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Schönburger Tageblatt Inserate pro Zeile 10 Pf., Sn-cl. 20 Pf. Expedition: Wslbenburg, ObernÄe 291 L "Ä Amtsblatt für -sn StadtraLH zu Maldenburg. Zugleich weit verbreitet in den Städten Penig, Lunzenau, Lichteufteiu-Calluberg, und in den Ortschaften der nachstehenden Standesamtsbezirke: Altstadt-Waldenburg, Braunsdorf, Callenberg, Lt. Egidien, Ehrenhain, Frohnsdorf, Falken, Grumbach, Kaufungen, Lüngenchursdorf, Langen leuba-Niederhain, Langenleuba-Oberhain, Niederwiera, Oberwiera, Oberwinkel, Oelsnitz i. E., Reichenbach, Remse, Rochsburg, Rußdorf, Schlagwitz, Schwaben, Wolkenburg und Ziegelheim. Misten: in AUstadtwsIdenburg bei Herrn Kaufmann Otto Förster; in Kaufungen bei Herrn Fr. Janaschek; in Langenchurs- Eorf bei Herrn H. Stiegler; in Penig bei Frau Kaufmann Max Härtig, Leipzigerstr. 163; in Rochsburg bei Herrn Paul Zehl; in Wolkcnburz bei Herrn Erntt Rösche; in Ziegelheim bei Herrn Eduard Kirsten. krschcint täglich mit Ausnahme per Tage «'«ich Tonn- nnh Festtage». »nuahme von Inseraten für die nächster- Meinende K rarmer bis mittags 12 Uhr. Ler Anonnememspreis beträgt vierteljähr lich 1 Ätzt. ÄL Pf. Einzelne Nrn. b Pf. und Daloenburger Aiyeiger Dienstag, den U Februar 1896. Witterungsbericht, ausgenommen am 10. Februar, nachm. 4 Uhr. ^«rometerstaud 772 MW. reducirt auf den Pieeresspiegel. Thermometerstau- -l- 6' 0. ('Morgens 8 Uhr a. 4",) Feuchtigkeitsgehalt der Luft nach Lambrechts Polymeter 71"/n. Thaupuukt 4- 1 Grad. Wiu-richtung: Südwcst. Daher Witterungsaussichteu für den 11. Februar: Halbheiter bis bewölkt. "Waldenburg, 10. Februar 1896. Das Jahr 1889 war das letzte, in welchem wir im deutschen Reiche eine umfangreiche Bewegung unter den Gehilfen und Arbeitern der meisten industriellen und ge werblichen Betriebe hatten, die auf Lohnaufbesserung oder Verkürzung der Arbeitszeit anstrebte. Diese Bewegung erstreckte sich über alle europäischen Staaten, ging auch von den Großstädten auf die Mittel- und Kleinstädte über, bis sie schließlich aus Mangel an Nahrung erlosch. Seitdem haben wir bei uns keine allgemeine Streikbe wegung mehr gehabt, nur vereinzelte größere Zwischen fälle auf diesem Gebiete machten von sich rMn. Für dies Frühjahr ist nun von ziemlich zahlreichen gewerb lichen Vereinigungen in Großstädten eine neue Lohnbe wegung in Aussicht genommen, die aber, wie sich voraus sehen läßt, auf die Großstädte, voran Berlin, beschränkt bleiben wird. Der Grund dafür liegt in den thatsäch- lichen Verhältnissen. Wir wissen, daß nach dem Jahre 1889 sieben recht magere Jahre für Industrie und Gewerbe gekommen sind, und daß erst in vereinzelten Zweigen eine Besserung sich geltend zu machen beginnt. In den Klein- und Mittel städten hat sich in Folge davon die Zahl der Arbeits kräfte auch wohl verringert, aber die eingesührten Lohn verhältnisse sind doch im Durchschnitt aufrecht erhalten geblieben. Hinzu kommt, daß man hier die Wirkung der billigen Lebensmittelpreise ganz anders vermerkt hat, als in der Großstadt, wo sehr vielfach die Größe der Backwaare den geltenden Getreidepreisen auch nicht ent- fernt entsprochen hat und auch heute nicht entspricht. In Kleinstädten und Mittelstädten haben mit vereinzelten Ausnahmen auch die Miethpreise keine Erhöhung erfahren, während in den Großstädten gerade für kleine Woh nungen ein vielleicht etwas verlangsamtes, aber doch stetiges Hinaufschrauben der Miethen erkennbar ist. Was aber die Hauptsache in den Großstädten ist: In der kritischen Zeit trat nicht blos ein starkes Herabdrücken der Fabrikationspreise und ein sehr vermehrtes Arbeits angebot, sondern auch eine theilweise bis zur Unerträg lichkeit verschärfte Concurrenz ein, welche die Arbeitslöhne gewaltig hat heruntergehen lassen. Das ist natürlich nicht in allen Branchen der Fall, aber doch vielfach, und hierin sind vor Allem die Ursachen der neuen Lohnbe wegung, die direct den Charakter einer großstädtischen hat, zu suchen. Ob freilich die Absatzverhältnisse schon wieder so befestigt sind, daß sie einen neuen Zwischenfall ertragen können, dürfte die Frage sein, und hiervon wird auch der Ausgang aller Streiks, die geplant sind und geplant werden, abhängen. Am meisten die öffentliche Theilnahme in Anspruch nimmt die Bewegung der Arbeiterinnen in der Con- fectionsbranche. Hier ist eine der Quellen der Unsitt- lichkeit der Großstäote, denn die überaus traurige Be zahlung drängt so manches Mädchen, welches keinen Thmilienanhalt hat, auf den Weg des Lasters. Das ist siichts Neues, das weiß man seit Jahren, und darum 'st es sehr bedauerlich, daß man immerfort die Dinge A weitergehen lassen, wie sie wollten. Schon am 11. Mai 1885 hat der Reichstag Ermittelungen über die Eurigen Lohnverhältnisse der Arbeiterinnen der Wäsche- l°°rikation und der Confectionsbranche bei der Reichs- ^8'erung angeregt, und diese Erhebungen haben sehr düstere Imitate ergeben. Seitdem ist nichts Durchgreifendes geschehen, bis nun die Arbeiterinnen-Bewegung -"halben ausgebrochen ist, die durch rechtzeitige Maß- verhütet werden können. Im Reichstage ist soeben von nationalliberalen Abgeordneten eine Inter pellation eingebracht, welche auf jene früheren Erhebungen Bezug nimmt und dann weiter fortfährt: „Nachdem sich die Lage der Arbeiterinnen in diesen Branchen seit jener Zeit noch ungünstiger gestaltet hat, richten die Unter zeichneten die Anfrage an die verbündeten Regierungen, welche gesetzgeberischen Maßnahmen dieselben zum Schutze sür Gesundheit und Sittlichkeit und gegen Ausbeutung dieser Arbeiterinnen durch das Trucksystem zu ergreifen beabsichtigen?" Daß hier etwas geschehen muß, unter liegt keiner Frage. Deutschland ist auf dem Wege der Socialgesetzgebung weit voran geschritten, aber keinem Zweifel unterliegt es, daß noch viel zu thun ist und ganz besonders in den Großstädten. Es ist jedenfalls weit vortheilhafter, vor beugende Maßnahmen zu treffen, als unter dem Druck von schreienden Uebelständen solche treffen zu müssen. Das Centrum dieser Bewegung ist die Berliner Con- fection, und wer die Verhältnisse in der Reichshauptstadt näher kennt, der weiß, daß gerade die Inhaber der großen Confectionsgeschäste einer nach dem andern sich wahre Geschäftspaläste erbauten. Gewiß sind das nur Aeußerlichkeiten, aber auch Aeußerlichkeiten, die in krassem Gegensatz zu den Aeußerlichkeiten des Lebens der Con- sectionsarbeiterinnen stehen. Ist die Sachlage in an deren Großstädten vielleicht weniger kraß, die Zahl der Arbeiterinnen, die allein in Berlin dadurch dem Laster überantwortet werden, geht schon in die Tausende. Um so greller ist dort die Sache, als man dort Millionen für ein glänzendes Gelingen der Gewerbeausstcllung auswendet. Politische Rundschau. Deutsches Reich. Der Kaiser verblieb am Freitag auf Einladung des Großherzogs Peter nach den Beisetzungsfeierlichkeiten etwas länger als ursprünglich beabsichtigt war in Olden burg, um an der Familientafel theilzunehmcn. Bei der Abreise des Kaisers gab der Großherzog demselben das Geleite zum Bahnhofe. Um 11 Uhr abends traf Se. Majestät im besten Wohlsein wieder in Berlin ein. Sonnabend machte das Kaiserpaar eine Promenade durch den Thiergarten. Im Auswärtigen Amt hörte der Kaiser hierauf den Vortrag des Staatssekretärs v. Mar schall. Am Nachmittag begab sich der Monarch nach Potsdam, wo derselbe das Füsilierbataillon des 1. Garde regiments besichtigte und sodann im Stadtschlosse über nachtete. Der Jahrestag des Eintritts des Kaisers als Lieutenant in das 1. Garderegiment, 9. Februar, ist von dem Regiment festlich begangen worden. Die „Hamb. Nachr." schreiben: Die „Germania" be hauptet, daß die Angriffe auf Herrn v. Bötticher von Friedrichsruh nur deshalb erfolgen, weil derselbe nach dem Rücktritt des Fürsten Bismarck seine ungewöhnlich große Kraft und Arbeit dem Kaiser und dem Reiche weiter zur Verfügung gestellt habe, statt sich der Bis- marck'schen Fronde anzuschließen. Wir glauben, daß, wenn in Friedrichsruh Verstimmung gegen Herrn v. Bötticher existirt, dieselbe ihren Ursprung nur in dem Verhalten des Ministers vor dem Rücktritt des Fürsten BiSmarck haben kann. Herr Stöcker hat nun in öffentlicher Versammlung in Berlin mitgetheilt, weshalb er aus der conscrvativen Partei ausgeschieden ist und mit seiner christlich-socialen Partei allein vorwärts gehen will. Die Conservativen gehen Herrn Stöcker in socialpolitischen Fragen nicht ernsthaft genug vorwärts, er will nicht,, daß die agra rischen Fragen Alles beherrschen. Nach den ganzen Aus führungen ist die Trennung eine totale. Ueber ein neues Gewehr, welches von einem Ber liner Ingenieur Paul Brand construirt sei, berichtete kürzlich ein Berliner Blatt. Dieses Gewehr habe keine Zündvorrichtung; das Hinausschleudern des Geschosses werde durch Ausdehnung eines comprimirten Gases be wirkt. Mit der Waffe sollten bei der Gewehr-Prllfungs- commission in Spandau Schicßversuche stattfinden, denen auch der Kaiser beiwohnen wolle. Hierzu bemerkt der „Reichsanzeiger": Richtig ist, daß sich ein Ingenieur Brand aus Kulm im October v. I. in Sachen eines von ihm erfundenen Gewehrs mit einem Immediatgesuch an Se. Majestät gewandt hat. Er hat aber bisher — trotz entsprechender Aufforderung — der Prüfungs kommission weder sein Gewehr vorgestellt, noch sich über haupt mit ihr in Verbindung gesetzt. Die Nachricht von den Schießversuchen, denen auch der Kaiser beiwohnen wolle, beruht also auf Erfindung. Im Fürstenthum Lippe ist man sehr ungehalten über die Weigerung des Bundesraths, die Erbfolgefrage durch das Reichsgericht entscheiden zu lassen. Unter Berufung auf die Eingangsworte der Verfassung, nach denen das Reich gegründet ist auch zum Schutze des im Bundesgebiete giltigen Rechts, wird in der „Lipp. Lan- desztg." ausgeführt, daß der Bundesrath verpflichtet sei, dem Reichstag einen Gesetzentwurf zur Regelung des Versassungsstreits vorzulegen, wenn der lippische Antrag beim Bundesrath und auch der Versuch des letzteren, ein Compromißgericht zu schaffen, keinen Erfolg habe. Die französische Regierung hat kürzlich eine Anzahl von Zollerleichterungen eingesührt, die für Elsaß- Lothringen einer gewissen politischen Bedeutung nicht ermangeln. Vom 1. d. M. ab sind von jeder Einfuhr steuer befreit: Hausgeräthe und Effecten bei Ueber- siedelungen nach Frankreich, einerlei, ob die Zuziehenden französische Unterthanen sind oder nicht, ferner Heirats güter jeglicher Art mit Ausnahme von Silberzeug, das dem gesetzlich vorgeschriebenen Garantiestempel unterliegt, und endlich alles Ausstattungsgut von Schülern, die französische Schulen besuchen wollen, sowie Fabrikgeräth- fchasten, Handwerkszeug und Ackergeräthe, sofern die Besitzer nach Frankreich übersiedeln. Der Zweck dieser Ausnahmebestimmungen ist kein anderer, als die Ueber- siedelung elfaß-lothringischer Familien nach Frankreich, fowie das Studium der reichsländischen Jugend auf französischen Lehranstalten möglichst zu erleichtern. »Oesi errei ch-Ungarn. Welche Wirkung die Einführnng der Civilehe in Ungarn hat, dafür liegen einige bemerkenswerthe That- sachen vor. In den reformirten Gemeinden läßt sich ein starker Procentsatz der Paare gar nicht trauen; dabei gehen sie ohne Bedenken Mischehen ein und versprechen, ihre Kinder in anderen Bekenntnissen (meist katholisch) erziehen zu lassen. In einer deutfchen lutherischen Ge meinde ließ sich im November und December v. I. von 20 Paaren blos eines kirchlich trauen. In einer magyarisch-lutherischen hielten binnen 2 Monaten 30 Paare den Segen der Kirche sür überflüssig. Es ist ja möglich, daß sich diese Verhältnisse später wieder günsti ger gestalten; ob man es aber auch für wahrscheinlich halten darf, ist eine andere Frage. Der jähe Abfall spricht nicht dafür; allerdings deutet er auch auf große innerkirchliche Schäden hin, das läßt sich nicht verkennen.