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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.07.1898
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-07-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980709018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898070901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898070901
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-07
- Tag 1898-07-09
-
Monat
1898-07
-
Jahr
1898
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Reklamen unter demRedaction-strich («ge spalten) 50^, vor den Familiennachrtchtea (6 gespalten) 40^. Größere Schriften laut unserem Preis- verzeichniß. Tabellarischer und Zifirrnsatz nach höherem Tarif. Extra-Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung SO.—, mit Postbeförderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgab«: Vormittag« 10 Uhr. Morgen- Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halb« Stunde früher. Anzeigen sind stet« an die Er-editiBN zu richten. Druck und Verlag von L. Polz in Leipzig. 92. Jahrgang. Die Polen in der Provinz Posen. SS Während die Wahlen eine Zurückdrängung des Polen- thums in seiner Gesammtheit documentirt haben, hat die Provinz Posen an dieser Minderung des polnischen Einflusses nicht theilgenommen. Die Polen hatten in Meseritz und Lissa von vornherein auf die Aufstellung von Candidaten verzichtet, und wenn sie in Bromberg auch von den Deutschen besiegt wurden, so darf man diesen Sieg nicht allzu hoch veranschlagen, da im Wahlkreise Bromberg das Deutschthum und die evangelische Konfession beträchtlich überwiegen. Im Uebrigen aber haben die Polen in der Provinz Posen sich vollständig behauptet, während sie in Westprcußen nicht weniger als vier Sitze ein gebüßt haben. Es verlohnt wohl, zu untersuchen, woher dieser Unterschied des Erfolges in den beiden Provinzen stammt; man wird daraus vielleicht folgern können, wie man in der Provinz Posen verfahren muß, um auch dort in Zukunft ähnliche Erfolge erzielen zu können, wie diesmal in Westprcußen. Ins Auge fällt zunächst, daß sich beide Provinzen sehr wesentlich durch den Bestandtheil an polnischer Bevölkerung unterscheiden. Während in der Provinz Westpreußen die Polen nur ein Drittel der Bevölkerung ausmachen, bilden sie in der Provinz Posen mehr als drei Fünftel der Einwohnerzahl. Hier können sie also durch ihre Massenhaftigkeit das Deutschthum erdrücken und Wahlsiege der Deutschen verhindern. Die Massen allein aber würden den Sieg nicht erringen, wenn sie sich nicht einer eifrigen und zahlreichen Führersck-aft erfreuten. Es wird also vor Allem darauf ankommen, die Führerschaft nach Möglichkeit zu ver ringern. Wer sind diese Führer? Es sind die Gebildeten, die überall den leitenden Einfluß auf das Volt haben, ganz besonders aber bei den Polen, wo der Unterschied zwischen der Bildung der höheren Classe und der der breiten Masse des Volkes ein sehr viel größerer ist, als bei anderen Volksstämmen, z. B. bei den Deutschen. Der Gebildete wird von dem gewöhnlichen Polen wie ein höheres Wesen betrachtet, und darum sind die Guts besitzer, die Aerztc, die Anwälte^ die Beamten und die Geistlichkeit die geborenen Führer des Volkes. Der Großgrundbesitz ist in der Provinz Posen in viel größerem Maßstabe in polnischen Händen, als in Westprcußen. Hier in der Provinz Posen findet sich noch sehr viel polnischer Hochadel, der mit der Geschichte Polens eng verknüpft ist und darum ganz besonders den Mittelpunkt polnischer Bestrebungen bildet. Deshalb wird die Thätigkeit der Ansiedelungscommission in der Provinz Posen noch sehr verstärkt werden müssen, um den pol nischen Großgrundbesitz etwas rascher zu verringern, als es ihm in seiner bisherigen 12jährigen Thätigkeit gelungen ist. Der ärztliche Beruf hat mit der Politik an sich gewiß herzlich wenig zu thun. Daß aber auch die polnischen Aerzte für das Polenthum eifrig Propaganda machen, sieht man an dem ge planten, verständiger Weise von der Regierung verbotenen pol nischen Aerztecongreß in Posen. Die Aerzte wollen sich eben dafür dankbar zeigen, daß sie mit aller Kraft von der polnischen Geistlichkeit gefördert werden. Was den Staat anbelangt, so kann er zu seinem Theile das Ueberwuchern polnischer Aerzte nur dadurch verhindern, daß er ihnen amtliche Stellungen als Kreisphysikus, Kreiswundarzt oder Gefängnißarzt nicht ver leiht. Die Sache der deutschen Bevölkerung ist es natürlich, ihrerseits, wo es nur irgend angeht, von der Heranziehung pol nischer Aerzte Abstand zu nehmen. Die Anwälte sind naturgemäß ein Mittelpunkt der polnischen Bewegung. Sie haben durch ihren Beruf mit allen Schichten der Bevölkerung persönlich zu thun, sie sind auch durch ihren Beruf in besonderem Maße der Feder und des Wortes mächtig. Die deutsche Bevölkerung wird es noch weniger nöthig haben, sich eines polnischen Anwaltes als eines polnischen Arztes zu bedienen. Der Staat aber sollte nach Möglichkeit die polnischen Anwälte dadurch zurückdrängen, daß er ihnen das Notariat Feuilleton. Ein Triumph der presse. Zeitbild tin äe siöelo. Von Philipp Berge«. Nachdruck verboten. (Schluß.) IV. Die Herren der Nachtredaction des „Egyetertes" waren selbst verständlich Satiriker und Pessimisten, außerdem Junggesellen, wie die meisten geistigen Nachtarbeiter. Sie haßten und ver spotteten Alles, was mit dem lichten Tage zusammenhinz, weil sie selbst arbeiten mußten, während Andere sich — amüsirten. Daß jene Anderen in den Tagesstunden arbeiteten und in der Nacht etwa schliefen, fiel ihnen niemals ein, und wäre es ihnen eingefallen, so hätten sie diesen Gedanken sogleich als absurd und lächerlich verworfen. Unter diesen Umständen war es kein Wunder, daß der mit fiebergerötheten Wangen in die Redaction stürzende Janos mit verächtlichen Stichelreden empfangen wurde. Da seine Schwächen auch diesen Maulwürfen der Journalistik bekannt waren, vermuthete man, daß Janos von seinem Collegen in sp«, dem Herrn Kultusminister, komme. Die wichtigen Staats geheimnisse, die der Minister ihm anvertraut hatte, wollte er nun wahrscheinlich noch für die Morgenausgabe verarbeiten. Der Tagredacteur kümmerte sich jedoch nicht im Geringsten um seine finsteren Collegen, ihre Stichelreden prallten von ihm ab. Er befand sich in tiefer Hypnose. Schweigend nahm er vor seinem Schreibtische Platz, ließ da« elektrische Licht erglühen und rückte das Manuscriptpapier zurecht. Die ersten Bogen flogen in den Papierkorb, dann aber begann es wie auS einer Gewitterwolke in großen, emphatischen Worten von ihm zu strömen. Sensationell und unglaublich! Graueneregender Handel am Ende de» XlX. Jahrhunderts!!! Sin Mensch verkauft seinen lebenden Körper. Er verkauft ihn kaltblütig dem Vivisertor! nicht verleiht. Es läge darin um so weniger eine Ungerechtigkeit, als die polnischen Anwälte durch die Möglichkeit, sich in beiden Sprachen den Klienten gegenüber auszudrücken, einen bedeutenden Vorsprung vor ihren deutschen Collegen voraushaben. Wollen sie auf diesen Vortheil verzichten, so können sie ja ihre Praxis nach rein deutschen Gegenden verlegen, und dagegen, daß ihnen dort das Notariat verliehen wird, ist gewiß nichts einzuwenden. Polnische Beamte waren früher in der Provinz Posen sehr zahlreich vertreten, insbesondere in der Justiz und in der Eisen bahnverwaltung. Es ist wohl eine Besserung darin eingetreten, aber man sollte überhaupt unter allen Umständen von der An stellung polnischer Beamten in der Ostmark, und zwar ganz besonders in der Provinz Posen, Abstand nehmen. Wie wenig auf polnische Beamte Verlaß ist, zeigt der eben bekannt gewordene Fall, daß in Graudenz ein polnischer Briefträger polnische Wahlflugblätter in ein deutsches Blatt einschmuggelte. Höhere Beamte sind natürlich vorsichtiger, aber sie sind darum um so gefährlicher. Am wichtigsten wäre die möglichste Beseitigung der polnischen Geistlichkeit, aber gerade hier ist anzuerkennen, daß der Re gierung die größten Schwierigkeiten gegenllberstehen. Um so mehr sollte sie dort, wo sie die Macht in Händen hat, von dieser Macht Gebrauch machen. Nur wenn der Einfluß der pol nischen Führerschaft auf die Massen durch die möglichste Be seitigung dieser Führerschaft zurückgedrängt wird, darf man darauf hoffen, daß auch in der Provinz Posen die Wahlen in Zukunft ein erferulicheres Bild geben. DeutscheSonnwendfeierinDeutsch-Oesterreich. Zu den Mitteln, die in Oesterreich zur Befestigung des deutschen Volksthumes inmitten des Ansturmes seiner Bedränger dienen, gehört auch die Wiederaufnahme der altgermanischen Sitte der Sonnwendfeier. In einigen Gebirgsgegenden hatte sich die Sitte seit alten Zeiten erhalten, aber überall ist sie in hxn letzten Jahren neu belebt worden durch die nationalen Vereine .Deutscher Schulvcrein", ^SüdmarK u. s. w. Urberall wurde das Anzünden der Baldurfeuer (der Flammentod des altdeutschen Frühlingsgottes ist bekanntlich der Ursprung der Sonnwend feuer) von Weihesprüchen und nationalen Reden begleitet sowie vom Gesang der Wacht am Rhein und anderer nationaler Lieder, unter denen das deutsche Lied, das Bismarcklied und „Wenn Alle untreu werden" besonders beliebt sind. In diesem Jahre haben diese Sonnwendfeuer in allen Alpenländern eine fast all gemeine Verbreitung erhalten, selbst in Tirol, trotz dem Wider stände der Klerikalen; denn wenn auch das deutsche Volksthum zunächst gegen die slawische Hochfluth gestärkt werden soll, so ist die Wiederbelebung des altgermanischen Brauches doch zugleich gegen die Klerikalen gerichtet, die mit allen Mitteln gegen das neue „Heidenthum" schüren und das Landvolk aufzuwiegeln trachten. Besonders festlich wurde am 3. d. M. das Sonnwendfest in Leoben, der Hauptstadt von Obersteiermark, gefeiert. Ver anstaltet von den beiden Vereinen „Südmark" und „Deutscher Schulverein" und von der Stadtbehörde unterstützt, gestaltete es sich zu einem nationalen Volksfeste mit reich ausgestattetem Programm. Die ganze Stadt war beflaggt, vorwiegend in steirischen Farben und in Schwarz-roth-gold. Nur die Staats gebäude, Schulen rc. trugen keinen Flaggenschmuck. Ist doch erst kürzlich den Schülern des Gymnasiums nicht nur das Tragen von Kornblumen, sondern sogar der Gruß „Heil" bei schweren Strafen verboten worden. Schauplatz des vom Himmel aufs Schönste begünstigten Festes war der Stadtpark an der Mur mit seinen herrlichen alten Bäumen. Eine Reihe von Verkaufs buden war ausgestellt, die sämmtlich von Frauen und Mädchen der Stadt (meist in steirischer Tracht) aufs Anmuthigste bedient Wahrheit oder Verstellung?! Irrsinn oder Verzweiflung?! Wirklichkeit oder Dichtung?! Ein Menschenleben um 50 000 Gulden!!! * Heute Nacht, etwas nach 12 Uhr, saßen einander im Spiel zimmer des „CafS Oper" zwei junge Herren gegenüber, die sich freundschaftlich mit einander zu unterhalten schienen. Der Eine trug einen Hellen Ueberzieher, buntbebänderten Strohhut und Blumen im Knopfloch. Dieser junge Mann, der den Eindruck eines eleganten Weltmannes machte, war der Baron Göza Koranyi, wohnhaft Revay-utcza 14. Der Andere, welcher einen dunklen Gesellschaftsanzug trug, war ein Journalist — der Unterzeichner dieses Artikels —, allein in jener Stunde hatte er aus wohlerwogenen Gründen den Namen eines bekannten Arztes usurpirt. Die Zusammenkunft der beiden Leute war auf Verabredung geschehen und hatte durchaus nicht den Zweck einer freundschaftlichen Unterhaltung. Während draußen fröh liche Gäste plauderten, elegante Cavaliere mit gluthäugigen Schönen scherzten und die feurige Zigeunermusik Alle mit einem Flammenhauche wehmüthiger Lebenslust umspann, wurde zwischen jenen beiden Herren der grausigste, furchtbarste und unerhörteste Handel abgeschlossen, den die Phantasie ersinnen kann. Der junge Baron verkaufte um 50 000 Gulden seinen Körper an den vermeintlichen Arzt zum Zwecke der wissenschaft lichen Marterung. Denn der Verfasser jener Annonce, die wir am Kopfe diese» Artikel» abdrucken, ist kein Anderer, al» der Baron. Diese Annonce erschien im „Budapesti Hirlap". Wir klagen diese Zeitung an, leichtsinniger Weise Inserate aufzunehmen, welche ein Verbrechen bezwecken. Denn man vergegenwärtige sich nur! Ein Mnsch, welcher au» irgend einem zwingenden Grund Selbstmord begehen muß, vielleicht weil er in einem amerikanischen Duell das TodeslooS gezogen hat, der aber vorher noch seinen Ver pflichtungen nachkommen will, kommt auf die wahnsinnige Idee, seinen lebenden Körper zu wissenschaftlichen Zwecken verkaufen zu wollen. Und er verlaust ihn wirklich! Nicht etwa an einen Arzt oder Gelehrten, sondern an einen geheimen Vertreter der guten und großen Presse unsere» Vaterland»», jener Presse, deren Augen Nicht» entgeht, die weit aufmerksamer Wach« hält, wurden. Vorträge der Gesangvereine wechselten mit den Musik capellen ab. Für allerlei Volksbelustigungen war gesorgt, und auch eine Schnelldruckerei war am Platz, die eine Festzeitung, den Text der Wacht am Rhein und Aehnliches rastlos verviel fältigte. Alle Buden waren reich mit Grün, mit Kornblumen und mit Schwarz-roth-gold ausgeschmllckt. Mit Einbruch der Dunkelheit wurde ein mächtiger Holzstoß angezllndet, vor dem der Festredner, Professor an der Bergakademie Bauer, eine feurige nationale Ansprache hielt. Anknüpfend an die Türken gefahr, die vor Jahrhunderten die Ostmärker veranlaßte, Feuer auf den Bergen anzuzllnden, zur Warnung, daß der Feind nahe, erinnerte Professor Bauer daran, daß damals Burgen und Schlösser ihre Pforten öffneten, das bedrängte Volk einzulassen und zu schirmen. Dann fuhr er fort: „Auch jetzt drängt der Feind, der Erbfeind der Deutschen, das Slawenthum, gegen die deutschen Gaue der Ostmark. Heute aber öffnen sich die Thore der Schlösser nicht mehr zu unserem Schutze, und keine Glocke tönt zu unserer Warnung, denn die Ritter, welche auf den Burgen Hausen, stehen dem Kampfe entweder tyeilnahmlos gegen über oder sie haben sich zu unseren Feinden gesellt, wie die finsteren Römlinge, die über die Glocken gebieten. Nie und nimmer werden die Römlinge auf unserer Seite stehen, der Gegensatz ist zu groß, — hier das Licht, dort die Finsterniß! Jetzt sind wiraufunsereeigeneKraftangewiesen, um den Ansturm der Slawen abzuwehren, die lüstern die Hand nach deutschem Besitz ausstrecken. . . . Unsere Sonnwendfeuer sollen hinausleuchten in die laue Sommernacht; sie sollen ihnen sagen, daß die Deutschen nie verzagen und den Kampf ruhig, aber siegesbewußt aufnehmen. Sie sollen ihnen verkünden, daß wir bereit sind, mit Gut und Blut für unsere Muttersprache, für deutsches Wesen und deutsche Sitten einzutreten." Den Beschluß des Festes bildete der feierliche Gesang der Wacht am Rhein durch die das lodernde Feuer in mächtigem Kreise mit entblößten Häuptern umstehende Menge. In ähnlicher Weise, wenn auch nicht mit so reichem Fest programm, ist das Sonnwendfest überall von Nordböhmen bis hinab zur slowenischen Sprachgrenze gefeiert worden. Ueberall richteten die Festredner an die Versammelten die eindringliche Mahnung, nur noch der eigenen Kraft zu vertrauen. Wie ge bieterisch diese Nothwendkgkeit ist, geht aus der schon gemeldeten Thatsache hervor, daß das vom niederösterreichischen Landtage beschlossene Gesetz, das die deutsche Sprache für die ausschließ lich« Unterrichtssprache in den Volks- und Bürgerschulen Nieder österreichs erklärt, die allerhöchste Sanktion nicht erhalten hat. Deutsches Reich. Berlin, 8. Juli. Ueber die gewerblich-sociale Entwickelung Deutschlands veröffentlicht Pb. Arnold in der neuesten Nummer der „Socialen Praxis" eine ein gehende Studie, welcher die Hauptergebnisse der gewerblichen Betriebszählung vom 14. Juni 1895 zu Grunde liegen. Wir entnehmen ihr die nachstehenden Angaben. ES ist unleugbar, daß die gewerbliche Entwickelung Deutschlands von der Tendenz der Bildung größerer Betriebsformen beherrscht wird. Während die Zabl der Betriebe seit 1882 nur um 4,6 Procent gewachsen ist, nahmen die Gewerbethätigen um 39 Procenl zu. Trotzdem stebt das Kleing «werbe als Grundmauer der gewerblichen Production unerschüttert da; die BekleidungS, ReinigungS-, die Bc- herbergnngs- und Erguickungs-Gewerbc können auch gegen wärtig noch als Bollwerke des Handwerks bezeichnet werben, obwohl auch hier die Großbetriebe sich rascher vermehren, als die Kleinbetriebe. Im Allgemeinen aber trägt die gewerbliche Entfaltung Deutschlands ein großindustrielles Gepräge. Diese wirthschaftlichen Umwälzungen üben auf die sociale Schich als die Polizei, die sich eben auch fest und sicher auf die Presse stützen kann. Was den Todescandidaten angeht, so möge er die Indis kretion verzeihen, denn dieser Artikel soll ihm das Leben retten. Nicht nur der Verkauf des Körpers, sondern auch das ameri kanische Duell ist ungesetzlich — er komme zu sich, besinne sich und sei versichert, daß die Presse zum Segen in sein Leben ein greift. * * * Und nach dieser Einleitung, die nur so viel bedeutete, als das Oeffnen der Schleußen, schrieb Janos mit Windeseile einen ganzen Roman, der mindestens zwölf Capitel umfaßte und fünf Spalten lang war. Zuerst kam „der Roman", in welchem die Geliebte des Barons, ihre Herkunft, ihr Beruf (Bühne natür lich!), ihr Aussehen so genau geschildert waren, als ob der streb same Janos sie dem Baron eigenhändig abspenstig gemacht hätte, daneben lieferte er ein Portrait des Verführers, um das jeder Photograph ihn hätte beneiden dürfen. Dann kam als zweiter Abschnitt „eine düstere Lotterie" — hochdramatisch! schauerlich! voll von prickelndem Reiz. Man sah die beiden Männer, wie sie keuchend auf da» weiße Papierchen starren, welches die Schau- spielerin aus dem hingehaltenen Hute zieht, man sieht, wie der Zettel entfaltet wird und dem „Geliebten" einen Seufzer der Erleichterung entlockte, während der unglückliche Baron davon stürzt. Nun folgte eine breite Betrachtung des Inserates, eine Schilderung der Empfindungen, die es in der Heldenbrust unseres Janos wachrief; eine Reproduktion des Briefwechsels zwischen dem Journalisten und dem TodeScandidaten und endlich die Zu sammenkunft im Cafö. Das Gespräch ließ Janos in den buntesten Farben schillern, er riß den anatomischen Atlas aus seinem Fache und begann, indem er sich einbildete, er sei ein Vivisector, in den Eingeweiden des Barons herumzuwühlen. Er impfte ihm alle möglichen Krankheiten ein, darunter einige, die noch gar nicht entdeckt waren, er sägte ihm die Glieder einzeln ab, kurz, er lieferte ein Bild, bei dessen Betrachtung den Lesern ganz gewiß übel zu Muthe werden mußte. Und dann schloß er seinen Artikel mit einer Apotheose der ungarischen Presse, die ihr strahlendes Licht über den ganzen Erdball verbreite, die nicht nur Unheil entdecke, nachdem ei geschehen sei — oh nein, die vielmehr das Unheil verhindere, ehe e» reif sei. Die ungarische Press» «iz«n! tung deS Gewerbepersonals einen sehr großen Einfluß. 1882 standen 3 Millionen Unternehmern 4,2 Millionen Arbeiter, 1895 6,8 Millionen gegenüber. Zu den Unternehmern rechnet die Gewerbestatistik zunächst 300 000 Hausindustrieile Meister. Ihre Zahl ist seit 1882 um rund 42000, d. h. II Proc, gesunken, und zwar sind e« vor Allem die Allein meister, deren Zabl zurückging, während die hausinkustrieUeu GehilfenbetriebSinhaber zugenommen haben. Die Annahme, daß die Hausindustrie überhaupt einem unaufhaltsamen Verfall geweiht sei, ist falsch; in der Schuhmacherei, Tischlerei, Korbmacherei, Tabakfabrikation gedeiht sie viel mehr vortrefflich. Von den Unternehmern im gewerbe statistischen Sinne entfällt ferner die Hälfte auf Alle in - betriebsinhaber des KleinhandwerkS und des Kleinhandels. Diese meistens schlechtgestellten Unter nehmer sind im Rückgänge begriffen, während die lebens kräftigeren Gehilfenbetriebe im Kleingewerbe sich vermehrten. Wie hier eine erfreuliche Befestigung des gewerblichen Mittelstandes sich vollzieht, so bildet sich im Großgewerbe ebenfalls ein Mittelstand, das höhere gewerbliche Hilfspersonal, heraus. Tie Grundfarbe deS socialen Bildes bleibt aber darum doch dieselbe. Die Unternehmer der Gehilfenbetriebe vermehrten sich etwa um 200 000, das höhere Hilfspersonal um 240 000, die Arbeiter um 2,6 Millionen. Zum Schluß sei mit einem Wort auf die Veränderungen innerhalb der socialen Classen eingegangen. Tie Zahl der gewerbethätigen Frauen ist seit 1882 von 1,5 Millionen auf 2,3, also um 55 Proc. gestiegen, wogegen die gewerbethätigen Männer sich nur um 36 Proc. vermehrten. Berlin, 8. Juli. Nachdem die Wahlen vorüber sind, hat ter Abg. Richter den durch die bekannte Waklerklärung mit der Freisinnigen Vereinigung abgeschlossenen Waffenstill stand für abgelaufen erachtet und die Feindseligkeiten gegen die „Freisinnige Vereinigung" wieder aus genommen. Eine Episode in diesem „Versöhnungskrieg" — wie ihn radikale Blätter spöttelnd nennen — war eine Aus einandersetzung über die Fusion von 1884, die an eine von Professor Pbilippson verfaßte Biographie von Max Forkenbeck ankuüpfte. Darin war dem Abg. Richter nachgesagt, daß er 1884 für die Verschmelzung mit der Liberalen Vereinigung und die Gründung der deutschfreisinnigen Partei gewesen sei, weil er wünschte, „di: finanziell potenten Männer des reichen Bürgerstandes, die sich in großer Zabl der Secession angeschloffen hatten, für die Part eic ässe der Fortschrittspartei fruchtbar zu machen." Die Frei sinnige Zeitung" antwortete darauf entrüstet: „Das ist eine boshafte, vollständig aus der Luft gegriffene Erfindung. Kann man überhaupt Politiker ärger herabwürdigen, als in dem man ihnen sür politische Entschließungen von großer Tragweite solche äußerlichen, rein nebensächlichen Gründe unterschiebt?" An derselben Stelle wird heute dem zur freisinnigen Vereinigung gehörenden „Bauernverein Nordost" in zwei Spalten nachgewiesen, daß er liberalen Leuten „weder für den Anschluß noch für die Nachahmung zu empfehlen sei." Als besonders schwere Sünde wird dem Verein an gerechnet, „daß die Geldmittel aus dem Verband zur Be kämpfung der Agrarier stossen, mithin eine Quelle, zu deren Speisung seiner Zeit auch Mitglieder der freisinnigen Volkspartei in beträchtlichem Umfange beigesteuert haben." Daraus darf man aber nicht die entsprechenden Schlüffe ziehen. „Denn das ist eine boshafte, vollständig auS der Luft gegriffene Erfindung. Kann man ... rc." tt Berlin, 8. Juli. Der Verkehr der Fabrikauf sichtsbeamten mit den Arbeitern hat sich im Jahre 1897, wie aus den entsprechenden Berichten hervorgeht, in einzelnen Bezirken und namentlich in den industriellen ge- Als Kiralyi Janos unter dieses journalistische Meisterstück seinen Namen setzte, war es längst Heller Tag. Die Nacht-Re- dacteure waren heimgegangen. Die Sonne rückte bereits an die Redactionsfenster heran, versetzte unfern Janos aber heute nicht in Stimmung. Nachdem er sein Manuskript in die Druckerei gesandt hatte, sank er in seinem großen Lehnstuhl förmlich zu sammen. Er hatte sich so leer geschrieben, daß ihn eine unheim liche Katerstimmung erfaßte. Merkwürdige Gedanken, nüchterne Beobachtungen stiegen in ihm auf, er war geneigt, sein ganzes Erlebniß für einen wüsten Traum, oder, falls die Wirklichkeit nicht anzuzweifeln war, sich selbst für das Opfer eines unglück lichen Scherzes zu halten. Schließlich verwirrten sich seine Ge danken und er sank in einen schmerzhaften Halbschlummer, aus dem ihn erst der Eintritt des Redactions-Secretairs weckte. Nach und nach kamen auch die anderen Herren — einige mürrisch und in sich gekehrt: Das waren Die, welch« später lustig wurden; Einige mit Hallo und Trara: das waren Die, welche während d«r Arbeit wild und bissig wurden. Alle aber brachten Leben mit, das auch auf unseren armen übernächtigen Janos übersprang und ihn mit neuem Enthusiasmus erfüllte. Jetzt freute er sich schon auf den köstlichen Moment, wenn er die Cor- rectur seines grandiosen Artikels dem Chef-Redacteur zur Be gutachtung vorlegen würde. Neue Kraft strömte in seine Adern und ließ ihn fleißiger und correcter arbeiten als je. Als der Chefredacteur wegen des bleichen Aussehens unseres Janos eine Bemerkung machte, lächelte dieser nur still — Niemand ahnte ja, daß er die ganze Nacht hier hindurch auf diesem Stuhl und an diesem Pult gearbeitet hatte. Nur noch wenige Minuten, dann mußte ja der Druckbogen herüberkommen und allen Collegen die That des erfindungsreichen Kiralyi vor Augen führen. Allein diese wenigen Minuten bargen in ihrem Schooße ein weit ge waltigeres Abenteuer als dasjenige, welches bereits zu Papier gebracht war. Eben sank jene feierliche Ruhe der Arbeit auf die Stätte der geistigen Gymnastik hernieder, als man auf der Treppe ein Stolpern und Fluchen und gleich darauf einen heftigen Wort wechsel hörte. „Was! Sie wollen mich nicht hineinlassen, müssen mich erst melden", schrie eine Stimme den Portier an. „Fork da, Du Esel! Oder ich schlage Dir den Schädel ein. Meine Sach« hat tödtlich» Eile!"
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