und Hergebrachten auch nicht ein Jota preisgeben. Es soll Alles im ge lindesten Falle bleiben, wie es ist, am liebsten wieder werden, wie es war, vor 50 und 100 und noch mehr Jahren. In der einen halben Welt balgt sich der gewaltsame Umsturz herum mit dem geschichtlichen, legitimen Rechte, in der andern sucht man durch Verbesserungen von dem bewährten Hergebrachten zu retten, was möglich, dem berechtigten Neuen zu geben, was ihm gebührt. Der vor gar nicht langer Zeit so vielfach geschmähete, verachtete Constitutionalismus, d. h. die Staatseinrichtung, welche die Rechte der Regierung und der Völker vertragsmäßig feststellt, den man zuweilen zu beseitigen große Lust verspürte, hat sich überall da, wo er nicht durch Umgehung ein bloßer Schein geworden, als der festeste Kitt zwischen Regierungen und Völkern und als die zeitgemäßeste Staatsform bewährt, und selbst in Staaten, wo man vor kurzer Zeit noch das Wort „Verfassung" unausstehlich fand und gar nicht hören wollte, nimmt man jetzt seine Zuflucht zu diesem Recepte, das nun alle Krankheiten heilen soll, welche ein unumschränktes Herrschen der Regierung und den Regierten zuge zogen hat. Die sinnlosen Umsturzversuche in Warschau haben gebracht, was sie natur gemäß und nach jeder verständigen Ansicht bringen mußten, die eiserne Müttär- herrschaft, Blutvergießen, Geldkosten, klägliche Geschäftssteckung, Noth und Arbeitslosigkeit, ein Anhalten in den Verbesserungen, die der milde Alexander 11., wenn auch zum Theil nur aus politischen Absichten, den Polen zugedacht hatte. Jetzt zahlt Warschau täglich 2000 Silberrubel (zu 1 Thlr. 2'/z Ngr.) zur Unterhaltung der Militärmassen, ganz Polen 4 Mill. Thaler, was hat nun diese blödsinnige Erhebung, die auch nicht eine Spur von Aussicht auf Erfolg hatte, den Polen gefruchtet? Höchstens ist Rußland dadurch etwas gehindert worden, in Sachen des kranken Mannes vorzugehen. — JnOesterreich wachsen die Schwierigkeiten jeden Tag. Der Reichsrath tritt am 29. April zusammen, es soll ein Landtag für ganz Oesterreich sein und werden. Aber ziemlich die eine Hälfte der Kronländer beschickt ihn nicht, die Ungarn, Croaten, Serben:c. wollen nichts davon wissen, wollen Oesterreich thatsächlich in zwei Reiche spalten, die nur einen gemeinschaftlichen Kaiser haben sollen. Wenn nun die Ungarn ihre alte, wüste Rechtspflege wieder einführen, von dem Zollverbande mit Oester reich sich lossagen, nur soviel und dann Steuern zahlen, wie viel und wann es ihnen beliebt — wie soll denn da der GesammthauShalt geführt und die Geldwährung verbessert werden? Und nach Außen? Die Verhandlungen mit Preußen wegen der Führung der deutschen Bundesarmee haben sich gänzlich zer schlagen, Oesterreich wollte Venetien gewährleistet haben, für diesen Fall aber Preußen die alleinige Führung der Bundesarmee überlassen. Darauf ging Preu ßen nicht ein. — Italien ist noch lange nicht in Ordnung. Die Italiener borgen wieder einmal 500 Millionen. Rothschild will das Geld hergeben, die Italiener sollen für 60, die sie bekommen, 100 verschreiben. Zu solchem Preise borgen flotte Studenten. Vorläufig bleibt indeß im Stiefel leidlich Ruhe, trotz des wüthenden Appetites nach Venetien und Nom. Der Papst freilich wird nächstens das Vergnügen haben, außer den Rothhosen auch noch Piemontesen in Rom zu sehen. Lauter ungebetene Gäste! — Die Türkei ist in jammer voller Lage, in gräulichster Geldnoth; sie hat das Reißen in allen Gliedern. Omer Pascha soll Ordnung stiften in der Herzegowina unter den aufständischen griechisch-albanesischen Horden. Die Franzosen sollen aus Syrien, wollen die übrigen Großmächte; jene haben aber keine Lust dazu. Fürst Eusa in der Wallacbei richtet em Heer von 25,000 M. Rumainen oder Wallachen auf, die wahrscheinlich ein Wallachenreich gründen helfen sollen, aber schwerlich Helden- thaten verrichten werden. — In Nordamerika ist Eidlich der längst gefürchtete Bürgerkrieg zwischen dem Norden und Süden ausgebrochen. Die armseligen Staatskünstler und heillosen Fanatiker, welche dieses Unheil verschuldet haben, mögen sehen, wie der losgelassene böse Geist wieder zu bannen ist. Uns in Europa, in Deutschland und Sachsen wird er in vielen Orten durch Aufhören des amerikanischen Geschäfts schmerzlich genug sich fühlbar machen. In Deutschland ist's noch meist beim Alten. In Kurhessen der alte Krakehl zwischen Regierung und Volk; in Schleswig-Holstein die Erbitterung gegen Däne mark dieselbe, in Dänemark keine Nachgiebigkeit gegen Deutschland, im Gegen- theil — Rüstungen bis an die Zähne. — In Preußen dauert der Trotz des Herrenhauses gegen die Regierung fort, das Junkerthum tritt schroffer als je auf, dem Ministerium schreibt alle Welt guten Willen zu, aber auch allzuviel Mangel an Kraft und entschiedenem Vorgehen. In unserem lieben Sachsen tagt nunmehr der Landtag volle sechs Monate, und man meint, es könnten leicht sechs andere Monate ins Land kommen, ehe er fertig werden dürfte. Die für uns Voigtländer so wichtige Eisenbahnfrage soll, wie es heißt, in nächster Zeit noch nicht zur Berathung kommen. Nun, wenn nur, was lange währt, gut wird, so wollen wir geduldig die Berathung der Eisenbahnfrage und das Ende des Landtages erwarten! — Zeitungen. Sachsen. Dresden, 27. April. Nach einem, neuerdings an die Stände gelangten allerhöchsten Decrete sind die in Sachsen durch die Wasser- calamität des Jahres 1858 Privaten und Communen zugefügten Schäden — mit Weglassung aller, dem Staatsfiscus verursachten, sowie verschiedener, anfänglich nicht constatirten, oder wegen der Verhältnisse der Betroffenen ohne Weiteres von den nach ständischer Ermächtigung von 1858 zu gewährenden Unterstützungen auszuschließenden — auf 1,371,595 Thlr. gewürdert worden. Hiervon sind 750,758 auf Solche gekommen, die als unterstützungsbedürftig nicht angesehen werden konnten. Die übrigen Calamitosen wurden nach dem Grade ihrer Bedürftigkeit in drei Klassen getheilt und mit 60, bez. 40 und 20"/g im Einzelnen durch Localcommissionen zu vertheilender Unterstützungs beihilfe bedacht, hierfür aber im Ganzen 189,982 Thlr. und zwar 19,653 Thlr. auS milden Gaben und 170,329 aus Staatsmitteln verausgabt. Außer dem wurden noch 58,047 Thlr. an bez. zinsfreien Vorschüssen zur Wiederher stellung industrieller Etablissements im Interesse der Arbeiterbevölkerung gewährt und hierdurch, sowie durch Rettungsmaßregeln, Prämien rc. der Staatsaufwand auf 234,828 Thlr., oder abzüglich jener Vorschüsse, wovon bereits 16,240 Thlr. zurückerlangt sind, auf 176,780 Thlr. erhöht. Außer Betracht find hier-