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D«ck<k««. de» 14. November. — Zu Ehren des Geburt-feste« Ihrer Majestät der Kö- nigin fand gestern große Neveillc seiten der Militärmusikchöre der Residenz statt. Am königl. Hofe selbst wird bekanntlich dieser Tag stets in stiller Zurückgezogenheit verlebt, da der selbe zugleich der Todestag Meihöchsldero, Mutter (weiland Ihrer Majestät der König:» Karoline von Baiern) ist, und wurde dafür wie gewöhnlich am 10. d. M, dem hohen Ver» mählunMaare Ihrer Majestäten, im Familienkreise gefriert. Die königl. Familie war bei Ihren Majestäten zum Diner vereinigt, an dem auch Ihre Maj-stät die vorgestern Abend hier e nget,offene Königin Elisabet', von Preußen (Zwilling«» schwester Ihrer Majestät der Königin) Theil nahm. — I. M. die Königin Wittwe von Preußen, deren An kunft am Sonntag Abends 48 Uhr erfolgte, wurde von un» serem Könige paar auf der jEisenbahn empfangen und in'S königl Schloß geleitet. In der Begleitung der hohen Frau befinden sich die Hofdame von AlvenSleben und der Oberhof meister Graf Dönhcff. Concert. Sonnabend, den 1l. Novbr. gab der in Dresden sehr beliebte und wohlblkannte Pianist, Herr Adolf Blaßmann ein Concert im Saal des Hotel de Saxe und trug darin da- Concert (^ mvll) von R. Schumann und ei» Conrrrt- stück (L-moll) von Robert Volkmann, beide mit Orchesterbe gleitung und zum Schluß Allemande, Sarabande und Courante (ll-moll) von S. Bach, Harcarole von A. Rubinstein und I.e 6a!op, Caprice von I Raff ver. Herr Blaßmann bewährte sich auch heute wieder als ein tüchtig geschulter mit Ruhe und großem Verständniß Vortragender Pianofortrspieler. Das Con- certstück von Volkmann machte den «eisten Effect. Die Ge- sangspiecen hatte Frl. Emilie Wigand aus Leipzig übernom men. Wir höiten die Arie ,,Höre Israel > au- EliaS von Mendelssohn und die Lieder „Der Doppelgänger" und „Die junge Nonne" von Fr. Schubert mit Orchesterbegleitung von Fr Aßt und „Nun die Schalt n dunkeln" von Ad. Jensen und „Widmung" von R. Schumann mit Pianofortebegleitung. Fräulein Wigand ist eine ganz bedeutende Concertsängenn sowohl was Schönheit und Stärke, wie auch Ausbildung ihrer Stimme betrifft; besonders wirkungsvoll ist ihr Crescendo so wie daS merrs vuc«, etwas f örend aber da» zu heftige Ath- wea der Sängerin. Herr Kammermusik»- sGrützmacher spielte ein selbst componirteS Adagio und Allegro capriccioso für da» Cello mit Oichesterbegleitung, und zeigte dabei wieder seine seltene Technik wie tiefe Kenntniß der Wirkung seines Instru mente-, dessen Vorzüge die Composttion möglichst hervorhob. Die königl. Capelle unter Leitung des Hrn. Capellmeifier Dr. Ri.tz führte die angegebenen Orchesterbegleitungen fein und gediegen au- und eröffnet« das Concert mit der Ouvertüre zu „FaniSka" von L. Cherubini in erhebender Weise. — Leit dem Monat August bi- Ende October dieses Jahres hielt sich in hiesiger Stadt eine noch junge und ziem lich hübsche Frauensperson auf, die sich für «ine Baronin Von Zeuner aus Wien auSgab, nobel austrat, höchst luxuriös im Essen und Trinken lebte, splendide Dine,» und Soupers arrangirte und in Folge der dazu erlassenen Einladungen selbst in vornehmen Herren kreisen bekannt würbe. Später gesellte sich zu ihr noch ein vormaliger preußischer Husarenleutnant, d.r, w.'S Ansprüche an Küche und Keller anlangt, seiner an geblichen „Cousine" nichts nachgab. Plötzlich war dre Frau Baronin mit ihrem Leutnant eines Tages von hier verschwun den Nach ihrer Abreise stellte sich heraus, daß sie die ganze Zeit ihres Hierseins über auf Pump ihrer Logiswirthin ge- lebt, und dieser Dinge vorgrschwindelt hatte, die keinen Zwei fel darüber übrig ließen, daß st« eine Erz-Schwindlerin, voi- auSfichtlich auch k-ine Baronin von Zeuner war. Der könig lichen Polizei-Direktion ist eS gelungen, sie mit Hilfe deS kgl. Polizei-Präsidium- in Berlin zu entlarven. Die Berliner Vosstsche Zeitung bringt darüber folgende weitere Detail»: »u» Dresden hat die dortige Pwizeibehörde sich hier nach einer Freifrau Sophie von Z. erkundigt, die angeblich aus Wien her sein wollte und seit August in Dresden eine möblirte Wohnung bezogen hatte. Noch jung, hübsch und gewandt, hatte sie sich bei ihren WirthSkuten dadurch großen Credit ve schafft, daß sie vorgab, ihr Gatte wäre Rittergutsbesitzer, sie selbst aber die N chte des Polizei-Präsidenten Hrn. v. Ber- nuth, und habe sie bei dem Stadtgericht in Berlin noch eine kleine Erbschaft von 12 000 Thalein zu erheben. Auf diesen Schwindel hin lebte die edle Freifrau herrlich und in Freu den zeigt« besonder» «ine große Vorliebe für Austern und Champagner, ur d ihre WirthSleute machten für Alles die Aus- lagen. Im September traf, von Görlitz kommend, «in F eund bei ihr ein, «in vormaliger Husarenleutnant, und auch dieser hatte eine Passion für feine Wein« und Delikatessen, so daß die Rcchrunn -m-» größer wurde. Der Freund reiste nach O sterreich ab uno me Freisrau begab sich nach Berlin, um hier r/.e Erbschaft zu erheben, and wellte auf ihrer Rückreise ihren WirthSleute» in Dresden die mehrere Hundert Thaler betragende Rechnung bezahlen, avch für die Familie reiche Ge schenke mitbringen. Sie hat aber die Rückreise vergessen und, in Berlin aufgesunden, hat sich ergeben, daß die Freifrau v. Z früher Schänkmamsell, namentlich längere Znt hindurch in der Walhalla gewesen ist. Jedoch bleibt sie dabei, daß sie jetzt wirklich die Freifrau v. Z. sei, indem sie in Gotha einen Freiherrn dieses Namens geheiralhet hätte, von demselben aber schon nach zwei Monaten böslich verlassen worden wäre. — Heute giebt Herr Schulz eine Vorstellung zum Besten der Nothleidenden in Werdau, und um vielfachen Wünschen de« Publikum- zu entsprechen. We den noch 2 Vorstellungen Nachfolgen. — Wr wir hören, werden auch die Herren Leip ziger Coupletsänger noch im Laufe dieser Woche «in Wohl- thätigkeitS Concert zum Besten der hiesigen diätetischen Armen klinik veranstalten Bei dem anerkannten WohlthäligkeitSsinn des Dresdner Publikum« bezweifeln wir nicht, daß das Re sultat ein recht günstige» w-rden dürste — l>. Der zweite seiner aesthetischen Vorträge üb.r deutsche Liierawr, welchen H,rr Ilr. Seiler Sonnabend, den I I. November hi lt, war Wohl geeignet, zu fesstln und die Schönheit, Kraft und Gedankentiefe mittelalterlicher Poesie der zahlreichen, vorzüglich a> S Damen bestehenden Zuhörerschaft vorzusührcn, als Herr Or. Srmler über „das deutsche Volks lied im 15. und 16 Jahrhundert" sprach Nachdem der Redner den Gegensatz der fnlchen Volks- und Naturpoesie zur ritterlichen (romantischen) Dichtung nachgcwiesen und die Form des Volksliedes, sow e Goethes Verhältniß zu dielen, erklärt hatte, citüte er zur Charatterrstik der verschiedenen Stimmun gen w Niger bekannte Volkslieder, als: Liebes-, Reiter- und Weinlieder, von denen, w e Herr De. Seniler behaupiete, oft ein solches ganze Heuwagen moderner Lyrik oulwrege. Mit einem Hinblick auf die gelehrte Verschrobenheit unsrer moder nen Jugend und der Muh u«m, die wahrhaft melodische Form und innerliche K-afi des Volksliedes zu studiren und daraus sich gleich Goethe zur wahren Kmnlniß des Menschlichen und Natürlichen anregen zu lassen, schloß dieser mit allgemeinem Interesse aufgenommene Vortrag. — Nachdem in uns.rem benachbarten Dorfe Strehlen bereits 3 oder 4 nächtiche Gärtendiebstähle, insonderheit f-ine EortimentS-Rosen betreffend, in kurzer Frist verübt worden find, ohne daß eS der GenSd'armerie und Tnminal Polizei hat gelingen wollen, die Thäler zu ermitteln, so ist in der Nacht vom 10 zum 11 Novbr. abermals eine dergleichen „Rosen-Razzia" in einem Villa-Garten zu Strehlen in'S Werk gesetzt worden. ES wäre sehr zu wünschen, daß den Theilnehmern an derartigen verbrecherischen Unternehmungen endlich — durch allgemeine Mitwirkung deS Publikums — auf die Spur gekommen würde. Wie man vernimmt, so sind auch Zehn Thalcr Belohnung auSgrletzt — Die Anschlagsäulen und andere öffentliche Notizta- frln, wenn sie in den Morgenstunden noch im tiefsten Neglige sich befinden, liefern manchmal durch die Rudera der zerfetz ten Asfichen sonderbare Neuigkeiten So ist auf einer Tafel an der Friedrichstädrer Brücke, in der Nähe der Restauration von Arrighr gedruckt zu lesen: ,Jn allen Buchhandlungen Dresdens — jeden Morgen frische Bouillon, 1 Taffe 1 Ngr. — mit mehr als 66 Illustrationen! — Wir wünschen „wohl zu speisen!" — Am Freitag Nachmittag hatte der Berliner Zug, welcher um 3 Uhr in Dresden absöhrt, «inen leeren Pack wagen auf der Leipzig-Dresdner Bahn in Kötzscherbroda auf dem Gleise stehen gelassen Kwz darauf ist ein Güterextra zug von Dresden gekommen, welcher an den Wagen mit voller Kraft anfuhr und denselben zertrümmert hat. Außer an der Maschine, welche nie, t unbedeutend beschädigt worden, ist kein Schaden weiter vorgekommrn — Vom Herrn llr. Gerhard «ha tm wir folgende Zuschrift: Einer Aussage zufolgr soll der Hund des an der Tollwuth verstorbenen Po-tier« Montag zwei Mal in der K. Thierarzneischule gewesen sein. Dem ist nicht so, der Hund ist vor der Ansteckung seines H-rrn nicht zur Beaus sichtiflung in der genannten Anstalt gewesen, sondern erst nach der Ansteckung seines Herrn dahin gekommen, wo er sofort als wulhkcank von den Hrn Archen daselbst erkannt wurde und am zweiten Tag darauf verendete. — In der Nähe der Priehnitzstraße wurde gestern Vormittag von einem GenSdarnr ein Hund erschossen, der sich dort seit einigen Togen ohne Halsband und Maulkorb herren los herumgetrieben und Spuren der Tollheit zu erkennen ge geben halte. Der Hund wurde später in die Thirrarznei- schul« zur weiteren Untersuchung gebracht. — — In der Anionstadt ist in der vorvergangenen Nacht mittest Eindrücken« zweier Fensterscheiben der Versuch ge macht worden, in ein dort gelegener Parterrelogis einzu- I steigen, um darin jedenfalls zu stehlen. Der Dieb scheint! durch äußere Umstände an ver Vollendung deS Diebstahls verhindert worden zu sein. — - Auf der Fleischergasse hat vorgistern Nachmittag rin Essenbrand stattgefunden. Eine größere Parthie Speck und Fleischwaaren, die im Nauchfang gehangen, soll dadurch verdorben und ihrem Eigenthümer ein Schaden von ca.zwanzig Thalern daraus erwachs»» sein. — — Eine Abiheilüng Militär, daS zur Arbeit comwan- dirt schien, marschirte gestein Vormittag „zu Vieren" unter Führung eines Unterosfiziers die Casernenstraße herunter nach der Brücke Ein unberufener Commantant in der Person eigres verabschiedeten Soldats und dermaligen Handarbeiters, der der Militärabtheilung kurze Zeit gefolgt war, comman- dirte plötzlich,Zweien eingerückt". Im Nu wurde dem Commandowort Folge gegeben. Der wirkliche Commandart war hierüber schier verwundert und über diese ungehörige Einmischung in sein Commando ergrimmt und ließ deshalb seinen Herrn Pseudocollegen augenblicklich verhaften. — — DaS am Sonnabend früh stattgefundene Begräb- niß deS Herrn von Burchardi auf Cotta, welcher seinem Leben, in Folge Geist, Szirrüttung, durch Erschießen rin Ende gemacht hatte, fand in einer Weise statt, dis allgemeines Aufsehen erregte. Es wurde nämlich der Sarg ohne Lei chentuch und ohne Bahre nach dem Grabe getragen, da Beides von der dortigen Ortsgemeinde verweigert worden sein soll — Frostige Gedanken! Der Winter naht mit Nie» senschritten. Da oben, der von Ewigkeit zu Ewigkeit sich üb»r den E,denpilgern wölbende Himmel, der im Sommer seine heißen Sonnenstrahlen auf Gerechte und Ungerechte her- niedergeworfen, sängt an, sein Riesenantlitz in grirSgrämliche Falten zu ziehen. Die frostigen, schwarzen Wolkenpelze hän gen vcn Osttt» und Westen und Norden herüber und mahnen den Hinaufschauenden, daß auch er entweder au» der Com» mode den Pfandschein und mit ihm den versetzten „Krimmer" aus dem Neustädter Nathhause holen oder daran denken soll, sich «inen neuen Fuchspelz beim jetzt in der Wolle sitzenden Kürschner zu kaufen, d h., wenn er sagen kann: „Meine Mittel erlauben mir daS!" Die Bäume des Waldes und der Landstraßen haben sich a la kmelle schon entkleidet, sie recken die Gipfelnasen kahl nach der Sonne hinauf. Das Birken wäldchen am Wege nach Blasewitz, daS so manchem Obdach losen diesen Sommer eine freie, solide Schlafstelle so lange gewährt, bi» die blanken H-lme der GenSd'armrn im Mon- denschein durch die Nacht blitzten, ist leer, die Schläfer sind exmittirl, die Bäume sch'agen ihre nackten dürren Arme überm Kopf zusammen und kein St eglitz singt von ihnen herab mehr dem unten kosenden LiebeSpärchen das alte Lied: „Du. du, liegst mir am Herzen!< Die Schwalben find hrimwärlSgezogen, in den Mückgelaffemn Nestern erzählen sich die graubefrackten Springinsfelde, die Spatzen, die Vagabondcn der Vögrlwelt, wie schön eS sei, miethSfrei sich auf Monate rinquartierrn zu können. Die Stöiche klappern schon im fernen Indien ihr,- all« Melodie den büßenden Braminen vor und der Staar tanzt längst an den Usern des Guadiana „fern im schönen Spanien" auf der Thurmspitze der alten Klosterkirche die Ma- drilena ä la?epilo, vergessend die Mahlzeiten, die er auf den Krautfeldern de» Plauenschen Grundes gehalten, sich nicht erinnernd der Rgenwürmer, die am Elbuser bei Eöbr'chen in der Morzensonne trichinenartig sich wälzten und von ihm gespießt wurden. So gestaltet sich das winterliche Leben in Wald und Flur! Ziehen wir uns hinter die Schläge der Residenz zurück! Da schwebt über den Giebelnasen der Pal läste und bescheidneren Häuser das schwarze Wolkenheer de» KohlrnraucheS. Durch die Straßen erschallen die Glocken deS Rohrscheidtirmns und ihnen folgt der stramme Grauschimmel, der den Bewohnern das Feuerungsmatenal unablässig von Straße zu Straße zuführt. In der Kinderbesse,ungSanflalt stehen die Kleinen und sägen und spalten die Kiesirnklötzer entzwei, auf denen vor wenig Wochen noch der grüne Zeisig die Herzallerliebste gcschnäbelt In den Restaurationen glühen schon die Oesen und der frostige Gast zappelt und tanzt erst um die wärmtnden Eisenplatten herum, ehe eS ihm einfällt, daS von der „Minna" kredenzte „Bodenbacher" an die be- schnurrbarteten Vorhänge seiner Speiseanstalt zu führe». Nackt und blos, nur noch mit einem spärlichen Federschlips um den sangen Ha.'s. werden die geschlachteten Mastgänse vor die Fenster ter Küche gehenkt und den unten im Hofe noch lästig einherstolzirendrn Hühnern gehen keim Anblick dieser Leichen die Augen über ; denn eine bange Ahnung steigt auch in ihrem Hirnkasten empor, die ihnen sagt, daß alle« Irdische vergäng lich und auch an ihnen bald die Reihe sei. Und deS Abends sitz'N sie beisammen im Hühnerstal! und jeden Abend nehmen sie gackernden Abschied von einander, weil sie ja nicht wissen, ob nicht daS blitzende lange Messer der Köchin morgen der erste Morgrnsonnenstrahl ist, der sie b'grüßt. Die Baustellen