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Dresdner Journal : 16.07.1896
- Erscheinungsdatum
- 1896-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189607166
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18960716
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18960716
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1896
-
Monat
1896-07
- Tag 1896-07-16
-
Monat
1896-07
-
Jahr
1896
- Titel
- Dresdner Journal : 16.07.1896
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vei»,«»ret»: Für Dresden viertestährlich rMarlbOPf, b«i denKaifer- lich deutjchen Postanstalt,» vierlrllShrlich S Mart, auster- halb de« Deutschen Reiche« Poft« und Slempelzufchlag Einzelne Nummern: 10 Pf Erscheinen: Täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage abends 8ernspr.-Anfchluß:NrtS»5. Dresdner M Ilmmal. NnlLndtgungSgrbüdrrn: Für de» Raum einer gespal tenen Zeile tlciner Schrift SO Pf Unter „Eiugefanvt" die Zeile i-o Pf Bei Talellcn- und Zificrnfatz rntsprecheuder Außchlag Herausgeber: Königliche Expedition deS Dresdner Journals Dresden, Zwingerftr so. Fernspr -lnfchluß: Nr 129.7. 1«3. S8W. Donnerstag, den 16. Juli, abends. Diejenigen Aejietjer unseres Akaites, welche dasselbe von hier aus nach einem andern Aufenthaltsort nachgesendet zu haben wünschen, bitten wir, mit der bezüglichen Bestellung gleich zeitig die an die Post zu entrichtende Über weisungsgebühr einsenden zu wollen. Die selbe betrügt im ersten Monat eines Biertel jahres 60 Pfg., im zweiten Monat 40 Pfg. und im dritten Monat 20 Pf. Auf ausdrücklichen Wunsch besorgen wir die Nachsendung unter Kreuzband. Die Ge bühren hierfür richten sich nach dem Gewicht der einzelnen Sendungen. Lönigl. Expedition des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. TreSdeu, 16. Juli. Ihre Kaiserl. und Kvnigl. Hoheiten die Frau Großherzogin von Toskana und die Erzherzoginnen Margareta und Germana von Österreich sind gestern abend 6 Uhr 43 Min. hier eingetroffen und haben Sich in die Prinzliche Billa zu Wachwitz begeben. TreSdeu, 4. Juli. Mit Genehmigung Sr. Majestät des Königs ist der bisherige Pfarrer und Superior an der katholischen Hofkirche und erste geistliche Rat bei dem Apostolischen Vikariate Karl Maaz unter Enthebung von diesen Ämtern zum Präses des katho lisch-geistlichen Konsistoriums ernannt worden. nichtamtlicher Teil. Die Umbildung des italienischen Ministeriums Rudini ist, wie gestern schon gemeldet worden ist, vollzogen. Die Ministerkrisis, die durch das hartnäckige Ver langen des Kriegsministers Ricotti nach einer nam- kaften Verminderung der Präsenzstärke des italienischen Heeres hervorgerufen worden war, hat, wie die neue Ministerliste ergiebt, in ihrem Verlaufe entgegen der allgemeinen Erwartung an Umfang erheblich zuge nommen und sich auch noch auf die Inhaber der wichtigen ministeriellen Portefeuilles des Äußern und der Finanzen erstreckt. Das neue Ministerium unter scheidet sich also trotz der unverändert gebliebenen Leitung durch den Ministerpräsidenten Rudini wesent lich von dem bisherigen. Tie Ursachen für die weitergehcnde Umbildung des Kabinetts liegen auf der Hand. Nachdem der Plan der von Ricotti erstrebten erheblichen Reduktion des Heeres aufgegeben worden war und das von seinem Nachfolger, General Pelloux, dem Könige unterbreitete Neformprojekt die Mehreinstellnng von 14 Mill. Frcs. in die Ausgaben des nächstjährigen Staatshalt» Haltplanes erforderte, mußte selbstverständ lich der frühere Schatzminister Colombo zum Worte gelangen, um sich darüber zu äußern, ob er als Leiter der Staatsfinanzen die Mehrforderung des neuen KriegSministers mit den Grundzügeu seiner auf weit gehende Einschränkung der Staatsausgaben gerichteten Finanzpolitik in Einklang bringen könne Die Aus kunft Colombos ist offenbar nicht zu Gunsten des von General Pelloux geforderten Staatszuschusses für das Heerwesen ausgefallen und damit war auch sein Schick sal besiegelt. Der Nachfolger Colombos, Finanz minister Luzzatti, stand beim Ministerpräsidenten Rudini schon aus seiner früheren Thätigkeit als Finanzminister in guter Erinnerung als ein Finanz politiker, der den Bedürfnissen des Heerwesens stets nach Möglichkeit gerecht zu werden bestrebt war. Er bringt übrigens, wie verlautet, in sein Ministeramt ein um fassendes Steuerreformprojekt mit, das den Staats finanzen neue Einnahmeguellen eröffnen soll, ohne den Staatskredit durch die von Sonnino, dem Vorgänger Colombos, geplante Rentensteuer zu schädigen. Die Neubesetzung des Postministeramtes durch Giulio Prinetti erwies sich als wünschenswert, weil letzterer als überzeugter Verfechter dieser Steuer reform LuzzattiS bei der Verteidigung derselben in der Kammer seinen Kollegen Prinetti hilfreich wird bei stehen können. Am lebhaftesten von allen den vorgenommenen Veränderungen im Ministerium wird aber zweifellos die Verabschiedung des bisherigen Ministers des Aus wärtigen, des Herzogs von Sermoneta, und seine Ersetzung durch Visconti-Veno st a besprochen werden. Ein offensichtlicher Grund für das Aus scheiden des Herzogs ist zur Zeit noch nicht vor handen, aber man wird wohl in der Annahme nicht irren, daß die Ernennung Vcnostas aus der Ab sicht des Ministerpräsidenten Rudini entsprungen ist, angesichts der von ihm geplanten handelspolitischen Annäherung an Frankreich, diesem Nachbarstaate so etwas wie eine kleine Aufmerksamkeit zu erweisen. Denn daß Venosta srüher wenigstens als ein Freund Frankreichs galt, ist unbestreitbar. Wie er gegenwärtig über die politische Situation denkt, ist natürlich eine andere Frage. Daß er bei der diplomatischen Erfahrung und Einsicht, die man ihm allseitig nachrühmt, etwa als ein Gegner des Dreibundes gelten könnte, erscheint so gut wie aus geschlossen Das Telegramm, in welchem Venosta die Annahme des ihm angebotenen Portefeuilles erklärt hat und in dem er seine Bereitwilligkeit erklärt, an dem durch den Dreibund gewährleisteten Friedens- Werke mitzuarbeiten, berechtigt zu der Erwartung, daß in der äußeren Politik Italiens ein Wechsel nicht eintreten wird. Wenn daher der berühmte auswärtige Politiker, Hr. Liebknecht, heute in seiner Zeitung erklärt, die Ernennung Visconti-Venostas zum auswärtigen Minister Italiens bedeute — die .Sprengung" des Dreibundes, so wird er sich mit dieser Prophezeiung ebenso geirrt haben, wie bei allen seinen stühereu. Tagesgeschichte. Dresden, 16. Juli. Der Präsident des cvangelisch- lutherischen Landeskonsistoriums v. Zahn ist vom Urlaub zurückgekehrt uud hat die Leitung der Geschäfte wieder übernommen. Deutsches Reich. * Berlin Se Majestät der Kaiser gedachten gestern die Reise nach dem Ranenfjord bis Mo fortzusetzen. — An den diesjährigen großen Manövern in Schlesien wird dem Vernehmen nach auch der Kron prinz von Schweden teilnehmen — In der „Nordd Allg. Ztg." ist zu lesen: Nach dem der Bundesrat das Margarinegesetz in der vom Reichstage in dritter Lesung beschlossenen Fassung abge lehnt hat, erneuert die „Deutsche Tageszeitung" die bei ihr in dieser Angelegenheit üblich gewordenen Angriffe auf den Vizepräsidenten des preußischen Staatsministe riums, Staatsminister Ur. v. Bo etlicher Da diese per sönlichen Angriffe vorauszusehen waren, ist ihnen Bedeut ¬ ung kaum beizulegen. Wenn jedoch die „D Tgsztg" Folgerungen daraus zieht, baß der Bundctzrat statt am nächsten Donnerstag schon am gestrigen Dienstag die Ablehnung beschlossen hat, so wurde die Sitz ung einige Tage früher deshalb abgehalten, weil ver schiedene Mitglieder des Bundesrats ihre Urlaubsreifen an- zutretcn beabsichtigten. Trotz dieser „Verfrühung" war jedoch die Beschlußfassung des Bundesrates eine vollkommen vorbereitete. Schon vor der dritten Lesung der Vorlage im Reichstage hatte, wie bei derselben Hr. v. Boetticher im Namen der verbündeten Regierungen erklärt hat, der BundeSrat Stellung zu den in der dritten aufrecht er haltenen Beschlüßen der zweiten Lesung genommen, und zwar hatten da« preußische Staatsministerium einstimmig und die große Mehrheit der verbündeten Regierungen das Färbeverbot und die getrennten Verkaufsräume für un annehmbar erklärt Nachdem der Reichstag dessenunge achtet seine früheren Beschlüsse in diesen beiden Punkten aufrechterhalten hatte, forderte in der am vorigen Donners tag abgehaltenen Sitzung des Bundesrates der Hr. Staatssekretär des Innern die Vertreter der verbündeten Regierungen auf, angesichts dieser Sachlage neue In struktionen einzuholen. Das ist inzwischen geschehen und aus Grund dieser neuen Instruktionen ist die Ablehnung der Vorlage erfolgt Das Angeführte wird genügen, um die Haltlosigkeit der Annahmen dar- zuthun, auf welche hin die „Deutsche Tageszeitung" ihre persönlichen Angriffe gegen Hrn v Boetticher richtet Auch die „Kreuzzeitung" ist, wie vorauszusehen war, durch die Ablehnung der Margarinevorlage im Bundesrate sehr schmerzlich berührt worden Dem in landwirtschaftlichen Kreisen herrschenden Mißver gnügen giebt sie in folgenden Worten Ausdruck: „Die Drohungen des Landwirtschaftsministers Frhrn. v. Hammerstein und des Ministers v. Boetticher in der letzten diesjährigen Reichstagssitzung waren also keine leeren Worte; man war also in Bundesratskreisen von vornherein dahin gestimmt, an den zwei Hauptforderungen der Reichs tagsmehrheit, dem Färbeverbot der Margarine und dem Vertrieb von Butter und Margarine in voneinander getrenn ten Räumlichkeiten, das ganze Gesetz scheitern zu lassen. Der schrille Mißton, mit dem die letzte Reichstagssitzung nach einer hingebenden, mühevollen und von den meisten Parteien viel Selbstverleugnung verlangenden Tagung infolge jener Erklärungen der Minister geschlossen hatte, wird weiter sich vernehmen lassen und dürfte bei der nächsten Tagung für die Regierungen hörbarer werden, als ihnen lieb sein wird Es darf ausgesprochen werden, daß eine große Zahl der Reichstagsabgeordneten voller Erbitterung über das schroffe Auftreten der Negierung Berlin verlaßen bat Es wird zur Thatsache werden, was der Führer der Konservativen Frhr v. Manteuffel in kurzen, aber nicht mißverständlichen Worten andeutete: man wird draußen erzählen, daß die Regierung nicht gewillt ist, selbst die „kleinen Mittel" zur Abhilfe der Notlage der Landwirt schaft energisch in Anwendung zu bringen Wenn die Erbitterung draußen wächst, wenn die Bewegung unter den Landwirten immer größer wird, wenn es den be sonnenen und ruhigen Führern immer schwerer gemacht wird, diese Bewegung vor einen: radikalen Überschüumen zu bewahren, so dürfen sich die beiden Minister und der Bundesrat den Hauptanteil an diesen wenig erquicklichen Verhältnissen auf ihr Konto setzen. Ties wollen wir heute schon feststellen " — Wie mitgeteilt wird, ist vom Reichsjustizamte die Veranstaltung einer den Anforderungen des praktischen Gebrauchs entsprechenden amtlichen Ausgabe der Pro tokolle der Kommission für die zweite Lesung des Bürgerlichen Gesetzbuchs in Aussicht genommen — Ter „Reichsavzeiger" giebt eine Darstellung der Metzer Brandkatastrophe, welcher zu entnehmen ist, daß die Entstehungsursache des Feuers im Zeughause lll zu Rietz noch nicht feststeht, und daß die hierüber schwebenden gerichtlichen Erhebungen voraussichtlich noch längere Zeit in Anspruch nehmen werden. Daß das Zeug haus 111 eine besonders exponierte Lage habe, wird be stritten; Sprengstoffe, Pulver und geladene Granaten hätten nie im Zeughaus 111 gelagert; die durch die Hitze zur Entzündung gekommenen Zündladungen hätten in 3 voneinander^ entfernten, besonderen, durch Ziegelwände von dem übrigen Raum abgetrcnnten Äbteilungen des Wagen- Hauses gelagert. Daü Publikum sei zu rechter Zeit und in der gehörigen Weise gewarnt worden. — Wie aus Löwenberg in Schlesien gemeldet uird, hat bei der gestrigen Reichstags-Stichwahl zwischen dem freisinnigen Kandidaten Rektor Kopsch und dem kon servativen Grafen v Nostitz der erstere gesiegt, und zwar mit einer Mehrheit von rund 1200 Stimmen (5969 gegen 4797). Wenn auch die Freisinnigen ihren Sieg der Hilse der Sozialdemokratie und des demokratischen Teiles des in dem Wahlkreise ziemlich zahlreich vertretenen Zentrums verdanken, so bedeutet doch die Wahl eine sehr bedauernswerte Niederlage der Konservativen, die in der letzten Zeit bei keiner einzigen Wahl mehr Erfolge zu er ringen vermocht haben War es ihnen in Ruppin-Templin und in Ansbach-Schwabach trotz günstiger Verhältnisse nicht gelungen, den Freisinnigen ihre Mandate abzunehmen, so haben sie jetzt in Löwenberg sogar den Verlust eines bis herigen Mandats an den Freisinn zu beklagen Österreich-Ungarn. Wien. In einer Besprechung der italienischen Ministerkrise hebt das „Fremdenblatt" hervor, daß eü noch immer die Finanzsrage sei, die in Italien die gesamte Politik beherrsche. Die Rücksicht auf die Finanzen erzeuge die verschiedenen Entwürfe zu Änderungen der Heeresorganisation, ohne daß jedoch einer der bisher aus- getauchtcn Pläne die volle Billigung der öffentlichen Mein ung und insbesondere der militärischen Kreise zu finden vermocht hätte. Inzwischen sei es erfreulich für Italien, daß es sich mit diesen Umgestaltungsentwürfen beschäftigen könne, ohne fürchten zu müssen, daß dadurch seine Sicher heit gefährdet iverde. Dies widerlege am besten die oft aufgetauchte Behauptung, Italien sei durch seine Zuge hörigkeit zum Dreibunde zu unerschwinglichen militärischen Leistungen genötigt Wie seit Jahren von der Minister bank in der italienischen Kammer wiederholt hervorgehobcn worden, müßte das Land im Gegenteile, wenn es sich dem Dreibunde nickt angeschloßen hätte, viel größere Opfer bringen. — Tie „Presse" schreibt mit Befriedigung, daß mit Visconti-Venosta wieder ein gewiegter Fach mann an die Spitze des italienischen Ministeriums des Äußern gelangt, was nicht nur für Italien, sondern auch für die beiden anderen Dreibundsstaaten von Wichtig keit sei — Tas „Neue Wiener Tagblatt" betont, man brauche hinsichtlich des Empfanges des deutschen Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe durch Se. Majestät den Kaiser nach keinen besonderen politischen Motiven zu suchen Die allgemeine Lage erheische augenblicklich keinen neuen Ideen austausch zwischen den Verbündeten „Immerhin aber — schreibt das Blatt — kann man dem Jschler Kanzler- empsange insofern eine politische Bedeutung zuerkennen, als sich in demselben, wie bei jeder anderen derartigen Gelegenheit, auch diesmal wieder die Intimität unseres Bundes mit Deutschland ausdrückt." — Die „Budapester Eorrespondenz" meldet auf Grund einer amtlichen Verständigung die in Alcsuth erfolgte Verlobung der Erzherzogin Maria Dorothea mit dem Herzog Philipp von Orleans Die Erzherzogin ist die älteste Tochter des Erzherzogs Joseph Prag. Aus der böhmischen Hauptstadt wird uns ge schrieben: Ter heiße Kamps, den die Deutschen und Tschechen um das an der Sprachgrenze gelegene Städtchen Trebnitz nun schon seit länger als 5 Jahren führen, ist in voriger Woche zum vorläufigen Abschluß gelangt. Be kanntlich sind die vorjährigen Wahlen zur Gemeindevcr tretung, welche mit einem Siege der Tschechen in allen drei Wahlkörpern geendigt haben, infolge von der deutschen Partei eingereichter Proteste teilweise kassiert worden, und zwar ist das Ergebnis der Wahlen im I. und 2 Wahl körper annulliert und Neuwahl für diese beiden Wahlkörper ausgeschrieben worden. Die Tschechen haben gegen diese Vor kehrungcn den Beschwerdeweg erfolglos durchgemacht, der neue Wahlgang hat am 8. und 10. Juli stattgefundcn. Der Wahl kampf ist beiderseits mit aller Kraft und unter der lebhaftesten Teilnahme auch von außerhalb Böhmens her geführt worden Um die Bedeutung dieser Gemeindcwahlen zu ermessen, muß man sich gegenwärtig halten, daß Trebnitz, welches nicht ganz 3000 Seelen — darunter ungefähr 1400 Deutsche — zählt, mit seiner tschechischen Umgebung ziemlich tief in das geschlossene deutsche Sprachgebiet einschncidet, rind von den Deutschböhmen seit der Zeit, wo es den Tschechen gelungen ist, in der Gemeindeverwaltung die Führerrolle an sich zu reißen, wie ein tief im deutschen Fleische sitzen der Pfahl betrachtet wird. Trebnitz bedeutet jetzt einen Kunst und Wissenschaft. Litteratur. „Der Pfeifer von Dusenbach." Eine LiebeSmär aus dem Elsaß von Gustav Adolf Müller, Verfasser der „Nachtigall von Sesenheim". München, Verlagsbuchhandlung Seitz u. Schauer 1896. Das vorliegende „Lied", halb in den üblichen reim losen Trochäen, halb in lyrischen Maßen abgefaßt, gehört zu der großen Familie der Nachklänge und Nachbilder zu Scheffels „Trompeter von Säkkingen". Ueber die „Sches- felei" in Prosa und Vers, die Kneiplieder im Geschmack der Rodensteinballaden, die lyrisch-epischen Dichtungen im Geschmack des Trompeters, die archäologischen Romane und und Butzenscheibennovellen, deren Ursprung mit Recht und Unrecht auf Scheffels „Ekkehard" zurückgeführt wurde, sagt Ad Stern in seinen „Studien zur Litteratur der Gegen wart" mit allem Recht, daß die Nachahmer der Kritik das Licht halten, um die schwächeren Seiten des Vorbildes auSzuspüren. Die litterarische Überproduktion — das alte deutsche Erbübel —, dazu der weitverbreitete poetische Di lettantismus, der es zu keiner Zeit begriffen hat oder je begreifen wird, daß der echte Poet vor allen Dingen ein besonderer Mensch und seine sprachliche Eigenart der Aus druck seiner inneren Besonderheit ist, haben sich Scheffel in ganzen Scharen angeschloßen Ein Gedicht dieser Art sieht wie da» andere aus, die Erfindung, der Aufbau der Handlung, soweit man da noch von einer Handlung reden darf, ist von vornherein gegeben, ob der Musikant Pfeifer oder Trompeter, Fiedler oder Sänger ist, kommt auf ein» hinaus, er erlebt LiebeSleid und -Lust, etwelche Wander- abenteuer, Trennungsschmerz und endliche fröhliche Hoch- zeit oder auch tragische Wendung nach glücklich-schmerz lichem Wiedersehen Letzterer Schluß ist im „Pfeifer von Dusenbach" beliebt: Sie fielen blutend nieder, Der Boden särbte sich rot: Der junge Pseiserlönig Mit seinem Lieb war tot — Ter Ton aber, der durch alle diese Gedichte hindurch klingt, ist immer der gleiche, nie ein kräftig epischer, selten ein wahrhaft lyrischer, meist nur etwas zitternd dem ganz individuellen Tone I. V Scheffels nachgepfiffen. TaS vorliegende Müllersche Gedicht ist keins von den schlimmsten Nachahmungen des Originals, es hat eine gewiße Frische und dazu sorgfältigere Versbehandlung als Hunderte von ähnlichen Gedichten, die in den letzten Jahrzehnten er schienen und fast spurlos vorübergegangen sind In be haglicheren Tagen würde auch dieser Art bescheidener Poesie auS zweiter Hand eine gewiße Teilnahme nicht fehlen, in der kampferfüllten Gegenwart wirkt sie wenig. Vor allem aber sie ist nicht, wie der Verfasser in seinem Vorspruch meint, ein notwendiger und berechtigter Gegen satz zu der naturalistischen Litteratur des TageS: „Ihr wandelt freilich durch den Kot Und schleicht durch die verrufnen Gassen. Ihr sing» das Lied vom Hungertod Und spielt die Melodie vom Hassen Drum, freut es Euch, mögt Ihr die Qual Des Menfchenelends fatt genießen i Eilt mit geschlosf'nem Blick durch» Thal, Wo lenzbetaute Blumen sprießen Uns aber wehrt nicht voller Spott, Dem Dust der Veilchen nachzufpüren, Die auf den Weg uns streut rin Gott, Um uns erquickend heimzusühren " So löblich und erquicklich es wäre, wenn der widrigen, kranken und niederdrückenden Wirklichkeit die anmutige, gesunde und erhebende entgegengesetzt würde, so kann man diese spielende und höchstens ein paar hübsche Wort- wendungen findende, unsichere Arabesken statt Bilder zeich nende Halbkunst nicht als Vertreterin besserer Wirklichkeit ansehen. Tie Frage liegt genau, wie sie der Poet des „Pfeifers von Dusenbach" stellt, aber um der Elends- schilderung und dem Wühlen in jeder Entartung siegreich zu widerstehen, braucht es kräftige und überzeugende Natur, nicht einen matten Nachhauch der Romantik und eine veilchenblaue und rosenrote Stimmungsmalerei. Schon die Überschriften der einzelnen Gesänge des „Pfeifers von Dusenbach" verraten unwillkürlich, um welch' kon ventionelle Poesie cs sich in diesem lyrisch-epischen Gedicht handelt Dern Vorspruch folgen die acht Abschnitte „Des Lieds Beginn", „Am Pfeifertagmorgen", „Von Lieb und Leid", „Bei den Zigeunern" (eingeschaltet „Lieder AigaS", genau nach dem Trompeten ezept), „Der Pseifer- zug", „Im Rittersaal", „In der Sonne", „Des Liedes Schluß", und wer nun nicht Anlage, Verlauf und Ausgong besagten Liedes vor Augen hat, der mag es selbst lesen! In den fünfziger Jahren schrieb irgendwer ein kri tisches Kapitel „Die Lenautiker oder die Kunst, in drei vierzeiligen Strophen alle« Weh der Welt darzustellen". Heute müßte einer kommen, der ein Kapitel von den Scheffelianern und der Kunst, in gereimten und unge reimten Trochäen jede Art Spielmann zu feiern, ver faßte. n. * Die Gemeinde Wien will ihren großen Sohn, den Liederfürsten Franz Schubert aus Anlaß de» hundertsten Gedenktage» seiner Geburt (31. Januar 1897) durch eine Ausstellung ehren Obgleich un» noch eine geraume Spanne Zeit vom Eröffnungstage trennt, hat die Kaiserliche Familien-Fideikommiß-Bibliothek, die Privatbibliothe! de» Kaiser» von Österreich, bereit» alle in ihrem Besitze be findlichen Gegenstände vereinigt, die mit Schubert und feiner Zeit in Zusammenhang stehen Über diese Gegen stände, die gegenwärtig in einem Saale der genannten Bibliothek aufgestellt, der öffentlichen Besichtigung aber nicht zugänglich sind, bringt das Wiener „Fremdenbl" interessante Mitteilungen, denen wir folgendes entnehmen: Blickt man auf diese Porträts, Landschaften, Illustrationen zu Gedichten, die Schubert im Liede verewigt hat, so er stehen dem Beschauer rasch zahlreiche Erinnerungen auS dem Leben des großen Komponisten Sein ganzes, leider nur so kurzes Leben tritt uns da deutlich entgegen. Die Heliogravüre von Blechinger zum Beispiel, nach einem Gemälde von H Temple, die den Titel „1826" führt, zeigt den Kreis von Musikern, Dichtern, Malern und Sängern, in dem Schubert schöne, glückliche Stunden ver lebte' Wir sehen im weiten Bogen um das Klavier, an dem Betty Fröhlich sitzt und spielt, und neben dem ihre Schwester Josephine Fröhlich steht und singt, Bauernscld, Schubert, den Maler Kupelwieser, Beethoven, weiter hinten den Wiener Dichter Mayerhofer, den Maler Moriz Schwind, an einem runden Tischchen die dritte der Schwestern Fröhlich: Kathi, die „ewige Braut" Grillparzers, weiter drüben den Schubertsänger Spaun, den Hosopernsänger Vogl und neben diesem sitzend, als letzten von der langen Reihe, Grillparzer. Unweit von dieser Heliogravüre, die eine ganze Welt in der Erinnerung wachrust, finden wir eine Ansicht der Stadt Steyr, ein ganz einfaches Druckbild in Farben, au» dem Anfänge der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts Ein anderes Bild präsentiert die Stadt Gmunden im Salz kammergut, von der Seeseite aus, ein drittes Linz, Ober- österreichs Hauptstadt, hingebreitet an der Donau Salz burg und Gastein grüßen gleichfalls mit ihrem ganzen Reize auS zwei Bildern hervor. Alle diese Blätter stammen aus den Tagen der zwanziger Jahre, in denen Schubert mit seinem Freunde, dem Sänger Vogl, diese Orte in manchen» Sommer besuchte. Die Aommer- fahrten des Liederfürsten gehörten zur glücklichsten Zeit Schuberts Überall, wohin er kam, fand er alte Freunde und schuf er sich neue, die ihn mit Vergnügen aufnahmen und beherbergten, bei denen er ost wachen-
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