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Wochenblatt für A Fernsprecher: Amt Siegmar Nr. 244. Reichenbmild, Siegmar, Neustadt, RaLenstein und Rottluff. 50 Sonnabend, den 18. Dezember 1SO0. Erscheint jeden Sonnabend nachmittags. Anzeigen werden in der Expedition lReichenbraud, Nevoigtstraße 11), sowie von den Herren Friseur Weber in Reichenbrand und Kaufmann Emil Winter in Rabenstein entgegengenommen und pro Ispaltige Petitzeile mit 10 Pfg. berechnet. Für Inserate größeren Umfangs und bei öfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nack, vorheriger Vereinbarung, bewilligt. Arrzeigeu-Armahure in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags S Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. BereiuSiuserate müssen bis Freitags nachmittags 2 Uhr eingegangen sein und können nicht durch Telephon aufgegeben werden. Die nächste Nummer erscheint Freitag den 24. Dezember vormittag und werden Inserate bis spätestens Donnerstag nachmittag 2 Uhr erbeten. s su d ,,, Meldungen im Fundamt Rabcnstci». Bekanntmachung. Mit Rücksicht auf die eingetretene kältere Jahreszeit werden die hiesigen Grundstücksbesitzer bez. deren Stellvertreter zur strengen Einhaltung der Bestimmungen des Regulativs, betr. die Aufrechterhaltung der Ordnung, Reinlichkeit und des Verkehrs auf den Straßen, angewiesen. Die Besitzer von Grund- stücken sind insbesondere verpflichtet: 1., bei eintretendem Schneefall die öffentlichen Fußwege vom Schnee, bei eintretendem Tauwetter die Fußwege und Schnittgerinne von dem darauf gefrorenen Schnee und Eis zu reinigen und für Ablaufen des Tage- und Abfallwassers besorgt zu sein. 2., Bei Glätte die Fußwege mit Sand oder Asche so oft zu streuen, als dieses zur Sicherung des verkehrenden Publikums erforderlich ist; 3., bei Frost die Dächer und Dachrinnen der unmittelbar an den Straßen pp. anliegenden Häuser Zuwiderhandlungen gegen die vorstehenden Bestimmungen werden nach 5 9 des vorgenannten Regulativs in Verbindung mit 8 366,,o des Reichsstrafgesetzbuches mit einer Geldstrafe bis zu 30 Mark bestraft. Neustadt, am 3. Dezember 1909. Der Gcmcinvcvorstand. Geißler. Rechnungs-Einreichung. Kassen (einschl. Schulkaffe) haben, werden hiermit aufgefordert, ihre Ansprüche durch Einreichung von Rechnungen umgehend, spätestens aber bis zum 23. Dezember or. beim Unterzeichneten geltend zu machen. Rottluff, am 17. Dezember 1909. Der Gemeindevorstand. Merkliches. unter trefflicher Leitung stehende Männergesangverein „Lyra" zu Siegmar im hiesigen Gasthose ein öffentliches Gesangskonzert, verbunden mit Theater, zum Besten der Gemeindediakonie veranstalten. Außer abend" und „die letzte Rettung" zur Aufführung gelangen. Ein genußreicher Abend für die Besucher steht bevor, und wäre ein recht guter Besuch schon des edlen Zweckes wegen wünschenswert. Reichenbrand. Bei der Viehzählung am 1. Dezember d. I. wurden in 83 viehbesitzenden Haushaltungen 79 Pferde, 287 Rinder. 163 Schweine, 2 Schafe und 69 Ziegen gezählt. Rabenstein, am 9. Dezember 1909. Die Viehzählung ergab finden Ort mit Mttergütern 123 Pferde, 361 Rinder, 149 Schweine, Viehzählung: 93 Pferde, 377 Rinder, 183 Schweine, 3 Schafe, 49 Ziegen. Schattenblume. Originalroman von Irene v. Hellmuth. <Foits-S»ng.> Alfred ließ das Biletblatt sinken, als er zu Ende gelesen; jetzt blickte er Gerdas Vater an, in dessen Mienen er das Urteil las. „Ich wußte cs ja, mir bleibt keine Hoffnung mehr/' nickte er dann traurig. „Sie tun mir sehr leid, mein junger Freund," sagte Hardten, „aber helfen kann ich Ihnen nicht. Das sehen Sie ja wohl selbst ein. Und du mein Kind," wandte er sich in strengen,, hartem Ton an Gerda, „sei vernünftig und fuge dich in die unvermeidliche Trennung. Das fordere ich von dir." Das junge Mädchen weinte leise. „Nun muß ich wieder im Schatten stehen," klagte sie bitter. „Nach dem Sonnenschein, der kurz, aber blendend und leuchtend in mein Leben fiel, erscheint mir alles doppelt dunkel und düster!" „Sei ruhig mein Kind," tröstete Hardten, „auch für die Blumen, die im Schatten blühen, gibt es einen Lenz. Sie duften eben so süß wie ihre Schwestern, die nur Sonnen schein kannten. Du bist noch so jung, und es wird auch wieder hell um dich werden!" „Ich danke dir für das Glück, das du mir gewährtest," sagte Alfred traurig. „War es auch nur kurz, so wird die Erinnerung daran mich dennoch durch mein ferneres Leben geleiten und mich aufrichtcn in den kommenden trüben Stunden. Du ober betrachte dich als völlig frei. Ich will deinem feineren Glücke nicht hindernd im Wege stehen. Du bist jung und schön, und cs wird sich ein anderer finde», der dir einen reinen, unbefleckten Namen bieten kann. Ich kann das nicht mehr. Das ist dahin für alle Zeit! — Und nun, — meine Gerda, — lebe Wohl!" Das junge Mädchen hatte sich neben dem Vater nieder- geworsen, hob flehend die Hände empor, und rief angstvoll: „Papa, — lieber Papa, — laß ihn nicht gehen, er ist ja unschuldig! Soll er, der nichts verbrach, so hart büßen, und ich mit ihm? Es ist zu grausam!" Doch Hardten blieb fest. „Ich darf nicht anders handeln, Kind! Verlange nicht das Unmögliche! Du hörst es doch von Alfred selbst, daß es so am besten ist." „So wird es dir Wohl ganz leicht, mich aufzugebcn?" wandte sich Gerda in aufflammendem Trotz an den jungen Mann, der immer noch zögerte, sich zu entfernen. Er warf dem Mädchen einen vorwurfsvollen Blick zu. Der Professor gab ihm heimlich einen Wink, diese Szene zu beenden. Da grüßte er noch einmal stumm und ging. „Ais die Türe hinter ihm zugcfallen war, sank Gerda schluchzend in den nächsten Stuhl. Gleich darauf erschien die Frau Professor mit zornrotem Gesicht in dem Gemach. Sie kam eben von einem Ausgang zurück und hatte keine Ahnung von dem, was vorgefallen war. „Weshalb rennt denn der Herr Maler wie ein Verrückter an mir vorbei,..ohue.wich zu grüffen.?."_.schalt sie ärgerlich.. „Was hat es denn gegeben? Aha, wohl schon einen Streit? — Na, ich wußte cs ja, daß mit dem süßen Bräutchen, diesem Trotzkopf, kein Auskommen möglich ist! Nun sitzt sie da und heult! Weshalb flennt sie denn eigentlich so? Der Herr Bräutigam hat ihr wohl ordentlich den Text ge lesen? Das sollte mich freuen! Ja, ja, heule nur! Ich sage cs immer, die Strafe bleibt nicht aus! Hast mich schon oft genug geärgert, siehst du, mein Püppchen, nun bekommst du deinen Lohn!" Sie rieb sich schadenfroh die mageren Hände. „Schweig!" donnerte der Professor finster. „Laß mir das Kind in Ruhe, ich dulde es nicht, daß du Gerda auch noch quälst, sie leidet ohnedies schon genug!" So kurz als möglich berichtete Hardten von dem Unglück, das Alfred betroffen; denn erfahren mußte seine Frau doch davon. „Eine schöne Geschichte," bemerkte sie spöttisch, als er geendet. „Da habt ihr den Leuten doch wieder Stoff zur Iliiterhaliung geliefert. Nun wird hin- und hergeklatscht und unser Name ist in aller Munde. Mit der Verlobung hätte cs auch nicht solche Eile gehabt! Wozu mußte die Verlobung gleich bekannt gegeben werden! Na, nun war Gerda doch eine Zeit lang Braut und sie kann sich dafür ausspotten lassen." Dem Professor stieg die Röte des Unwillens ins Gesicht. Wie roh und herzlos das alles klang! Nicht ein freundliches, teilnehmendes Wort fand diese Frau, die kein Gefühl zu haben schien, für das Leid anderer. Gerda floh wie gejagt in ihr stilles, kleines Zimmer. Es war ihr unmöglich, diese Reden noch langer mit anzn- hören. Sic blieb für den Rest des Tages unsichtbar, mochte die Stiefmutter auch schelten, ihr war jetzt alles gleichgiltig. Schon nach einer Woche hatte das Zimmer, in dem Alfred gewohnt, einen andern Mieter gefunden. Gerda fühlte einen brennenden Schmerz, wenn ihr Blick zufällig auf das Fenster fiel, an dem Alfred so oft gestanden und ihr zugelächelt hatte. Im Anfang hoffte sie noch immer Nachricht zu erhalten, aber vergebens. Alles Hoffen und Warten war umsonst. Nicht eine Zeile hatte er ihr geschrieben. Da erwachte der Trotz in ihr und flüsterte ihr zu, daß Alfred sie nicht geliebt, sonst wäre es ihm auch nicht möglich ge wesen, sie so leicht aufzugeben, sonst hätte er gekämpft um ihren Besitz und alles daran gefetzt, sie zu erringen. Sic waren ja beide noch so jung und konnten warten, selbst wenn es viele Jahre dauern sollte. Brauchte man da gleich alle Beziehungen abzubrechen? Konnte ihnen nicht irgend ein glücklicher Zufall zu Hilfe kommen? Konnte nicht ein Wunder geschehen? Trotzig verschloß sie sich jeder besseren Einsicht. Sie redete sich immer mehr in ihre Verbitterung hinein und suchte das Bild des einst so Heißgeliebten aus ihrem Herzen zu verdrängen. Aber uni den schön geschwungenen Mund des jungen Mädchens legte sich ein herber Zug, der so gar nicht zu ihrer Jugend paffen wollte. Die großen, dunkle» Augen blickten oft so sehnsüchtig in die Ferne, als müßten sie das Glück hcrbeiziehen. Allerdings war von Glück im Hause nichts zu spüren. Der Vater verbrachte jede freie Stunde in seinem Zimmer bei der ihm lieb gewordenen Arbeit, die Mutter war un freundlicher denn je. So gingen die Tage trübe dahin. Wenn Gerda einmal ausging, so besuchte sie der Mutter Grab. Wohl folgte mancher hewundernde Blick der schlanken, biegsamen Gestalt, allein die dunklen Augen hafteten be harrlich am Boden. Gerda wich den ihr begegnenden Be- kännten scheu aus. Mim hielt'fle'schliMch für hochmütig und ließ sie gewähren. — — III. Der März brachte schöne, sonnige Frühlingstage und Gerda sehnte sich mit einem Male fort aus der Stadt. Ihr war es, als könnte sie ihr Leid anderswo leichter tragen, als könnte, fern von allem, was sic immer wieder an Alfred erinnerte, ihn leichter vergessen. Sie sprach dem Vater davon, fortzugehen, irgendwohin, wo sie die zankende Stimme der Stiefmutter, der sie überall im Wege stand, nicht mehr zu höre» brauchte. Der jetzige Zustand erschien ihr so unerrräglich, daß sic beschloß, demselben auf diese oder jene Weise ein Ende zu machen. Manchmal beschlich sie der Gedanke, heimlich auf und davon zu gehen, keiner Menschenseele zu verraten, wohin sie sich zu wenden gedachte; doch da sic wußte, daß sie damit dem Vater Schmerz bereiten würde, stand sie immer wieder davon ab. Aber der Wunsch, fort- zugchen, wurde immer stärker in ihr. Sie war als Kind, als ihre Mutter noch lebte, einige- malc während der Schulferien bei ihrem Großvater gewesen. An den mußte sie jetzt immer denken. Der alte Müller war zwar ein Sonderling und hatte sie damals nur ungern im Hause geduldet, weil er, wie er hchauptetc, Kinderlärm und Unruhe nicht vertragen konnte, aber Gerda erinnerte sich jener Zeit trotzdem als einer schönen friedlichen und herrlichen. Da war sie noch ein sorglos heiteres Kind und tummelte sich nach Herzenslust in Feld und Wald umher. War ihr der Großvater auch ost mürrisch und finster begegnet, so verdarb ihr das dennoch die Freude an dem Landaufenthalt nicht. Die alte Mühle lag so romantisch an einem lusttg dahinrauschenden Bache am Tale, eingebettet zwischen Obstbäumen, daß Gerda sich kaum etwas Schöneres denken konnte. Und wie hatte die gute Nosei, welche so eine Art Fak totum im Hause darstcllte, das Mädchen verwöhnt. Roscl zählte kaum zwanzig Jahre, als sie ans die Mühle in Dienst kam und die treue Dienerin hatte dort schon vierzig Jahre ihres Lebens zugebracht und Freude und Leid stets mit der Herrschaft geteilt. Sie wurde deshalb als ein Glied der Familie betrachtet und harrte bei dem manchmal recht sonder baren alten Herrn getreulich aus, obwohl eine Verwandte ihr ein kleines Vermögen vermacht hatte, von dessen Zinsen sie bei ihren geringen Ansprüchen hätte leben können. Aber ihren alten Herrn verlassen, daran dachte sie nicht, denn sie wußte, daß eine neue Dienerin nicht in die Verhältnisse ge paßt hätte und daß der alte Müller sich nicht leicht mit jemand vertrug- Die Rosel kannte ihn und ließ ihn wie er war, deshalb kam sie auch gut mit ihm aus An all das dachte Gerda, und etwas wie Sehnsucht nach der guten Alten mit der: freundlichen Augen Lbcrkam sic plötzlich; deshalb beschloß sie, sich über den Sommer in der Mühle cinzuquarticren. Dort hoffte sie Friede und Ruhe zu finden. Voll Eifer teilte sie dem Vater ihren Ent-