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Sonntag. Nr. SU. S. September I8SS KeiPZtY. Die Zeitung erscheint »ut Ausnahme des Montags täglich und wird Nachmittags -1 Uhr aus gegeben. Mrei» für das Viertel jahr I'/- Thlr.; jede ein zelne Nummer 2 Ngr. MW Allgemeine Zeitung. «Wahrheit und Recht, Freiheit und GesetzI» Zu beziehen durch all- Postämter des In- nnd Auslandes, sowie durch die Erpcditwn in Leipzig (Querstraße Nr. 8). Hinsertion-gebühe für den Raum einer Zeile 2 Ngr. Deutschland. Baiern. München, 6. Sept. Die Kammer der Abgeordneten nahm heute Nachmittag die Präsidentenwahl vor. Bon 133 Stim menden erhielt Graf Hegnenberg-Dux (der frühere Präsident der aufge lösten Kammer) 132 als erster Präsident. Morgen werden die Sccretäre und der zweite Präsident gewählt. (Allg. Z.) Hannover. L Hannover, 6. Sept. In dem zunächst der braun schweigischen Grenze gelegenen hannoverschen Dorfe Mackensen und in dessen braunschweigischem Nachbardorfe Dassel sind in den letzten Tagen nicht we niger als 17 Fälle von Vergiftung durch Mutterkorn vorgckommen. Die Krankheit äußert sich bei den von ihr Ergriffenen durch Mattigkeit im ganzen Körper, Unlust zur Arbeit, sodann durch ein Gefühl von Taub heit und Kribbeln in Händen und Füßen, und zuletzt treten heftige Krämpfe, welche besonders die Beugemuskeln der Hände und Vorderarme, der Füße und Unterschenkel ergreifen, hinzu. Mit ihnen sind solche Schmerzen ver bunden, daß die Patienten laut jammern und schreien; bei einigen Kran ken steigerten sich die Krämpfe bis zum Trismus und Tetanus und fehlten bei diesen auch die Symptome, welche auf ein tieferes Ergriffcnsein des Gehirns und des Rückgrats deuteten, nicht. Die Entwickelung der durch den Genuß von mit Mutterkorn vermengtem Roggenbrot entstandenen Krankheit trat zuweilen am dritten, zuweilen aber auch erst am vierten, sechsten oder achten Tage ein. Die Patienten sind durch den thätigen Bei stand des Di-, meä. Kremling zu Dassel sämmtlich gerettet worden. Als bemerkcnswerlh ist noch hinzuzufügen, daß in den Jahren 1770 und 1771 die Vergiftung durch Mutterkorn in Norddeutschland, namentlich aber in und um Celle, epidemisch auftrat und sich so tödtlich zeigte, daß in Celle allein von 600 Kranken 97 starben. Thüringische Staaten. Gotha, 5. Sept. Die in der Sitzung der Bundesversammlung vom 19. Juli d. I. von Seiten unscrs Staats- nünisteriums übergebene Rechtfertigung gegen die ritlerschaftliche Be schwerdeschrift ist als Manuscript gedruckt worden und führt den Titel: „Darlegung des Ungrundes der Beschwerde der Fürsten von Hohenlohe und einiger Rittergutsbesitzer in Betress der landständischen Verfassung des Her- zogthums Gotha." Diese vom Legationsrath Samwec verfaßte Darlegung ist in Abschnitte eingetheilt. Der erste derselben gibt eine Uebersichl der vormaligen gothaischen Verfassung und weist nach, daß diese meist nur auf Herkommen und landesherrliche Verordnungen basirte Verfassung sowol in juristischer als materieller Beziehung mangelhaft gewesen sei und durch die Nichtexistenz der Vertretung des freien Bauernstandes den von den Bun- deSgrundgesetzen ausgesprochenen Bedingungen einer allgemeinen Repräsen tation nicht entsprochen habe. Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit dem Nachweis, daß die Reclamanten zur Bcschwerdeführung überhaupt nicht legitimirt gewesen seien und daß, wenn auch die Beschwerde einer ständi schen Minorität denkbar wäre, dies nicht auf die gothaischen Zustände An wendung finden könne, da die gothaische Landstandschafl nicht Individual recht war. Der dritte Abschnitt führt die Behauptung durch, daß der Lan desherr die gesetzgebende Gewalt besessen und im Besitz des Rechts gewesen sei, die Verfassung auch ohne Zustimmung der Stände zu ändern. Der vierte Abschnitt zeigt durch Zusammenstellung der historischen Data aus dem Jahre 1818, daß diese landständische Zustimmung (z. B. durch die Bc- theiligung an den Wahlen zu dem constituircnden Landtage vom 18. Juni 1818) von den damaligen Ständen dennoch ertheilt worden sei. Am in teressantesten ist der letzte Abschnitt, da er mit logischer Schärfe die Waffe des Art. 56 der Wiener Schlußacte, deren sich die Reclamanten gegen die dermal,igc Verfassung bedienten, für diese Verfassung benutzt. Es wird nämlich nachgewiesen, daß die dermalige Verfassung seit sechs Jahren in anerkannter Wirksamkeit besteht, und daß sogar die Reclamanten, indem sie an die aus dieser Verfassung hervorgegangenen Landtage Eingaben rich teten, für die Gültigkeit derselben ein-Zugeständniß abgegeben haben. Der von den Reclamanten in Anspruch genommene Art. 56 der Wiener-Schluß- acte stelle aber auch den von , der Bundesversammlung schon mehrmals in Anwendung gebrachten'Grundsatz auf, daß die in anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischem Verfassungen nur auf verfassungsmäßigem Wege wieder abgeändert werden können, und es stehe deshalb dem Bundestage, der die Aufgabe habe, das wirklich Bestehende zu erhalten, die Competenz nicht zu, wie dermalige gothaische Verfassung zu.alteriren. Zum Schluß erinnert die Rechtfertigung daran, daß die vormalige gothaische Verfassung in den gegenwärtigen Verhältniffem nirgends mehr einen Anhalt finden und nicht einmal wieder in Wirksamkeit gesetzt werden könne, während im Ge gensatz die dermalige in anerkannter Wirksamkeit bestehe. (Nat.°Z.) — Nach der Kasselschen Zeitung hat der lippesche Geheimrath Laurenz Hannibal .Fi sch er dem Justizeollegium in Koburg angezeigt, daß er nicht als seine: Pflicht erkenne, sich auf Hie wider ihn wegen Majestätsbeleidi gung erhobene Klage einzulassen, und es der Behörde überlasse, seine Cau- tion einzuziehen, wenn sie sich hierzu für berechtigt erachte. Oesterreich. Dem Pester Lloyd schreibt man aus Wien untcrm 1. Sept.: „Ich habe Ihnen neulich geschrieben, daß die österreichische Ne gierung eine Note an das neapolitanische Gouvernement abgeschickt habe, worin sie dieses vor allen unvolksthümlichen Maßnahmen gewarnt und ihm die Einführung von zeitgemäßen Verbesserungen anempfohlcn hat. Ich kann Ihnen die erfreuliche Mitthcilung machen, daß unsere Regierung eine« ähnlichen Antrag jetzt auch in Frankfurt intcndirt hat und die Bundes- Versammlung demnächst zu einer Revision der Verfassung in jenen Sinne auffodern wird, wie eS vor dem Jahre 1818 in Rücksichtnahme auf die damaligen Zeitbedürfnisse schon beantragt war. Oesterreich hat zwar in den letzten Jahren eine durchaus volksthümliche Politik verfolgt und da durch in Deutschland an Popularität außerordentlich gewonnen ; dieser neueste Schritt aber, welcher beweist, wie sehr cs ihm überall nur um die Fortbil dung der aus aller Zeit überkommenen Institutionen zu thun ist, wird die wachsende Zahl seiner Anhänger im «Reich» unendlich vermehren und seinen Bemühungen um eine Einigung über die großen Tagesfragcn den Erfolg sichern." Italien. Sardinien. Turm, 1- Sept. Morgen früh um 9 Uhr wird in dem geräumigen Local des Circussaals ein zweites Monstremccting in der Stenerangelcgcnhcit staltfinden; cs werden dazu viele Deputationen aus Genua und verschiedenen andern Theilcn des Landes erwartet. Sineo, Valerio, Bottone, der Priester Asproni und noch andere Kammermitglieder von der Linken werden präsidiren. Auch der Advocat Broffcrio wird dabei nicht fehlen, und cr hat bereits in seiner „Voco pnoZnosso commer- vislci" prophezeit, daß diese großen Volksversammlungen das Vorspiel des von den Steuerpflichtigen so heiß ersehnten Sturzes des Grafen Cavour sein würden. Inzwischen sollen die Behörden energische Maßregeln getroffen haben, um etwaigen Unordnungen auf Anlaß der morgenden Versammlung vorzubeugen. In Tortona las man vorgestern an verschiedenen Orten Mauer anschläge voll von Drohungen gegen die Regierung und die Gemeindever waltung; immer wegen der vielgenannten Steuern. Ebenso in Voghera und Slradella. — Die politischen Neuigkcitskrämcr beschäftigten sich wäh renddessen abermals mit phantastischen Projccten einer Neugestaltung Italiens, bei der auch Piemont, dank seinem Beitritt zu der englisch- französischen Allianz und seiner Bctheiligung am Kriege im Orient, nicht zu kurz kommen würde. Der Korrespondent des Cittadino d'Asti, der jeder zeit ministeriell inspirirt zu sein behauptet, gibt es als sicher, daß Piemont die Hcrzogthümcr Parma und Piacenza erhalten wird; der brave Mann versichert, die regierende Herzogin sei ganz damit einverstanden, gegen eine Geldentschädigung zurückzutrelcn, und über die Summe habe man sich schon beinahe geeinigt. Ein Correspondent der Specola bringt eine etwas ab weichende Lesart dieser Gerüchte, insofern cr uns nicht Parma und Pia cenza, sondern die Lombardei zutheilt. (Allg. Z.) Telegraphische Berichte wiener Blätter aus Turin vom 1. Sept, lauten: „Ein Steuerreformmeesing ist hier abgehalten worden, etwa 1000—1500 Personen waren hahei anwesend. Den Vorsitz führten Sineo, Brofferio, Cantara, Valerio und Buttini. Die vorzüglichsten Redner waren Jnario, Romagnoli, Sacerdoti u. A. Die Anträge waren thezlS nur auf die Organisation der Einkommensteuer, theils auf die Einberufung des Par laments zur allgemeinen Steuerreform gerichtet. Eine permanente Com mission zur Durchführung der Meetingebeschlüsse wurde gebildet." — Aus Genua schreibt man der Jnde'pendance belge unterm 1. Sept.: ,-Die neulich angekündigle Broschüre, die eine Art Programm der mu- ratistischen Partei sein soll, führt den Titel: «Die italienische Frage: Murat und die Bourbons», und wird einem ehemaligen italienischen Mi nister zugcschrieben, der mit dem Prinzen Murat sehr liirt ist. Die.Bro- chüre vergleicht, nachdem sie von der Unabhängigkeit Italiens im Allge meinen gesprochen hat, die Regierung Neapels unter Joachim Murat und den Bourbons. Der Schluß, den sie daraus zieht, ist, daß Mural'ö Regierung eine Regierung des Fortschritts war, die der: Bourbons eine der Reaktion. Prinz Lucian Murat, Sohn des Joachim, soll, von denftlhen Gesinnungen wie sein Vater beseelt sein, ein Anhänger der Freiheit, und der Demokratie, Feind der Jesuiten, Haupt der Freimaurer. , Einseitig ist die Broschüre, insofern sie im Prinzen Mural die einzige Lösung sieht und des Hauses Savoyen und seiner Verbimste um Italien mit keinem,Worte gedenkt. Die Schrift ist anonym, was ihr aber das muratistische Gepräge aufdrückt, ist der Brief des Prinzen Lucian Murat an seinen Neffen, mit dem sie schließt. Derselbe lautet: Mein theurer Neffe, da ich so wie du die Ansicht, habe, daß ich die einzig nwg-