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Die Politik äer Woche Um Georg v. — Die großen Drei in Lugano — Da» ne« Italien — Kriegsgefahr in Südamerika /luer Tageblatt MnMger tur öas ErWebrrge «-.»<>»-.» »i. va«Ex.q°.,«.»« «°^..« s.°-, m,»... 7,m.-,„lch,- H«-. pE.-.,..»- . Sonntag, äen lö. Dezember 1S2S 23. Jahrgang Die Verhandlungen in Lugano Tvr englische König G -e 0 ca V. -ist -immer noch so schwer krank, daß -seine Untertanen um sein Leben fürchten. Mit einer beispiellosen Geschwindigkeit, die -einem Weltrekord glsich- rommt reist« der englische ThronsoGger, der Prinz von Wales, von Dar -es Sctlaom am Indischen Ozean durck da? Rote Meer über Nordägypten und durch das Mittelländische Meer n-ach Brindisi und von hier durch Italien, -die Schweiz und Frankreich über den Kanal an das Krankenlager seines Vaters. Hier kam er noch rechtzeitig an, um sein Einverständnis zu dem schweren operativen Eingriff zu geben, der unerläßlich war, um das Leb«« des Königs überhaupt noch zu erhallen. Dos Operation, die sich nahezu eine Stunde lang hinzog, und ^7 der medizinischen Fachpresse wie auch in der Tagespresse i»'..^»-rnds eingehend gewürdigt wird, zeigte den ganzen Ernst der Lage. In den nächsten Tagen dürste die Entscheidung fallen, ob das Leben Georg V. überhaupt zu reiten ist. Der englische Außenminister Chamberlain hat trotz .der schweren Erkrankung des Königs die .Reise nach 'Lugano angetvoten. Ganz in der Nahe von Locarno trafen sich zu Beginn der Woche in diesem schönen Schweizer Luftkurort die drei Außenminister wieder, die sich seit dem Frühjahr dieses Jahves nicht wieder gesehen Hanen. Lugano gehört jenem Teil der Schweiz an, der ganz überwiegend von Mitgliedern der italienischen Nation besiedelt ist. Aber auch die Schweizer, die volkspölitifch gesehen -der deutschen oder französischen Na tion angehören, finden sich in Lugano daheim. So -ist diese Stadt ein Vorbild für alle Völker Europas, wie man durch Ausgleich und Verständigung bei- -gutem Willen sich nicht nur verstehen, sondern auch wohilfühlen und erhölen kann. Würde das Schweizer Beispiel überhaupt Nachahmung finden, -dann könnte Europa in gleicher Weise wie Nordamerika zu Ver einigten Staaten kommen und damit die ungeheuren sozialen, wirtschaftlichen und politischen Schwierigkeiten überwinden, an denen es unheilbar krank darniederliegt. Dr. Stvesemann, Brh'.nd und Cham-l>enlnnr, die Mdizinifchen Diagnostiker, dokterten in wiederho-lren Untersuchungen und Besprechungen an dem europäischen Volkskörper herum, doch konnten sich Cham'bersain und Brian- nicht zu dem nun einmal -gebotenen Eingriff entschließen, den Dr. Stresemaun, fraglos der beste Diagnostiker, ihnen vorschlug. Wir vermögen nicht «nzu-er- kennsn, daß die Einsetzung des zweiten Ausschusses, der sich Mit der Räumung der .besetzten rheinischen Gebiete befassen s-ckll, ein Entgegenkommen und Zugeständnis Frankreichs ist. Dbg französische Regierung hat lvr-oits anläßlich der Septeni-ber- ra-gu-ng des Völkerbundes in Genf -grundsätzlich ihr Einver ständnis zur Einsetzung di-es-es Ausschusses gegeben. Schon damals wies die deutsche Reiichsregierung darauf hin, daß sie sine Verbindung des Reparati-onsproblems mit der vorzeitigen Räumung der besetzten Gebiets nicht anzuerk-mnen -vermag. Paris vertrat jedoch -die.entgvgengeseht-e Ausfass-ung, fand darin di« Unterstützung -Englands und verharrt in ihr bis auf -den heutigen Tag. Die Italiener waren dieses Mal ln Lugano durch den Unt-erstaatss-ekretär Grand-i vertreten, der zu -dem engeren Fveundeskrsis Mussolinis gehört. Grand-i hatte eingehende Besprechungen mit Cham-berläin und -reiste zur allgemeinen ileoerr-aschun-g mitten in der Ratstagung nach Rom ad, um Mussolini Bericht zu ocst-atten und alsbald nach Angora, der Hauptstadt der neuen Türkei, weiterzu-veiis-en. -Ueber den Zweck des Besuches, den G-randi ln Lugano abstat-tebe, -ist sich die diplo matische Welt im Klaren. Seine Besprechungen mit Br-i -ank bezogen sich auf die Verhandlungen, die der französische Bot schafter in Rom mit Mussolini führt. Diese haben eine Grenz berichtigung zwischen Tunesien und Tripolis zugunsten Ita liens und 'die Staatsangehörigkeit dec in Tunis wobnsn-den Italiener zum Haupl-gegeustan-de. Von nicht minderer Be deutung für Italien war die Aut-erhaltung Grandis mit C h a m-b e rl a7 n. Kraft dcw Abmachungen, -dis Mussolini in Livorno traf, -ist den It-aliienicrn die wirtschaftliche Vormacht im ganzen östlichen Msttelm-eer zug-e sichert. Das faschistische Italien ging aber darüber hinaus, indem -es versuchte, durch einen poMifchen Dreibund zwischen Italien, Griechenland und der Türkei seine Vormachtstellung im nahen Orient zu sichern. Man kennt -die Schwi-erigkeii-en, die der Verwirklichung dieses Planes durch Venizelos gemacht wurden, weiß jetzt aber, daß Chamberlain erneut seinen Segen zu -den Plänen Mussolinis gab und -aß Grandi nach Angora reiste, um seine Verm-itvler- sätigkeit zwischen der Türkei und Griechenland erneut aufzu- nehmen. » „ Zur allgemeinen Avberraschung muhte der DölkevbundSra-t -in Lugano sich mit einer Frage beschäftigen, -die garnicht auf der Tagesordnung -dar Ratssitzung stand und wider all-cS Er- warben brennend wurde, nämlich -dec Krie-gsge fahr i n Südamerika. Während die abendländische Christenheit schon von ferne die Wci-hnachiSglocken läuten hört und di« Wcihnachtsglocken vom Frieden auf Erden -erklm-m, rüstet Bolivien znm Kriege -gegen das kleine Paraguay. Dabei ge hören Bolivien und Paraguay dem VM-erdund« an und haben sich beb ihrem Eintritt in -den Bund feierlich verpflichtet, alle StEgkei-kn auf friedlichem Wege zn schlichten. Der Völker- bundsrat sah sich nun veranlaßt, die südamerlkanl^en Strsit. Hähne daran zu erinnern. Paraguay erwiderte PflicAgemöß, -a-gegen gebraucht' -eine faule Ausrede und, verschob die ent- sch-aidsnde Antwort auf später. In -er Zwischenzeit rüstet es röhlich zum Kriege weiter. In Washington. wotudichr und letzte einen besonderen Lu-schuß «in, der Miwü urck f^M saL -e- LetaL- SU M-ü »icht ve» Ileia Lrgebals Perttnax meldet dem „Dailh Telegraph" au« Lu gano, am Mittwoch hab« vriand zwei Punkten zuge- stimmt, auf d«n«n Dr. Stresemann sehr nack-k^Lstlich bestanden habe, ersten« daß die Fundierung deut- scheu Schuld nicht zu einer Vorbedingung für die Rhein- landrüumung gemacht werde, und zweiten», daß di« Besprechungen über den Vergleichs- und Feststellung^ ausschuß begonnen werden sollen, bevor die Nepara- twnssachvcrständigen ihre Aufgabe beendet haben, so daß die Nheinlandkommission geschaffen und die Räu mung möglich gemacht werden könne, sofort nachdem die Anempfehlungen der Sachverständigen in formelle Abkommen zwischen allen in Betracht kommenden Ne- gierungen übertragen worden seien. Natürlich sei vor- ausgesetzt worden, daß trotzdem die Finanzsachverstän digen sich schon an die Arbeit machen und gute Fort schritte erzielen sollen, bevor di« anderen Fragen be handelt werden. Die Verhandlungen über Reparationen und die Ersetzung der Besatzung durch dje Rheinlandkomnrssion sollen demnach parallel laufen, während man bisher in Paris der Ansicht gewesen sei, daß st« aufeinander folgen sollen. Dies war laut Pertinax das angebliche Kompromiß, da« mehr oder weniger am Mittwoch vor bereitet worden sei. Es würde, so behauptet er, wahr scheinlich gestern eins endgültige Gestalt angenommen haben, wenn es Dr. Vtresemann für passend erachtet Hütte, ru-«stimm«n, daß dis Rhetnlandkommission die- selbe Lebenszeit haben solle, wie die Lvcarnovertrügs und nicht im Jahrs 1L88 verschwinden solle. Aber Strskemann Habs Einwendungen gegen diese« Zuge ständnis gemacht, das Driand als notwendige« Gegen- stück für das, was er selbst zugestanden habe, ansah. Die Folge der Weigerung StresemannS sei, daß kein Beschluß irgendwelcher Art erzielt worben sei und daß die Außenminister Englands, Frankreich« und Deutschlands sich- damit begnügten, zu bekräf tigen, daß sie weiter zum Protokoll vom 16. September 1 928 stehen und 1« allge- meineren Worten zum Geist und Buchsta ben der Locarnoverträge. Brland sei jedoch weiterhin der Ansicht- d-tz di« Verhandlungen über Reparationen und die über die Rheinlandkommission und Räumung mehr oder weni ger zu gleicher Zeit geführt werden, nachdem die Sach- t>ersiündtgen ihre Arbeit begonnen haben. Während Chamberlain und Bricmd der Meinung seien, daß keine weitere Erörterung über das Rheinland in Lugano zwischen ihnen statlfinben werde, habe, so bemerkt Psrtinax, Stresemann gestern abend der deutschen Presse in Aussicht gestellt, daß weitere Zusammen künfte vereinbart würden. Perttnax fragt: Bedeutet dies, daß Stresemann weiterhin versuchen wird, «ine endgültigere Vereinbarung zu erzielen? Keine Erkrankung Slresemanns Ein Berliner SPütabendblatt bringt unter der Ueberschrift „Der kranke Minister" die Nachricht, daß Dr. Stresemann noch einige Zeit aus GesundheitSrLck- sichten in Lugano in einem Sanatorium zu bleiben gedenke. Wie wir an unterrichteter Stelle erfahren, ist diese Darstellung falsch, der Gesundheitszustand de« Ministers ist keineswegs derart ungünstig, daß «in neuer Sanatoriumsaufenthalt erforderlich wär«. Ein Beweis dafür, daß der Minister sich- durchaus frisch und arbeitsfähig fühlt, ist gerade das Programm de« Freitagnachmittag, das eine Reihe von Besuchen und Empfängen brachte. ES ist allerdings möglich, daß Dr. Stresemann. wie auch einige andere Herren der deut schen Delegation, noch einige Tags in Lugano bleiben wird, wo sich- das Wetter sehr gebessert hat und Son nenschein herrscht. Bekanntlich war auch von Anfang an g'cplant, daß Dir. Stresemann unmittelbar im An schluß an die Tagung von Lugano <inen kurzen Weih« nvchtsurlaub antreten würde. Endgültige Beschlüsse über diesen Urlaub sind jedoch noch nicht gefaßt. wunderlich, baß Staatssekretär Kelog-g hierbei «ine entscheidende Rolle spielte. Sämtliche Amerikaner wissen ohnehin, -aß man -i-n La P-az, der Hauptstadt Boliviens, jedem Win? aus Wa- fhi-nton nachkommen wird, da ber nord-amerikanische Dollar rn Bolivien -er Trumph ist, -er je-eS Spiel entfchei'-st. MMtärkschr Erkuaötmg Wieder polnisch« Flugzeug« über deutsch«« Srbiet. Nachdem erst am 23. November drei Polnischs Flugzeug« die Grenze bet Lirtschtiegel (Grenzmark Posen-Westpreußen) überflogen hatten und auf ihrem Flug« bis in die Gegend von Küftrin gesichtet worden waren, wurden gestern nachmittag wiederum drei pol nische Flugzeuge südlich von Meseritz in niedriger Höhe fliegend fcstgestellt. Nach Beobachtungen von Augen zeugen haben die Flugzeuge wieder die gleiche Gegend wie am 23. November ausgesucht. Sie kreisten u. a. bet -em Kraftwerk dec Ueberlandzentrale der mittle ren Grenzmark und den Braunkohlengruben bet Kainscht. §or-rru«g»n üer Mittel« unö kleknstäölr Entschließung de» ReichSstädtetmndes über di« Finanznot der Mittel, und Kleinstädte. Der ReichSstädtebund beschäftigte sich gestern, am »»Seiten Lage der Sitzung sein«« Gesamtvorstandes, mit der Finanznot der Mittel- und Kleinstädte. Hierzu wurde einstimmig folgend« Entschließung angenommen: „Den mittlere»» und kleinen Städten wird e« selbst bei größter Sparsamkeit in immer steigendem! Maß unmöglich, ihr« Haushaltspläne auszugleichen. Sie sind .peshalb gezwungen, zur Erfüllung ihrer öffeni- lichen Ausgaben eine alsbaldige Erhöhung ihrer Ein nahmen zu fordern. Zu diesem Zweck« erscheinen not-, wendig: 1. «ine gerechtere Verteilung der Reichssteuer- Überweisungen, 2. «ine angemessene Steueranspannung, soweit sie keine Verteuerung per allgemeinen Lebens- Haltung zur Folg« hat, wie B. der gemeindlichen G«tränkesteu«r, 8. ein« Beteiligung der kreisangehöri gen Städte an per Grundenverb»- und Wertzuwachs steuer, soweit «inzeln« Länder «in« Beteiligung nicht gewährt haben, 4. eine Entlastung der mittleren und kleinen Gemeinden durch sofortigen angemessenen Po- ttzei- und SchullastenauSgleich für alle Gchmsrte«. Jede Einnahmenverminderung, iwsöesvndeoe eine Kile« »rar- -er «etchästoumMmm-LlutA« äd« ott» «Kvaia« Senkung der Kinostener müßte zu einer für die Wirt schaft untragbaren Erhöhung der Realstsuer sührea." Die MsstnanSerfetzung km Zentrum Mit Interesse sieht man in politischen Kreise« d«r Kundgebung der Arbeiterwähler de« Zentrum«, di« am Sonntag in Essen stattsindet, entgegen. Beson ders nachdem in Blättern, die diesen Kreisen nahe stehen, eine heftige Kritik an dem Kölner Parteitag geübt worden ist. Unmittelbar vor dieser Tagung er klärt nunmehr der Verbandsausschuß der katholischen Arbeitervereine Westdeutschlands, daß er öffentliche Er örterungen über den Parteitag für unangebracht halte. Aus diesem Grunde hat auch der Verbandsausschuß be schlossen, daß die Vertreter der katholischen Arbeiter vereine Westdeutschlands sich an der vom Kölner Lan dessekretär der Christlichen Gewerkschaft m einberufenen Kundgebung von Arbciterzeritrumswäi.lcrn in Essen nicht beteiligen. In der Erklärung, die unter der Ueberschrift „Dem Frieden" von der „Kölnischen Volkszeitung" wiedergegeben wird, wird ausdrücklich betont, daß die Gesamteinstellung d«S Parteitage» durchaus sozial und fortschrittlich war. Vas Kabinett wir- «ieüer ekasshrett« Der Minister»«« über dir Lösung der gqpmeärtigM Lohwknslttse. In einer Aussprache des Ministerrats Lber dl« Wirtschaftslage wurde die Notwendigkeit anerkaant, nach der Wiederherstellung de» Arbeitsfrieden» im Be zirk Nordwcst die Seiden das Wirtschaftsleben zurzeit lebhaft beunruhigenden großen Lohnkonflikts in der Werstindustrie und in der sächsischen Textilindustrie unverzüglich zur Lösung tzu bringen. Der Reich«- arbeitsminister war in der Lage mitzuterlen, daß er entsprechende Maßnahmen eingeleitet habe und alsbald durchführen sverde. Verlängerung des -eutsch-tschechoslowaki^n^^E,^ Zn den Verhandlungen de« ReichSkohl«nkominis» sar» mit d«m tschechoslowakischen ArbettSmtntstertum ist da» tz»ur;ch'tich«hos.o.vakischr Kvhlenabkmoun t» seinen Grundzügen unverändert öl» zu« äst. Juni 1S2S verlängert worden.