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geister Schar in des Abgrunds Tiefen hinab zur ewigen Nacht", der vom Chor in heftigen klang lichen Gebärden im Fugato „Verzweiflung, Wut und Schrecken begleiten ihren Sturz" durchgeführt, vertieft, vereindringlicht wird, so daß sich die daraus nach mehrfacher Steige rung nun hervorwachsende Lösung davor um so beschwörender abzeichnet: „Und eine neue Welt entspringt . . Die Nähe der Ideen Rousseaus ist offenbar. Denn diese neue Welt ist eine natürliche, in der der Mensch harmonisch lebt und in der er sich seinem eigentlichen menschlichen Wesen nach entfalten kann. So ist dem N'aturbild stets Tjrh der gesellschaftliche Bezug immanent. In ’rmischen, aufgewühlten Sechzehntel-Läufen in d-Moll „bewegt sich ungestüm das Meer“, aus dem zum Klange von F-Dur „Hügel und Felsen erscheinen", in deren stillen Tälern end lich die gebändigten Wasser in hellen Bächen leise rauschend fortgleiten. Wie sich eingangs das c-Moll ins C-Dur ergoß, so löst sich hier die bedrohlich anrennende Gewalt des d-Moll mit der Errichtung der neuen Welt zuletzt im lichten, idyllischen D-Dur-Gesang auf. Alles gewinnt eine dem Menschen nützliche und ihn erfreuen de Ordnung. Diese drei Teile des Werkes stehen in einem Sinnbezug zueinander wie die Sätze einer Sin fonie: Diesem von Dramatik gezeichneten Wer den der neuen Welt, vergleichbar ersten Sinfo niesätzen, folgt die friedvolle Belebung und Be seelung durch Mensch und Tier. Auch dem zwei ten Teil steht das Symbol der unterdrückten und um eine neue Welt ringenden Menschen dieses Jahrhunderts in einem Bilde von kraftvoller Pla stizität programmatisch voran: „Auf starkem Fittiche schwinget sich der Adler stolz und teilet die Luft im schnellsten Fluge zur Sonne hin , . Im Glanze dieser freien, sonnenhellen, friedli- fcen Welt entfaltet sich das wahre Leben, das ■** neuen Menschen zur Tat und Freude offen steht. Die Ideal gewordene Sehnsucht nach ei nem neuen Menschenleben läßt Haydn in ei nem sich in Fanfarenmelodik erhebenden Hym nus erklingen, dessen Worte in knlappen Zügen das Menschenbild der gesamten Epoche umrei ßen: „Mit Würd und Hoheit angetan, mit Schönheit, Stärke und Mut begabt, gen Himmel aufgerichtet, steht der Mensch, ein Mann und König der Natur“. Dem singt der letzte Teil, ver gleichbar einem Sinfonie-Finale, das Lob. Wie glühend diese Sehnsucht gebrannt hiat, spüren wir aus der Verheißung auf diese harmonische Welt, an deren Schwelle sich das revolutionäre Bürgertum des 18. Jahrhunderts wähnte, die in der Einleitung zum dritten Teil glutvolle Musik geworden ist: „Aus Rosenwolken bricht, geweckt durch süßen Klang, der Morgen jung und schön. Vom himmlischen Gewölbe strömt reine Harmo nie zur Erde hinab." Diesem Tage singt die Schöpfung das Lob. Der sich auf die Gewißheit der Verwirklichung gründende mitreißende Op timismus des Werkes erschüttert, wenn man be denkt, wie fern die in Klassen gespaltene Bür gerwelt diesem Ideal noch gewesen ist, als die se Musik geschrieben wurde. Mehr als einhun dert Jahre noch sollten vergehen, bis diese er sehnte, erhoffte, erlittene und erkämpfte Men schenwelt in ihre reale Existenz trat. Um so nä her sind uns deshalb gerade diese Werke, wel che die Menschheitsgeschichte so entschieden vor'angebracht haben, indem sie dem Menschen den Blick auf eine solche Welt als Zielvorstel lung und damit als Motor des Strebens und Handelns eröffneten und wach hielten. Um die sen Weg zu gehen, brauchte der Mensch Klar heit. Für die Musik bedeutete das, im besonde ren jene musikalischen Bereiche zu beleben, die aus der uralten Beobachtung der musikalischen Widerspiegelung der Welt im Bewußtsein als konkret und breitesten Kreisen verständlich ver wurzelt sind: Geschäftig in Trioienbewegung wirkt der im Tale fortgleitende helle Bach, Jagd klänge bringen die Bedeutung des Hirsches für den Menschen nahe, und für das jagende Vor wärtsstreben des Rosses hat Haydn eine kräfti ge Scherzopassage fragmentarisch knapp, aber unzweideutig in ihrem Charakter ersonnen. Das und anderes ist keine billige musikalische Be bilderung des Textes, sondern Ausdruck einer realistischen Gesinnung, die sich um so mehr in der musikalischen Erfindung und im Mühen um Konkretheit angestrengt hat, je stärker sie sich als menschenbildend im Geiste dieser revolutio nären Bewegung begriff. Prof. Dr. Gerd Schönfelder VORANKÜNDIGUNGEN: Donnerstag, den 26. November 1981, 20.00 Uhr (AK/J) Freitag, den 27. November 1981, 20.00 Uhr (Freiverkauf) Festsaal des Kulturpalastes Dresden 2. AUSSERORDENTLICHES KONZERT Dirigent: Herbert Kegel Solistin: Annerose Schmidt, Berlin, Klavier Werke von Rachmaninow und Bruckner Sonnabend, den 12. Dezember 1981, 20.00 Uhr (Anrecht B) Sonntag, den 13. Dezember 1981, 20.00 Uhr (Anrecht C 2) Festsaal des Kulturpalastes Dresden Einführungsvorträge jeweils 19.00 Uhr Dr. habil. Dieter Härtwig 4. ZYKLUS-KONZERT JOSEPH HAYDN UND DER KLASSIZISMUS Dirigent: Johannes Winkler Solistin: Magdalena Rezler, VR Polen, Violine Werke von Thilman, Milhaud, Busoni, Bacewicz und Haydn Programmblätter der Dresdner Philharmoniker Redaktion: Dr. habil. Dieter Härtwig Spielzeit 1981/82 — Chefdirigent: Prof. Herbert Kegel Druck: GGV, Prod.-Stätte Pirna 111-25-12 ItG 009-58-81 EVP —,30 M 3. ZYKLUS-KONZERT 1981/82