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Mchmtz-IcitW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ikhnc in Dippoldiswalde, Nr. 84. Sonnabend, den 21. Juli 1883 Von der Balkanhalbinsel. Man thut der russischen oder deurlicher gesagt, der panslavistischen und vornehmlich von Russland geleiteten Politik wohl schwerlich ein Unrecht, wenn man be hauptet, daß sie auf der Balkanhalbinsel immer für die nöthige Unruhe sorge und den dortigen Slaven die fernere Nothwendigkeit der Errettung von irgend einem Joche durch russische Hilfe nicht aus den Augen verlieren lassen. Am meisten ist in dieser Beziehung Bulgarien, das „theuer erkaufte slavische Schooskind" Politische Wochenschau. Deutsches Reich. Wie aus Gastein gemeldet wird, ist auch der diesjährige Empfang unseres Kaisers daselbst ein besonders herzlicher und zuvorkommender gewesen. Schon in Hofgastein, wohin der Kaiser von Lend aus in kaiserlicher Equipage am Dienstag Nach mittag gekommen war, wurde er von dem kaiserlich österreichischen Badekommandanten und den zur Ehren begleitung entsendeten Personen empfangen und eine Stunde später erfolgte unter dem Jubel der Bevöl kerung und der Badegäste der Einzug des Kaisers in das festlich geschmückte Gastein, wo er im Badeschlofse Quartier nahm. Seit Mittwoch hat auch der Kaiser die Badekur begonnen nnd unternimmt die gewohnten Ausflüge in das herrliche Gebirgspanorama von Gastein, soweit es das in den letzten Tagen häufig regnerische und stürmische Wetter erlaubte. — In welch' lebhafter Weise sich der Kronprinz des deutschen Reiches und von Preußen für soziale Probleme interessirt, hat der erlauchte Herr aufs Neue durch den Besuch bewiesen, den er am Montag und Dienstag der Kolonie Wil helmsdorf bei Bielefeld abgestattet hat. In dieser Kolonie unternimmt bekanntlich der Pastor v. Bodel- schwing im Verein mit hochherzigen Freunden die Auf nahme und Besserung arbeitsscheuer Vagabunden mir Aoßem Erfolge und geht nach Einblick in diese durch Privatmildthätigkeit entstandene undaufLandwirthschaft und Gartenbau basirende Kolonie das Bestreben des Kronprinzen dahin, die Errichtung derartiger Kolonien in allen übrigen Theilen Preußens und Deutschlands zu fördern, und so auf eine praktische Art die Vaga- bundensrage zu lösen. — Das öffentliche Interesse in Deutschland wendet sich zur Zeit mehr dem verheerenden Unwetter zu, welches zumal letzten Freitag wieder verschiedene Distrikte, namentlich die Umgebungen von Glogau, Sprottau und Obernigk in Preußen und Zittau in Sachsen heimgesucht hat, als den politischen, jetzt ruhenden Fragen. Dabei wird es allgemein als ein schwerer Mangel empfunden, daß die Wetterkunde noch nicht im Stande ist, bedrohte Ortschaften rechtzeitig auf die Unwetter aufmerksam zu machen. Nach dem Gutachten der Hamburger Seewarte läge dies an dem Mangel genügender meteorologischer Stationen in Deutschland, zumal in Preußen, und ist bei dem un geheueren Interesse, welches hauptsächlich die Land- wirthschaft an einer ausgebildeten Wetterkunde hat, deren baldige, vollständige und genügende Organisation im ganzen deutschen Reiche zu wünschen. Oesterreich-Ungarn. Die Deutschen-Hetze in Oesterreich führt zu tolleren und unverschämteren De monstrationen denn je, und ruht nicht einmal aus Respekt vor der Person des österreichischen Monarchen. Als der Kaiser Franz Josef jüngst seine Reise in Krain unternahm, passirte in Laibach Folgendes: In der so genannten Champagnerhütte brachten deutsche Turner und Schützen ein „Hoch Oesterreich!" aus, was den anwesenden slavischen Verein „Sokol" zu Gelächter und Pfeifen veranlaßte. Den Deutschen, die dagegen Einsprache erheben wollte», wurde bedeutet, sie befänden sich hier auf „slavischem Boden" und hätten deshalb „das Maul zu halten"! — Es entstand ein heftiger Wortwechsel, während dessen ein slavischer Turner auf einen Tisch sprang und mit Stentorstimme schrie: „Hinaus mit den Fremden!" Nun entspann sich eine regelrechte Prügelei, ja die vor dem Lokal angesam melte slavische Volksmenge machte Miene, dasselbe zu stürmen, und wurde davon nur durch die gütlichen Vorstellungen der Polizei und die vernünftige Ansprache eines slovenischen Veteranen abgehalten. Frankreich. In der französischen Deputirtenkammer hat der Minister des Auswärtigen, Challemel-Lacour, Mittheilungen über den Stand der Dinge aus Ma dagaskar ertheilt, welche zwar keinerlei neues Licht auf die von England angeklagten Vorgänge in Tamatave werfen, aber erkennen lassen, daß die leitenden Per sönlichkeiten der französischen Republik weit davon ent fernt sind, eine den berechtigten Empfindlichkeiten Eng lands zuwiderlaufende Politik zu dulden. Challemel- Lacour meinte, Thatsachen, die theils nicht hinlänglich bekannt, theils falsch ansgelegt seien, könnten die Be ziehungen Frankreichs zu England in keiner Weise stören. England. Die englische Negierung ist durch das Suezkanal-Arrangement, welches sie wegen Zollerleich terungen mit dem Direktor Lefseps der Suezkanal- Gesellschaft abschloß, in eine Menge Verlegenheiten gerathen, denn abgesehen von der Unzufriedenheit, welches die englischen Kreise noch immer über dieses Arrangement zeigen, protestirt auch die Türkei auf Grund ihrer Oberherrlichkeit über Egypten gegen jede Aenderung in den Suezkanal-Angelegenheiten. Trotz dem glaubt man, daß das Ministerium Gladstone den Engländern begreiflich machen werde, daß das Arran gement das Beste wäre, was England hinsichtlich eines erleichterten Verkehrs im Suezkanal erreichen könne, und aus papiernen Protesten der Türkei macht sich bekanntlich England nicht viel. — Hinsichtlich der Choleragefahr hat zwar England die Durchsuchung choleraverdächtiger Schiffe-in seinen Häfen angeordnet, aber sich noch immer zu keinen Quarantänemaßregeln entschließen können, denn der Handelsprofit geht in England über Alles. Erst wenü das Gutachten des nach Alexandrien entsandten Generalarztes Hunter eine von der Cholera drohende europäische Gefahr konstatirt, will England zu den strengsten Maßregeln greifen. Italien. Seit Mittwoch hat der preußische Ge sandte beim päpstlichen Stuhle, Herr v. Schlözer, Rom verlassen, nachdem er vorher noch eine Audienz beim Papste gehabt hatte. Es heißt, daß Herr v. Schlözer seinen gewöhnlichen Sommerurlaub angetreten habe, manche Stimmen wollen aber auch wissen, daß er Nom auf. unbestimmte Zeit verlassen habe und seine Rück kunft von dem weiteren Verlaufe der Kirchenfrage abhänge. Rußland. Die russische Negierung hält es für dringend nothwendig, daß in dem Besteuerungswesen, in welchem in den letzten zwanzig Jahren sich manche große Ungerechtigkeiten ausgebildet hätten, schon vor Beginn einer allgemeinen Reform einige Aenderungen vorgenommen würden. Es sei dies ein Gebot ver Gerechtigkeit. Besitzer von Industrie- und Handels- Etablissements sollten einer etwas höheren Steuer unterworfen und dadurch der Ausfall an der theilweise aufgehobenen Kopfsteuer gedeckt werden. Bezeichnender Weise wird die betreffende Reform aber nicht ohne Weiteres durch einen kaiserlichen Ukas bewirkt, sondern der Entwurf soll erst im Herbst dem Neichsrathe vor gelegt werden. Egypten. Die Thatsache, daß die Cholera sich immer mehr in Unter-Egypten ausbreitet, und auch in Kairo und Alexandrien einige Fälle vorgekommen sind, kann nicht mehr geleugnet werden. Es muß aber auch hervorgehoben werden, daß diese Epidemie trotz der schlechten gesundheitlichen Zustände in Egypten bisher verhältnißmäßig wenig Opfer gefordert hat, und daß in Damiette und Mansurah die Todesfälle an der Cholera sich bereits^bedeutend vermindert haben. Die internationale Sanitäts-Kommission hat noch 7 Aerzte nach den Choleraherden gesandt, um Hilfe zu bringen und die Epidemie zu lokalisiren. Lokales nnd Sächsisches. Dippoldiswalde. 21. Juli. Während am 15. d. die Gerichtsferien ihren Anfang genommen haben, beginnen mit heute die Ferien an höheren und Volksschulen, nm drei bez. vier Wochen lang zu dauern. Wenn bei uns darin Heuer eine Ausnahme stattsindet, so ist der Grund in den außerordentlichen Ferien zu suchen, welche sich durch die Benutzung der Schul lokalitäten bei der gewerblichen Ausstellung nöthig machten. Obschon die Herren Lehrer bei der be treffenden Ausstellung (vor, mährend und nach der selben) vielfach thätig mitgewirkt, also, wenigstens theilweise, währenv des 13. bis 23. Juni Ferien nicht gehabt haben, so haben dieselben doch den Ausfall an Schulunterricht durch Aufopferung der Pfingstferien «scheint wöchentlich drei mal: Dienstag, Donners tag und Sonnabend. — «reis vierteljährlich 1 M. LS Pfg-, zweimonatlich 84 Pfg-, einmonatlich 42 Pfg. Einzelne Nummern 1V Pfg. — Alle Postan- ftalten, Postboten, sowie die Agenten nehmen Be stellungen an. den russischen Manipulationen ausgesetzt, denn das Fürstenthum Bulgarien kann sich drehen und wenden wie es will, so wird es das russische Gängelband doch nicht los und Alles, was in Bulgarien zu geschehen hat, wird von Petersburg oder Moskau kommandirt. So mußte vor zwei Jahren der russische General Ern- roth die bulgarische Verfassung einschränken und den bulgarischen Volksvertretern Zügel anlegen, denn Ge neral Ernroth war der Abgesandte Rußlands, der Protektor Bulgariens, und vermochte Niemand dem Gewaltigen ernstlich zu widersprechen und dem Fürsten Alexander, den die Gnade des russischen Kaisers auf den bulgarischen Thron gehoben hat und dort hält, muß natürlich Alles Recht sein, was Rußland für Bulgarien gut findet. Einige Monate später wurde indessen General Ernroth als russischer Beirath bei der bulgarischen Negierung abgerufen, angeblich weil seine Stellung unhaltbar geworden sei, und die russi schen Generäle Soloview und Kaulbars traten an seine Stelle. Neuerdings sollen aber auch die letzteren in Bulgarien mißliebig geworden sein und die abermalige Ernennung des Generals Ernroth zum russischen Bei rath in Sofia wird als eine wahrscheinliche und gern gesehene Begebenheit hingestellt. In Wahrheit handelt es sich aber um weiter nichts, als Bulgarien und der Welt durch diese Manipulationen Sand in die Augen zu streuen und das Fürstenthum Bulgarien zu keiner selbstständigen staatlichen und nationalen Entwickelung kommen zu lasse», sondern dasselbe zu einer bequemen „Zappelpuppe" in den Händen der Panslavisten zu erhalten. Dazu ist aber vor allen Dingen nöthig, daß alle zwei Jahre von Rußland aus irgend eine „Rettung" oder „Reform" des bulgarischen Staats wesens in Szene gesetzt und den Bulgaren begreiflich gemacht wird, daß sie ohne russische Wohlthaten gar nicht existiren können. Die panslavistischen Umtriebe beschränken sich in dessen nicht nur auf Bulgarien, sondern sie erstrecken sich auch auf Montenegro und Serbien. Der letztere Staat ist bei Rußland und den Panslavisten in Un gnade gefallen, weil er für sein Gedeihen einen freund schaftlichen Anschluß an das von zwei Seiten benachbarte Oesterreich für nothwendig hält, und sofort ist man in panslavistischen Kreisen bemüht gewesen, der serbischen Negierung Fatalitäten, ja vielleicht dem König Milan sogar einen Thronsturz zu bereiten, denn der Fürst von Montenegro, der Günstling Rußlands, trägt seit einiger Zeit eine herausfordernde Feindschaft gegen Serbien zur Schau und hat dem serbischen Finanz-Minister Jowanowitsch in einem unbewachten Augenblick in Wien verrathen, daß ihm, dem Fürsten von Monte negro die Führerschaft in der serbischen Sache gebühre, und daß dies bald geschehen werde, würde man daran sehen, daß er seine Tochter, Prinzessin Zorka, mit dem serbischen Thronprätenden Fürsten Karageorgewitsch vermählen werde. Die betreffende Verlobung ist auch inzwischen gemeldet worden, und wenn früher oder später wieder Unruhen auf der Balkanhalbinsel aus brechen, so weiß man schon jetzt, wer dieselbe für nothwendig erachte. Inserat«, welche bei der bedeutenden Auflage des Blattes eine sehr wirk sam« Verbreitung finden, werden mit 1v Psa. di« Spaltenteile oder deren Raum berechnet. — Ta bellarische und complicirte Inserate mit entsprechen dem Aufschlag. — Einge sandt, im redaktionellen Theile, die Spaltenzeile 20 Pfg. Amtsblatt für die Königliche Umtshauptmannschaft Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein