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Mchmh-MW Verantwortlicher Redacteur: Carl Ichnt in Dippoldiswalde Nr. 60. Dienstag, den 20. Mai 1884. 49. Jahrgang WWW Die friedliche Lösung -cs französisch-chinesischen Konflikts. Die friedliche Gestaltung der Weltlage konsolidirt sich immer mehr! Auch die Kriegswolken, welche sich im fernen Ostasien zwischen Frankreich und China auf- gethürmt hatten, sind einem reinen Friedenshimmel gewichen, und die vielberufene Tonkinfrage darf als beigelegt betrachtet werden. Die von dem chinesischen Staatskanzler Li-Hung-Chang vertretene Friedenspartei hat im chinesischen Kaiserpalaste die Oberhand über die fanatischen Höflinge und ehrgeizigen, aber politisch ganz unverständigen Kriegshetzer gewonnen. Die Kaiserin des himmlichen Reichs hat darauf Li-Hung- Chang's Nathschlägen Gehör geschenkt und heute ist bereits zwischen der chinesischen und französischen Re gierung ein Vertrag abgeschlossen, kraft dessen China das Protektorat Frankreichs über Tonkin und Annam anerkannt und seine Einwilligung zur gemeinschaftlichen Lösung der Zoll- und Handelsfrage der Grenzprovinzen giebt. Kriegskosten oder sonst eine Entschädigung wegen der Theilnahme chinesischer Truppen an den Kämpfen in Tonkin zahlt China an Frankreich nicht. — China hat dadurch den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung getragen und eine gesunde Politik einge schlagen, denn erstens waren die Zustände in Tonkin und Annam ganz unhaltbar geworden und zweitens waren auch die anfänglichen Spekulationen China's, das an einer europäischen Großmacht, zumal an Eng land, einen Bundesgenoffen gegen Frankreich zu finden hoffte, ganz falsch. Keiner Großmacht kann es im Ernste einfallen, zu Gunsten China's das Schwert gegen Frankreich zu ziehen und Englands Eifersüch teleien gegen Frankreich in Asien sind noch weit von einer offenen Feindschaft entfernt, denn Frankreich ist immer noch ein starker Gegner und die asiatischen Streitobjekte sind keinen Krieg zwischen zwei Groß mächten werth. Ueberdies sitzt auch England in Egypten in einer bösen Klemme und bedarf gerade jetzt vor der egyptischen Konferenz das Wohlwollen Frankreichs, das den Engländern einen fatalen Streich spielen könnte, wenn es deren Vorschläge bezüglich der Konsolidirung der egyptischen Verhältnisse ablehnte. — Zur Beilegung des französisch-chinesischen Konflikts muß auch noch daran erinnert werden, daß die Streitobjekte Tonkin und Annam so gut wie keine Negierung be saßen, und daß Frankreich als Herrscher über Cochin china ein Recht hatte, in den traurigen Nachbarstaaten, wo Freischaaren und Räuber neben einem ohnmächtigen Sultan, denk Tü-Tük von Annam, ein Jammer- und Schreckensregiment führten, Ordnung zu schaffen. An erkannt muß auch werden, daß Frankreich durch seine Verzichtleistung auf eine Kriegskostenentschädigung staatsmännisch und weise gehandelt hat, denn es war zu befürchten, daß der Fanatismus der Chinesen ent flammt worden wäre, wenn sie 20 bis 30 Millionen Kriegskosten an Frankreich wegen des Streites über die Oberhoheit über Tonkin und Annam hätten zahlen sollen. Offiziell hat ja auch China mit Frankreich keinen Krieg geführt, sondern es haben nur chinesische Freiwillige in den Kämpfen um Sontay und Bacninh gegen die Franzosen gekämpft. Keinem Zweifel kann es unterliegen, daß die französische Negierung unter der Leitung Jules Ferry's die Tonkinfrage glücklich zu Ende geführt hat. Das Recht auf Arbeit. Nicht nur die früheren Aeußerungen des Fürsten Bismarck über die sozialen Aufgaben des Staates, sondern zumal auch sein jüngster Ausspruch von dem „Rechte auf Arbeit" haben den Streit der Meinungen entfesselt und, wie wir hoffen wollen, nur zu Gunsten einer 'gesunden Sozialpolitik. Bei der Lösung aller schwierigeren Probleme geht es in der Regel so, daß Das, was an denselben lösbar ist, zunächst verkannt Lokales and Sächsisches. Dippoldiswalde, l9. Mai. Die am vorigen Freitag stattgefundene Versammlung des Gewerbe- vereins bot trotzdem, daß Herr Teicher noch nicht in der Lage war, die bezüglich der städtischen Waffer- versorgungsfrage in Aussicht gestellten weiteren Mit theilungen zu machen, des Interessanten mancherlei. Herr Wagner Klemm zeigte und erklärte, nach Be schreibung des gewöhnlichen Bohrverfahrens bei Naben, bei welchem mit Lösfelbohrcrn konische Löcher gebohrt werden, eine amerikanische Bohrmaschine, mit denen die zur Einlegung der Büchsen nothwendig zylindrischen Löcher hergestellt werden können. Ferner hatte der- Amtsblatt für die Königliche Amtshauplmannschast Dippoldiswalde, sowie für die Königlichen Amtsgerichte und die Stadträthe zu Dippoldiswalde und Irauenstein selbe zur Negulirung des Apparats, daß nämlich die Böhrlöcher gegen den Felgenkranz genau vertikal wer den, eine sehr einfache, aber deshalb besonders prak tische Vorrichtung ersonnen, die er gleichfalls erklärte und vorführte. — Sodann machte Herr Schmiedemstr. Mende auf besonderes Ersuchen Mittheilungen über die in Wien stattgefundene Beschlagskonkurrenz und zeigte den dafür empfangenen Preis, sowie eine in der Rotunde aufgenommene Photographie der gerade in der Arbeit befindlichen Schmiede, Juroren, Loos- verkäuferinnen rc., gewiß ein hübsches Erinnerungs bild. — Was sodann die Vorbesprechung der beab sichtigten Exkursion anlangt, so konnte man sich der Einsicht nicht verschließen, daß die nach Teplitz wegen Mangels großer Omnibusse kaum ausführbar sein werde; ebensowenig ließe sich aber die nach Neustadt bei Stolpen in einem Tage ausführen. Vielmehr fand der neue Antrag, Chemnitz zu besuchen, soviel Anklang, daß der Vorstand nach dieser Richtung hin Vorbereitungen treffen wird. — Am Sonnabend hielt der Bezirkslehrer verein Dippoldiswalde eine gut besuchte Versammlung im hiesigen Bahnhofsrestaurant ab. Herr Schuldirektor Engelmann gab zunächst nach der Erledigung einiger geschäftlicher Angelegenheiten Mittheilungen über den Stand der beadsichligten Revision der Lutherischen Bibelübersetzung, bezeichnete die Stellung, die die Schule diesem hochwichtigen Unternehmen gegenüber einnehme und zeigte an einer Anzahl von Beispielen, wie besonders auch in deutsch-grammatischer Hinsicht die bessernde Hand angelegt werden könne. Daran schloß sich die Aufforderung an die Anwesenden, durch Aufzeichnung diesbezüglicher Stellen Material zu schaffen, das nach gehöriger .Sichtung an die Revisionskommission abgegeben werden könne. — Sodann hielt Herr Buckel- Dippoldiswalde einen Vortrag über Vereinswuth, an dem sich eine längere Debatte anschloß, in der na mentlich für den Kantoren-und Organistenverein manche Lanze gebrochen und die gemeinnützigen Bestrebungen desselben warm hervorgehoben wurden. — Endlich sprach Herr Rädlein-Dippoldiswalde über die eigen- thümlichen im Winter 1883—84 Morgens und Abends wahrgenommenen Lichterscheinungen, beschrieb dieselben und stellte dann zur Erklärung derselben die von ver schiedenen Seiten ausgesprochenen Hypothesen zusammen. Möchte der Beschluß, spätestens im Augufl eine weitere Bezirksversammlung zu veranstalten, für das Leden des Vereins ein ersprießlicher sein. — 19. Mai. Bei dem heute früh stattgehabten Gewitter schlug der Blitz in Malter in das Wirth- schaftsgebäude von Friedrich Träger, Nr. 21, ohne großen Schaden anzurichten. — Generalfeldmarschall Graf Moltke machte am 17. Mai einen Ausflug auf unserer Bahn nach Ra benau und verweilte daselbst längere Zeit, worauf er den Weg nach Hainsberg zu Fuß zurücklegte und di rekt über Dresden nach Blasewitz sich begab. — In dem zum Landbestellbezirke des Postamts in Rabenau gehörigen Orte Spechtritz wird vom 20. Mai ab eine Posthilfstelle eingerichtet. Robert Fritzsche's Fahrpläne sämmtlicher sächsischer Eisenbahnen und Anschlußbahnen in Preußen, Bayern, Thüringen und Oesterreich, sowie der Fahr posten und Dampfschiffe ist auch dieses Mal vor Ein führung des Sommerfahrplans erschienen und birgt für Touristen eine Fülle des schätzbarsten Materials, welches in den meisten Fällen die großen Koursbücher entbehrlich machen wird. Außer dem bereits erwähnten Inhalte sind die direkten Eisenbahnverbindungen mit größeren Städten und Badeorten, ein Verzeichniß der die sächsischen Bahnen durchlaufenden direkten Per sonenwagen, ferner der direkten Billets und Rundreise- billets in erschöpfender Weise ausgenommen; eine dankenswerthe Bereicherung bieten die Nundreisetonren nach Italien, die neuerdings vermehrten Touren nach wird und die Einen deshalb gar nichts für die Lösung thun möchten, während die Anderen mit hochfliegenden Plänen, aber vergeblichen Erfolgen der Affaire auf den Leib rücken wollen. So ist es auch mit der so zialen Frage oder richtiger gesagt, mit demjenigen Theile der sozialen Aufgaben, deren Lösung gegen wärtig wünschenswerth ist, bestellt. Den sozialdemo kratischen Hirngespinnsten kann kein nüchterner Urtheiler folgen um das Loos der Arbeiter zu bessern, aber deshalb vor den sozialen Fragen der Gegenwart die Augen verschließen oder allen bedrängten Menschen zurufen zu wollen: „Helft Euch selbst!" wäre kurz sichtig und hartherzig zugleich. Der Staat und die Gesellschaft können und sollen den bedrängten Ange hörigen der untersten Stände etwas bieten und der Reichskanzler hat es mit seinem praktischen Blicke in den kurzen Worten gekennzeichnet: „Den Arbeitern Arbeit, so lange sie arbeiten können, Unterstützung, wenn sie krank sind, und Pflege, wenn sie alt und invalid sind". — Was in letzterer Beziehung für kranke und verunglückte, sowie für altersschwache Arbeiter geschehen soll, ist bereits durch entsprechende Gesetz entwürfe bekannt gemacht und öfters diskutirt worden, näher zu erklären, bleibt daher nur das Recht auf Arbeit für alle Diejenigen, welche aus eigenen Kräften keine Arbeit finden können. Wir müssen uns hier in die bittere Praxis des Lebens versetzen, um das Recht auf Arbeit zu Mrdigen. Was soll aus den arbeits losen Menschen, einerlei ob sie aus eigener Schuld oder wegen Stockung in den Geschäften arbeits- und brodlos geworden sind, werden?! Jedermann weiß es aus Erfahrung, daß solche Leute anfangen zu betteln und zu vagabondiren. Manche von ihnen greifen auch zum Verbrechen. Staat und Gesellschaft haben also ohnedies schon ihre große Plage mit den arbeits- und brodlosen Menschen. Ist es da nicht klüger und wohl auch humaner, allen Denjenigen, welche arbeits- und brodlos geworden sind, von Rechtswegen Arbeit und Brod zu geben. Wegen der Lösung dieser Frage braucht man nun aber noch lange an keinen ungeheuerlichen Staatssozialismns zu denken; dem Rechte auf Arbeit kann vielmehr durch einfache und begrenzte Art Ge nüge geschehen. Die Staats- und Gemeindebehörden brauchen ja nur nach Maßgabe ihrer Bezirke zunächst eine Anzahl Beschäftigungs- und Arbeitsstellen für Arbeitslose offen zu halten, ferner kann ja auch der Staat durch die Provinzialverbände die schon hier und dort errichteten Arbeiterkolonien, die sich fast nur mit Landwirthschaft, Gärtnerei und Meliorationen zu be schäftigen haben, zu obligatorischen Institutionen er heben. Bei dem Rechte auf Arbeit soll es sich eben nicht in erster Linie um eine, schließlich alle Grenzen übersteigende Staatsunterstützung für alle, sich als arbeitslos meldenden Staatsangehörigen, sondern nur ein minimales Unterkommen arbeits- und brodloser Personen gegen eine entsprechende Arbeitsleistung handeln und natürlich auch nur so lange, bis der Betreffende anderweitig Stellung und Brod erhalten hat. In einem solchen Projekte geben Staat und Gemeinden nicht die Unterstützung, sondern nur die Gelegenheit und Beihilfe zur Selbsthilfe aller brod losen Arbeiter. 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