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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.12.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111221021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911122102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911122102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-21
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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In allen übrigen viaalen nur dir«« durch di« Selchaimüelle de» Blatte» «rdalllrch. La» i.'»tp«>g»r lagedlan »rlcher« lwai ttigltch. kann. ». -Zelenag» nur morgen». Vdonnrinenl.-Annahm« Johanni»,all« 8, de» unreren Tragern Filialen. Spebtteuren und Annahmeltellen, !owr« Pogamtern und Briefträgern. vt»l»l»«rla»t»»r«t» lv AI- Abend-Ausgabe. WpMtrTagckalt s 1s «92 M«cht«Ichl»v . s " °92 «el.-rnW.!i«M HauVeiszenuug. rti..ZloMs»E Amtsblatt -es Rates «n- -es Rolizeiamtes -er Ltadt Leipzig. Anzeige« Prei» ftlr Inlerat» au» L»rp«>u und Umgebung di» Npaltta» Pettteett, Ä PI dl» Reklame- »eil» I Ml »an uu.warr» n> Pi. Reklamen llv Ml. Inierat, von Behörden im amt lichen Teil di, Petlttett» SI> Pi v«Ichosl»an«»tg»n mt> Pla»oor>chttfte« tm Prell« erhobt Rabatt noch Tank Beilagegedühr Demmt» auslag» L Ml o Taulend ritt Pollgebühr. Telldetlag» H^her. Feftettetlt» Auslraa, tonnen nicht »urück- aerogen werden. !»llr da» tkrlchelnen an vejnmmten lagen and Planen wird kern» ltar ntt, übernommen. Anzeigen > Annahme Johann,»gali« 8, bet lämtlichen »Zlilalen u. allen Annoncen- Ezpedlttonen de» In- und Auolande», »ruck ,»» Verl«, »»« Mich«« L Nlttfte» Inhador. Panl Ahrlten. vedattion and tS»lchüit»ltrll«: Iohanntsgall« 8. Haupt - Fillal« Dresden: Lerstra-e < t iTelephon «82lV Nr. 353. voimerstag, den r>. verrmder lSll. ISS. Zstzrgsnll. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 8 Setten. Oss Wichtigste. * Freiherr v. Rechenberg tritt aus dem Kolonialdienst in den diplomatischen Dienst über. (S. Pol. Nachr.) * Die Abstimmung über daS deutsch - französische Abkommen in der französi schen Teputiertenkammer wird von derPariser Presselebhaftbesprochen. (S. bes. Art.) * In der türkischen Kammer gab der Großwesir eine Erklärung über seine Stel lung zur türkischen Verfassungs reform ab. (S. bes. Art.) * Aus vielen Orten Thüringens wird großer Wassermangel gemeldet. (S. Tagcschr.) * Die Südpolexpedition des Kapitäns Scott hat den Hafen von Lyttelton verlassen. (S. Tageschr.) * In Pest wurde ein Staatsanwalt von einem herab stürzenden Balken er schlagen. (S. Tageschr.) Zum Gemeinüelteuerveletz. Dein Landtage liegt der Entwurf eines CemeinLe- steuergefttzes vor. Er soll das Steuerwejen der pon- tischen Gemeinden in seinen Erundzügen regeln, den Um sang der kommunalen Sleuergewalt, die Art der Veranlagung zu Gemelndesteuern, die Rechtsmittel dagegen, den Schutz vor Dop. pelbesteueruna und noch vieles andere. An alles das denkt man indessen im Publikum viel weniger, wenn man das Wort Eemeindesteuergeietz hört. Mit dem Worte „Steuergesetz" verbindet sich , eben in erster Linie eine andere Vorstellung, nämlich diejenige neuer Steuern. Und deshalb ist es viel- leicht zweckmäßig, eine Betrachtung des Eemeinde- steuergesetzes mit der Beantwortung der Frage zu be- ginnen: Bringt da sGc'meinde st euergefetz neue Steuern? Nach dem zurzeit geltenden Rechte bestehen für die Gemeinden auf dem Gebiete der direkten Steuern nur zwei Verbote: nach Reichs- recht dürfen sie keine Erbs ch'a f t sst e'u'e r und nach Landesrecht keine Zuschläge zur staatlichen Ergänzungssteuer erheben. Alle übrigen direkten Steuern können von jeder Gemeinde erhoben werden; sie braucht ihre Erhebung nur zu beschließen und die Genehmigung der Aufsichtsbehörde dazu einzuholen .die ihr dann nicht versagt werden kann, wenn di« Steuer nach ihrer Art und Ausgestal tung dem in den Gemeindeordnungen vorgeschriebenen Grundsätze der Bcrhältnismäßigkeit entspricht. Den Gemeinden steht also nicht nur frei, ihren Bedarf durch Einkommensteuer, Grundsteuer, Kopfsteuer zu decken, sie können auch jederzeit zur Einführung einer allge meinen Gewerbesteuer oder verschiedener Arten von Gewerbesondersteuern, wie zum Beispiel der Betriebs ¬ steuer von Schankwirtschaften und Branntweinver» kaufsstätten, oder der Umsatzsteuer von Kleinhandels- aroßbetrieben oder der Automatensteuer, verschreiten. Auch ist ihnen di« Ausschreibung von Kapitalrenten- steuern und Vermögenssteuern, sofern sie nur nicht die Form der Zuschläge zur staatlichen Ergänzungs steuer haben, unbenommen. Dorgeschrieben ist den Ge meinden durch Landesgesetz allein die Wanderlager- steucr und die Hundesteuer. Auf dem Gebiet« der in direkten Steuern ist den Gemeinden di« Erhebung von Verbrauchs, abgaben im allgemeinen untersagt, ausgenom men sind nur Abgaben auf Brennmaterialien, Essig, Malz, Furage, Marktoiktualien und Bier. So hat z. B. di« Stadt Bautzen eine Steuer auf Kohlen, und eine ganze Anzahl von Gemeinden besteuern das Bier. Don Reichs wegen ferner ist ausgeschlossen di« Annoncensteuer. Eine geringe Brsitzwechselabgabe ist durch die Armengesetzgebung vorgeschrieden; di« Zu- wachssteuer ist durch das Reich geregelt. Die Ge meinden erhalten einen Teil ihres Ertrages und können unter Umständen noch Zuschläge zu der Reichs steuer erheben. An diesem RechtNustand« soll sehr wenig geändert werden. Ausgeschlossen bleiben nach wie vor: die Erbschaftssteuer, Zuschläge zur staatlichen Er- gänzungssteuer, di« Verbrauchsabgaben nach Maßgabe der Reichsgesetzgebung, die Annoncensteuer. Alle übrigen Steuern stehen auch fernerhin den Gemeinden zur Verfügung: die Ein kommensteuer, die Grundsteuer, die Gewerbesteuern, die Vermögens- und Kapitalrentensteuern, die Besitz- Wechselabgabe, die Zuwachssteuer, endlich die wenioen, den Gemeinden nach Reichsrecht zugänglichen Ver brauchssteuern. Neu ist lediglich folgendes: Die Einkommensteuer darf nicht mehr zur Deckung des gesamten Steuerbedarfes allein herangezogen werden; vielmehr muß des Steuerdedarfs durch andere Steuern als die Einkommensteuer gedeckt wer den. Don welchen Steuern hierbei die Gemeinde Ge brauch machen will, ist ihr überlassen; nur eine Grundsteuer ist allen Gemeinden zwingend v o r- gesch rieben. Mit ihr muß ein Zwölftel des ge samten Steuerbedarfs gedeckt werden. Di« Besitz. Wechselabgabe muß für die politische, die Schul ung» die Kirchengemeinde zusammen mindestens 1 Proz. betragen und darf 2 Proz. des Grundstücks, wertes nicht übersteigen. Kopfsteuern dürfen nicht mehr neu eingeführt werden; wo sie einzelne Klaffen von Steuerpflichtigen unverhältnismäßig be- lasten, können sie von der Aufsichtsbehörde herabgesetzt öder ganz aufgehoben werden. Gemeinden, die Ge samteinkommen unter 400 zur Einkommensteuer heranziehen, dürfen keine Kopfsteuer erheben. In Gemeinden, die Kopfsteuer an Stelle von Einkommen steuer erheben, muß der Grundbesitz mindestens 30 Proz. des Steuerbedarfs durch EerunD steuer aus- bringen. Endlich muß die Gemeind« zur Erhebung einer Einkommensteuer von mehr als 75 Proz. des Eemeindesteuertarifs dann, wenn die Einkommen steuer für die bürgerlich«, Schul- und Kirchgemeinde zusammen mehr als 175 Proz. des Gemeindesteuer tarifs beträgt, die Genehmigung des Ministeriums des Innern einholen. Man sieht also: neue Steuern bringt das Gemeindesteuergesetz überhaupt nicht. Nur müssen die wenigen Gemeinden, die noch keine Grundsteuer haben, eine solck« einführen. Das ist ge. rechtfertigt, weil der Grundbesitz von der Entwuk- lung der Gemeinde den größten Vorteil hat, und weil er durch die Gemeindeordnungen einen besonderen Einfluß auf die Gemeindeverwaltung zugebilligt er halten hat. Es ist auch nicht einzüseyen, warum der Grundbesitz in nahezu 3000 Gemeinden, wie dies zur ¬ zeit der Fall ist, vorausbelastet und in 168 Gemeinden von jeder Vorausbelastung verschont sein soll. Die Höhe der Dorausbelastung ist aber so gewählt worden, daß sie Len Grundbesitz ruckt unbillig bedrückt; er bringt in sehr vielen Gemeinden schon letzt weit mehr auf, und zwar nicht nur in Landgemeinden, wo er ja ohnehin meist in den Händen der steuerkräftigen Eemeindemitglieder sich befindet, sondern auch in Städten wie Leipzig, Chemnitz, Freiberg. Auw in Dresden und Zwickau liegt die künftig vorgeschrtebene Höhe der Grundsteuer nur um «in weniges über dem bereits zur Erhebung gelangenden Satze. Die Besitz- wechlselabgabe wird in einer Reihe von Gemeinden ein« mäßig« Erhöhung zu erfahren haben; in vielen beträgt sie schon jetzt 1 Proz. und mehr. Lchrreich ist «rn Vergleich der sächsischen Be stimmungen mit den Steuergesetzen der umliegenden Staaten. Dort ist das Selbst bestimmungsrecht der Gemeinden bei weitem mehr eingeengt, indem nicht nur die Grundsteuer, sondern vor allem auch eine allgemeine Gewerbesteuer zwingend vorgeschrieben ist. Die sächsischen Gemein den dagegen sollen ihre alte Freiheit im wesentlichen behalten; sie wird nur insoweit beschränkt, als dies aus Gründen der Billigkeit, des Staatswohls und des Schutzes der Steuerzahler unumgänglich notwendig er scheint. Dabei soll den Gemeinden überdies eine auf mehrere Jahre berechnete Frist gewährt werden, innerhalb deren sie sich auf das neue Recht einrichten bnnen, so daß z. B. auch dort, wo bisher eine Grund- teuer nicht bestand, deren Einführung ganz allmählich tattfinden kann. rvdl. Ole lronlerostine Stichmshl- psrole. Wir haben bereits gemeldet, daß der konser- vative Führer Herr v. Heydebrand auf dem am Dienstag in Königsberg abgehaltenen ostpreußischen konservativen Parteitag die Bedingungen be kanntgegeben hat von denen die konservative Partei ihre Wahlhilfe bei der Stichwahl ab. hängig machen will. Bei der Bedeutung, di« diese Stellungnahme für den Wahlkampf im Reiche hat, seien die Ausführungen des konservativen Führers nachstehend nochmals ausführlich wiedergegeben. Herr von Heydebrand führte etwa folgendes aus: „Sie werden mich tragen, wie es denn mit den Aussichten der konservativen Parte-i beim Wahlkampf steht. Ich antworte darauf, in manchen Gegenden werden wir vorwärts kommen; ich fürchte aber, daß wir auch hier und da eine Niederlage erleiden werden, lieber die Gesamtresultate läßt sich jetzt noch nichts sagen. Sicher ist wohl, daß wir einer ungewöhnlich großen Zahl von Stichwahlen entgegen« gehen, die auch für di« konservative Partei eine be deutende Rolle spielen werden. Für einen So zialdemokraten wird die konservative Partei niemals eintreten. Ebenso wird auch kein Konservativer iso xial Demo tragische Wahlhilfe annehmen. Aber es kommen auch Stichwahlen zwischen Liberalen und Konservativen mit der Sozialdemokratie in Betracht. Wollen wir an dem alten Grundsatz festhalten, jeden Libe- ralen der Sozialdemokratie gegenüber heraus, zuhauen? Ich möchte Ihre Meinung hören: Kann dies auch heute noch unsere Wahlparole sein? (Zurufe: Nein!) Ich für meine Petson habe auch Bedenken. Mancher Liberale unterscheidet sich innerlich und äußerlich nicht mehr von einem Sozialdemokraten; wir können also nicht ohne weiteres jeden Liberalen gegen den Sozialdemo kraten in der Stichwahl unterstützen. Wir müssen wenigstens gewisse Kriterien fordern. Die liberalen Kandidaten sollen folgende drei Fragen be- jahend beantworten: Bist du bereit, jede Der- Minderung der kaiserlichen und der Regierungsgewalt unter allen Umständen zu verhindern? Bist du bereit, unter allen Umstän den für einen lückenlosen Schutz unseres wirt- schaftlichen Lebens mit Hilfe des Zollsystems ein- zutreten? Bist du bereit, jede Maßnahme zu unter stützen, di« den Schutz der bürgerlichen Ee- sellschaft gegen die Sozialdemok.ratte anbetrifft? Die liberalen Kandidaten, die auch nur eine von diesen Bedingungen nicht unterschreiben, würden in meinen Augen ebenso gefährlich sein wie ein Sozialdemokrat. Da hätte man gleich ein Mittel, sachgemäß zu unterscheiden und für spätere Eventuali täten festzulegen, wie man sich zu verhalten hätte. Stichwahlkompromiff« zwischen Konservativen und Li beralen können nur auf Gegenseitigkeit beruhen. Er- reichen wir es, Vereinbarungen mit den Liberalen für die Stichwahlen zu treffen, so können wir einen großen Sieg der Sozialdemokratie in letzter Stunde verhindern. Ich hoffe und vertraue auf die Einsicht aller beteiligten Parteien." Man geht wohl nicht fehl mit der Annahme, daß die Ausführungen des Herrn von Heydebrand an die Adresse der Fortschrittspartei gerichtet sind, die sich nirgends klipp und klar gegen di« Sozialdemokratie als Len gefährlicheren Feind ausgesprochen hat. Für die nationalliberale Partei dürften sich aus der kon servativen Stichwahlparole Schwierigkeiten kaum ergeben. Lin Lrfols üer Krebsforschung. Geh. Rat von Wassermann über seine Heilungen von Mäusetumoren. Ein großer Tag in der Medizinischen Gesellschaft. Jedes Winkelchen des großen Langenbecksaales ist be setzt. Erwartungsvolle Spannung liegt über der ge lehrten Gesellschaft. Steht doch ein Thema zur Dis- kuffion, das heute noch zu den dunkelsten der ganzen Medizin zu rechnen ist und dessen Klärung zu den größten Taten zu rechnen sein wird, die die leidende Menschheit je mit bangender Sorg« herbeigesehnt hat. Ein Schüler Ehrlichs ist es. der bekannte Entdecker der nach ihm benannten Reaktion der Syphilis, Ge heimrat R. von Wassermann, der gestern abend in Ge. sellschaft seiner Mitarbeiter, der Herren Prof, von Hansemann, Dr. Keißer und Dr. Wasser mann, über ein Thema sprechen sollte, das wohl wie kein zweites atemlose Ausmerksamkeit erw ckt. Und wie spricht Herr v. Wassermann! In logisch klarem, folgerichtigem Eedankenaufbau geht er davon aus, dag auf biologischem Wege, das heißt auf dem Weg« der serumbehandlung, dem Kar zinom nicht beizukommen ist. Zahllose Ver suche, die er im Laufe eines Jahrzehnts angestellt hat, verliefen durchweg negativ und überzeugten ihn. daß er, um etwas Erkleckliches zu leisten, andere Weg; gehen müsse. Er greift zur Chemotherapie; er sucht sein Mittel unter der Gruppe von Anilinkörpern, aus der wir Durch di« Arbeit seines Lehrers Ehrlich schon so manch wertvolles Präparat heroorgeholt haben, v. Wassermann ging von vornherein von dem Grund satz aus, daß eine lokale Applikation irgend eines Körpers an den Krebs nicht von Erfolg sein könne, daß vielmehr der Körper, der die Eigenschaft haben wolle, die Krebszelle zu zerstören, durch die Blut bahn an den Krebs herangebracht werden müsse. Hur emer kbe. Roman von H. Eourths-Mahler. 8) (Nachdruck verboten.) Er lachte fröhlich auf. Wollersheim sah sinnend seinen Rauchwol ken nach. „Ich war nicht viel klüger, als du es damals gewesen, wie ich mich verheiratete mit Felici tas Sonntag. Ein veritabler Esel bin ich ge wesen, — jawohl." „Das klingt nicht gerade schmeichelhaft für deine erste Frau." „Oh, — verstehe mich nicht falsch. Sie war nicht besser und nicht schlechter als viele Frauen, — vielleicht etwas kaltsinniger als die meisten. Daß sie mir davonlief, rechne ich ihr nicht ein mal hoch an, denn ich war, nachdem der erste Rausch verflogen war, nicht gerade ein Muster gatte. Ein Esel war ich nur, daß ich in meiner blinden Verliebtheit glaubte, einen kostbaren Edelstein gefunden zu haben und daß ich ein un ermessenes Glück von dieser Ehe erhoffte." „Das ist doch keine Eselei, Onkel. Wenn man jung ist, hat man eben noch seine Ideale, — Gott sei Dank." Herr von WolterSheim nickte. „Nun gut, — es ist ja gleich, welchen Namen wir unseren Torheiten geben. Und geschehen ist geschehen. In diesem Falle hat meine erste Frau meine Torheit korrigiert, indem sie mich verließ. So wurden wir beide frei, und ich müßte ihr eigentlich dankbar dafür sein. Aber um darüber mit dir zu philosophieren, habe ich dies Thema natürlich nicht angeregt, sondern aus einem anderen Grunde. Es ist dir wahr scheinlich nicht bekannt noch erinnerlich, daß meiner ersten Ehe eine Tochter entsprossen ist. Noch weniger wirst du wissen, daß diese Tochter lebt, und zwar bei der Schwester ihrer Mutter." Fritz machte ein sehr überraschtes Gesicht. „Davon habe ich allerdings keine Ahnung." Herr von Wollersheim strich bedächtig die Asche von seiner Zigarette. „Wie solltest du auch. Wir haben Eva voll ständig totgeschwiegen. Meine Frau wollte be greiflicherweise nicht immer an meine erste Ehe erinnert werden." „Aber Silvie ist doch auch bei dir im Hause." WolterSheim lächelte ein wenig sarkastisch. „Das ist auch ganz etwas anderes, mein lieber Junge. Silvie ist eine Baroneß Herren felde — meine Frau ist noch heute sehr stolz auf ihren ersten Mann — obwohl er ihr das Leben durch seinen Leichtsinn und seine Spielwut nicht eben leicht gemacht hat. DaS vergißt sie aber. — „Meine Ehe war indes eine regelrechte Meß alliance mit Familienfluch und ähnlichen lieb reichen Zutaten, — die sucht man möglichst zu ignorieren. Und Sprößlinge aus solchen Miß- heiraten pflegen nicht für voll genommen zu werden." Fritz zog die Stirn kraus. „Ich kann mir nicht helfen, Onkel, aber das finde ich sehr unangebracht. WaS kann so ein armes Kind für seine Geburt?" WolterSheim lachte bitter auf. „Oh, — laß das deine Tante nicht hören, sonst hält sie dir einen Vortrag über diesen Punkt, bis du das Bewußtsein verlierst und um Gnade flehst." „So ist deine Tochter noch nie in WolterS heim gewesen?" „Nein. Ich versuchte einige Male, meine Frau zu bestimmen, Eva wenigstens jedes Jahr einige Wochen hier aufzunehmen. Aber sie wußte eS mir immer auszureden; und ich glaubte auch selbst, sie sei in ihren bescheidenen Ver hältnissen besser aufgehoben." „Und was für Verhältnisse sind es, in denen sie lebt?" „Die Schwester ihrer Mutter ist unverheira tet. Sie lahmt sehr stark und brauchte ein Wesen, dem sie etwas sein konnte. Ein Teil ihres Unterhalts bestreite ich, so daß die beiden Damen sorglos leben können. Eva ist nie aus dem kleinen Landstädtchen, in dem sie lebt, her ausgekommen. Sie hat sich nicht gerade günstig entwickelt, ist still, schüchtern und von einer passiven Indolenz, die es mir unmöglich macht, ihr näherzukommen." „Hast du sie denn oft gesehen?" Wollersheims Stirn rötete sich. „Jedes Jahr einmal — auf ein oder zwei Tage," sagte er mit dem unbehaglichen Gefühl eines begangenen Unrechts. „Das ist freilich sehr wenig," entgegnete Fritz. „Du mußt zugeben, daß man in so flüchtigem Zusammentreffen selten einem Men schen nahe kommen kann." „Ja, ja, ich gebe das ohne weiteres zu. Noch mehr, — ich sehe ein, daß es ein Unrecht war, mich so wenig um Eva zu kümmern. Ich weiß selbst nicht, wie eS gekommen ist. Erst war ich froh, daß mir ihre Tante die Sorge um das Kind abnahm. WaS sollte ich anfangen mit dem hilflosen Baby? Ich hatte damals den Kopf so voll Sorgen. Dann, als ich mich wie der verheiratete, ergriff meine Frau in dieser Angelegenheit die Initiative. Sie machte mir klar, daß es für alle Teile besser sei, das Kind bleibe, wo eS wäre. Na — wie daS so geht — aus Bequemlichkeit ließ ich mich überzeugen. Und je älter Eva wurde, je mehr wurde mir klar, daß sie nicht hierher passe. Stell dir vop —, dieses scheue Mädchen, ohne gesellschaftlichen Schliff, linkisch und unbeholfen, — und dann hier unsere Verhältnisse. ES wäre ein gewagtes Experiment gewesen. Mr graute von Jahr zu Jahr mehr davor. Aber nun hat die ganze Sache plötzlich für mich ein anderes Gesicht bekommen. Heute früh erhielt ich von Klarissa Sonntag, Evas Tante, einen Brief. Sie schreibt mir, daß Eva in der letzten Zeit sehr nieder gedrückt und traurig gewesen sei und ihr nun gesagt habe, daß sie sich unsagbar danach sehne, wie andere Kinder, Vater und Mutter zu besitzen. Sie habe furchtbar geweint und ihr gestanden, daß sie sich sehr unglücklich und elend fühle, weil sie keinen Menschen habe, dem sie angehöre. Siehst du, mein lieber Fritz, — daS hat mich mit einem Male aus meiner egoistischen Bequemlich keit aufgerüttelt. Ich laufe herum wie ein Mensch, der eine schwer« Schuld aus dem Ge wissen hat. KlarissaS Schreiben lag ein Brief chen von Eva bei, — hier lies ihn einmal durch; das erspart mir alles weitere. Ich mußte ein mal mit einem Menschen über die ganze Dache sprechen. Helene ist mir zuviel Partei. Also bitte — lieS!" Er entnahm seiner Brusttasche einen schma len Brief und reichte ihn Fritz. Der entfaltete ihn und laS: „Mein lieber Vater! Dir zur Nachricht, daß ich gesund bin. Tante Klarissa ist in letz ter Zeit sehr leidend und muß schon seit Tagen daS Bett hüten. Da komme ich sehr wenig heraus, denn ich kann Tante natürlich nicht allein lassen. Und wenn ich so still an ihrem Bette sitze und st« schläft, — ach, mein lieber Vater, dann habe ich oft eine große, große Sehnsucht nach einem Menschen, mit dem ich sprechen kann, oder nach einem Gesicht, daS mich frervrdltH ansieht. M derMorgeuaXgabe.)
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