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- - ' "" 7 " Merger Anzeiger Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. Dienstag, 19. November. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen«. Ab. 6U. für den an«. Tag. Jnser. werden bi« V. lI U. für nächste Nr. ongen. Prei« vierteljähri. 20 Ngr. Inserate werden die gehaltene Zeile oder deren Raum mit 1 Ngr. berechnet. 1872. -1- Freiberg, den 18. November 1872. „Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit" — tönt's aus den Hallen des preußischen Herrenhauses. Die Regierung weiß sich vor Ergebenheits- und Liebesversicherungen der edlen Junker kaum zu retten und wir glauben selbst, daß das Herren haus jetzt so klug sein und sich „biegen" würde, um nicht „ge brochen" zu werden. Aber das historische „Zuspät" macht sich hier wieder einmal geltend. Mögen die Herren jetzt noch so viel Loyalitätsbezeugungen loslasien, das Schicksal des Herrenhauses ist endgültig beschlossen: Der Pairsschub erfolgt und zwar in ausgedehntem Maße. Sie konnten das Verhängniß noch einmal abwenden, hätten sie für die Kreisordnung gestimmt; aber des hohen Hauses edler Hort Kleist-Retzow erklärte: Daß die Privilegien des Junkerthums mehr Werth seien, als ein Ministerium. Dem Führer folgend, bereitete sich das Herrenhaus den Sturz mit eigener Hand. Jetzt hat der tapfere Kleist-Retzow „auf unbe stimmte Zeit" Urlaub genommen und sich grollend nach Kieckow zurückgezogen. Aber, wie gesagt, zu spät! Denn mit der Verwerfung der organischen . Gesetze, wozu die Kreisordnung die Grundlage bildet, wollte man Bismarck's Wort zur leeren Phrase machen: „Nach Canossa gehen wir nicht." Wer noch daran zweifeln wollte, daß die Regierung mit vollem Ernst vorwärts gehe, den wird ein Artikel der officiellen „Provinzial-Correspondenz" eines Besseren belehren. Unter dem Titel „Krone und Herrenhaus" beweist nämlich das amtliche Organ, daß der Kampf des Herrenhauses nicht blos gegen das Ministerium, sondern gegen die Person des Monarchen selbst gerichtet war, weshalb auch alle späteren Loyalitätsversicherungen eitel und vergeblich sind. Dann heißt es in dem Artikel weiter: Je tiefer und unüberwindlicher der Gegensatz und Widerspruch der Ueberzeugungen ist, in welchem sich die jetzige Mehrheit des Herren hauses mit der Krone in Bezug auf die Bedürfnisse und die Auf gaben dieser Zeit befindet, desto unabweislicher tritt an die Re gierung die Pflicht heran, von allen ihr nach Verfassung und Gesetz zustehenden Mitteln Gebrauch zu machen, durch welche die Macht des Widerstandes im Herrenhause überwunden werden kann. Die wiederholte Berathung der Vorlage im Herrenhause würde kaum zu anderen Ergebnissen führen, wenn die bisherige Mehrheit ihr Uebergewicht behauptete. -» Die Regierung wird ihr verfassungsmäßiges Recht und ihre ernsten Pflichten in dem Bewußtsein üben, daß es sich, auch über die zunächst vorliegende Frage hinaus, um die Gewähr einer stetigen und harmonischen Entwickelung der preußischen Monarchie über haupt handelt. Wenn die bisherige Mehrheit des Herrenhauses aber durch die Maßnahmen der Regierung überwunden wird, so mag sie sich mit ihrem ehemaligen Führer Stahl trösten, welcher sagte: „Wenn wir heute erliegen, so erliegen wir der Regierung des Königs, und wir werden, da sich darin die Macht der Regie rung bewährt, selbst unsere Niederlage als einen Triumph feiern." Diesen Trost kann man dem Herrenhause, so lange es über haupt noch besteht, wohl recht gern lassen. Alle österreichischen Landtage treten gegen den von Tyrol in den Hintergrund. Was da geschehen, übersteigt freilich alle Er wartungen. Die klerikale Majorität protestirt ohne jedwede Berech tigung gegen die Wahl des Rector mnguiüeuL der Innsbrucker Uni versität. Sie zieht deswegen die Regierung zur Rechenschaft und ver langt binnen acht Tagen befriedigende Erklärungen. Dieser Renitenz gegenüber giebt der Statthalter Graf Taaffe ein Diner, zu welchem sämmtliche Abgeordnete Einladungen erhalten. Noch mehr! Er fordert den Landtag zur Vornahme der Reichsrathswahlen auf und diese Wahlen finden statt, natürlich im verfassungsfeindlichen Sinne. Dies Alles bewegt die Regierung nicht zur Auflösung des widerhaarigen Landtags, sondern, weil mit demselben absolut nicht, auszukommen ist, wird er einfach geschlossen. Die „N- Fr. Pr." bemerkt dazu: Fragen wir uns, wie so all dies gekommen ist, weßhalb das Ministerium so gegen alles Erwarten einen Weg ein geschlagen hat, der nicht nur die augenblickliche Anwendung deS Nothwahlgesetzes auf Tyrol ausschließt, sondern auch das Ansehen der Regierung in so hohem Grade blohstellt, so müssen wir uns sagen: Das Ministerium ist auf den Widerstand jener geheimen Mächte gestoßen und hat sich ihm gefügt, in deren dunklem Schooße der Ultramontanismus noch immer, trotz Allem und Allem, eine unnahbare Zufluchtsstätte findet. Die Verfassung, die selbst gegen über den Czechen gilt, darf in der Zwingburg des JesuitismuS ihre volle Macht nicht entfalten; das Nothwahlgrsetz, das noch in seiner beschränkten Geltung den verfassungsmäßigen Zustand in Böhmen nach den Verwüstungen der Hohenwart'schen Aera herge stellt hatte, erweist sich trotz der Verschärfung, die es erfahren, als zu stumpf, um den Widerstand der Ultramontanen zu brechen. Der Jubel in ihrem Lager wird ein gewaltiger fein, und wenig würde es frommen, wollten wir den Ausdruck unseres Bedauerns herab» stimmen; sie wüßten ja doch, woran sie sind. Wenn das Ministerium in dem Wahne lebt, mit einem so mattherzigen Kraftaufwande nnd so lahme Handhabung der ihm zu Gebote stehenden gesetzliche» Vertheidtgungsmittel der Mission gerecht zu werden, zu der »S sich so oft und so laut selbst bekannt hat, so will uns scheinen, daß es das Opfer eines beklagenswerthen Jrrchums ist. In Italien nehmen die Jesuitenblätter natürlich das preu ßische Herrenhaus mit vieler Wärme in Schutz. Angesicht- deS Pairsschubes rathen sie demselben, lieber abzudanken, als sich lächerlich zu machen, denn es sei, obwohl seit 1870 „etwas be schmutzt", noch immer der Sitz des Reichthums, des Urtheils und der Ehrenhaftigkeit. Ueber diese Anschauung mit Jesuiten-Blättern zu rechten, wäre ein nutzloses Unternehmen. Aber als freche Lüge muß eS bezeichnet werden, wenn diese römischen Schwarzkutten weiter be haupten,': alle ersten Geister der deutschen Nation erhöben sich überhaupt gegen die Kreisordnung! — Nächstdem circulirt in Rom das Gerücht vom Abschluß eines Schutz- und Trutzbündnisses zwi schen Deutschland und Italien. Der Vertrag stipulire, daß jeder Angriff Frankreichs gegen Italien für Deutschland als Kriegsfall gegen Frankreich gelte. Auch habe Italien für den Fall eines offensiven Angriffs des deutschen Territoriums im Vertrage gewisse militärische Verpflichtungen übernommen, von denen auch Oesterreich berührt werde. Wir brauchen wohl kaum erst zu bemerken, daß dieses Ge rücht wohl lediglich müßigen Köpfen seine Entstehung verdanken mag. Die französische Nationalversammlung ist durch Herm Thiers mit einer Botschaft beglückt worden. Dieselbe drängt zu Anfang das leidlich Angenehme in wenig Sätzen zusammen, indem die Finanzlage des Landes als eine günstige bezeichnet wird. Dabei streift Herr Thiers mit so viel Grazie über das zarte Capitel der Deficite hinweg, daß man an die Manier des verstorbenen Pal merston erinnert wird. Der den Engländern aufgeschwatzte HandelS- vertrag bildet ein zweites Bouquet für das politische Riechorgan der Herren Franzosen. Daß John Bull darüber etwas schmollt, erhöht nur den Reiz an diesem Thiers'schen Kunstproduct. Dann folgt in der Botschaft das große Wort: „unter dem Zeichen der cynser- vativen Republik werden wir siegen." Als besondere Empfehlung«» giebt Herr Thiers der conservativen Republik Zweierlei mit auf den Weg. Zunächst werde nur diese und keine andere Btaat-form Frankreich vor Jsolimng bewahren; sodann könne nNr sie allein der Erwartung aller Wett entsprechen, Mmak er sich dabei n«