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Wochen- und Nachrichtsblatt zugleich 8Ml>sts«4iiztM für öohsüsrs, Mdütz, Bernsdorf, Riisdors, Ft. Wien, Heinrichsort, Rnrienns md Mülsen. Amtsblatt für de« Stadtrat zu Lichtenstein. — —— 4V. J«hrs«*g — ————— Rr. 278. Sonntag, den 30. November 1890. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Gönn- nnb Festtag«) abends für den folgenden Tag. Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Martt 17S, alle Kaiser!. Poftanstalteu, Postbote», sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene KorvuSzeile oder deren Raum mit 10 Pfennige« berechnet. — Annahme der Inserate täglich bi» spätestens vormittag 10 Uhr. Tagesgefchichte. *— Lichtenstein. Wegenderstattfindenden Volkszählung fällt der Unterricht an der hiesigen Bürgerschule Montag nachmittag und Dienstag während des ganzen Tages aus. *— Die gegenwärtige strenge Kälte dürfte Ende November selten beobachtet worden sein. Einen überaus kalten November brachte uns das Jahr 1879: während damals im ganzen mittleren Deutsch land am 23. November früh 4 Grad Wärme be obachtet wurden, sank die Temperatur bei eintreten dem Schneefall am 26. auf 10 Grad und am 27. auf 12*/s Grad Kälte; darauf trat wieder Erwärm ung ein. Der Dezember war indessen wieder sehr kalt und hielt der meist ziemlich starke Frost bis Weihnachten an. Bekanntlich werden unsere meteoro logischen Erscheinungen am meisten von der Sonne beeinflußt und da nun das Sonnenflecken-Maximum und Minimum elfjährigen Perioden unterliegt und zwischen der Gegenwart und dem Jahre 1879 eine solche Periode liegt, so ist es leicht möglich, daß die Witterung genannten Jahres für das laufende Jahr viel maßgebendes hat. — Dresden, 28. Nov. Heute Vormittag traf der deutsche Reichskanzler General von Caprivi mit dem fahrplanmäßigen Schnellzuge 11 Uhr 12 Min. auf dem Böhmischen Bahnhose ein und wurde bei der Einfahrt in die Halle von dem zahlreich erschienenen Publikum mit lebhaften Hochrufen empfangen. Zum Empfange hatten sich der Kriegsminister Graf von Fabrice, der preußische Gesandte Graf von Dönhoff, der Botschaftssekretär Prinz Lichnowsky und Geheim rat Metsch cingefunden. Nach gegenseitiger Begrüß ung und nachmaligen dreimaligen Hochs von feiten des Publikums fuhr der Reichskanzler mit Graf von Dönhoff nach der Wohnung des Letzteren, Mittags um 12 Uhr empfing Se. Majestät der König im Königl. Residenzschlosse den Reichskanzler, der sich so dann zum Kricgsminister begab, woselbst ein Dejeuner von 24 Gedecken stattfand. — Das „Dresdner Journal", das amtliche Sachs. Regierungsorgan, teilt mit, daß infolge der hohen Fleischpreise ein außerordentlicher Rückgang der Schlachtungen im städtischen Viehhof zu Dresden eingetreten sei. — Leipzig, 28. Nov. Der gegenwärtig hier vor dem Schwurgericht verhandelte Giflmordprozeß gegen die seit dem Dezember vorigen Jahres in der Untersuchungshaft befindliche Fanny Schrön beschäf tigt noch unausgesetzt die öffentliche Meinung im hohen Maße. Am gestrigen Tage und heute wurden die Sachverständigen und Zeugen vernommen; die ersteren haben konstatiert, daß in dem Körper des Heimgegangenen Bürgermeisters Schrön und seiner Gattin Arsenik vorhanden gewesen ist, wenn auch nur in sehr geringen Mengen; die Zeugen sprechen fast ausnahmslos zu Gunsten der Angeklagten, wenig stens bringt keiner derselben etwas die Schrön schwerer Belastendes zur Sprache und namentlich wird kon statiert, daß das Verhältnis der Eltern zur Tochter ein überaus herzliches gewesen ist. Demgegenüber mehren sich in der öffentlichen Meinung die Stimmen, daß die Angeklagte, die übrigens alle Antworten in durchaus klarer, säst kindlichnaiver Weise giebt, Recht hat in ihren Beteuerungen, unschuldig zu sein. Am morgigen Tage finden die Plaidoyers des Staatsan walts und Verteidigers statt; am Abend wird das Urteil verkündet. Den Verhandlungen wohnten bis jetzt an jedem Tage Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Georg und Max bei — In Glauchau feierte am Donnerstag in voller Rüstigkeit der älteste Maschinenmeister der Druckerei des „Glauchauer Tageblattes", Johann Christian Lantzsch, sein 40jähriges Jubiläum. Als Veteran ehrlicher Arbeit ist Herr Lantzsch schon anläßlich seines 25jährigen Jubiläums mit der großen silbernen Medaille für Treue in der Arbeit ausgezeichnet worden. — Als „W ahl-Kurios um" wird aus Meißen mitgeteilt, daß in einem kleinen Nachbar dorfe nur ein Wähler erschien, der sich selbst wählte und sodann erklärte — die Wahl nicht annehmen zu können. — Proschwitz, 26. November. Wie ver lautet, sind sämtlichen Beamten, Arbeitern und Ar beiterinnen des Rittergutes Proschwitz vom ver storbenen Herrn Kammerherrn v. Carlowitz sehr an sehnliche Legate ausgesetzt worden, und zwar hat sich die Höhe dieser Legate nach den Dienstjahren ge richtet. Die Auszahlung ist bereits erfolgt. — Zeitz, 26 November. Ein vor sieben Jahren im benachbarten Kayna begangener Mord an einem jungen Mädchen findet vielleicht noch seine Sühne. Während sich damals der der That Ver dächtige, aber wieder Freigelassene erhängte, ist dieser Tage ein der That verdächtiger Mensch in Leipzig verhaftet worden. Derselbe ist am Tage des Mordes in Kayna gewesen, mit blutbefleckten Kleidern zu seiner Tante gekommen und hat sich dort gereinigt. Auf die Frage, woher diese Blutflecken kämen, gab er damals an, er hätte sich dieselben bei Tötung eines Hundes zugezogen, welcher ihn angefallen habe. Die gute Tante schenkte ihrem Neffen vollständigen Glauben und da am andren Tage der Liebhaber der Ermordeten als der That dringend verdächtig einge zogen wurde, um später mit Selbstentleibung zu enden, so nahm man allgemein an, dieser wäre der Mörder gewesen und das Verbrechen hätte somit seine Sühne gefunden. Jetzt erst wurde die Affaire mit den Blutflecken, wahrscheinlich durch Zufall, be kannt und führte zur Verhaftung des Betreffenden. 8 In Berliner Zeitungen wird als sicher angenommen, daß der Reichstag die Aufhebung des Jesuitengesetzes beschließen wird. Die Mehrheit würde bestehen aus dem Centrum, Mehrheit der Freisinnigen, Minderheit der Konservativen", Wel fen, Polen, Elsässern, Sozialisten. Wenn dieser Beschluß gefaßt würde, ist die Zustimmung des Bundesrates wahrscheinlich, doch ist Ersteres noch die Frage. § Das „Militär-Wochenblatt" feiert in einem schwungvollen Artikel den 250. Jahrestag der Thron besteigung des Großen Kurfürsten und hebt hervor, Friedrich Wilhelm sei nicht nur ein großer Staats mann, sondern auch der Schöpfer des vaterländischen Heeres gewesen. Ihm danke der preußische Staat seine Wiedergeburt, Deutschland die Wiederbelebung des vaterländischen Gedankens, der zu der Kaiser proklamation in Versailles führte. Die Nachkom men aus dem Hohenzollernstamme haben sich weiter an seinen Wahlspruch gehalten und denselben dem Heere und dem Volke vererbt: „Für Gott und Mein Volk!" 8 Der „Reichsanzeiger" berichtet: Staats sekretär v. Stephan verlautbart, ab 1. Dezember 1890 würden nur noch Postwertzeichen neuerer Art verkauft. Die Postwertzeichen älterer Art können bis 1. Januar 1891 verwendet werd«, verlieren aber ab 1. Februar 1891 ihre Giltigkeit und können bis spätestens den 31. März 1891 umgetauscht werden. Ab 10. Dezember 1890 werden gestempelte Briefumschläge und gestempelte Streifbänder nicht mehr verkauft. 8 Durch Kriegsministerialerlaß sind für die ersten Tage des Dezember sämtliche Korpsärzte der Armee zu einer Konferenz nach Berlin berufen, in welcher über die Frage verhandelt werden soll, das Koch'jche Heilverfahren für den Sanitätsdienst im Heere nutzbar zu machen. 8 Im preußischen Landtage ist in dieser Woche bei der Beratung der Reformvorlagen mehrfach die Thatsache berührt worden, daß dem früheren preußischen Landwirtschaftsminister von Lucius bei der Gründung eines Fideikommisses die vorgeschriebene Stempelsteuer im Gnadenwege erlassen ist. Wie heute noch mitgeteilt wird, hat die Summe 40 OM Mark betragen. Auch soll der Fall, daß Millionären bei der Begründung von Fideikommissen auf Kosten der Staatskasse eine solche Begünstigung zu teil geworden sei, wiederholt vorgekommen sein. Da der Finanzminister vr. Miquel versprochen hat, über den Fall Lucius Bericht zu erstatten, so wird die Sache also nochmals zur Besprechung kommen, zumal die Frage aufgeworfen ist, ob der Erlaß eines solchen Stempels überhaupt gestattet ist. 8 Eine Versammlung der Kirchlichen Vereinigung in Berlin hat Herrn Hofprediger Stöcker, nach dem derselbe einen Vortrag gehalten, ein volles Ver trauensvotum und den Wunsch ausgesprochen, er möge seine Thätigkeit auf politischem Gebiete auch in Zukunft fortsetzen. Herr Stöcker denkt allerdings nicht daran, von der politischen Bühne abzutreten. 8 Auf der Berlin-Potsdamer Eisenbahn sind jetzt zum ersten Male die neuen Dampfheizungen der Preußischen Staatsbahn in Thätigkeit gewesen. Dieselben haben die Form der Güterwagen, sind braun gestrichen und mit der Bezeichnung Heizwagcn ver sehen. Sie werden in die Mitte des Zuges gestellt, nach beiden Seiten hin gehen die abstellbaren Schläuche, welche die Wärme in die einzelnen Personenwagen leiten. Ein niedriger Schornstein auf dem Dache des Wagens ist für den Abgang des Rauches bestimmt, während durch eine Oeffnung an der Längsseite der Wasservorrat mittels Schlauches in das Innere ge führt wird. 8 Das 12jährige Töchterchen eines Postsekretärs in Elbing, dessen Frau seit längerer Zeit an der Lungentuberkulose krank darniederliegt, hatte ohne Wissen seiner Eltern einen Brief an Professor Koch in Berlin geschrieben, in welchem es um Ueber- sendung des Heilmittels für sein krankes Mütterchen bat. Die rührende Bitte ist nicht ohne Erfolg ge blieben, denn bald darauf traf an das „kleine Trudchen" ein Brief von Frau Geheimrat Koch ein, in welchem diese dem erfreuten Mädchen mitteilt, daß sein Wunsch in Erfüllung gehen werde. Das Heilmittel für das kranke „Muttchen" könne von Herrn vr. Libbertz in Berlin in Empfang genommen werden. (Ji: 2 Wochen werden übrigens alle Aerzte das Mittel beziehen können, da die Herstellung größerer Quantitäten rührig fortschreitet.) 8 Die „B. N. N." schreiben: Das Waschen spielt nicht nur bei unsren Hausfrauen eine wichtige Rolle, sondern bildet auch bei unsren Landsleuten in Ost-Afrika eine Haupt- und Staatsaktion. Sehr drollig ist folgende Beschreibung eines solchen Wasch festes, welche Frau Schäler im „Roten Krenz" ver öffentlicht: „Neulich hatten wir schwarze Männer zur Hilfe bei der Wäsche, sie mußten Wasser tragen und die Maschine drehen. Dabei haben diese Leutchen unaufhörlich gelacht und gesungen und endlich wurde sogar mit den Füßen der Takt dazu getreten. Der Gesang war ungefähr folgender: „Wir machen deutsche Arbeit, die ist schön, Die deutschen Bibis arbeiten mit, das ist schön, Die deutschen Bibis versieben die Arbeit sehr gut. Wir wollen die deutsche Arbeit lernen, denn die ist schön!" Nun muß man bei dem Gesang die rollenden Augen und das beständige Schnellen der Zunge nach vorn sehen. Schwester Katharina meinte, „wenn das die Damen in Berlin sehen könnten, die würden sich einmal amüsieren!" Mit der Schwester sind die Schwarzen schon ganz vertraulich, sie rufen: „Heija, du Bibi, fass' an!" Als alles verstummt war, fragte Schwester Katharina: „Warum singt ihr nicht mehr?" Da zeigte einer der Neger auf seinen Magen und sagte: „Bibi, da ist kein „Sodakuia" (Essen) mehr drinnen, da kann ich unmög lich n och singen". Ich holte ihm ein Stück Brot, und nun ging der heitere Gesang auch bald wieder los."