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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.02.1908
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1908-02-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19080218012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1908021801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1908021801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1908
-
Monat
1908-02
- Tag 1908-02-18
-
Monat
1908-02
-
Jahr
1908
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Vetj«g»-Pre1» B» v««»»»» »»» »«ch M««, Llt,« «>» »I d-»1 >»«««»« > !»»,<«»« »" «d«»lfy tadrli» .iv «„ «»»«iiich vi. Dur» »U V» ,» <» «al «»glich, «»»«rhaU D«utlchlmid» und d«, »«unch— »,»,»««, «erleliävrllch b.L «aaalUch »,7d »r ,u«chl Po«. dr»«ll,eld, >»i ve»err,,ch » » « k. Ungar» » « «rrr«li»drl>ch gorner >n vol» giea. vanewarl. d«n »»nauSaaien. -raat» rr>», .1>oU«», vu,««dur, «,»dorlo^ «»rnxgr» Schwrd^r tzchwrtg und tzoanto» Z» «I«, »dn«» St»«»» »u« »«rav d»rch in» Ex»«» » A «rdlliltch. Udvnnrmrm-»»,,»««, »»,,a»«»t«tz 8, d«i an«»»«» ?«»-"*- »Uiaie». LlXdileur«, und «anadm-Iikllrn »ä»,« vokämrrr» «Md Vr>«trita«»» Dt» «»«In, ch»«»« k»«»1 I» VsA, «letakri»» «»» 2oda»»is,,ft« u Lel«dm> »r. »«UL «tr. «r. »«X Morgen-Ausgabe v. AWgerTllgMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Rates und -es Volizeiamtes -er Lta-t Leipzig. LaZeiqe«.Preis »» » Hl.. »«,»«» ».» »—»chIa»»S»V.. »»m^«^,n,7S«.. Inl «rar» ».»<«»«t» «mUIch«, r«a « W vitla^,«», d 0» » Lau«,»» «r« »oft. a»d»hr chrlch»l«»a»«i,en »» drvoriugi«. Stell« I« »««,!< «rd-tc NadaN »ach LarU b»llkrr«Ut« llulträg« kt»»«o »Ich« »urllik- »«»ogk» ,««»«» A«, »a» «trlchrinc» ,» «Sü»«» la,«» ,»» Blt»e» >mr» »rin« Saraiut» llder»«»«»». «»^»»-»»»ad»«, >agull»»vl»tz 8. b«t ILmtttch«» Aillal« ». all«» »»non«», d« Ja- -n» Lulltaade«. ««rlUdi <«rl r»»ck«». va»«. H^duch, handluag, LüKowllrad« Up <r«»«vtz»» ri. Rr. »MS). Nr. i8. Dienstag 18. Februar 1908. 102. Jahrgang. Das wichtigste vorn Tage. * Kürst Bülow ist wieder hergestellt und hat die Geschäfte wieder in vollem Umfang ausgenommen. * Es verlautet, daß der Gesetzentwurf über Abänderung der Gerichtsverfassung und der Zivilprozeßordnung nicht an den Reichstag gebracht werden wird. (S. Dtschs. R.j * Der Bund der Landwirte hielt gestern im Zirkus Busch seine Generalversammlung ab. lS. Art.) * Durch den Abschluß des österreichisch, serbischen Handelsvertrages sind die Beziehungen beider Staaten auf den normalen Stand zurückgesührt. Ein Glückwunschtelegramm des serbischen Ministerpräsidenten an v. Aehren- thal gibt dieser Tatsache Ausdruck. * Der Nebertritt Campbell - Dannermans inS Ober- Haus steht nahe bevor. Asquith erhält die Führung des Unter- Hauses. lS. Ausl.) * Das persische Parlament hat abermals dem Ministerium ein Mißtrauensvotum erteilt. * Der ehemalige österreichische Minister v. Plen er senwr »st, 08 Jahre alt, gestorben. lS. Letzte Dep.j Der Vlock -er groszen Erwerbsftäirde. Am 12. Februar hat auf dem Festmahle des deutschen Landwirt- schaftsrates der Borsitzenidc Graf Schwerm-Löwitz den .Hnrtjchast- lichen Block unserer großen Enwcrbsstände" gepriesen. In der be- merkenswerren Rede, die man als eine Aeutzerung des aufgeklärten Agrariermms bezeichnen kann — in ähnlichem Sinne, wie man von aus» aeNärtem Absolutismus spricht —, wurde darfst hingewieien. daß die früheren Interessengegensätze zwischen unseren großen Erwerbs- ncurden, der Industrie, der Landwirtschaft und dem ihren Warenaustausch vermittelnden Handel immer mehr zurückträten. Graf Säuvenn konnte da auf zwei einleuchtende Beispiele Hin weisen: Das Brennereigewerbe ist von Haus aus ein land- wirtsä-aftliches Nebengewerbe zur Verwertung der Kartosfeln, aber eine lange Kette von Industrien, Fabriken von Beleuchtungskörpern und Spirltusmoloren und die mit solchen Motoren arbeitenden kleinen Ge werbe sind daran interessiert, daß diese deutsche Licht- und Kraftquelle mit dem Petroleum wettbewerbsfähig bleibt. Auf der andern Seite ist eine neue Industrie i-m Entstehen begriffen, die daraus gerichtet ist, ein Fabrikat von Kalkstickstofs oder Kalksalpeter aus der atmosphärischen Luft mit Hilfe unserer heimischen Wasserkräfte zu gewinnen; dieser Stoss soll unserer Landwirtschaft einen Ersatz für den amerikanischen Cbilisalpeter gewähren. Beim Spiritus ist die Landwirtschaft Rohsabrikant und die Industrie Veredclungsgewerbe, beim Luststickstofs dagegen die Industrie Roh- oder Halbfabrikantin und die Landwirtschaft Veredelungsgewerbe, denn sie setzt den Luststickstosf in tierische oder menschliche Nahrungs mittel um. Nachdem der Graf so einen kleinen interessanten Ausflug in die höhere Volkswirtschaft unternommen hatte, fuhr er fort: „Man mag über unseren parteipolitischen Block und dessen Dauerhaftigkeit denken, wie man will, der wirtschaftliche Block unserer großen Erwerbs st ände, den Fürst Bülow mit seiner Wirtschaftspolitik geschaffen, wird von Bestand sein: denn er besitzt, wie der Chemiker sagt, die Legierung, d. h. die starke Bindung einer großen Interessengemeinschaft und eines klaren, einfachen Programms, Les unbedingten Schutzes unserer vaterländischen Arbeit, eines Pro gramms, welches von niemand treffender gekennzeichnet worden ist, als von der Allerhöchsten Person unseres Kaiserlichen Herrn selbst in seiner bekannten Bielefelder Rede mit den schönen Worten: „Jeder ehrlichen Arbeit in deutschen Landen ihren ehrlichen Lohn!"" Auch am Schluß seiner Rede, die in ein Hoch auf den Kaiser aus lief, stellte er Kanzler und Kaiser insofern in Gegensatz, als ja Bülow einmal von seinem Amte zurücktreten, d«S Kaiser- Politik aber dauern werde. Man darf sich durch die eingestreuten Liebenswürdigkeiten gegen den Kanzler und durch den Kniff, daß auch die Wirtschaftspolitik rls Bülows Werk hingestellt wurde, nicht darüber täuschen lassen, daß der Redner sich gegen Bülow in Positur gestellt und die Sehnsucht nach der Bundesbrüderschaft mit dem Zentrum auSgedrückt hat. Ein Graf Schwerin-Löwitz weiß, was er spricht, und er weiß, was er tut, wenn er so wenig säuberlich mit dem jüngsten Kinde Vülowscher Politik, dem parteipolitischen Blocke, verfährt. Wir wollen die Rede des Grafen nicht taktlos nennen, weil es hier auf Hoimeisteranschauungen nicht ankommt. Die edle Unverfrorenheit und die Freimütigkeit deS Wortes ist zudem nicht die schlechteste Eigenschaft deS ostelbsschen JunkerS; aber das darf doch ausgesprochen werden, daß man sich schwerlich vorstellen kann, wie eine solche Rode in Gegenwart des zum Festmahle ringeladenen Reichskanzlers Fürsten Bülow hätte gehalten werden können, oder wie, wenn sie doch gchalteu wurde, er über diese Anrempelungen hätte hinweg sehen können. Man muß weiter wissen, daß Fürst Bülow z,nn ersten Mal« feit 8 Jahren nicht an der Festtafel deS Landwirtschaftsrates saß und daß derselbe Gros Schwerin soeben die Absendung eines Telegramms an den Fürsten Bülow mit dem Ausdruck „allseitiger Betrübnis" wegen seines Fernbleibens veranlaßt hotte! Am meisten in der Erinnerung geblieben ist die Anwesenheit deS Fürsten Bülow beim Landwirtschaftsrate im vorigen Jahre. Es war nach der Auflösung deS Reichstages. Damals ledang sich Fürst Bülow den Spruch auf seinem Leichensteine auS: „Dieler ist ein agrarischer Reichskanzler gewesen." Damals erinnerte er aber auch an daS weis« Verhalten der englischen Aristokratie, zur rechten Zeit Zugeständnisse zu machen, die im anderen Falle doch von den empordränoenden Schich ten erzwungen würden und dann leicht radikaler auSfieien. Auch im Jahre 1908 hat der Reichskanzler e« an einer kleinen Mahnung, die aber in weit vornehmer« Form gekleidet war als diejenige, in die Gras Schwerin am 12. Februar seine Anliegen gefaßt Hot, nicht fehlen lassen. Er sagte in seinem Antworttelegramm aus die Begrüßung d«S LandwirtschaftSrateS: „Die auch in Ihren Verhandlungen bekundete Be reitwilligkeit der Landwirtschaft, ihre erstarkenden Kräfte in den Dienst großer, neuer sozialer and wirtschaftlicher Auf- gaben zu stellen, ist. . . mein bester Lohn." Der dies Telegramm abge'aßt hat, mag eS nun Fürst Bülow selbst odfr der Cbe* der Reichs kanzlei v. Loebell oder ein anderer getan haben, versteht jedenfalls einen staatsmännischen Klang auzuschlagen. Auch der Vertreter d«S Kanzlers v. Bethmann-Hollweg nannte auf dem Festmahle Aufgaben, die noch zu »füllen sind: Verantwortlichkeit für die Ernährung des ganzen Volkes, Bezwingung der Oodländereien, Annahme kaufmännischer Formen und Selbsttätigkeit der Landwirtschaft zur Lösung der Landarbeiterfrage. Ueber jede dieser Fragen ließe sich viel sagen. Die Landarbeiter- frage erscheint den Landwirten im Augenblick als eine der wichtigsten. Man sieht kein Mittel zu ihrer dauernden Lösung ohne Anj«edlung. Ueber dieses Mittel hat man vor wenig Tagen auch im preußischen Landesökonomiekollegium gesprochen, und der preußische Landwirtschafts minister hat geglaubt feststellen zu können, daß Landwirte, die sich früher ablehnend verhielten, jetzt mehr Neigung zeigten, die Sache anzusalfen. Es bandelt sich hier wirklich um eine „große, soziale und wirtschaftliche Aufgabe", um Fürst Bülows Wort« zu gebrauchen, und nu n kann den Landwirten, die hier bahnbrechend vorangehen, nur höchste Sympathie und Achtung entgegenbringen. Noch ist freilich die Aufgabe fern der Lösung. Die Ansiedlung des Kreises Briesen in Westpreußen wird als mustergültig betrachtet, aber wenn man hört, daß die Ansetzung von 15 Arbeitern daselbst dem Kreise und Staat rund 15 000 gekostet hat, so ist das ähnlich, als wenn im Berliner Stadtparlament für eine Wald schule bzw. Walderholungsstätte, di« während Jahre nicht viel mehr als 400 Kindern zugute kommen soll. 300000 (jährlich!s angefordert werden, oder als wenn anderswo für schwachbesuchte Meisterkurse 800 000 Mark aufgeewndet werden mußten. Wenn die Aufwendungen für an sich ganz vortreffliche Zwecke nicht einigermaßen im kaufmännischen und hauÄ>äterlichen Verhältnis zur Leistung stehen, machen sich solche Sachen in der öffentlichen Meinung leicht mißliebig. Und gerade das muß auf jede Weise vermieden werden. Von anderer Seite wird es als dringende Pflicht der Landwirtschaft bezeichnet, gerade ihre jetzige Erstarkungs periode zur Entschuldung zu verwerten. In Ostpreußen will man sich an dies Werk machen. Hoffentlich mit Erfolg! Diese wenigen Tatsachen, dazu ein Blick in die Verhandlungen der großen landwirtschaftlichen Vertretungen, beweisen, daß in der deutschen Landwirtsclwft nicht der Geist der Erstarrung lebt. Viel scharfer Ver stand und viel guter Wille ist in ihr lebendig. Gerade j« höher geistige Bildung in der deutschen Landwirtschaft sich Bahn brechen will, desto mehr sollten ihre Vertreter sich sagen müssen, daß der Mensch nicht vom Brode allein lebt. Die Landwirtschaft hat von der Allgemeinheit ihr volles Maß an Unterstützung erhalten. Es bleibt nun ein mal Tatsache — das muß jedermann anerkennen —, daß di« Mehr heit der deutschen Landwirtlchaft treibenden Bevölkerung geglaubt hat, den Wettbewerb mit dem Weltmarkt nicht ungeschützt aushalten zu können. Daher ist ein Zollschutz bewilligt worden. Das gleiche gilt von einer Reihe von Industrien, aber beide sollen sich der Fürsorge, die ihnen die Allgemeinheit unter Opfern hat zuteil werden lassen, dankbar er innern. Die Gesamtheit hat der Landwirtschaft — unter lebhaftem Widerspruche großer Volkskrvise — mit den Mitteln, die sie selber wünschte, geholfen Nun wird es Sache der Landwirtschaft sein, der Gesamtheit die Gegenleisurna und für den Agrarzoll -um mindest«» d«n Zoll — man gestatte das Wortspiel — der Dankbarkeit zurückzugeben. Zu dieser Pflicht der Dankbarkeit rechnen wir außer den wirtschaftlichen und sozialen Aufgaben auch die Einschärfung des Bewußtseins, ein gefügt und verkettet in deutsches Geistesleben und deutsche Geisteskämpfe zu sein. Von dem Denkeraeiste erhält die Landwirtschaft immer mehr technische Befruchtung: auch dessen sollte sie eingedenk sein. Möge sie immerhin sich in wirtschaftlichen Dingen an die Seite derer stellen, mit denen sie eine Uebereinstimmung über diele äußeren Fragen verbindet — wir können sie nicht daran hindern. Mögen die Landwirte sich aber auch in den rein politischen Fragen und in denen des Geistes- und Innenlebens an die Seite derer stellen, zu denen sie innerlich gehören. Und da steht die Sache für den Liberalismus keineswegs so schlecht. Das wäre ein schwächlicher Liberalismus, dessen innerer Geltungsbereich da aufhört, wo die Asphaltwege der Großstadt in die Landstraßen über gehen. Wo Unabbängigkeitsgefühl und freie, mannhafte, deutsche Ge sinnung zu Hause sind, da hat auch immer der Liberalismus seine Statt. Namentlich der Drang nach Unabhängigkeit, der dem deutschen Bauern eigen ist, stellt ein VerbindungsgliÄ her. So hat der Liberalismus seit langem in den deutschen Bauernstuben der Gesinnung nach Anhänger schaft, wenn diele auch nicht immer durch den parteipolitischen Stimmzettel sich ausdrückt. Es mag lein, daß aus solchen Sorgen heraus die wiederholten Annäherungsversuche des Direktors deS Bundes der Landwirte. Dieterich Hahn, ans Zentrum und das vom Grasen Schwerin-Löwitz auf den Block der Erwerbsstände angestimmte Preislich zu verstehen sind. Jeden falls wird man diese Bestrebungen, wieder die alte Stellung: Seite an Seite mit dem Zentrum, zu gewinnen, aufmerksam beobachten müssen. O Ter LandwirtSband im Zirkus Bnsch. Man konnte gesvannt sein, wie nach dem Verlauf der Sitzungen deS Deutschen LandwirtschoftZrates und jener Rede des Grafen Schwerin Ton und Tendenz der gestern in Berlin abgehaltenen Versammlung des Bundes der Landwirte im Zirkus Busch ausfallen werde. Es soll nicht bestritten werden, daß die extrem agrarischen Forderungen dieser Orga nisation dieses Mal nicht so in den Vordergrund traten, wie in früherer Jahren. Immerhin zeigt doch die Resolution über die Blockpolitik, daß der Bund diese Politik nur soweit mitmachen will, als sie ibn nicht hindert, seine sehr einseitigen wirtschaftlichen Ziele zn verfolgen und von diesem Standpunkt ans ist auch die Stellungnahme zu der Reichsfinanzresorm erfolgt. Ueber den Verlaus der Versammlnng erhalten wir telegraphisch folgendes Stimmungsbild: j. Berlin, 17. Februar. (Privattelegramm.j Gedrängteste Fülle war wieder das Kennzeichen der heutigen Heer schau im Zirkus Busch. Weniger sind es nicht geworden, vielleicht noch mehr, die der Fahne des Bundes gefolgt waren. Für Ubr war der Beginn der Versammlung angesaat. Eine Stunde vorher, wie im Theater, wurden die Pforten geöffnet und eine schwarze Masse ergoß sich sofort auf alle Ränge des Zirkusbaues. Der äußere Anblick ist dec alte: die Menne Kopf an Kopf, kräftige, gesunde Gestalten, wo man hinblickt, die Damen für sich, weil die Versammlung mit Recht als politische betrachtet wird; für die Damen ist wieder eine Anweisung auSgegeben, daß sie sich der Meinungsäußerungen, der Beifallskund gebungen usw. zu enthalten hätten, sie sind also nur stumme Zuhöre rinnen. Podbielski,der seit seinem Ausscheiden aus dem Amte sich sehr erholt hat. erschien, und wurde lebhaft begrüßt: an Popularität in diesem Kreis kommt ihm außer den Leitern d«S Bundes selbst wohl kein deutscher Landwirt gleich. Die Reden nnd Berichte folgten proarammäßig. Am Schluß jedes- mal rauschender Beifall. Doch ist die Stimmung nicht lo belebt und kriegerisch wie früher. Wenn men satt zu essen bekommen hat, schreit man nicht mehr so, als da man Hunger hatte; daS „Schreien", daS einst ans die Fahne geschrieben wurde, ist überhaupt einer etwas anderen Taktik gewichen. Es seblte sogar in den Reden der Führer nicht gänzlich an Polemik geaen daS Zentrum; doch nahm die dlbwebr gegen die linksliberalen Parteien einen breiteren Raum ein. Freiherr v. Wangenbein» polemisierte auch geaen die Nationalliberalen. „Will die Linke mit unS znsammen- gehen, w . . .", nnd dann stellte er seine Forderungen Der Bund will — und damit nimmt er auf seine protestantischen Anhänger Rücksicht — eben nicht derjenige sein, der dem Block Schwierigkeiten macht; er will die Schuld lieber, wie es auch andere Parteien tun, der Gegenseite einmal für die etwaige Sprengung deS Blockrs zuschieben können. Die beiden wichtigsten Resolutionen, die die Versammlung annahm, lauten: Zur Blockpolitik. „Eingedenk seines Grundsatzes, des Volkes und des Vaterlandes Wohl über den Streit der politischen Meinungen zu stellen, begrüßt der Bund der Landwirte die vom Reichskanzler, Fürsten von Bülvw, eingeleitete Blockpolitik als den Versuch einer Verständigung im Kampfe für die Erhaltung und Förderung der nationalen Güter. Der Bund ist bereit, hierbei mitzuarbeiten, um nationale Ziele zu ver- folgen. Ueber den Parteien stehend, lehnt er es jedoch ab, sich von der Verfolgung seiner, die allgemeine nationale Wohlfahrt anstreben- dcn wirtschaftlichen Ziele irgendwie abdrängen zu lassen." Zur Reichsfinanzresorm. Hier wird zunächst der Grundsatz beibchalten, daß die direkten Steuern den Bundesstaaten, die indirekten dem Reich zukommea. Dan» heißt es wörtlich: „Der Bund ist bereit, an einer großzügigen Ordnung der Reichs finanzen auf dem Gebiete der indirekten Steuern tatkrältig mitzuar- beiten. Er lehnt es aber ab, durch Herausgreifen einzelner Gegen- stände die bisherige Flickarbeit fortzusetzen. Er fordert im Sinne ausgleichendrr Gerechtigkeit eine zeitgemäße Besteuerung derjenige» Erzeugnisse, welche nach ihrer steuerlichen Ertragsfähigkeit dazu beson ders geeignet sind und warnt vor einer weiteren einseitigen Belastung derjenigen landwirtschaftlichen Industrien, welche die Grundlage für den Hackfruchtbau nnd damit für einen rationellen Betrieb der Landwirtschaft bilden. — Nachdem den Kapitalkräften des Landes durch ihre machtvolle Verbindung in der Form der Aktien gesellschaften und durch eine weitgehende Fürsorge der Gesetz, gebung die Möglichkeit hoher Rentabilität in Industrie und Handel er. öffnet worden ist, bezeichnet es der Bund als eine Forderung der Ge- rechtigkeit, daß sie einer dementsprechenden Besteuerung in Form einer als Ztempelabgabezu erhebenden Dividenden st euer unterworfen nnd dah auf denjenigen Teil des Nationalvermögens, der in ausländischen Wertpapieren angelegt wird, eine besondere börsen- mäßige Besteuerung zur Anwendung gelangt" Die britische Orientpolitik. sVon unserem Londoner L-Korrespondenten.) Schon seit zwei Jahren haben wir von hier aus stets darauf auf- merksam gemacht, wie Großbritannien die mazedonische Frage zu be nutzen suche, nm einen Keil zwischen Rußland und Oesterreich zu treibe» und dadurch den Dreibund an einer empfindlichen Stelle zu verletzen, während gleichzeitig in Konstantinopel und Teheran Mißtrauen gegen die Uneigennützigkeit der deutschen Politik gesät und -um Kriege zwischen Persien und der Türkei gereizt wurde, damit Rußland im Hinterlande der Bagdadbahn zum Einschreiten genötigt werde, und sich so entweder die russische Teilhaberschaft an diesem deutschen Unternehmen, mit dem selbständigen Gefolge anglo-französischer Finanzhilfe, daS beißt mit an deren Worten, die Internationalisierung der Bahn, oder doch ein dauern, der russisch-deutscher Interessengegensatz in Kleinasien ergebe. Beim Abschlüsse der anglo-russischen Konvention über Persien ist deshalb Ruß land eine weiter nach Südwestpersien gehende Einflußsphäre angewiesen worden, als cs jemals sonst erhalten hätte. Anderseits ist es aber der deutschen Diplomatie doch gelungen, die vertragliche Anerkennung des englischen Prädomimnms im Persischen Golf M verhindern. Denn Herr Iswolski, den das anglo-französisch-panslaoistische Prcßkonsortium in England, Paris, Wien und Petersburg jetzt mit allen Mitteln der Geschichtsklitternng in Verlegenheit bringen möchte, denkt nicht daran, sich »n solchem Umfange als britischer Sturmbock gebrauchen zu lassen. Er hat freilich gegen mächtigen höfischen Einfluß zu kämpfen, denselben, der das russisch-bulgarische „Defensivbündnis" gegen die Türkei zustande brachte, das im verflossenen Herbst unter anglo-französischer Aegide — man vergesse die französische Finanzkontrolle über Bulgariep nicht! — durch den Großffirsten Wladimir abgeschlossen wurde, und für dessen geistigen Urheber man in diplomatischen Kreisen König Edward hält. Man wittert ja freilich jetzt in jeder Pariser Reise des Königs große politische Manöver. Und so viel ist freilich auch richtig, daß auf dem Balkan die russische auswärtige Politik sich bereits für das dreibuno- feindliche englische Interesse hat auSnutzen lassen. Der bulgarische Schachzug hat Äehrenthal, den trefflichen Kenner des Petersburger Hof parketts, wohl zuerst auf den Gedanken gebracht, daß die Tage einer ge- meinsamen mazedonischen Aktion auf dem Boden des Miirzsteaer Pro gramms sich ihrem Ende znneigten. Die Haltung deS russischen Bot schafters in Konstantinopel, der sich Wohl auch nicht immer nur nach Herrn Iswolski richtete, sein Zusammengehen mit dem englischen Kol legen — es kam bekanntlich erst vor kurzem zu einem heftigen Zusammen- stoß des deutschen Geschäftsträgers mit dem Vertreter Großbritanniens »n der Botschaftcrkonferenz — mußte ihn vollends überzeugen, daß eS für Oesterreich Zeit sei, seine Unabhängigkeit in der Orientpolitik zurück zugewinnen. Englands mazedonische Politik ist traditionell unglücklich, aber auch traditionell in kleinen Ränken groß gewesen. Das Mürzsteger Pro- gromm, das eine gründliche Ausnützung der Fragen deS nahen Orients gegen den Dreibund verhinderte, war besonders dem jetzigen liberalen Kabinett ein Dorn im Ange. Eine der Regierung nahestehende große Orientsirma, die in Persien gewaltige Interessen besitzt, welche durch den Bau der Bagdadbahn bis an den Persischen Golf chwer geschädigt würden, hat eine lebhafte und keineswegs einflußlose radikale Agitarion gegen das Mürzstegprogramm ins Leben gerusin und eingestandener maßen die Bemühungen Sir Edward Greys inspiriert, die Ausführung des Programms dadurch zu verhindern, daß man sich der internationalen Finanzkommission bediente. Man weiß, wie in diesem Zusammen, hange England die türkische Zollreform benutzt bat, um seinen Willen in der Finanzkommission durchznsetzen. Man erinnert sich, wie mittel- der Finanzkommission die Kilometergarantie für die Fortsetzung der Bagdadbahn vergeblich verhindert werden sollte. Bei allen diesen lang- wierigen Zwischenfällen haben die ganz hervorragend geschickte türkische Diplomatie, der Wiener Ballplatz nnd die Wilhelmftraße vorzüglich zu- sammengeardeitet, und wenn jetzt die Aebrenthalschen Schritte in der Frage der Sandiak-Babn von Deutschland dadurch sekundiert werden, daß sein Vertreter in Konstantinopel beantragt hat, die Berichte über die Fortschritte der Justizreformen in Mazedowen der Finanzkommission zu überweisen und die Mandate der Zivilkommissare zu verlängern, io bedeutet das einen diplomatischen Meisterstreich, der von nun an olle Verantwortung gerade dem Konsul aufbürdet, der sich unter englischer Führung bat mißbrauchen lassen. Daß damit formell die Mürzsteger Formel aufgelöst ist, versteht sich von selbst; wie sebr der Türkei mit diesem Szenoriumswechsel gedient ist, wird man aber erst verstehe», wenn man sich an Englands besondere innerpolitisch« Stellung zur mazedonischen Frage erinnert. Ein sehr unterrichteter Staatsmann weist beute schon in der „Marnina Post" darauf hin, daß die neue Posi tion für England selbst dann gefährlich wird, wenn es für seine eigene mazedonische Formel und gegen das Berlin-Wiener Vordringen nach dem Balkan selbst die rnssis,b-französische Unterstützung finden sollte. Für
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