Volltext Seite (XML)
Wöchentlich erscheinen drei Nummern. PränumerationS-PreiS 22j Silbrrgr. (Z Tdlr.) vierteljährlich, Z Tblr. für das ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. M agazin für die Pränumerationen werden von jeder Buchhandlung (in Berlin bei Beil n. Eomo., ISgerstraße Nr. 28), so wie oon allen König!. Post-Acmtcrn, angenommen. Literatur des Auslandes. . 1/ 128. Berlin, Sonnabend den 25- Oktober 1843. England. Einige Gedichte Percy Bisshe Shelley's. Uebtrseyl und mit der Uebertraqung durch I. Seybt verglichen, von Louise von PloennieS. Shelle-, der in seinem Vaterland lange so schwer Verkannte, ist in Deutschland noch wenig bekannt. Seine tiefe metaphysische Richtung, seine schweren und dadurch oft unklaren Constructioncn, seine gedrängten und oft plötzlich abgerissenen Reflexionen eignen sich nicht zu einer angenehmen ober flächlichen Lektüre, sondern erfordern ein wirkliches Studium. Wenn es aber schon dem deutschen Leser schwer wird, den wunderbaren Schwingungen dieses seltenen Dichtergeistes zu folgen, so ist es für den Uebersetzcr beinahe unmög lich, die Schwierigkeiten zu besiegen, welche sich ihrer Uebertragung entgegen- stellcn. Diese sind dadurch um so größer, als Shelley sich oft in einer barocken Form gefällt, nicht nur den Gedanken, sondern auch dessen Hülle plötzlich zer reißt, Zwischensätze macht und dann auf den abgebrochenen Satz zurückkommt, dabei die Reime drei« und vierfach wiederholt, eine schöne Zvec oft nur an- deutet und cs dem poetischen Sinn des Lesers überläßt, sie auSzusühren. Nach den angeführten Schwierigkeiten ist es wohl kaum zu hoffen, zu einer Uebertragung gelangen zu können, welche in allen Theilen befriedigend, ja ergänzend erschiene, cS müßte denn ein Zwillingsgcist des Dichters geboren werden, welchem in der Klarheit der eigenen die Räthsel und Ahnungen der verwandten Seele gelöst würden, und damit ginge mancher Rei) dieser mysti schen Poesie verloren. Es kann also nur die Rede davon seyn, diese poetischen Anschauungen in Geist und Form so treu als möglich wiederzugeben, und diese Aufgabe hat, was die Hauptsache, den Geist, anbelangt, I. Seybt befrie digend gelöst. Dagegen ist das Verständniß des Geistes, der wirklich darin ruht, sehr erschwert durch geschraubte Wortfügung, das Lesen wird durch den schwerfälligen Rhythmus und die beinahe durchgängig unschönen Reime ermüdend, kurz die Form läßt sehr viel zu wünschen übrig. Reime, wie: dächte, möchte, acht, sagt, müßt, bist, zieht, müd, spiel und hüll, beleidigen häufig das Ohr. Das folgende Gedicht bietet manchen Beweis für diese Behauptung, und da es außerdem eine Stelle enthält, in welcher meiner Ansicht nach der Sinn nicht richtig aufgcfaßt ist, so erlaube ich mir einige Bemerkungen darüber, um so mehr, da es mir von einem intimen Freunde Shelley's °) als ein besonders charakteristisches des Dichters bezeichnet wurde. '?o - Hie «erpeot i» almt aut kram garasi-w. I. Seybt Pag. 843. I. Die Schlang' ist aus dem Paradies verwiesen; Das wunde Reh darf nicht das Kraut mehr kiesen, Da« Heilung ihn, verleiht; Die Taubcrwsiwc muß die Laude meiden, Daraus ihr Gatte konnte trüglich scheiden In ter Aprilcnzeil: Auch ich darf selten suchen IUI Verein Glüitlicher Freunde Lindrung meiner Pein. Zn dieser Strophe, welche Seybt beinahe wörtlich treu wiedergegcben hat, führt uns Shelley leidende Geschöpfe vor, welche von dem Balsam, der sie heilen könnte, getrennt sind, und schließt die Strophe damit, daß er diese Trennung vom Quell des Trostes aus sich selbst anwendet. Aber er sagt noch nicht, warum er den Trost flieht. Seybt. 2. Haß macht mich stolz — Verschmähen kann ich tragen, Gleichgültigkeit, die Wunden einst könnt' schlagen, Gleichgültig jetzt mir scheint. Doch Mitleid nur, von Liebe nicht zu sprechen. Muß ein Herz, mehr schon als gebeugt, noch brechen. Wer sich unglücklich meint, (?) Den muß, was Gist der Seel' ist, nähren, — Gut ist ihm Bös-S, Balsam sind ihm Zähren. In dieser Strophe, welche bis auf die Zeile: „Wer sich unglücklich meint", gut wiedcrgegeben ist, geht der Dichter Alles durch, womit er zu kämpfen hat und was er ertragen kann: Haß, Verschmähen, Gleichgültigkeit, und sagt darauf, daß Mitleid das Einzige sey, was er nicht ertragen könne. ") Tb. Medwin, Verfasser der ,,8iwll«^'« zwper«", „slouveraatiou» ivjiä I-nrä v^ron" «to- Wörtlich: Der Elende verwandelt das Gift der Seele in Nahrung; ihre Arznei werden Thränen, ihr Uebel Gutes. Er flieht also das Mitleid und erklärt dies in der folgenden Strophe also: 3. Wörtlich: Darum, wenn ich Euch seltner jetzt sehe, liebe Freunde, Freundin, wißt, daß ich nur eure Blicke fliehe, weil sie den Kummer, der schlafen sollte, und die Hoffnungen, die nicht sterben können, ausregen; sogar den Trost, den sie spenden, kann ich nicht ertragen, und doch, so tief ist der Pfeil ein- gedrungen, daß ihn herausziehen mich schnell tödten hieße. Seybt. 3. Frcundo und Freundin! Selmer sah ich Euch Daher. Wißt, daß ich euren Blicken weich, Weil Schmerzen sic ausjagcn, Die schlafen sollten; Hoffnungen, die nie Ersterben können; selbst den Trost, den sic Spenden, kann ich nicht tragen; So tief gedrungen ist der Pfeil, Daß, würde er entfernt, Tod wär' mein Theil. 4te Strophe wörtlich: Wenn ich heimkchre an meinen kalten Heerd, fragst du, warum ich nicht bin wie ich immer gewesen — du verdirbst mich für die Aufgabe, eine ge- zwungene Rolle auf der albernen Bühne des Lebens zu spielen, die Maske als großer oder kleiner Autor im Karneval der Welt zu tragen — dort such' ich Frieden, und nur bei dir hab' ich ihn nicht gefunden. lu tlis vorlä's Oruiva! 1 souxllL peavv Um«, »u6 but iu zon l 5oun6 id uot. Seybt. 4. Wenn ich zu mcincm kalicn Hctrd rückkehrc, Fragst du, warum ich nicht wie immer wäre? Du Schuld bist. Laß ich nicht Theil nehm' an dcm langweiligen Lcbensspicl, Und daß mit nichtiger Larv' deS Dichters hüll Ich nicht mein Angesicht Im Karneval der Welt. So sucht' ich Frieden, Doch nur bei dir hat er mich nicht gemieden. Diese Stelle scheint mir bei Seybt just das Gegentheil von dem zu bedeuten, was Shelley sagen wollte. ES ist hier von der gezwungenen Rolle, von der Maske die Rede, welche der Dichter gegenüber der Welt festhält, die aber vor ihren Blicken weichen muß. ES ist der scheinbare Friede gemeint, der als Eisfläche den Abgrund bedeckt, und der vor dem Blick der Liebe und des warmen Antheils schmilzt. Seybt. 8. Hcut' eine volle halbe Stunde fragte Ich manche Blum', und eine jede sagte: „Sic liebt mich, liebt mich nicht" Meinl' einen Traum das, der mich längst gemieden, Meinte es Glück, Ruhm oder Seelenfrieden, Meinl' eS — doch mir gebricht Da« Wort, zu sagen, was du weiß«, zu gut — Ach, Wahrheit in dem traur'gen Spruche ruht. Diese Strophe ist besonders gelungen (?), dagegen entbehrt die nächste der schönen Poesie des Originals und enthält schlechte Reime: Seybt. 6. Der Kranich über Land und Meer zur Heimat zieh«; Der wildste Bogel selbst eil«, wann er müd, Friedlichem Nest« zu. An Meeresbrust ruhlose Welle stirb« Wie ein gebrochnc« Herz, und so erwirbt Sich endlich ihre Ruh: