Volltext Seite (XML)
WSeMiM GiUM. Erscheint wöchentlich drei Mal: Dinstags, Donnerstags und Sonnabends. Preis inel. der Sonntagsbeilage „Der Erzähler" vierteljährlich 1 Mark, durch die Post bezogen 1 Mark 25 Pf. — Einzelne Nummern 8 Pf. — Jnsertionsgebühren pro kleingespaltene Zeile für Abonnenten 7 Pf., für Nichtabonnenten 10 Pf., im Redactionstheil 20 Pf. Bei mehrmaliger Insertion entsprechender Rabatt. — Jnseraten- Annahme bis Abends 5 Uhr des vorhergehenden Tages. — Geeignete Beiträge sind stets willkommen. 43. Dillstag, 8. October 1878. Das auf das dritte Vierteljahr 1878 fällige Schulgeld ist längstens bis zum 15. October s-, 2. an hiesiger Rathsexpeditions- stelle zu bezahlen. Schulkassenverwaltung Waldenburg, den 30. September 1878. Bekanntmachung. Die gegenwärtig revidirte Geschwornen-Urliste nebst dem 1. Nachtrag hierzu wird 14 Tage lang und zwar vom 3. vis 18. Oetover I. zu Jedermanns Einsicht an hiesiger Rathsexpeditionsstelle ausliegen, was hierdurch mit dem Bemerken bekannt gemacht wird, daß nach § 10 Abs. 2 des Gesetzes vom 14. September 1868 jeder volljährige und selbststän dige Einwohner hiesiger Stadt innerhalb gedachter Frist wegen Uebergehung seiner Person, dasern er zu dem Amte eines Geschwornen fähig zu sein behauptet, sowie wegen Uebergehung fähiger oder wegen erfolgter Eintra gung unfähiger Personen Einspruch erheben kann. Diejenigen, welche auf Grund der Bestimmungen in ß 5 des ange zogenen Gesetzes von dem Geschwornenamte befreit zu werden wünschen, haben ihre Gesuche bei deren Verlust schriftlich binnen der angegebenen vierzehntägigen Frist hier einzureichen. Waldenburg, den 30. September 1878. Der Stadtrat h. Cunrady. Politische Rundschau. * Waldenburg, 7. October 1878. Der Bericht der Commission des Socialisten- gesetzes ist gestern erschienen, und äußert sich derselbe im Wesentlichen wie folgt. In der Com mission war man einig, daß durch die socialdemo- kratischen Ausschreitungen eine schwere Gefahr für die Staats- und Gesellschaftsordnung entstan den sei und daß der Gesetzgebung des Reiches die Pflicht obliege, weitere Ausschreitungen der Socialdemokratie zu verhindern. Man erkannte an, daß auf dem Wege der Gesetzgebung keine sofortige und erschöpfende Heilung der vorhan denen schweren Uebelstände zu erwarten sei, vielmehr nur zunächst die Verhinderung weiterer Verbreitung, sodann aber die Vorbereitung der Heilung erwartet werden könne. Unterstützt müsse letztere werden durch Reformen auf wirthschaft- lichem Gebiete und im Interesse des Arbeiter-- standes, andererseits durch Aufklärung und Be lehrung, durch Stärkung des Sinnes für Recht und Sitte. Die Erreichung dieses Zweckes ver lange die thätige Mitwirkung aller erhaltenden Elemente des Staates; ein jeder wohlgesinnte Mann müsse in seinem Kreise sich die Aufgabe stellen, persönlich in dieser Richtung mit Nath und That einzutreten, daß der krankhafte Zustand der bürgerlichen Gesellschaft beseitigt und nament lich die Arbeiterkreise über die verderbli chen Irrlehren der Socialdemokratie be lehrt werden. Keineswegs sollen Neformbe- strebungen unterdrückt werden, die auf Grund lage der gegebenen Staatsordnung vorhandene Schäden abhelfen und Hindernisse in der Ent wickelung der Wohlfahrt des Volkes oder einzel ner Klassen beseitigen wollen. Die Minorität war dagegen der Ansicht, daß durch die gegen eine bestimmte Partei gerichteten Beschränkungen die Gleichheit Aller vor dem Ge setze verletzt und gegen eine große Zahl von Staatsbürgern ein Ausnahmezustand geschaffen werde; hierzu sei weder ein ausreichender Grund noch ein praktisches Bedürfniß vorhanden. Auf dem Boden des gemeinen Rechts, durch alsbaldige Revision der einschlagenden Gesetze, könne die nöthige Abhilfe geschaffen werden. Der Bericht kommt sodann auf die von der Commission vorgenommenen speciellen Aenderungen Zu spreche», in welcher Beziehung wir auf die w de« letzten Nummern dieses Blattes enthaltenen Berichte verweisen. Man darf nicht außerAcht lassen, daßdiesesGesetz nicht sowohl gegen die gesummte Partei, die man unter dem Namen Socialdemokratie zusammen- faßl, gerichtet ist, sondern vornehmlich nur gegen das Treiben der Agitatoren und socialdemokra tischen Blätter. Es soll verhindert werden, daß die Freiheit der Rede und Schrift zur Zügel losigkeit gemißbraucht, daß die Achtung vor Recht und Sitte fernerhin heruntergewürdigt werde. Das geschieht nicht durch die große Masse der socialistischen Anhänger; ja vielfach ist unter den letzteren selbst der Ausdruck „Socialdemokrat" ein unbeliebter, und wenn man mit ihnen dieses Gebiet betritt, so ist bei ihnen immer nur von Demokraten die Rede. Ihr nächstes Streben ist Besserling ihres Zustandes, und da sie Vertrauen in dieser Beziehung zu anderen Parteien nicht hatten, so blieb ihnen weiter nichts übrig, als sich nach der Seite zu wenden, von wo aus man ihren Wünschen am weitgehendsten und in schmeichlerischster Weise entgegenzukommen ver sprach, ohne indessen den Zielen auf gewaltsamen Umsturz und der allgemeinen Gleichmacherei zu zustimmen. Es wird dieserhalb das Socialisten- gesetz nicht von der tiefeinschneidenden Bedrückung sein, wie es namentlich von fortschrittlicher Seite hingestellt wird. In parlamentarischen Kreisen wird angenom men, daß der Schluß der Neichstagssession, sofern das Socialistengesetz Annahme gefunden, durch den Kronprinzen im Weißen Saale des königl. Schlosses stattfinden werde. Da die Wieder aufnahme der Negierungsgeschäfte durch den Kaiser nach der Annahme des Socialistengesetzes un mittelbar bevorsteht, so dürfte dies einer der letzten Regierungsacte des Kronprinzen sein. Forke nbeck hat die Wahl zum Oberbürger meister von Berlin angenommen und dies in einem Schreiben an den Vorsteher der Berliner Stadtverordneten mitgetheilt. Forckenbeck ist, wie sein Vorgänger es war, Oberbürgermeister von Breslau und wird von dort nach Bestätigung der Wahl nach Berlin übersiedeln. In Bezug auf die Ausschmückung und die Illumination der Stadt Berlin aus Anlaß der Ankunft des Kaisers beschloß der Berliner Magistrat, daß auf städtische Kosten die Straße „Unter den Linden" und ebenso die städtischen Gebäude der übrigen Straßen, durch welche der Kaiser vom Bahnhof nach seinem Palais voraus sichtlich fahren wird, mit Fahnen, Blumen rc. geschmückt werden sollen. Am Abend soll auf städtische Kosten das Nathhaus, das Branden burger Thor und die städtischen Gebäude illuminirt werden. Das Arrangement würde den von der Stadt veranstalteten Feierlichkeiten bei der Ankunft des Kaisers aus den Feldzügen der Jahre 1866 und 1870/71 entsprechen. Der gesammte Kosten betrag wird sich auf ca. 50,000 Mk. beziffern. Als eine ebenso traurige wie merkwürdige Thatsache wird der „Post" mitgetheilt, daß so wohl der Kaiser wie auch der Fürst Bismarck während des Gasteiner Aufenthalts und der spä teren Reisen mit bösartigen Drohbriefen überschüttet worden sind. Genanntes Blatt meint, daß neben der Unzahl von Majestätsbe leidigungen wohl diese Thatsache einer der trau rigsten Belege für die Verwilderung und Ver kommenheit weiter Kreise der Bevölkerung ist. Andrerseits gingen fast ebenso zahlreiche War nungen vor neuen Attentaten ein. Auch vor dem Aufenthalt in Köln wurde gewarnt. In der Wochenschrift „Im Neuen Reich" schreibt Professor Springer in Leipzig: „Kein Mensch glaubt, daß die Socialdemokraten in Wahrheit Arbeiterinteressen vertreten. Gerade die Führer und Agitatoren gehören gar nicht dem Arbeiterstande an, oder wenn sie demselben früher angehörten, so haben sie, seitdem sie von dem socialdemokratischen Strudel erfaßt wurden, sich sowohl der Arbeit wie des Arbeitsnamens schämen gelernt. Der Cigarrenarbeiter entpuppt sich zum Redacteur, der Dreher in einer Metallfabrik zum Schriftsteller. Es ist also wieder eine Lüge, wenn das Socialistengesetz als gegen den Arbeiterstand gemünzt dargestellt wird. Im Gegentheil: Be freiung des wirklichen ehrlichen Arbeiters von der angemaßten Gewalt der Agitatoren, die selbst arbeitsfaul vom Mark des Arbeiters sich nähren und in der Fortdauer der Arbeiternoth die Quelle ihrer Macht und ihres bequemen Lotterleb-ns finden, ist der Zweck des Gesetzes. Und dieser Zweck wird erreicht werden, wenn der Reichstag die Mittel gewährt, den Schandfleck in unserm politischen Leben wegzuwischen." Der preußische Handelsminister Maybach soll dem preußischen Landtage sofort bei den Vor lagen der ersten Gesetzentwürfe wegen Ankaufs von Privatbahnen ein vollständiges Eisenbahn- Programm vorlegen wollen, in dem er sich aus führlich über die in Zukunft zu befolgenden Maximen auszusprechen beabsichtigt, in dem er seine Ideen für die künftige Gestaltung des Staats bahnwesens erörten will, ebenso wie die Prin- cipien, nach denen er gewillt ist, die Abfindung der Privat-Actionäre derjenigen Bahnen, deren Betrieb der Staat zu übernehmen beabsichtigt, ein treten zu lassen. Die königlichen Eisenbahnverwaltungen in Preußen haben in letzter Zeit bekanntlich Unter suchungen bei den im Bahnbetriebe angestellten Beamten in Bezug aufFa rbenblindheit anstelle» lassen. Dieselben haben leider das Ergebniß geliefert, daß einer überraschend großen Anzahl von Bediensteten, welche die Farben der Sicher heitssignale, Roth und Grün, in den verschiedenen Abstufungen nicht zu unterscheiden vermochten, die Stellung hat gekündigt werden müssen. Dem bekannten „Times"-Corresponde»t Op- pert aus Blowitz sollte nach mehrfachen Zeitungs nachrichten für die bei den Congreßverhandlun