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Wochenblatt für für für die König!. Amtshauptmannschast zu Meißen, das König!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dreiundvievzigster Jahrgang. Erscheint wöchentlich 8 Mal (Dienstag und Freitag. Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark Eine einzelne Nummer kostet 10 Pf. Jnseratenannahme Montags u. Donnerstag- bis Mittag 1L Uhr. Erscheint wöchentlich 2 Mal Dienstag und Freitag.) Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mark. Eine einzelne Nummer k»stet-10 Pf. Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Siebenlehn und die Umgegenden Nr. 37 Dienstag, den 8. Mai 1883. Konkursverfahren In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Kürschnermeisters Ernst Heinrich Schönach in Wilsdruff ist zur Abnahme der Schlußrechnung des Verwalters, zur Erhebung von Einwendungen gegen das Schlußverzeichniß der bei der Vertheilung zn berücksichtigenden Forderungen und zur Beschlußfassung der Gläubiger über die nicht verwerthbaren Vermögensstücke der Schlußtermin auf de» 3«. Mai 1883, vormittags -^l« Uhr, vor dem Königlichen Amtsgerichte hierselbst bestimmt. Wilsdruff, deck 7. Mai 1883. Busch, Gerichtsschreiber des Königlichen Amtsgerichts. Nächsten Donnerstag, den 1V Mai ds. Js , Nachmittags 6 Uhr, öffentliche Sitzung des StadtgemeinderathS* Wilsdruff, am 7. Mai 1883. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Am Mittwoch nahm der Reichstag vor Eintritt in die Tages ordnung den Vortrag eines Schreibens des Reichskanzlers entgegen, welches sich auf den Antrag des Abg. Richter-Hagen bezüglich des ! Gewerbebetriebes der Militärwerkstätten bezieht. Der Kanzler legt im Namen des Kaisers Verwahrung dagegen ein, daß der Reichstag an i die Militärverwaltung direkte Aufforderungen ergehen lassen könne, derartige Aufforderungen sei die Militärverwaltung des Reiches weder verpflichtet noch berechtigt zu befolgen oder auch nur amtlich entgegen zu nehmen. Da der Inhalt des Schreibens sich auf den ersten Gegen stand der Tagesordnung, Berathnng der zur Gewerbeordnungsnovelle gestellten Anträge Richter, Baumbach und Genossen, bezog, so entspann sich eine animirte Debatte über beide Gegenstände zugleich. Nachdem Abg. Richter die Adresse seines Antrages an den Reichskanzler anstatt an die Militärverwaltung gerichtet, ergriff der Kriegsminister Bronsart Von Schellendorf das Wort, um darzüthun, daß die den bürgerlichen Gewerben gegenüber von den Oekonomie-Handwerkern gemachte Kon- ! kurrenz überaus unbedeutend sei und erklärte im Uebrigen den Antrag Richter als einen direkten Eingriff in das Machtbefugniß des Kaisers. Im Sinne des Kriegsministers sprachen auch die Abgg. Windthorst, von Kleist-Retzow und Heydemann, während die Abgg. Goldschmidt und Richter-Hagen den Antrag des letzteren vertheidigten. Es kam hierbei zu einer ziemlich scharfen Auseinandersetzung zwischen dem fort schrittlichen Führer und dem Kriegsminister und fand die elegante Schneidigkeit mit welcher Herr v. Bronsart den Richterschen Angriffen gegennbertrat lebhaften Beifall auf der rechten Seite des Hauses. Nach einer kurzen Geschäftsordnungsdebatte wurde alsdann ein gleichfalls von fortschritlicher Seite eingebrachtcr Antrag auf Bildung besonderer Gesellen-Jnnungen mit großer Majorität abgelehnt. Berlin. Die königliche Kabinetsordre, durch welche die Auflö sung der Berliner Stadtverordnetenversammlung zum 1. Januar 1884 angeordnet wird, lautet: Auf Antrag des Staatsministeriums vom 13. April d. I. will Ich, um die Feststellung neuerzweckentsprechender Kommunalbezirke für die Haupt- und Residenzstadt Berlin zu ermög lichen, hierdurch auf Grund des 8 79 der Städteordnung vom 30. Mai 1853, und zwar zum 1. Januar 1884 die Auflösung der Stadt verordneten daselbst anordnen. Der Minister des Innern hat dem gemäß das Weitere zu veranlassen. Im Befinden des Reichskanzlers ist wieder eine ungünstige Wendung eingetreten, denn in den letzten Tagen haben sich wieder starke Schmerzen eingestellt, so daß der Patient sich vor dem Sprechen hüten und auf die möglichst geringe Bewegung beschränken muß. Folgende Meldung geben wir nach dem „Berl. T." unter Reserve: „Eine für das Frühjahr geplant gewesene Zusammenkunft der Herrscher Deutschlands, Oesterreichs und Italiens scheint auf den Herbst verschoben zu sein. Wie wir erfahren, fallen Kaiser Franz Joseph und König Humbert erst anläßlich des 25jährigen Re gierungsjubiläums des Kaisers Wilhelm als König von Preußen die sem in Berlin ihren Besuch abstatteu, weil König Humberts Berliner Besuch aus solchem Anlässe die vorherige Feststellung eines Gegenbe suchs des deutschen Kaisers in Italien überflüssig macht." Die Eröffnung der im vorigen Jahre verunglückten Ausstellung für Gesundheitslehre und Pflege in Berlin wird am 10. ds. stattfinden. Der allgemeine deutsche Handwerkerbund, dessen Ziel die Ein führung obligatorischer Innungen ist, veröffentlicht soeben die Einla dung zu dem am 20.—22. Mai in Hannover anberaumten Hand werkertage. Der angeregte Plan, Frankreich mit Deutschland zu versöhnen, findet in den französischen Regierungskreisen keinen Anklang. Das Leiborgan des Ministers Waldeck-Rousseau läßt sich darüber folgender maßen aus: „Man will die Versöhnung zwischen Frankreich und Deutschland; die Versöhnung zwischen den Siegern von 1871 und den Besiegten! Zwölf Jahre sind verflossen; die Erinnerung lebt in unsern Herzen, die ewige Trauer verdüstert unser Leben; aber wir richten unsere Augen auf die Zukunft; wir lassen unsere Kinder die Lehre der ewigen Gerechtigkeit lernen. Eine Sache mildert unsere Bitterkeit: wir haben unsere Ehre bewahrt. Besiegt, aber stolz: geduldig, aber furchtbar! Man wußte dies im Auslande; man achtete Frankreich; die Größe seines Patriotismus löschte für Europa den Glanz der Siege Deutschlands aus. Dieses war schön. Und nun kommt ein Mann, der ehemals der Höfling des Dummkopfes Nvpoleon III. war, der mit ihm „ä Lsrlin!" rief, der wie sein ehemaliger Souverän ein Abenteurer ist, und sagt, daß ihm der Friede mit Deutschland nicht mehr genüge und er die Versöhnung mit Deutschland verlange. Wer wagt so zn sprechen? Wer beschimpft auf solche Weise die Besiegten? Ein Herr Magnard, ein beliebiger Belgier, der letzte der Zeitungs schreiber, der seine Feder wohlfeil verkauft! Es gehört mehr dazu, um die Würde Frankreichs zu verletzen." Das ist die Aeußerung eines der Großen des heutigen französischen Kabinets. Dessen Sprache thut zur Genüge dar, daß die politischen Führer Frankreichs nach wie vor nur die Rachegedanken schüren. Die dem Vatikan nahestehende Presse fährt fort, gegen die Allianz zwischen Deutschland, Oesterreich und Italien Sturm zu laufen, und ist darüber ungehalten, daß die Tripelallianz die Sicherheit des deut schen Reiches gegen irgend welche Angriffskriege bedeutet; sie bietet ! daher Alles auf, um Oesterreich aus dieser Allianz herauszuschälen. So schreibt der „Moniteur de Rom", das Hauptorgan der päpstlichen Partei, indem es den in Nr. 217 mitgetheilten halbamtlichen Artikel der ,,Nordd. Allg. Ztg." über frühere Aeußerungen des „Moniteur de Rom" bezüglich der Tripelallianz erwidert: „Was die „Nordd. Allg. Ztg." über das Bündniß geschrieben, berechtigt zu dem Urtheile, daß dasselbe einen negativen Zweck habe. Es ist aber schwer, für diesen Zweck ein gleichartiges Interesse zwischen Italien und Oesterreich zu finden, denn Niemand denkt jenseits der Alpen auf einen Uebcrfall auf Italien; wenn aber Je mand daran dächte, hätte das Haus Habsburg keinen Grund, das Haus Savoyen zu unterstützen. Die römische Frage ö nete zwischen diesen Dynastien einen Abgrund. Oesterreich muß der römischen Frage Rechnung tragen; Beweis dessen sind die ab gebrochenen Verhandlungen über die Erwiderung des Besuches in Rom, die Erklä rungen Kalnokhs und Tiszas. Wenn die „Nordd. Allg. Ztg." die Tripelallianz mit den Bündnissen zwischen den katholischen Königen Frankreichs und dem Sultan ver gleicht, so ist dies nicht stichhaltig, denn hier steht die römische Frage wie ein Ver hängniß zwischen den zwei Staaten, und nichts wird dieses Verhängniß bannen. Wenn Oesterreich sich heute, wenngleich bedingungsweise, eine Annäherung gefallen läßt, welche ihm von Deutschland als ein Vorrecht gewährt wurde, so vergißt es trotzdem nicht, daß seine Traditionen ihm die Pflicht auferlegen, die theuerste» und heiligsten Interessen des Heiligen Stuhles nicht zu verletzen." Die vatikanische Presse tritt damit geradezu friedestörend auf, und wenn nach solchen Vorgängen die kirchenpolitischen Anschauungen in weiteren Kreisen der Kirche immer ungünstiger werden, so ist das zu beklagen, aber verständlich ist es sehr. Berlin, 4. Mai. Der „Reichsanzeiger" meldet: Ein Personen wagen dritter Klasse der auf der Strecke Soest-Düsseldorf coursiren- den Züge gerieth am 1. d. M. Abends während der Fahrt zwischen den Stationen Ratingen und Hösel dadurch in Brand, daß Feuer werkskörper, welche ein Passagier verbotswidrig als Handgepäck mit führte, sich entzündeten. Von zwei Personen, die sich durch den Sprung aus dem Coupee zu retten suchten, ist eine Fran tödtlich verletzt und bereits gestorben; ein Mann hat eine Armverrenkung erlitten. Vier Personen, welche bis zum Anhalten des Zuges im Coupee verblieben, haben erhebliche, aber anscheinend nicht lebensgefährliche Brandwunden davongetragen. Die Verletzten haben im Krankenhause zu Kettwig die ärztliche Hülfe gefunden. So rückhaltlos der Raubmörder Sobbe in Berlin sein Ver brechen eiuräumte und Auskunft über alles gab, was ihm voranging und nachfolgte, so daß man gleichsam in die Seele des Menschen hineinsieht, so bleibt dennoch manches dunkel. Er hatte brave Eltern und Geschwister, er hatte ohne Tadel im Militär gedient, hatte eine ziemliche Summe ererbt, befand sich in keinerlei Noth und hatte nur den Drang, „selbstständig" zu werden. Bei Verwandten in Magde burg lebend kam ihm der Gedanke, du mußt einen Geldbriefträger ermorden und berauben, die Ermordung eines solchen in Wien brachte ihn darauf. Er macht sich sofort nach Berlin auf, um feinen Plan auszuführen, giebt in Potsdam Postanweisungen an sich selbst auf, miethet ein Zimmer in der Nähe der Post, damit der Briefträger Morgens bald mit noch voller Geldtasche zu ihm komme, schrickt drei mal vor dem Verbrechen zurück, als der Briefträger zu ihm kam; „ich war zu aufgeregt", sagte er. Cossäth, der Briefträger, kommt zum zweitenmal, trinkt von dem Bier, das er ihm vorsetzt, und wird von hinten mit Hammerschlägen auf den Kopf niedergeschlagen, er mordet und beraubt. „Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugethan", bekannte er. Beute waren etwa 500 M. Er reist nach Magdeburg zurück zu seiner verheiratheten Schwester, die ihm nichts anmerkt, er besucht Abends einen Ball, ohne zu tanzen, „ich trank nur und hatte