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Schönburger Tageblatt Erscheint täglich mit Ausnahme der Tage nach Sonn- und Festtagen. Annahme von Inseraten für dis nächster- scheinende Nummer bis nachmittags 2 Uhr. Der Abonnementspreis beträgt vierteljähr lich 1 Mk. 25 Pf. Inserate pro Zeile 10 Pf., Einges. 20 Pf. Expedition: Waldenburg, Kirchgasse 255. —— und Waldenburger Anzeiger. Amtsblatt für den StadtrM m Waldenburg. Filialen: in Altstadtwaldenburg bei Herrn Kaufmann Beruh. Schuppe; in Penig bet Herrn Kaufmann Rob. Härtig, Randelgasse; in Rochsburg bei Herrn Buchhalter Fauth; in Lunzenau bei Hrn. Buchhdlr. E. Dietze, in Wechselburg bei Herrn Schmied Weber; in Lichtenstein b. Hrn.Buchh. I. Wehrmann. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichtenstein-Calluberg und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, St. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Langenchursdorf, Langen« leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Obergräfenhain, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rüßdorf, Schlagwitz, Schwaben, Steinbach, Wechselburg, Wiederau, Wolkenburg und Ziegelheim. Mittwoch, den 14. December 1887. 2tw Witterungsausfichteu für den 14. December: Veränderliche Bewölkung bei steigender Temperatur. Barometerstand am 13. December, nachmittags 3 Uhr: 760 mm. Gefallen. "Waldenburg, 13. December 1887. Die entscheidende Abstimmung über die Kornzoll vorlage wird in dieser Woche im Reichstage erfolgen. Wie die Dinge heute liegen, ist fast keine Aussicht vorhanden, daß die Regierungsvorlage mit dem 60- - Mark-Zoll für Roggen und Weizen angenommen wer- > den wird, und an eine Aenderung dieser Aussichten ist , nicht so leicht mehr zu denken. Fürst Bismarck ist > leidend, wie aus Friedrichsruhe gemeldet wird, und ! wird also nicht zu der Zoll-Debatte nach Berlin kom- ; men. Allem Anschein nach macht er aus dieser An- > gelegenheit keine Existenzfrage für den Reichstag, und j wenn die Bestimmungen der Regierungsvorlage ver worfen werden, so wird der Reichstag darum nicht aufgelöst. Diese Annahme wird zur Bestimmtheit, wenn man an die Worte denkt, die s. Z. der preu ßische Landwirthschaftsminister I)r. Lucius im Berli- ! ner Abgeordnetenhaus sprach, als er erklärte, die preu- § ßische Regierung sei bereit, den Antrag auf Erhöhung der Kornzölle im Reichstage einzubringen. Ganz aus drücklich betonte er, daß in dieser Angelegenheit die Reichstagsmehrheit das entscheidende Wort zu sprechen habe, nicht die verbündeten Regierungen. Damit ist gesagt, daß die verbündeten Regierungen den Wünschen des Reichstages nach einer Getreidezollvorlage entspre ch.-» wollten; für die Annahme derselben müßte aber vor Allem der Reichstag selbst sorgen, eine Kabinets- frage, wie bei der Militärangelegenhelt, werde daraus nicht gemacht. Die bisherigen Beschlüsse der Com mission über die Kornzölle sind bekanntermaßen gleich Null; dort ist gar nichts zu Stande gekommen. Ur sprünglich erwartete man ein anderes Resultat, man glaubte an eine unbedingte Mehrheit der Anhänger der Regierungsvorlage; wie sich jetzt gezeigt, war in der Commission überhaupt keine feste Mehrheit für diese Frage vorhanden, und da die Commissionen in ihrer Zusammensetzung ein ziemlich getreues Spiegel bild des Plenums des Reichstages geben, so kann man sagen, das jetzt auch im Reichstage selbst die sichere Mehrheit fehlt. Sie kann freilich noch durch Verein barungen geschaffen werden, aber, wie die Commissions verhandlungen lehren, ist eine Vereinbarung auf Grund ! des 60-Mark-Zolles unwahrscheinlich. Wenn sich die ' Anhänger der Regierungsvorlage dazu verstehen woll- ; ten, den mittleren Zollsatz von 50 Mark für Weizen und 40 oder 4b Mark für Roggen anzunehmen, so würde eine unbedingte Mehrheit sofort gesichert sein; daß sich von den Anhängern des niedrigeren Zolles eine größere Zahl zu dem höheren Zoll bekehrt, war nur für den Fall anzunehmen, daß Fürst Bismarck persönlich mit der ganzen Wucht seines Ansehens für den 60-Mark-Zoll eingetreten wäre. Das geschieht aber nicht, und damit entfallen auch die weiteren Fol gen. Das wahrscheinliche Endresultat, das wohl erst in dritter Lesung zu Stande kommen wird, wird wohl Annahme der vorstehend genannten mittleren Zollsätze sein; die Anhänger des höheren Zolles würden dann eben nehmen, was sie erhalten können. Die Kornzoll frage ist eine ungemein wichtige wirthschaftliche Frage, ihre Verhandlung wird deshalb nicht nur ein außer ordentlich gut besetztes Haus aufweisen, sondern auch mehrere Tage noch in Anspruch nehmen. Auf die Frequenz des Hauses wird es freilich zum Schluß weit mehr noch ankommen, als auf die Reden, denn ein ganz zufällig schwächerer Besuch auf der einen Seite könnte Ue erraschungen Hervorrufen, die aller Prophezeiungen Lotten. Unter solchen Umständen ist es erklärlich, wenn die entscheidenden Abstimmungen mit besonderer Spannung im ganzen deutschen Reiche er wartet werden. Die politische Situation schwankt noch immer zwi schen Krieg und Frieden. Daß man selbst in unseren leitenden Kreisen nicht aufgehört hat, die Lage für durch aus ernst anzusehen, erhellt aus einer Mittheilung, welche die „Berl. Pol. Nachr." versenden. Es heißt darin: „Es ist aufgefallen, daß deutsche Blätter ver schiedener Parteischattirungen in den letzten Tagen Nach richten über Fragen der auswärtigen Politik gebracht haben, welche, wenn schon der Versuch gemacht wurde, den Ursprung derselben dadurch zu verdecken, daß man sie aus verschiedenen Hauptstädten (Petersburg, Wien, Berlin) datirt hat, doch unverkennbare Anzeichen da für tragen, daß sie aus einer und derselben Quelle stammen. Der ehrliche Glaube derjenigen Blätter, welche diese Nachrichten, die ihnen in der üblichen Weise der Reporterberichte zugestellt sein dürften, ab gedruckt und sie zur Unterlage weiterer Ausführungen benutzt haben, soll keineswegs in Frage gestellt wer den. Wir müssen jedoch aufmerksam darauf machen, daß mit der Verbreitung jener Nachrichten von interes- sirter Seite eine Darstellung der heutigen Weltlage angestrebt wird, die dem wirklichen Thatbestande nicht entspricht und die nicht nur von hier, sondern auch anderwärts ein nicht ungefährliches weil unbegründetes Gefühl der Sicherheit zu erzeugen geeignet ist." Auch die „Nordd. Allg. Ztg." weist in einer kurzen Bemerkung darauf hin, daß sich weder in gutem, noch in bösem Sinne etwas geändert habe. Das Blatt schreibt: „Die infolge der russischen Truppen-Anhäu- fungen längs der galizischen Grenze geschaffene Situa tion hat zur Zeit noch keine Aenderung, weder zum Günstigen, noch zum Ungünstigen, erfahren." Politische Rundschau. Deutsches Reich. KaiserWilhelm erledigte am Montag Vormittag Regierungsgeschäfte und empfing am Nachmittag den Besuch der Großfürstin Katharina von Rußland. Später hielten Minister von Puttkamer und Graf Herbert Bismarck Vortrag. Kaiserin Augusta empfing am Sonntag Nachmittag das Reichstagspräsidium in kurzer Audienz. Der Kronprinz von Griechenland ist Sonntag Abend von Berlin nach Athen, der Erbprinz und die Erbprinzessin von Meiningen sind Montag Abend von Berlin nach San Remo gereist. Der Seniorenconvent des Reichstages beschloß am Montag, die Getreidezollvorlage und den eben ein gegangenen Entwurf betr. die Verlängerung des Han delsvertrages mit Oesterreich vor Weihnachten noch vollständig durchzuberathen, außerdem die Militärvor lage in erster Lesung. Sonnabend dieser (oder Diens tag nächster) Woche beginnen die Ferien, die bis zum 15. Januar dauern sollen. Der im Reichstage eingebrachte Gesetzentwurf betr. die Verlängerung des deutsch-österreichischen Handelsvertrages lautet: „Der am 23. Mai 1881 zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn abge schlossene Handelsvertrag nebst Schlußprotokoll vom gleichen Tage soll bis zum 30. Juni 1888 in Kraft bleiben. In dem Falle, daß keiner der vertragschließen den Theile vor dem 15. Februar 1888 seine Absicht, die Wirkung des gedachten Vertrages aufhören zu lassen, angezeigt haben sollte, bleibt derselbe bis zum Ablauf eines Jahres von dem Tage ab, an welchem der eine ! oder der andere der vertragschließenden Theile ihn ge- ! kündigt haben wird, in Kraft. ! Die Commission des Reichstages zur Vorberathung ; des Gesetzentwurfes betr. die Unterstützung von : Familien in den Dienst eingetretener Mannschaften j hat den Gesetzentwurf mit unwesentlichen Aenderungen s in erster Lesung angenommen. Die „Wiener Med. Zentral-Ztg." schreibt über das s Leiden des deutschen Kronprinzen, daß allerdings i die Aerzte an der Richtigkeit ihrer Krebsdiagnose zu < zweifeln begonnen hätten und glaubten, es handle sich ! um die heilbare Kehlkopf-Knorpel-Entzündung, die dem i Krebs sehr ähnlich ist. Dagegen erhält das Londoner ! Regierungsblatt „Standard" vom letzten Sonntag ein > Telegramm aus San Remo, in welcher gesagt wird, i das bösartige Gewächs am Kehlkopf des Kronprinzen ! sei unzweifelhaft Krebs, die Aerzte hätten ihre Meinung j nicht im Geringsten geändert. Aber da das Gewächs von kleinem Umfange sei, hoffen die Aerzte, daß die wunderbare Körperconstitution des Kronprinzen für lange Zeit einen unglücklichen Ausgang verhindern werde. Der Kronprinz wisse das genau. Lord Tempeltown überbrachte ihm einen Brief der Königin Victoria. Fürst Bismarck hat in Friedrichsruhe an einem Anfall von Darmkolik gelitten. Das Uebel ist aber bereits gehoben, und der Kanzler bedarf nur noch der Diät und Ruhe. Der Kanzler hatte sich bereits seit Mittwoch voriger Woche unwohl gefühlt, und bekam dann in der Stacht zum Sonnabend einen Kolikanfall. Professor Schwenninger kam Sonnabend nach Fried richsruhe, reiste aber am Sonntag schon nach Berlin zurück, da keinerlei Gefahr vorlag. Am Sonntag ist Fürst Bismarck, der nur noch einige Tage Ruhe bedarf, schon wieder ausgefahren. Gerüchte von einem Schlag anfall sind total falsch. Durch das neue Wehrgesetz, dessen Annahme im Reichstage allseitig als zweifellos erachtet wird, wird die deutsche Wehrkraft bedeutend verstärkt werden. Deutschland wird an gedienten Mannschaften mit einem Schlage etwa 1,800,000 Mann aufbieten können, zu welchen im Nothfall der Landsturm treten würde. Im Ganzen kann das Reich etwa 3 Millionen waffenfähige Männer auf die Beine bringen. Der Londoner „Standard" ergänzt die bisherigen Mittheilungen über die bekannte Fälschungsange legenheit durch folgende Angaben: Die gefälschten Actenstücke zerfallen in zwei Abtheilungen. Die erste besteht in Actenstücken in der üblichen diplomatischen Form, welche durch die gewöhnlichen amtlichen Wege nach dem russischen Auswärtigen Amt geleitet wurden; die zweite besteht aus ganz vertraulichen Schriftstücken, welche dem Czaren in Kopenhagen durch hochstehende Verwandte, deren Mitwirkung genügen würde, die Hef tigkeit der Angriffe deutscher Blätter gegen dieOrleani- sten zu erklären, vorgelegt wurden, die Actenstücke der ersten Abtheilung sind weniger stark ausgeprägt; und compromittirend, als jene der zweiten Abtheilung, welche anscheinend bestimmt warm, den Argwohn des Czaren, der bereits vor dem Aufenthalt in Kopenhagen erregt worden war, zu verstärken und in eine bestimmte Form zu bringen. Der Zweck der Fälschung scheint ein zwiefacher gewesen zu sein, nämlich den Czaren in eine active deutschfeindliche Politik hineinzuhetzen und zugleich dem Fürsten Ferdinand das Wohlwollen des Czaren wiederzugewinnen, indem man letzterem in Unterstützung der persönlichen Ergebenheitserklärungen des Fürsten