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Wochenblatt Fernsprecher: für Amt Siegmar Nr. 244. Reichenbrand, Siegmar, Neustadt, Rabenstein nnd Rottluff. As 24. Sonnabend, den 19. Juni 1SV9. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition Melchenbrand, Nevoiatstraße 11), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entpegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Arrzeigen-Anrrahme in der Expeditton bis spätestens Freitags nachmittags S Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. VereiuSiuserate müssen bis Freitags nachmittags 2 Uhr eingegangen sein und können nicht durch Telephon aufgegeben werden. Bekanntmachung. Es wird hiermit bekannt gegeben, daß für dieses Jahr eine Pflichtfeuerwehrübung nicht in Aussicht genommen ist, daß aber alle männlichen Einwohner der Geburts-Jahrgänge 1877-1883, soweit sie das 26. Lebensjahr erreicht, das 32. Lebensjahr aber noch nicht überschritten haben, bei etwa ausbrcchenden Bränden verpflichtet sind, sich zur Beteiligung an den Löscharbeiten an den Brundplatz zu begeben. Nichterscheinen ohne gesetzlichen Grund ist zu bestrafen. Der Gemeindevorstand zu Rabenstein, den 18. Juni 1909. Bekanntmachung. Am 15. dieses Monats ist der 3 Termin der Gemeindeanlagen und des Schulgeldes für das laufende Jahr fällig. G zum 15. Juli 1909 oas Mahn- bez. Zwangsvollstreckungsverfahren eingeleitet werden wird. Neustadt, am 10. Juni 1909. Der Gcnicindevorstand. Geißler. Bekanntmachung. Hiermit wird zur allgemeinen Kenntnis gebracht; daß das Reinigen der Schornsteine in der Gemeinde Rabenstein in der Zeit vom 21. Juni bis 6. Juli 1909 stattfindet. Der Gemeindcvorstand zu Rabenstein, am 18. Juni 1909. Bekanntmachung. Am 15 dieses Monats ist der 2. Termin der diesjährigen Wassersteuer fällig. Derselbe ist spätestens innerhalb 14 Tagen an die hiesige Gemeindekassenverwaltung adzusühren. Nach Ablauf dieser Frist mutz gegen Säumige die zwangsweise Beitreibung eingeleitet werden. Neustadt, am 10. Juni 1909. Der Gcnieindcvorstand. Geißler. Meldungen im Fundamt Rubenstein. Gefunden: l Brosche. Der Gcmcindcvorstand zu Rabcnstcin, am 18. Juni 1909. Sitzung des Gcmeinderates zu Reichenbrand vom 15. Juni 1909. Die Sitzung wird von dem Stellvertreter des beurlaubten Herrn Gemeindevorstands, Herrn Gemeindcältesten Hermann Enge, geleitet. 1. Ein Gemeindeabgabenerlaßgcsuch findet Berücksichtigung. 2. erfolgt Richtigsprechung der Gemeindekassenrcchnungen von 1908. 3. Beschlußfassung über Abänderung des Wertzuwachssteuer- Regulativs. Dasselbe soll zufolge Ministerialverordnung einige Ab änderungen erfahren, wodurch Milderungen in den bisherigen Be stimmungen insofern geschaffen werden, daß in Zukunft eine Wert- .erhöhrmg unter 10 o/g von der Steuer frei ist; früher 5 °/o. Der Gemeinderat beschließt die Änderungen in der vorgeschlagenen Weise. Bernhard von der Eiche. Roman von Baronin Gabriele von Schlippenbach. „Frau Gerard ist eine auffallend schöne Erscheinung," erzählte der Generaldirektor, „eine Figur hat sie, ich sage Ihnen — superbe!" Seine Frau drohte ihm lächelnd. „Alterchen," sagte sie, „ich werde noch eifersüchtig werden." Müller lachte, dann fuhr er gesprächig fort: „Sie ist erst dreiundzwanzig Jahre alt und seit zwei Jahren Witwe. Sic war nur kurze Zeit mit Gerard verheiratet,- er lernte sie in Rußland auf einer Geschäftsreise kennen. Kurz vor her hatte er das Schlößchen „Mon Repos" erbaut und ein und eine halbe Million schon viel früher in Rößlingen Ak tien angelegt. Niemand wußte etwas über Charles Gerard. Er war wenigstens 30 Jahre älter als seine Frau. Kurz nach der Hochzeit erkrankte er an einem schweren Rücken markleiden und kam nicht mehr hierher. Sie reisten von Bad zu Bad, in Aachen ist er dann auch gestorben." Bernhard achtete nur aus Höflichkeit auf diesen Bericht. Es konnte ihm doch wirklich gleichgiltig sein, welches Schick sal eine Fremde hatte. „Ist Gerard Franzose gewesen? Der Name scheint es zu sagen?" fragte Bernhard, nur um nicht durch eine Teil- nahmlosigkeit den Schein der Unhöflichkeit hervorzurufen. „Ja, das weiß Niemand, er liebte es, sich in ein gewisses Dunkel zu hüllen. Hier war nichts über sein Vorleben be kannt. Man behauptete, Gerard sei aus Ausstralien gekommen, von wo er seinen Reichtum mitgebracht hatte. Ob er ihn ererbt oder gewonnen, das erfuhr man nie." „Er war sehr eifersüchtig auf sein junges schönes Weib," behauptete Frau Müller. „Sie muß ein trauriges Leben an seiner Seite geführt haben, er hütete sie wie der Drache leinen Schatz. So kennen wir sie auch noch wenig. Jeden falls ist sie seine alleinige Erbin und sie ist noch jung und berechtigt, das Leben zu genießen, das ihr bisher viel schuldig blieb." „Ja, wäre nur nicht die sonderbare Klausel,beim Testa ment Charles Gerards," versetzte Müller. „Was meinen Sie damit, Herr Generaldirektor?" fragte Eiche, den das Gespräch nach nnd nach interessierte. „Der alte Egoist hat darin festgesetzt, daß seine Frau bei einer zweiten Vermählung nur einige tausend Mark erhält, alles übrige Geld geht an wohltätige Stiftungen über. So glaube ich auch nicht, daß Irmgard Gerard sich entschließen könnte, einen zweiten Gatten zu wählen. Sie soll ein ganz armes Mädchen aus einer baltischen Adelsfamilie gewesen sein, die in Petersburg bei Verwandten erzogen wurde. Da lernte sie Gerard kennen, und nun ist sie eine reiche, verwöhnte Frau geworden." „Aber sie ist reizend, kann so einzig lieb und gut sein!" rief Fräulein Elfriede begeistert. „Du schwärmst für sie, liebes Kind," tadelte die Mutter. „Ja, ich tue es. Papa ist es nicht begreiflich? Du -tust es nämlicks buch, gestehe es uur^cnu" „Zugegeben," lachte der Generaldirektor. Bernhard verabschiedete sich. Sein Zug ging spät ab, er wollte noch Umschau auf dem Werk halten. Müller kam mit ihm. Was er dort sah, war allerdings nicht geeignet, ihm das Unternehmen in rosigem Licht zu zeigen. Mürrisch und verdrossen verrichteten die Leute ihre Arbeit. Ueberall entdeckte er Fehler; in den Anlagen der Oefen, bei den großen Gebläsemaschinen, die durch kalte Luft die rotglühenden Eisenmassen abkühlten. Ja, es war eine Herkulesarbeit, wie Müller ihm geschrieben. Aber Bernhard von der Eiche reckte seine kräftige Gestalt höher, er fühlte sich Mannes genug, um sich au das schwierige Unternehmen zu wagen. Er sah seine Lebensaufgabe darin, die Hochofenwerke in Rößlingen emporzubringen. „Glück auf," sagte er leise, als der Zug ihn dem Felde seiner zukünftigen Tätigkeit entgegenführte. Der alte Spruch der Berg- und Hüttenleute gab ihm die frohe Zuversicht des Gelingens. Fräulein Elfriede Müller hatte wieder einmal eine neue Schwärmerei. Das ältliche, kränkliche Mädchen neigte dazu und wurde von ihrem Vater deshalb geneckt. Dicsnial war Ines von der Eiche der Gegenstand, dem die Huldigung Elfriedes galt. Im Sommer war Ines nach Rößlingen gekommen. Ihr junges reizendes Gesicht strahlte, als sie den Bruder begrüßte. Sie warf die Arme um seinen Nacken und küßte ihn herzhaft. „Hardy, da bin ich!" rief sie: „Ach ich bin so froh, ich möchte die ganze Welt umarmen. Es wird herrlich sein, immer bei dir zu bleiben, sich nicht uiehr trennen zu müssen." Das gewöhnlich sehr ernste Antlitz Bernhards war gleich falls von einer tiefgefühlten Freude erhellt. Er fand seine Schwester gewachsen und sehr zum Vorteil verändert. Ines war eine junge Dame geworden. Die Lehrzeit ini Kranken hause hatte ihrer jugendlichen Frische nicht geschadet, sie sah gesund und kräftig aus. Bernhard trug deui Diener aus der Hütte ans, das Ge päck zu besorgen. Dann führte Eiche seine Schwester zu einem hübschen, niederen Wagen, vor dem ein Ponny ge spannt war. „Unsere Equipage," sagte er lächelnd. Ines jubelte, denn der Bruder hatte sie überraschen wollen. Deshalb erwähnte er nicht, daß er als Hochofen chef Pferde und Wagen bekam. „Ich bin sehr neugierig," plauderte Ines, während die Geschwister durch den lang sich hinziehenden Ort sichren, „ich kann es kaum erwarten, die Schwelle zu betreten, die unser Heini ist. Du hast mir wenig geschrieben, Hardy." „Ja, Schwesterchen, es gab und es gibt noch riesig viel zu tun. Was jahrelang an dem Werk gesündigt ist, läßt sich nicht so bald gut machen. Es gibt fortwährend Störungen im Betrieb, und wenn ein Ofen streikt und seine Schuldig keit nicht tut, komme ich oft Tag und Nacht nicht aus den Kleidern." „Du Armer!" rief Ines bedauernd. „Nein, bemitleide mich nicht! In der Arbeit liegt so reicher Segen. Ich bin immer ganz gehoben, wenn ich die Schwierigkeiten meistere und in Gang bringe. Mau fühlt, daß man etwas kann und seinen Mann stellt." Sie fuhren durch Rößlingen. Neugierige Gesichter lugten zwischen den Gardinen hervor. Es war bekannt geworden, daß der neue Hochofenchef heute seine Schwester erwartete. In solch kleinem Ort wird alles zum Ereignis. Bernhard erklärte im Fahren, wo die verschiedenen Familien wohnten. Der Amtsrichtcr^der Doktor, der Apotheker und der erste Nsssstenk, M' jling berhöiratet war. Der Weg führte nicht am Hause des Generaldirektors vorbei, aber Fräulein Müller war auf der Straße; sie war neugierig, die SchwesterBernhards zu sehen. „Sie ist süß," dachte Elfriede, die gern dieses Eigenschaftswort anwandte, „ich muß sie bald kennen lernen." Ines war so entzückt vom iGarten, der in voller, hoch sommerlicher Pracht blühte, daß sie wie angewurzelt stehen blieb. „Das ist großartig, Hardy!" rief sie. „Ach und der schöne, prächtige Hund. Gehört er dir?" Ein weiß und gelb gestreifter Bernhardiner war auf seine» Herrn zugceilt. „Ja, Kleines," versetzte Eiche, „da ich Bernhard heiße, habe ich mir einen Namensvetter zugelegt. Er heißt Barry und stammt von dem tapferen Hunde gleichen Namens ab, der in den Bergen mehreren Menschen das Leben rettete. Leider verunglückte er selbst bei einem solchen edlen Werk. Mein Barry ist Großsohn; er hat seine Stammtafel als richtiger Aristokrat unter dem Hundevolk. Ich möchte, daß er dich in Zukunft auf deinen Spaziergängen begleitet, denn wir haben viele Italiener unter unseren Arbeitern und denen ist nicht zu trauen. Sie nehmen sich leicht etwas heraus." Eine neue, freudige Ucberraschung erwartete Ines beim Eintritt in ihr neues Heim, Ihr Bruder hatte die Möbel aus dem Elternhaufe kommen lassen und sie aufgestellt. Neben dem Speisezimmer war Ines Stübchen. Es hatte einen französischen Kamin. Alle ihre lieben Mädcheuerinner- ungen fand sie wieder und einige neue hübsche Stücke hatte Bernhard in Luxemburg dazu gekauft, lieber dem kleinen Nußholzschreibtisch hing das Bild des Majors und das seiner Frau. Sie waren nach den Photographien, die der Sohn besaß, vergrößert worden. Ines wußte gar nicht, wie sie dem Bruder danken sollte. Sie lachte und war doch den Tränen nahe, beim Anblick der vertrauten Gegenstände, die so viele Jugenderinnerungen wach riefen. lieber Herta sprachen die Geschwister sich sorgenvoll aus. Selten schrieb sie ihnen; ihre Briefe klangen so, daß man keinen Einblick in ihre Gefühle erhielt; sie besuchte fleißig die Malerakademie. Eine volle Befriedigung sprach sich aber nicht in den kurz und oberflächlich gehaltenen Zeilen aus. Augenscheinlich vermied Frau von Randen es, tiefer in ihr Leben hineinblicken zu lassen. „Ich fürchte, Herta sieht erst jetzt ein, daß es nicht leicht ist, sich auf eigene Füße zu stellen, der Weg zum Ruhm ist voller Dornen," sagte Bernhard, „Herta hielt das Glück in der Hand; sie hat es leichtsinnig von sich gestoßen." „Ich hoffe noch immer, daß sie es einsicht und zu ihrem Manne zurückkehrt," entgegnete Ines. „Er wird sie nicht zurücknehmen, Kleines, wenigstens täte ich es an seiner Stelle nicht!" rief Bernhard. „Randen hat seiner Frau sein ganzes Herz entgegcngebracht, sie hat cs ihm schlecht gelohnt. So etwas läßt sich nicht vergessen." „Wie streng du urteilst, Hardy. Könntest du der Frau, die dich enttäuscht, nie vergeben?" „Vergeben vielleicht, aber das Leid, das sie mir zugefügt