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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 03.02.1898
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1898-02-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18980203021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1898020302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1898020302
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1898
-
Monat
1898-02
- Tag 1898-02-03
-
Monat
1898-02
-
Jahr
1898
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vezugA-rpreis G« Ha«ptrxpckM»« «der d« 1« G»«bt bezirk «ck de« Eororte« eaZchtet« R«4- aäoestellea abU»h»1t: Bertel jährlich vei zwennaliaer täglicher Zustell»«g tee» Ham» bLS. Dxrch die Post bezogen für Deutschland and Oesterreich: viertel,Shrlich ^l 8.—. Direcre tägliche Lreuzbandialduug tu» Ausland: monatlich 7L0. Die Morgeu-LnSgLbe erfchemt um '/,? Uhr. die Ldead-AnSgabe Wochentags u« ä Uhr. ' c>« Nedarli,« »>- Lrvedittou: ZohanncSgasse 8. Die Expedition ist Wochentags an unterbrochen geöft»«t »an früh 8 dis Ab«dS ss Uhr. /ilial«: ktt« Klemms Sortim. «Alfred H«H«X UaiversitStSskraßr 3 kPauItmun), Lenti Läsche. Aethertaesstr. 14, per», «ad KvuigSplich?. Abend-Ausgabe. UpMcr.TaSMM Anzeiger. Ämtsklatt -es Lönigtichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rathes und Notizei-Ämtes -er Ltadt Leipzig. 'dk Sgespaltene Peütheile ro Pfg, Matlame« «ater dem «edactioNSftrich <4«M Müten) bO^. »or de« NamitiemmchrNd!« («getpalte») DrSßerr Lchrifte, la»t «usercm Preis» »erzachatß. L«dellarrscher u«d Aißmichttz «ach höherem LmM- Ertra» Art lagen lgrfalzt), „r mit de» viorae«. Ausgabe, ohne Postbejörderemz' ^4 60.—, mit Pojtdesorderung ^l> 70.—» ^NNnhMeschinß str IiZyrizuu Ade«d»LaSgab«: BormiNagS 10 Uhr. Rk»rg«»-A»-gabe: Nachmittags 4 Uhr. A«t de« Filialen «ch «»«admefteLen je et«« hatd. Stande srich«. stad stets an die Grpe-tttE KL NchlkN. Donk «ch Verla, »»« L. Kols M Letpzi» 8«. Donnerstag den 3. Februar 1898. 92. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leitzzt», 3. Februar. Wir haben bereits hervorgehobrn, daß die dem Reichstage zu gegangene TampfersubvcnttouSparlage von der vorjährigen sich u. A. dadurch unterscheidet, baß die vorgesehene Um wandlung der vierwöchentlichen Berbindung mit Ostasien statt nach etwa zwei Jahren sofort nach dem Inkraft treten des vorgeschlagenen Gesetzes bewerkstelligt werden soll. Die „Köln. Ztg." hat diese Aenderung mit Recht eine freudige Ueberraschung genannt und den auS der Uebernahme dieser seine Kräfte aufs Höchste anspannden Verpflichtung er kennbaren Unternehmungsgeist des Norddeutschen LloydS ge bührend anerkannt. WaS aber weiß EugenRichter über diese neu« Gegenleistung der Schiffsgesellschaft zu sagen? Antwort: Gar nichts. Er schreibt in der,Areis.Ztg.": „Die neue Vorlage unterscheidet sich bekanntlich von der vorjährigen nur darin, daß für neu zu erbauende Schiffe eine Fahrt von 14 Knoten statt 13^/, Knoten verlangt und daß der Unter nehmer verpflichtet wird, falls concurrirende Postlinien eine Steigerung der vertragsmäßigen Fahrgeschwindigkeit ohne Erhöhung der vertragsmäßigen Gegenleistung eintreten lasten, alsdann auch die Fahrgeschwindigkeit auf den deutschen Linien ohne besondere Gegenleistung de- Reiches zu erhöhen." Diese letztere einschneidende Bedingung rechtfertigt das, „nur" der „Freis. Ztg." gewiß nicht. Das ehrenwerthe Blatt ist aber auch in Bezug aus die Fahrgeschwindigkeit „unvoll ständig", indem eS verschweigt, daß nach einer weiteren neuen Leistung auf der Zweiglinie Hongkong-Shanghai eine Geschwindigkeit von 12,6 Knoten vorgesehen ist. Scham loser Irreführung aber macht sich Herr Richter da durch schuldig, daß er den Punkt der sofortigen Ein führung der verdoppelten Berbindung einfach unterschlägt. Einer Unterschätzung der Bedeutung dieser Bestimmung kann die Unterlassung nicht zugeschrirben werden. Der Werth der Beschleunigung einer solchen Neuerung kann selbst dem Führer einer Partei nicht entgehen, die sich vor einigen Jahren im Abgeordnetenhause — und noch dazu von einem EentrumSmanne — spöttisch zurufen lasten mußte: „Immer langsam voraa, damit der Fortschritt Nachkommen kann." Herr Richter weiß nur zu gut den Werth der sofortigen Vermehrung der Fahrten sowohl nach der Seite der Inanspruchnahme des Lloyd, als nach der des Nutzens für den deutschen Verkehr zubeurtheilen,unddarum dürfen seine Leser von der Bedingung der Regierung nichts wissen. Sein Schweigen ist aber die beste Empfehlung der Vorlage und gegen dieses Schweigen fielen die Bekrittelungen der sonstigen Bestimmungen des Entwurfs auch dann nicht ins Gewicht, wenn sie nicht schon unzählige Male als haltlose Mäkeleien dargethan worden wären. Daß auch ausländische Personen, Frachten und Postsendungen auf den subventionirten Linien befördert werden, das ist ja freilich eine unerschütterliche Wahr heit. Aber deutsche Reisende und Maaren benutzen ihrer seits gleichfalls die subventionirten Dampfer fremder Staaten, waS diese nicht abgehalten hat, ihre finanziellen Anstrengungen für den Seeverkehr immer mehr zu erhöhen. Deutschland wird in dieser Hinsicht auch nach der Annahme der Subventionsvorlage wett hinter anderen Staaten zurückstehen. Der Entwurf sieht eine Vermehrung der jetzt 4 090 000 jährlich betragenden Ausgaben um die Summe von 1»/, Millionen Mark vor. Dagegen wendet Oesterreich auf seinen See postverkehr fast 7, Spanien fast 8 Millionen Mark, England über 16 Millionen und Frankreich gar 20^/, Millionen Mark. In Bezug auf die VerkebrS- interesten nimmt aber Deutschland den Rang hinter England ein. Auf die weiteren Bemängelungen ver lohnt es sich nicht mehr einzugehen. Bei Herrn Richter ist eS längst nicht mehr die Doktrin, sondern die Absicht, durch Verhinderung deS Guten und Nothwendigen seine Macht zu zeigen, waS ihn in solchen Dingen auf den Weg der Opposition treibt. Und mit der Macht ist es zur Zeit nichts. Man erkennt dies auch an der glatten Be- rathung deS Etat- der Colonien in der Budgetcommission. Tag für Tag hatte die „Freis. Ztg." wieder ihr alte- Lied vom Colonialschwindel heruntergeleiert und die ihr von Leuten, die nicht politische Aktenstücke und nur die freisinnigen Zeitungen lesen, nachgerühmte „Sachkenutniß" an den Tag gelegt. In der Commission hat kein Hahn danach gekräht und Herr Richter selbst hat sich nur in einem einzigen Punkte rednerisch hervorgewagt. 3m Plenum wirdfer wohl wieder eine „große Colonialrede" ack usum der Unausrottbaren halten, aber in der Commission kann man nicht so leicht daS, waS der von PrüfungSchancen redende Student „Schwimmen" nennt. Wenigstens nicht, wenn das Crntrum nicht mitschwimmt. Und da das nicht geschieht, so zeigt sich wieder, daß der ganz« bisherige Einfluß, den der Führer deS „fortgeschrittenen Liberalismus" anscheinend auS- übte, nichts weiter als eine von der ultramoutanen Partei zu ihren Zwecken begünstigte Vordriuglichkeit gewesen ist. Herr Richter hat dies immer gewußt, aber Andere haben jene Lakaieu-Livräe für eine Generalsuniform angesehen. Da er in einer dreißigjährigen parlamentarischen Laufbahn sich auch nicht mit dem geringsten positiven oder negativen Ver dienst zu umgürten wußte, so steht er jetzt politisch nackt da, ein beschämendes Denkmal der Urteilslosigkeit des deutschen FortschrittspublicumS. Der Streit um Ehina, der sich im Verfolg der natür lichen Interessengegensätze zu einem ernsten Zwist zwischen Rußland und England zuzuspitzen drohte, ist bis jetzt genau so verlaufen, wie man erwarten durfte, wenn man den Grundsatz als richtig erkannte, daß daS vornehmste Intereste Englands überall in der Welt die Erhaltung des Friedens sei. Nack einigen Wochen unsicheren Schwankens ließ die britische Regierung, wenn auch immer noch in möglichst zwei deutiger Rede, auf der ganzen Linie verkünden, baß im fernen Osten die Handelsinteresten Englands zugleich seine politischen Interessen seien, daß sie der Politik der GebietS- erwerbungen die Aufrechterhaltung der alten freihändlerischen Leitsätze entgegenstelle, daß sie sich, kurz gesagt, in jenen Gegenden von der Politik der fetten Bisten auf die VerdauungS- polttik zurückziehe. Dieser Wandel war klug und verständig, weil er den britischen Interessen den einzigen Weg wies, der ohne Schwertstreich noch offen stand; die gejammte Nation klatschte daher Beifall. In den Bedingungen über die 16-Millionen-Anleihe brachte die britische Regierung diese Politik zum ersten Mal zum Ausdruck; um aber ihren Wider sachern einen Tort anzuthun, ließ sie sich verleiten, den Schwerpunkt wieder auf das politische Gebiet hinüderzuspielen, indem sie die Oeffnung TalienwanS und Nannings forderte. Wurde Talienwan Freihafen, so verlor Port Arthur für Rußland in strategischer Rücksicht jede Bedeutung; deshalb war Rußland entschlossen, die Oeffnung unter allen Umständen zu Hintertreiben. Obwohl die Freunde und Ver treter der englischen Regierung in ihren Wahlansprachen seit Wochen bereit- Schwerter und Kanonen redeten, ist ihm da gelungen; denn wie den „Times" von gestern auS Peking berichtet wurde, hat England die Forderung, daß Talienwan geöffnet werde, nunmehr zurückgezogen. Ob nun England damit auch seine Bewerbung um die An leihe aufgiebt — nach der Aeußerunz der „Times" von dem „Scheitern der Verhandlungen" sollte mau eS fast glauben —, ob eS an Stelle jener Bedingung eine andere, Rußland genehmere setzt, ob Rußland nun seinen Widerspruch gegen die englische Controle der chinesischen Seezölle fallen läßt, ob Frankreich seinen Widerstand gegen die Oeffnung Nannings aufgegebeo, daS Alles erfahren wir nicht. Klar ist nur, daß England, nachdem die Entscheidung auf deS Schwertes Schneide gestellt war, sein größere» Interesse in der Wahrung deS Friedens gefunden hat. Sollte es sich aber erweisen, daß es um diesen Preis gezwungen war, da ganze, soeben erst entwickelte Programm seiner Politik im fernen Osten aufzugeben, so wäre der jetzige AuSgang keine Lösung, die eine gedeihliche Weiterentwicklung verspricht, sondern nur ein die Erbitterung mehrender Ausschub der Entscheidung zwischen zwei Mächten. Diese Empfindung hat man auch in Petersburg, denn aus russischer Seite richtet man sich in Ostasien auf kommende Ereignisse ein. So melden zuverlässige Depeschen aus Port Arthur, daß dort die Rusten große Kohlenvorräthe an Land gelagert haben. DaS kann als weiterer Beweis dienen, daß die Rusten eine baldige Räumung dieses HafenS nicht beabsichtigen. Aber auch sonst betreibt die russische Regierung ihre ost asiatische Politik mit stillem, aber nachhaltigem Eifer. So wird aus Petersburg gemeldet: Die chinesische Ostbahn wird mit dem russischen Eisenbahnnetz durch zwei Linien verbunden werden. Die erste Linie soll von der Station Onon der Transbaikalbahn 440 Werst weit, die zweite von der Station Nikolskoje der Uffuribabn 95 Werst weit bis an die Ostgrenze der Mandschurei führen. DaS Ministerium für Wege und Communicationen hat beschlossen, beiden Bahnen folgendes rollende Material zu geben: der TrainS- baikalbahn 44 achträdrige Lokomotiven, 40 Personenwagen, 458 Güterwagen und 453 offene Platkformwagen, der Uffuribah» tO Lokomotiven, 18 Personenwagen, 149 Güter wagen und 50 offene Plattformwagen. Das kleine Dänemark will sich in Ostasien auch einen Antbeil am Markt erringen. Ende Februar wird die neu gebildete „DanSk ostasiatiske Kompagni" ihre Tätig keit aufnebmen. Die im März 1897 mit einem Aktien kapital von 3»/» Millionen Kronen constituirte Gesellschaft will eine regelmäßige Dampfschiffsverbindung zwischen Kopenhagen und Ostasien betreiben und Handels-, sowie Schifffahrtsbeziehungen zwischen Ostasien und Dänemark fördern. Die Schiffe sollen von Kopenhagen namentlich landwirthschaftliche Erzeugnisse ausführen und in Hamburg und Bremen ihre Ladung completiren. Zur Sicherung der Heims, acht hat die Gesellschaft mit einem Aufwande von 1 Million Kronen eines der bedeutendsten Teakholzgeschäfte in Bangkok angekauft. Dieses für den Schiffsbau unentbehr liche Holz, welches bisher meistens auf Segelschiffen nach Europa transportirt wurde, will die Gesellschaft nunmehr in erster Linie als Rückfracht benutzen, nach Kopenhagen be fördern und dort, in Concurrenz mit anderen Ostsee häfen einen Stapelplatz für Teakholz zu schaffen ver suchen. Die Linie will ihr Augenmerk vornehmlich auf Siam lenken, wo dänische Kaufleute angesiedelt sind, indessen, wenn Fracht vorhanden, ihre Fahrten bis nach Shanghai erstrecken. Der ursprüngliche Plan, für diese Linie einen Staatszuschuß von 200 000 Kronen zu erstreben, ist aufgegeben worden. Die Berbindung mit Ostasien soll in monatigen Zwischenräumen durch drei eigene Dampfer von 6000 TonS Ladefähigkeit vermittelt werden. Einer dieser Dampfer, „Siam", wird in FlenSburg, also auf «iuer deutschen Werft, erbaut und ist kürzlich vom Stapel gelaufen; die anderen beiden Dampfer werde» in England hergestellt. Der Stand der Dinge an der «mgla-iie-ffchci» NartzWeftgrcnze ist durch das der Brigade deS Generals Westmacott widerfahrene Mißgeschick in sehr ungünstiger Weise beeinflußt worden. Zu nächst erscheint die Verlustliste als eine für indische Verhältnisse ungemein beträchtliche und wird nicht verfehlen, auf das Urtheil der eingeborenen indischen Bevölkerung in einer Weis« zu wirken, die ihren Respekt vor der militairischen Leistungsfähigkeit Eng lands mindestens nicht steigern dürfte. Das endgiltige Schicksal des Feldzuges wird ja durch dergleichen Theilunfäll« nicht ent scheidend beeinflußt, aber wenn es auch der englischen Krieg führung gelingt, was ohne das Dazwischentreten ganz unbe rechenbarer erschwerender Umstände keinem Zweifel unterliegt, der Afridis und der anderen unbotmäßigen Bergstämme äußerlich Herr zu werden, so wird doch der moralische Effect des Feldzuges für die Engländer kein besonders erhebender sein können. Die herrschende Raste darf sich, wenn sie ihr Uebergewicht über die beherrschte mit Sicherheit auch in kritischen Tagen behaupten will, nicht an einem mit Hängen und Würgen davongetragenen „Achtungserfolg" genügen lasten, namentlich wenn sie eine mili- tairische Kraftanstrengung gemacht hat, die sich als eine so außer ordentliche kennzeichnet, wie die jetzige Mobilmachung gegen die nordwestlichen Grenzstämme. Die Engländer aber werden noch von Glück sagen können, wenn eS ihnen gelingt, sich mit den Auf ständischen auf Grundlage des Status guv aute zu vergleichen. Von der Erzwingung einer Unterwerfung auf Gnade und Un gnade kann unter keinen Umständen mehr die Rede sein, vielmehr zeigt der bisherige Verlauf des Feldzuges mit unzweideutiger Be stimmtheit, daß die englische Machtrntfaltung in Indien auderäußersten Grenze ihrer Ausdehnungs möglichkeit angekommen ist. Zu einem weiteren Vorschüben seiner Einflußsphäre müßte England über ganz andere mili- tairische Machtmittel gebieten, als ihm thatsächlich zur Ver fügung stehen. Deutsches Reich. * Berltu, 2. Februar. AuS der Begründung der Reichspostdampfervorlage ist als besonders wichtrg noch bervorzuheben, daß nunmehr auch Hamburg durch die Amerika-Linie an dem direkten Verkehr nach Ostasien be- theiligt fein wird. Die Schiffe solle» abwechselnd einmal auS Bremen, das andere Mal auS Hamburg expedirt werden, wobei die einheitliche Leitung deS Unternehmens dem Nord deutschen Lloyd zustebt. Die nach der Vorlage nöthig werdende sofortige Einstellung neuer erstklassiger, den An forderungen der Regierung entsprechender Dampfer wird zu nächst ausschließlich durch den Norddeutschen Lloyd zu er folgen haben, da die Hamburg-Amerika-Linie, abgesehen von ihren vier Schnelldampfern, die für die asiatische Fahrt zu theuer kommen würden, keine geeigneten Schiffe besitzt, sondern diese erst bauen lasten muß. Unberührt durch dieses Zusammenarbeiten der beiden großen Gesell schaften bleibt die von der Hamburg-Amerika-Linie kürzlich eingerichtete Frachtdampferlinie nach Ostasien, die ganz anderen FruNletsir. Alice. 6s Roman von I. Lermiua. Nachdruck »erboten. Aus diesem Material läßt sich Folgendes schließen: Das Motiv des VrebrechenS ist Diebstahl gewesen. Frau v. Vir- sannes galt für geizig, und man behauptet, sie bewahre große Summen bei sich zu Hause auf. Obwohl nun die alte Frau so gut wie gar keinen Verkehr mit der Außenwelt unterhielt, so muß man doch annehmen, daß die Mörder über die Gewohn heiten der Ermordeten unterrichtet waren und sie von früher her kannten. Zu erwägen dürste der Umstand sein, daß sie sich nur auf die Mitnahme von Geld beschränkten, während sie Ju welen und Silberzeug, kurz Alles, wa» zu ihrer Entdeckung hätte führen können, liegen liehen. Wenn daher einige Umstände darauf Hinweisen, daß daS Verbrechen nicht von gewöhnliche« Mistethätern begangen worden ist, so deuten andere daraus hin, daß man es mit Leuten zu thun hat, die nicht ihren ersten Streich ausführtrn. Unter den Dokumenten, die bei dem Unter suchungsrichter niedergelegt find, befindet sich auch die Eopie eines Testament», dessen Original bei dem Notar Dugommier, Rue Saint-Florentin, niedergelegt ist. Das Vermögen der Frau v. Versannes, sowohl in Werthpapieren, als Gebäuden und Gü tern, das etwa 600 000 Francs beträgt, fällt der Stiftung von Saint-Acheul zu. Sorgfältige Nachforschungen in den Kellern und unter den Dielen haben eine Summe von 100 OOO Francs, die sich in Ledersäcken befand, zu Tage gefördert. WaS den Betrag de» von den Mördern begangenen Diebstahl» anbetrifft, so läßt sich darüber gar nicht» sagen, da man nicht die geringste Auf stellung oder das kleinste Hau»haltung»buch vorgefunden hat. Die Ermordete war die Wittwe des Marquis Albert v. Ber- sannes, Officier der Musketiere de» König» Ludwig XVI. und Oberst in der Armee de» Marschalls CondS; im Jahre 1790 wanderte er au» Frankreich aus, Kinder hat Frau von Versannes nie besessen. Sie hatte einen Bruder, den Grafen von Chante- fosse, der, wie man behauptet, einen Sohn hinterlassen haben soll, den leiblichen Neffen der Marquise, doch ist dessen Aufenthalt unbekannt, ja, man weih nicht einmal, ob er überhaupt noch am Leben ist, nur so diel steht fest, daß er nach den Aussagen P4- chard's wenigsten» fünf bi» sechs Jahre bei seiner Tante nicht »rschienen ist. Ein yamtliemnterrffr hat die Mörder also nicht geleitet; nach dieser Seite hin wäre also jede Nachforschung un nütz. Madame Benoit könnte allein einige Angaben liefern, doch nichts beweist, daß sie dazu im Stande ist, denn sie war schließlich nichts weiter, al» eine bezahlte Dienerin. Man kannte ihre Adresse nicht, und sie hat schließlich in das Hospital des Hotel de Dieu gebracht werden müssen, wo sich bisher noch Niemand nach ihr erkundigt hat. Sie könnte wohl auch nicht, wenn sie wieder gesund würde, die Schuldigen nennen, da diese ihr jeden falls unbekannt waren. Der Polizeipräfect legt großen Werth darauf, daß die Mörder sobald wie möglich entdeckt werden, und er hat den Beamten, die da» erste wichtige Beweisstück liefern, das zur Entdeckung der Mörder führen kann, eine bedeutende Belohnung versprochen." — Beigefügt ein Plan der Besitzung der Frau v. Bersanne» in Neuilly. VH. In dem Zimmer der Rue de Beaune saß Davidot und siu- dirte die Notizen. E» war Nacht; seine Mutter schlief. Jetzt legte er sich selbst in einem kleinen und engen Eadinet zur Ruhe, wo eine Matratze kaum Platz hatte. Nach kurzer Zeit trat er wieder in'S Zimmer und setzt« sich, da er augenscheinlich keine Ruhe finden konnte, am Kamine nieder, über dem ein kleines ovales Bild in einem Rahmen von Stahl perlen hing. Obwohl dte Farben fast ausgewischt waren, so unterschied man doch noch da» Portrait eine» jungen Mannes mit Puderperrücke, der die graue Uniform mit Goldknöpfen der Officier« de» ersten Kaiserreiche» trug. D« Davidot fürchtete, daß der Schlaf seiner Muiter von dem Lichte der Kerze gestört werde« könnte, so machte er aus drei Zeitungsblättern eine Art Lampenschirm; dann vertiefte er sich in seine Notizen, ohne sich um die späte Stunde zu kümmern. vidocq hatte wahr gesprochen; Davidot, der Sohn eine» ehe maligen Beamten des EalzhofeS, den der Sturz deS alten Re gimes um seine Stellung gebracht hatte, war lckwn in sehr jugendlichem Alter zur Polizei gekommen und hatte schon früh zeitig sich «ine Leidenschaft fiir jene ganz außerordentliche Jagd angeeignet, in der der Mensch das Wild bildet, in der die List die List bekämpfen muß und in der der Spion ost nm sein Leben spielt. Zuerst ei« ganz untergeordneter Beamter und nur mit leichte« Bureauarbritne betraut, hotte Davidot nach und nach seine Erziehung al» Detertiv, al» Spürhund, als Spion im rein praktischen Sinne des Worte» vollendet. Er hatte eine glühende Leidenschaft für diesen Kampf auf Leben und Tod gefaßt, bei dem Einer den Anderen zu betrügen sucht. Dabei war er aber ein sehr ruhiger, kalter Geist, mißtrauisch, im Grunde genommen nicht schlecht, ja, sogar in der niederen Sphäre, in der er sich be wegte, zur Großmuth fähig, doch vor Allem scharfsinnig, über legen und mit einer außerordentlichen Divinationsgabe ausge stattet. Er besaß ferner die werthvollc und gefährliche Fähigkeit, geradeaus zu gehen, ohne sich durch irgend welche Nebenbetrach tungen ablenken zu lassen. Wenn er auf einer Fährte war, so glaubte er auf einem Pfade einherzugehen, der durch zwei Mauern begrenzt wurde, die ihm die Aussicht des ganzen Horizonts raubten. Er hielt die Augen fest auf sein Ziel gerichtet und ging mit langsamen, aber sicheren Schritten vor. Seine Mutter, die im Jahre 1801 Wittwe geworden war, hatte Paris verlassen, um zu ihrem anderen Sohne Victor zu eilen, der ein lebendes Gegenstück zu Davidot — ein leidenschaft licher Charakter, Soldat von Herzensgründe — Napoleon gedient hatte, wie er vorher der Republik gedient, sich tapfer seinen Grad als Capitain auf dem Schlachtfelde erkämpft hatte und noch zu schönen Thaten berufen schien, als ihm bei der Erstürmung von Hannover eine Granate ein Bein sortriß. Er wurde pen- sionirt und zog sich mit seiner Mutter auf eine kleine Besitzung in der Umgegend von Laron zurück, wo er, von Allen geachtet und geehrt, ein ruhiges Leben führte. Der Sturz des Kaiserreichs hatte diesen schönen Traum unter brochen. Victor Davidot war dem Kaiser treu geblieben und hatte thätigen Antheil an den Verschwörungen der ersten Jahre der Restauration genommen. Im Jahre 1820 war er in eine Mi- litairverschwörung verstrickt, von einem Verräther denuncirt worden, und hatte sich in ein Haus in Bercy geflüchtet, wo er eine richtige Belagerung auszustehen hatte; eines Tage» hatte ihn ein Gewehrschuß niedergestreckt. In den letzten Jahren hatte Davidot nur spärliche Beziehungen zu seiner Mutter und seinem Bruder unterhalten; ja, um Alle- gerade herauszusagen, Victor hatte ihm all' den Haß und die Verachtung geweiht, die ein Verschwörer einem Spitzel nur ent- gegenbringen kann, und Madame Davidot, die die Vorurtheile ihres jüngsten Sohnes theilte, nahm ihren Aeltesten mit solcher Kälte auf, daß er e» für gut fand, nur sehr selten zu erscheinen. Doch beim Tode Dictor's war die arme Frau vom Schlag« getroffen worden und fast gestorben. Sie blieb ohne Vermögen, denn Victor hatte Alle», was er besaß, ausgegeben, um sein« Mitverschworenen zu unterstützen. Krank, lange Zeit hindurch halb wahnsinig, wurde Madame Davidot von dem Criminalisten ausgenommen, dessen mageres Gehalt kaum hinreichte, ihn selbst zu ernähren. Er allein kannte das Opfer, da» er sich auferlegte, umsomehr, da eine tiefe Abneigung, ja sogar eine Art von Haß dm Sohn von der Mutter trennt«. An gewissen Zeichen, an halb ausgesprochenen Worten hatte Davidot erkannt, daß der Grund dieser Abneigung in seinem Beruf als Polizribeamter lag, und meherere Male hatte er ver sucht, in der Hoffnung, die Zuneigung seiner Mutter wieder zu erlangen, sich eine neue Stellung zu verschaffen. Trotzdem führte ihn immer sein Jnstinct, seine schlummernde Leidenschaft zur Polizei zurück, besonders zu Vidocq, den er für «in ungewöhnliches Genie hielt. In der letzten Zeit hatte er eine Stellung in einem Spiel hause angenommen, doch eS widerstrebte ihm, der Diener, fast der Complice der Leute zu sein, die er am liebsten beim Kragen gepackt hätte, und darum hatte er sich wieder an Vidocq ange- schlossen. Mit dem Eifer eines Neulings hatte sich Davidot der neuen Arbeit gewidmet, die man ihm anvertraut. Die Stunden ver gingen bei dieser schon zehnmal aufgenommenen Lectüre, die er unterbach, wenn die Kranke einen Klagelaut ausstieß, oder wenn die Kälte sich allzu sehr bemerkbar machte; dann erhob er sich, um die Füße seiner Mutter in eine warme Decke zu wickeln. Als cs 6 Uhr schlug, raffte Davidot die Papiere zusammen und versteckte sie unter seiner Matratze. Dann legte er das kleine Brödchen, das er am vorigen Abend gekauft, auf den Tisch, stellte dazu die Milch, den Zucker und die kleine Kochmaschine, die seine Mutter vom Bett aus an zünden konnte. Er that das Alles leise, mit unhörbaren Schritten und betrachtete dabei den Kopf der alten Frau, der selbst im Schlummer seine harten Falten beibehielt. Warum liebte sie ihn nicht? Er hätte sich so gern für sic geopfert; war es etwa sein Beruf? Er hielt ihn für äußerst ehren- werth. War dieser Kampf gegen die Banditen nicht der Gesell schaft nützlich und kämpfte nicht auch er, wie der Soldat, in jeder Stunde auf Leben und Tod? Und wenn er jetzt die Mörder von Neuilly entdeckte, vertheidigte er nicht da auch seine Mutter, indem er die Schurken unschädlich machte, die alte Frauen überfielen? Er blieb unbeweglich am Fußende de» Bettes stehen und fragte sich, welches fürchterliche Geheimniß hinter dieser undurch dringlichen Maste sich verbarg. Er bückte sich, um seine Mutter zu umarmen, doch während des Schlafe» machte sie eine jedenfalls unbewußte zurückweichende Bewegung. Er küßte den Rand des Bettes, ging geräuschlos zur Thür, öffnete sie, schlich hinaus und stieg leise die Treppe hinunter, uiir Niemanden zu erwecken. Kaum waren einige Minuten verflossen, al» Madame Da vidot plötzlich die Augen öffnete. Ihr Blick war noch gehässiger al» gewöhnlich, und sie hielt
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