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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.03.1908
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-03-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080323027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908032302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908032302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-03
- Tag 1908-03-23
-
Monat
1908-03
-
Jahr
1908
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vezugL-Prets i»» d»ch ««« «» StxdttM» di» H-»1 »«»rächt: L»««». L^»« vivMjt-rüch «»»gab, I («öra«ü>lmd adardy dlrrtkl- jihrjich <50 vi., »m>allich 1UV vi. »Le», Schwei» Staat« «rhLltlich. Vor» dt, Go« P, »qteh«: <2 »al täglich) «««bald Deutichlaad» und der deutlcheo cholaat« virrtrljihrlich 5,25«., aumatli« 1,75 « auälcht. P»L txftellqrld, iär Or-rrrrich 9 L SS d, Unaara 8 L vierteljährlich. Ferver t» Seö uad S»«t nur direkt durch Exped. d. bei »uler« Lräveru, Allial«^petiÄr« uud >m»h»«-»ll«»^iawi» V»-L»rtir» uud Li« «tu»ela» «um»« kalkt 10 Pfg. rke»«ktiau mr» «rvedttt»»: Johauatä-afle 8. rrlevhvu Nr. läSU, Rr. 14SSS, «r. 1409«. Abend-Ausgabe v. eWMr.TllgMaü Handelszettung. Amtsblatt -es Rates und -es Rolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Äuzeigen-PieiS tik Julerare au» Leu>jla und Umgedun» dl« 6 gespaltene PettHeil« 25 Pn. tinanziell« »innigen 30 Pi., Reklamen 1 w.; »on autwärt» SV Pt., Reklame» 1.20 « l vamklutlandSOPi^ finant-tln»eig«7SPt - Reklamen llü M. Inserate v. Behörde» tm auulichen Teil <0 P' verlagegebühr 5 M. -. lautend exkl. V->I- aeduhr. Getchakdanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach llarit. getierieilke Lutlräge können nicht zurück. ae»ogen werbe». Für da» Lrtchein« an bestunmten lagrm und Plätzen wird kine Barantte übernommen. Lnjeigen-Anuahmet Sugutlutvlatz 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Lnnoncen- Srreditiou« des In« und Lut land «4. Pautzck. Filiale verliu: Larl Dunckar, Herzog!. Baqr. Hosbuch- handluug, Lützowftratze 10. Sekwhon VI, Nr. 4603). Nr. 82. Montag 23. März 1908. 182. Jahrgang. Vas Wichtigste vorn Tage. * Die Verhandlungen im Journalist en st reil haben auch heute mittag noch nicht zu einer Beilegung des Streiks geführt, da die Erklärung des Abg. Gröber nicht genügt. (S. d. bes. Art. u. Letzte Dep.) * Die Mauren haben die Mannschaft der gescheiterten «Bal ei ne" fr e i g e la s s e n. sS. Ausl.) * Die haitischen Revolutionäre, auch General Firmin, sind unbehelligt nach St. Thomas abgereist. (S. Ausl.) * In der Leipziger Rauchwarenhandlung von Schmaltz L Weinert wurden gestern für 17 060 Rauchwaren gestohlen. (S. Lpzg. Ang.) * In Dresden vergiftete ein Ratsselretär aus Bischofswerda sich, feine Frau und seine zwei Kinder durch Zyankali. (S. Sachsen.) Der Jourmaliftenstreik. dauert fröhlich weiter, doch dürste, wie uns aus Berlin geschrieben wird, heute eine Einigung zustande kommen. Der Abg. Gröber hat sich bereit erklärt, die Beleidigung zurückzunehmen. Ueber die Form und den Ort der Zurücknahme haben am Sonntage zwischen Beleidiger und der Dreierkommission der Beleidigten Unterhand lungen stattgefunden. Beide Seiten haben Vorschläge gemacht, die heute den Journalisten im Reichstage von der Kommission vorgelegt werden. Die Vollversammlung Hot sodann zu beschließen, ob der ange botene Vorschlag annehmbar sein wird. Man darf annehmen, daß nach Zurücknahme der Beleidigung die Journalistentribüne ihre Arbeiten wieder aufnehmen wird. Der Reichskanzler hat sich in diesem Sinne selbst bemüht, er steht vollkommen auf dem Standpunkte der Presse. Aus dem In- und Auslände laufen weiter zahlreiche Synrpathiekund- gedungen ein. Der Nürnberger Journalisten- und Schriftstellerverein gibt in einem Schreiben seiner Entrüstung über die schwere Beleidigung aus der Mitte des Reichstags Ausdruck und zollt dem erhobenen ent schiedenen Protest seinen Beifall. Der bekannte Wiener Schriftsteller Felix Salten drahtet: „Erlaube mir die geehrten Herren zu dem von ihnen gegebenen Beispiele solidarischer Energie aufrichtig zu beglück- wünschen." Der Klub Wiener Presse sendet herzlichen und freudigen Glückwunsch zur mannhaften Verteidigung unserer Standesehre. Bollen Erfolg wünschen die deutschen Redakteure in Wien. Die „Literarische Praxis" bringt in einem Schreiben ebenfalls ihre herzliche Sympathie zum Ausdruck. In einer vollzählig auch von seinen Zentrumsmitgliedern besuchten, in Düsseldorf abgehaltenen VorstandSsihung des Verbandes der rheinisch-westfälischen Presse wurde einstimmig folgender Beschluß gefaßt: „Der Voritand des Verbandes der rheinisch-westfälischen Presse, dem mit geringen Ausnahmen die Zeitungen der bürgerlichen Parteien beider Provinzen angehören, erklärt den Reichstagsjournalisten seine Zu« stimmung zu ihrem Vorgehen und zur energischen Wahrnehmung der Berufsehre und des Ansehens der deutschen Presse gegenüber dem Reichs, tag, ohne sich dadurch mit einer etwaigen Ungebühr eines einzelnen Journalisten einverstanden zu erklären. Der Vorstand fordert alle Mit. glieder auf, die Journalistentribüne des Reichstages in den von ihr er. griffenen Maßnahmen zur Erlangung ausreichender Genugtuung nach Kräften zu unterstützen. Für die mannhafte Haltung sendet der Ver» bad der Wiener Zeitungskorrespondenten die wärmsten Sympathien. Auch vom Verein Konkordia in Wien werden kameradschaftliche Sympathien zum Ausdruck gebracht. — Auch die gesamte schweizerische Tagespresse ein» schließlich der katholischen Presse hat die Wiedergabe von Nachrichten über den Deutschen Reichstag bis auf weiteres eingestellt. Ebenso hat sich das Syndikat der Zeitungskorrespondenten in Rom, dem Vertreter der Presse aus der ganzen Welt angehören, mit den deutschen ReichStagSjourna. listen solidarisch erklärt. Begreiflicherweise wird jetzt eifrig nach dem „Lacher" geforscht, der die Ursache zu dem ganzen Zwischenfall gewesen ist. Nach einer Zuschrift, die der „Mecklenb. Ztg." zugeht, scheint der Missetäter gar nicht auf per Journalistentribüne gesessen zu baden. Ein Geschäftsreisender aus Barmen, Herr Rietbrock, schreibt dem Blatt: Ec habe an der kritischen Sitzung am vorigen Donnerstag auf der Tribüne 8 teilgenommen und den linken Eckplatz der ersten Reihe innegehabt. Neben ihm saßen zwei junge Leute. Gleich anfangs, als Staatssekretär Dernburg der Rede des Abg. Erzberger besondere Aufmerksamkeit schenkte, hätten diese beiden Herren hierüber allerlei Bemerkungen gemacht. R., der dadurch beim Zuhören gestört wurde, habe die beiden noch vermahnt. Als dann der Abg. Erzberger die Worte von der unsterblichen Seele der Neger sagte, lachten diese beiden jungen Leute ganz besonders laut aus. Herr R. meint, daß cS dies Lachen gewesen sein müsse, das den Abg. Gröber zu seinem beleidigenden Ausruf veranlaßt habe. Von der Journalisten, tribünc, der er nahe saß, babe er kein lautes Lachen vernommen. Ueber die Verhandlungen, die heute mittag stattfanden, s. Letzte Dep. Von der Nordsee. Der dänische Plan, eine neue Verbindung zwischen Nordsee und Ostsee durch den Ausbau des Limfjords herzustellen, ist auch in den Schiffer- und Reederkreisen der deutschen Seestädte viel erörtert worden. An einen ernstlichen Nachteil für Deutschland in Kriegszeiten glaubt man nicht. Für die Handelsschiffahrt kommen natürlich andere Gesichtspunkte in Frage. Tie Fahrt durch Kattegatt und Skagerrak ist von jeher bei den Schiffern in Verruf gewesen. Die Karten der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger zeigen an kaum irgendeiner nordeuropä-schen Küste so viele verlorene Schiffe und Menschenleben wie an der west jütischen. Nahe an der Grenze Schleswigs liegt der kleine Hafen ESbjerg. Von da ab nordwärts gibt es an der ganzen westjütischen Küste bis hinauf nach Skagen keinen einzigen Hasen. Erst seit einigen Jahrzehnten hat man der kleinen Schiffahrt den Limfjord zugänglich gemacht, indem man die schmale Dünenkette an seinem Westende durchbrochen hat. Die Einfahrt reicht nur für Schiffe von 2i/-> bis 3 Meter aus. Eine Vertiefung auf 7^ Meter würde sie auch den grüßten hier in Frage kommenden Handelsschiffen zugänglich machen. Allein der Gewinn erscheint größer als er ist. Schon weil die Schiffahrt zwischen beiden Meeren sich immer mehr dem Nordostsee-Kanal zu wendet, hat heute ein Limfjord-Kanal nicht mehr die frühere Bedeutung. Außerdem werden die Schiffe bei gutem Wetter immer die abgabenfreie Fahrt um Skagen vorziehen, die sie auch nachts benutzen können; bei schlechtem aber ist das Ansegeln der westjütischen Küste so gefährlich, daß man wohl meist lieber auf der offenen See bleiben wird, als den Versuch machen, in Brandung und Sturm zwischen die Molen des Limfjords zv gelangen. Mit welchen Gefahren das verknüpft ist, sieht man an den Un- glücksfallen bei Hoek van Holland. An der jütischen Küste ist die Sache aber viel schlimmer, weil die westlichen Stürme über die volle Weite der Nordsee einherbrausen und daher die Brandung viel höher geht. Auch sind die Landbänkc gefährlich und veränderlich. Mähr Vorteil können Schiffe haben, die aus der Ostsee nach England wollen nnd nun bei Ausfahrt aus dem Kattegatt im Skagerrak von Stürmen bedroht werden; ihnen wird eS nützlich sein, in den Limfjord von Osten einzusegeln. Die Ausfahrt nach Westen ist etwas weniger gefährlich und kann zv,eilens verschoben werden. Auch Schiffen nach deutschen Nordsechäfen kann das nittzlich sein, obwohl diese wohl meistens durch den Nordostsee-Kanall gehen werden. Deutscher Reich. Leipzig, 23. März. * Die Personalveränderungen in der Armee anläßlich des gestrigen 111. Geburtstages Kaiser Wilhelms I. haben, wäe vorauszusehen, einen ganz bedeutenden Umfang angenommen, namentlich ist eine Reihe von Brigade- und Regimentskommandos neubeseyt worden. Wvc geben die wichtigsten Aen« derungen nach der Extraausgabe des „Mil.-Wochbl." wieder: Ter Fürst von Hohenzollern ist von seiner Stellung als Kommandeur der 3. Gardeinfanteriebrigade unter Beförderung zum Generalleutnant enthoben worden, bleibt aber Chef des SO. Füsilierregimen 1s. An seine Stelle tritt General major v. Quast von der 39. Jnfanteriebrigade. Prinz Friedrich Karl von Hessen wurde unter Beförderung zum Obersüm zum Kommandeur Les 8l. In fanterieregiments ernannt. — Verabschiedet sind die Generalmajore Müller. Kommandeur der 12. Feldartilleriebrigade, v. Wrochem, Kommandeur der 72. Jnfanteriebrigade, Jordan, Kommandeur.der 21. Jnfanteriebrigade, Pollier, Kommandeur der 3. Jnfanteriebrigade, v. Zawadsky, Kommandeur der 33. Jn- fanteriebrigade, v. Gerstein-Hohcnstein, Kommandeur der 79. Jnfanteriebrigade, lalle unter Verleihung des Charakters als Generalleutnant), v. Cordier, Inspekteur der Feldtelegraphie, v. Heyden-Lrnden, Kommandeur der 2. Garde- Kavalleriebrigade ider ehemals so populäre Herrenreiter), Kettler, Kommandeur vou Mainz. — Tie Generalmajore Rost, von der Armee, in Schweidnitz und v. Ramvacher, bisher Oberst und Kommandeur des württ. Jnf.-Regts. Nr. 120 sind zu Kommandeuren der 21. beziehungsweise 31. Jnfanteriebrigade ernannt. — Zu Generalmajoren befördert wurden die Obersten Rasch, Kommandeur des Jnf.-Regts. 161 unter Ernennung zum Kommandeur der 72. Jnf.-Brigade, Sturm, Kommandeur derEisenb.-Brigade, v.Pressentin, beauftragt mit der Führung der 16. Jnf.-Brig., unter Ernennung zum Kommandeur dieser Brig., Rafalski, Kommandeur des Jnf.-Regts. Nr. 15, unter Ernennung zum Kommandeur der 7S. J»f.«Brtg., Bahrseldt, Kommandeur des Füs.-Rrgts. Nr. 33, unter Er nennung zum Kommand. der 3. Jnf.-Brig., Frhr. v. Schütz zu Holzhäuser,, Komm. deS Jnf.-RegtS. Nr. 167, unter Versetzung zu den Offizieren von der Armee, v. Alt-Stutterheim, Kommandeur der Jnf.-Schießschule, v. der Marwitz, Kommandeur der 1. Garde-Kao.-Brig. v Wartenberg, Abteilungschef im Kriegs ministerium, unter Ernennung zum Kommandeur der 22. Jnf.-Brig., Liman, Kommandeur der 15. Kav.-Brig., Wollmann, Inspekteur der 3. Jngen.-Jnsp., Schmidt v. Stempel!, Kommandeur der 1. Feldart -Brig., v. Colomb, Komman deur der 19. Kav.-Brig., Deinhard, Kommandeur der 6. Feldart.-Brig., v. Kramsta, Kommandeur der 6. Kav.-Brig., v. Bötticher, beauftragt mit der Führung der 23. Jns.-Lrig.» unter Ernennung zum Kommandeur dieser Brig., v. der Osten, Kommandeur Les Jnf.-Regts. Nr. 161, unter Versetzung zu Len Offizieren von der Armee, Baron Digeon v. Monteton, Kommandeur des Jnf.- RegtS. Nr. 66, unter Ernennung zum Kommandeur der 39. Jnf.-Brig.. v. Warten berg, Oberst und Kommandeur des Jnf.-Regts. Nr. 81, mit der Führung der 33. Jnf.-Brig. beauftragt. Freiherr v. Seckendorfs, Oberst und Kommandeur des Jnf.-Regts. Nr. öl, zum Kommandanten von Mainz ernannt. Franke, Oberst und Präses der Gewehrprüfungskommission, wurde als AbteilungSchcs in Las Kriegsministerium versetzt. Zu seinem Nachfolger ist der Oberstleutnant Miesitscheck v. Wijchkau ernanut. — Weiter wurden ernannt Oberst Grundtmann beim Stabe des Jnf.-Regts. 45 zum Kommandeur des Jnf.-Regts. 150, v. Rohrscheidt, Oberst und Kommandeur der Kriegsschule in Feuilleton. Die materielle Freiheit ist die erste, notwendige Stufe der wahren Freiheit. Diesterweg. Von« neueren Uirchenban. Von Eugen Kalkschmidt lDresden-Loschwiß). ' Es ist ein Irrtum der Katholiken, zu sagen, daß der protestantische Kirchenbau immer nur von dem Kapitale der alleinseligmachenden Kirche des Mittelalters gezehrt habe. Er hat es nicht mehr getan als die spätere katholische Kirche selbst. Dann aber ist er, gerade in Sachsen und im besonderen wieder in Dresden, mit Entschiedenheit zur selbstän digen Bildung von Kirchenformen voraegangen, wie sie die katholische Kirchenbaugeschichte nicht aufzuweisen hat. Die Kreuzkirche, mehr noch aber die in jeder Hinsicht meisterlich vollendete und ursprünglich geformte Frauenkirche in Dresden stellen die Höhepunkte dieser Entwickelung in wachsen dar, und für Niederdeutschland war es bis vor kurzem die leider abgebrannte Michaeliskirche in Hamburg, die, um die Mitte des 18. Jahr- Hunderts herum erbaut, ebenso wie die sächsischen Kirchen zugleich den Höhepunkt und einen gewissen Abschluß der selbständigen protestanti schen Kirchenbauentwickeluna in Deutschland bedeutete. Denn die klassizistische Zeitrichtung, die mit Ende des 18. Jahrhun- derts einsetzte, hatte kein inneres Verhältnis mehr zu diesen Bau- aufgaben. Schon beim Ausbau der Dresdner Kreuzkirche, der von Schmidt noch ganz im barocken Geiste mit einer kühnen Gewölbebildung geplant war, machte sich dieser klassizistische Einfluß hemmend bemerkbar. Was um die Jahrhundertwende herum an Kirchenbauten entstand, etwa die Schinkelsche Nikolaikirchc in Potsdam mit ihrer klassischen Säulen front, oder in Paris die Magdalenenkirche mit ihrem imposanten korni- thlschen Tempelgiebel — diese und ähnliche Versuche wurzelteneigentlich nicht mehr im kirchlichen, sondern im aufgeklärten Geiste und antikisch gerichteten Geschmacke der Zeit. Immerhin aber stehen sie noch selbstän- diger da als das, was nach ihnen kam. Die Romantiker brachten uns die Begeisterung für die Gotik, und die Rezeption des gotischen Stiles, namentlich für die Kirchen, bcherrschte nun auf Jahrzehnt« hinaus das zeitweise wieder lebendiger aufflackernde Glaubenslebcn und die Gestal- tung seiner Bauformen. Sie ist uns leider nur zu wohl bekannt, jene etwas elegante, dürre und dürftige kirchliche Gotik auS jener Zeit, die mit einem außerordent- lichen Aufwand von kunstgeschichtlicher Gelehrsamkeit bis in die Einzel- Helten hinein vollendet schien, mit dem Leben der zierlich lebendigsten Formen erfüllt werden sollt« und doch kein innerliches Leben atmet. Namentlich Hannover, durch seine Beziehungen zu England von jeher dem gotischen Stil« zugeneigter als andere Landschaften, wurde eine Pflanzstätte dieser Art retrospektiver Baukunst. Im deutschen Süden teilten sich die Neigungen zwischen dem gotischen und dem romanischen L>til. In München sehen wir beide nebeneinander angewandt, dem romanischen aber in der unglücklich kalten doppeltürmigen Ludwigskirche doch den Vorzug gegeben. In Wien wird mit außerordentlichem Pracht aufwand die gotische Votivkirche erbaut, in Berlin mit ähnlichen reprä sentativen Prunkabsichten noch gegen Ende des Jahrhunderts hin die Äaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in romanischen Formen. Daneben sind freilich gerade Berlin und die Mark Brandenburg, ja das ganze preußische protestantische Niederdcutschland überhaupt der Stapelplatz für eine immer äußerlicher und flacher werdende Salongotik im Kirchenbau. Es ist ein seltsamer Gegensatz: die Kirchen werden immer zahl- reicher, versinken dabei aber immer mehr und mehr im Alltagsgetriebe des modernen Erwerbslebens, werden mehr und mehr beiseite gedrückt und aus der beherrschenden Stellung innerhalb des Stadtbildes ver- drängt durch die profanen baulichen Male der Zeit. Fabrikschlote wett- eifern an Höhe mit den zierlichsten gotischen Airchturmipitzen, und riesige Bahnhofshallen, Parlaments-, Museums- und Theatergebäude, Gas- anstalten, Schulen und Krankenhäuser nehmen durch die Masse ihrer Bauformcn den Kampf mit den kirchlichen Bauformen auf. Tas Bild in den katholischen wie in den protestantischen Gebieten ist ziemlich das- selbe, obgleich zugegeben werden mag, daß namentlich im Süden Deutsch lands die gute Tradition des Bauens, wie für Profanbauten, so auch für den Kirchenbau länger in Ansehen und Uebung geblieben ist. Das Maschinenzeitalter hat kein Verhältnis mehr zur alten Kirche, auch da nicht, wo sie scheinbar selbst politisch die Gemüter beherrscht: und wo die besten Meister sich abwenden oder untätig beiseite stehen, da kann keine künstlerische Form gedeihen. Man schlage die erste beste Kunst geschichte auf und suche nach den baulichen Zeugen der protestantischen Glaubensgesinnung im 19. Jahrhundert. Man wird zunächst lehr wenige finden, und diese wenigen sind eklektisch, sind nachempfunden, sind keine kirchliche Baukunst. Das „Bestellte" haftet ihnen unglücklich und langweilig genug an, man merkt, die große Baugesinnung, die allein Großes gn den Tag fördern kann, hat gefehlt. An Stelle dieser Bauaesinnung halten wir also das gelehrte Inter- esse an der geschichtlichen Repetition vergangener Stile. Dieses Hüter- esse hat uns neben den schwächlichen positiven Bauleistungen noch eine ganze Anzahl unerquicklicher negativer Versuche beschert: Versuche, die alten eingebauten Kirchen freizulegen. Man fand, die Schönheit der allen Denkmäler komme nicht zur Geltung, solange sic inmitten des Häusergewirres der Altstadt stecke.' Wie eine Krankheit griff diese Gc- sinnung um sich. Ter freigelegte Kölner Tom, das Ulmer Münster sind typische Beispiele für die rücksichtslose Art, mit der sich diese Krankheit äußerte. Fast in jeder größeren Stadt wurden bei den überall nötig werdenden Ttadterweiterungen und Straßendurchbrüchen die alten, ehr- samen Kirchen ihrer friedlich warmen Umgebung beraubt und wenn irgend möglich in die Mitte freier, zugiger, ungemütlicher Plätze ge stellt. Man erinnere sich, wie wundervoll imposant die Leipziger Tlwmaskirche früher wirkte, als die Thomasgasse noch nicht zu dem öden Windloch erweitert war. Man sah nicht, was man heute gottlob einzusehen beginnt, daß durch die Entfernung der alten Nachbarhäuser die Kirchen um ihren besten Maßstab gebracht wurden; daß sie inmitten der künstlich der- größerten Plätze klein wirkten, wo sic früher groß und ost gewaltig da- sianden; daß an ihnen in den allermeisten Fällen jetzt durchaus nicht mehr Schönes an Einzelheiten zu sehen war als früher, wo diese Einzel- heiter, durch die planvolle Städtcbaukunst unserer Altvordern bereits zur Genüge hervorgehoben worden waren durch Straßendurchblicke usw. Und schließlich restaurierte man die Kirchen. Man baute sie aus und lut es ja leider noch, wie die Beispiele in Meißen, in Breslau und anderwärts zur Genüge beweisen. Für diese antiquarischen Neigungen der Historiker unter den Architekten ist fast immer Geld genug bei der Hand. Nie hat man den Mut, im Stile unserer Zeit den stumpf eines Turmes auszubauen, oder eine nötig werdende Kapelle anzubauen. Immer heißt es, genau nach den ursprünglichen Plänen des Baumeisters aus dem xten Jahrhundert. Tas ist die zweite Baukrankheit, an der unsere Städte und im besonderen unsere Kirchen zu leiden haben. Der Kamps gegen sic währt wohl schon an die 20 Jahre, aber wir werden vielleicht noch weitere 20 Jahre brauchen, bis wir ihrer Herr geworden sein werden. Irgendwo in einem Vororte ist die Seelenzahl so weit angewachscn, daß eine Kirche notwendig erscheint; sie könnte selbst in unseren un- gläubigen und kirchenfremden Zeiten noch immerhin als architektonisches Schmuckstück des betreffenden Stadtteiles wirken, könnte so ausgestellt we-dcn, daß sie ihre Umgebung hebt. Was aber geschieht? Der Bc- bauungsplan, der ja meist schon auf ein Menschenalter hinaus die schnurgeraden Straßen und schnurgeraden Plätze bis auf den Zenti meter ausgemessen und festgcstellt hat, dieser Bebauungsplan weist auch ohne viel Federlesens der neuen Kirche ihren Fleck dort an, wo eben gerade Platz ist, d. b. wo die Kirchengemcindc billig eine leere Bau- Parzelle zwischen zwei Straßen erwerben kann. Tie derart „frei" ge legene Leipziger Peterskirche mit ihren zwei Vcrkehrsstraßcn an den Längsseiten ist ein gutes schlechtes Beispiel. Soll ein übriges getan werden, so wird die Parzelle zum Platz umgcstaltct und die Kirche möglichst akkurat in den geometrischen Mittelpunkt des Platzes gerückt. Wo noch eine Ahnung von der Kunst des Städtebaues erhalten geblieben ist, do benutzt man wohl den Kirchturm als Straßcnabschluß, vergißt aber onck da in der Regel nicht, die Kirche frei ans Ende der Straße zu stellen und den Verkehr rings um sic herum zu leiten. So dachten frühere Zeiten nicht. Sie dachten überhaupt viel weniger geometrisch und ingenieur-technisch aus dem Papiere, jic ge- stalteter nach den lebendigen Bedürfnissen, und so gestalteten sie 'ünstle- risch. Man sehe sich z. B. die Lage der Dresdner Krcuzkirche darausbin an: sie ist von ziemlich hoben Häusern eng umbaut, und doch wirkt sie keineswegs gedrückt, doch beherrscht sic ohne jede Mühe den Altniari'i. auf de: hin ihr Turm außerordentlich geschickt visiert ist, belrerricht sic olle die vielen Gossen, die auf sie zuführcn. Wie kühn ist die katholische Hofkirchc schräg zur Stroßcnrichtung der Auaustusbrücke gestellt! Dos würde unter den heutigen Verhältnissen schwerlich ein Baumc:iter wagen. Und doch kommt erst durch diese Schrägstcllung für den Bc- trächter von der Brücke her der Reichtum ihrer Fassade voll zur Gel tung Oder man werfe einen Blick aus die soeben ausgcbautc Annen- kirche, auch sie steht abiolut nicht akademisch, sondern noch genau er- wogen«!, künstlerischen Grundsätzen schräg zur Stroßcnrichtung und le- grenzt den Blick von den drei Hauptstroßcnrichtungen her aufs gluck- lichjtk Vergleicht man mit diesen vortrefflichen Platzloiungen die jenigen, die uns in Dresden und anderwärts während der letzten Jahr-
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