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Freitaq. Nr. 12. 9. Februar 1872. Weißerih-Ieitung. Amts-Matt für die Herichts-Aemtrr und Stadträthe zu Dippoldiswalde und Krauenstein. Verantwortlicher Redakteur: Carl Jehne in Dippoldiswalde. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei Mal: Dienstags und Freitags. Zu beziehen durch alle Post-Anstalten und die Agenturen. Preis vierteljährlich 16 Ngr. Inserate, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirksame Verbreitung finden, werden mit 1 Ngr. für die Spalten-Zeile berechnet. Tagesgeschichte. Dippoldiswalde, den 7. Februar. Allen, welche eine Eisenbahnverbindung wünschen, die unsere so sehr ver nachlässigte Gegend endlich einmal den Verkehrsstraßen näher bringt, dürfte die neulich vom Finanzminister v. Friesen bei der Budjetberathung in der 2. Kämmer abgegebene Erklärung nicht uninteressant sein. Der Abgeordnete vr. Rentzsch hatte, nachdem er ein anschauliches Bild der günstigen Finanzlage Sachsens entworfen, sich für eine Beschränkung der Staats industrie, höchstens auf Forst- und Postwesen, ausgesprochen und ohne einen bestimmten Antrag zu stellen, der Staats regierung den Verkauf der einzelnen industriellen Etablissements, der Bergwerke, der Hüttenwerke, Porzellanfabrik u. s. w., ja selbst der Eisenbahnen, als Vortheilhaft empfohlen, falls sich günstige Offerten finden sollten. Daraus erklärte nun Herr Finanzminister v. Friesen, daß er die Eisenbahnen unter keinen Umständen veräußern möge, denn wenn der Staat bis jetzt die Hauptlinien gefördert habe, so sei es Pflicht von ihm, nun auch kleinen Orten deS Landes Bahnen zugänglich zu machen. Nun, wir wollen hoffen, daß uns diese Einsicht der Regierung recht bald zu gute kommen wird. UebrigenS dürfte der Agitation für eine Bahnverbindung DreSden-Dippoldiswalde-Schmiedeberg rc. auch dadurch neuerdings wieder Vorschub geleistet werden, daß nächstens auf Quohrener Flur die Gewinnung von Kohlen, diesmal mit sicherer Grundlage, als vor 15 Jahren, wieder in Angriff genommen werden soll. Wir hören, daß der 1. April als Termin der Schachtabteufung definitiv be stimmt ist. Glück auf! Wilmsdorf, 6. Februar. Am heutigen Morgen wurde das dem Hausbesitzer Kippe hier eigenthümliche, zu den sogen. „Poisenhäusern" gehörige Haus ein Raub der Flammen. Das Feuer brach kurz nach 6 Uhr auf bis jetzt noch uner klärliche Weise auf dem Hausboden aus und griff bei der nicht massiven Bauart des Hauses mit solcher Schnelligkeit um sich, daß von der unversicherten Habe des Besitzers fast Nichts gerettet werden konnte, zumal der Letztere selbst nicht anwesend, sondern bereits mehrere Stunden vor Ausbruch des Feuers seinem Berufe als Bergarbeiter nachgegangen war. — Die auch bei uns beobachtete dunkelrothe Färbung de« Himmels am vorigen Sonntag Abend (s. Nr. 11 d. Bl.) war ein gewaltiges Nordlicht, das sich so weit ausbreitete. Es ist an den verschiedensten Punkten Europa'S beobachtet worden, so in Köln, BrcSlau, Danzig, Königsberg, Posen, Nancy, Paris, Constantinopel. In Paris war Alles auf den Straßen , und meinte man alles Ernstes, das Nordlicht be deute einen baldigen schrecklichen Krieg und der Tag der „Revanche" für Frankreich nahe mit schnellen Schritten! Adorf. Bei einem, in der Nacht vom 5. zum 6. Febr. hier stattgehabten Schützenballe, bei dem gegen 500 Menschen im Schießhauesaale anwesend waren, ist Feuer ausgebrochen, bei dem leider 6 Menschen das Leben verloren. Sie sind nicht verbrannt, sondern im schrecklichen Gewühl zertreten und erwürgt worden! Viele sprangen zu den Fenstern hinaus und erlitten Arni- und Beinbrüche; ein junges Mädchen ist die Treppe hinabgestürzt und hat sich die Hirnschale zer schmettert. Die Stimmung in der Stadt ist eine tieftrauernde, und die Nachklänge des Festes sind grabeshohl. Das Schieß- hauS ist ganz abgebrannt; die Entstehungsursache noch nicht bekannt. — Dresden, 5. Februar. Unser Landtag und speciell unsere zweite Kammer hat nun die Berathung des Staats haushaltes begonnen und wie seit Jahren unter der Ver waltung des Finanzministers, Freiherrn von Friesen, Alles wohl geordnet gefunden. Dabei bleibt nun allerdings nicht ausgeschlossen, daß Dieses oder Jenes anders gewünscht wird, und Rathschläge, ja auch Verlangen darüber laut werden, denen der Herr HandelSkammer-Secretär vr. Rentzsch schon heute andeutungsweise näheren Ausdruck verliehen hat. Der Herr Staatsminister ging willig auf einige dieselben ein und behielt sich vor, auf andere noch zurückzukommen; betreffs der Eisenbahnen erklärte er jedoch bestimmt, selbst in einen vortheilhaften Verkauf derselben nicht willigen zu wollen, und zwar um kleineren Orten die Möglichkeit, eine Eisen bahnverbindung zu erhalten, zu wahren. Es spricht sich da ein Meinungszwiespalt zwischen einem VolkSwirth neuerer Schule, wie vr. Rentzsch es ist, und einem guten Haushalter, als welcher der Herr Finanzminister gelten muß, aus; doch glauben wir nicht, daß die Staats-Industrie sich für alle Zeiten erhalten kann. Ob sie jemals dann in Lassalle'scher Form wiederkehreu wird, bleibt abzuwarten. Bemerkenöwerth ist und bleibt aber doch die Wahrnehmung, daß, wie auch der Abg. Rentzsch hervorhob, dem Rechenschaftsbericht der Regierung viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. Es zeigt sich hierbei, daß die großen Fragen, welche das Reich berühren, heute auch bei uns mehr besprochen werden, als die kleineren, von welchen oft Wohl und Wehe der Gemeinden abhängt. Allerdings sagt dem Volke ein richtiges Gefühl, daß aller Fortschritt im Staatsleben gefährdet ist, wenn es katholischen und protestantischen Dunkelmännern einerseits, den Inter nationalen als Zerstörern der heutigen Gesellschaft anderer seits, gelingen sollte, die Oberherrschaft zu gewinnen, und es wendet somit auch mit dem gleichen richtigen Gefühl einem Vorkämpfer auf der Bahn des besonnenen Fortschrittes und der großen Politik überhaupt, wie dem Fürsten Bismarck, zu meist sein Interesse zu; versäumen sollte es aber darum das anderweitig Naheliegende im Staatsleben nicht. Es gilt, dem