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Sonnabend Nr. 22. 22. April 1843. Deutsche Allgemeine Zeitung. rMU Ausland««. -"gr «Wahrheit und Recht, Freiheit und Gesetz!» UeberVliS. Deutschland. fAus Schlesien. Die Arbeiter auf dem Lande. * Kas sel. Der Landtag. Das Gesetz über die gemischten Ehen. Das KriegSbudget. Dessau. Silberne Vermählungsfeier. Preuße»,. »Aue Westpreuesen. Die danziger Unruhen. »Posen. Der Landtag. Die Erzbischofswahl. Ein Selbstmord. Lebendigerer Verkehr an dex Grenze. In der russischen Armee soll das Prügel system abgeschafft sein. Spanien. »Paris. Wahlumtriebe. Großbritannien. »London. Der Bischof von Jerusalem. Frankreich. Zunahme des Ertrags der indirccten Abgaben. Die Trap pisten in Algerien, -s Paris. Die Eisenbahnen. Melgien. »Krüssel. Cabinetsmodification. — Caumartin's Proceß. Niederlande. »Aus Java. Einfall der Wilden. Feuersbrünste. Die Häuptlinge sind weniger freundlich, weil sie nicht mehr so viel ge schenkt bekommen. Das Waisenhaus. Bayonnetfechtcn. Schweiz. Die junge Schweiz. Italien. Straße über den Mont Cenis. »Palermo. Eine Räuberbande. Dänemark. Holsteinische Matrosen auf der dänischen Flotte. Schweden und Norwegen. »Upsala. Neue Entdeckungen von Papieren aus der Zeit Gustav'S III. Rußland UN- Polen. Danksagungsschrciben des Kaisers an den Großfürsten Michael. Serbien. Neue Jnsurrection. Die serbische Frage. Türkei. »Konstantinopel. Drohende Note Rußlands. Nordamerika. Neuyork. Jahresfest der deutschen Gesellschaft. Handel und jFndußrie. Berlin dknkündtgungrn. Deutschland. chAus Schlesien, 15. April. Die fortschreitende Anlage von Eisenbahnen und öffentliche Arbeiten mancherlei Art haben in neue rer Zeit auf höchst wohlthätige Weise den Arbeitern neue Erwerbs quellen geöffnet und ihrer Thätigkeit das Feld erweitert. So wenig der daraus für das Allgemeine erwachsende Vortheil verkannt werden kann, so ist doch auch andererseits nicht in Abrede zu stellen, daß die durch vorübergehende Ursachen herbeigeführte größere Nachfrage nach Arbeit dieselbe in manchen Gegenden leicht auf eine für Fabrikherren und den größern Grundbesitzer sehr lästige Weise verthruert, und cs erwächst daher namentlich für den Letztem die Nothwendigkcit, sich bei Zeiten die nöthige Arbeitskraft zu sichern. Am vortheilhaftesten dürfte dies wol für den größern Grundbesitzer durch Aussetzen kleiner Stellen geschehen, die, mit wenig Ackerland und etwas Garten versehen, an geeignete Täglöhnerfamilien in Zeit- oder Erbpacht gegeben werden <bei dem Zeitpacht mit der Bedingung, für einen angemessenen festen Preis die Arbeit zu leisten), und die auf diese Weise wol geeignet wären, tüchtige Arbeiterfamilien auszubilden und deren Interesse mit dcyi des Gutsherrn zu vereinigen. Natürlich muß dieses Verhältniß von vorn herein in humaner und richtiger Weife geleitet werden, da mit solche Familien gedeihen, durch ihren Fleiß und ihre sonstige Auf führung etwas zu erübrigen im Stande sind und die anspornende Mög lichkeit vor sich sehen, ihre zeitweilige MiethSwohnung in Zukunft als eignen Herd zu besitzen. Nur auf diese Weise, bei der noch das Ver- dingen der Arbeit als vorthcilhafteste Form des Taglohnes zu empfeh le» ist, werden dergleichen widerliche Verhältnisse und betrübende Uebel- stände vermieden, wie sie mit unabsehbaren Folgen in England der Kampf um die Höhe des TaglohneS leider herbeigefiihrt hat. Der Ausartung wird schon dadurch vorgebeugt, daß ein derartiges Verhält niß, auf gegenseitigem zeitweise» Abkdmmen beruhend, sich den Zeit- umständen angemessen gestalten muß, und die Umsicht des Gutsherrn wird auf dieser Basis im einzelnen Falle schon die für beide Theile billige Auskunft zu treffen wissen, zum Ersatz eigenthümlich geworde ner Stellen neue gründen oder durch Ankauf bäuerlicher Stellen Werth und Umfang des Gutes ungeschmälert erhalten. Mit dieser Einrichtung wird zugleich das für jeden Staat nicht wünschenswerthe schnelle Zunehmen der Taglöhner vermieden, deren Unterhalt so wenig gesichert, ja höchst gefährdet ist, sobald mehr Arbeitskräfte vorhanden sind als Nachfrage, und man entgeht der so höchst nachtheiligcn Ei- richtung von Familienhäuscrn, welche auf vielen Privatgütcrn, wie auf königl. Domainen, nur Lasterstätten herrenlosen Gesindels mit höchst fehlerhaften Einrichtungen werden. Als Gegcngrund kann wol die all- mälig dadurch beförderte Zersplitterung des großen Grundeigenthums nicht geltend gemacht werden, wenn man bedenkt, wie allmälig diese Veränderung vor sich geht, da nun einmal die steigende Bevölkerung und der Fortschritt der Kultur natürlich den Grundbesitz mehr und mehr vertheilen, gegen diesen naturgemäßen historischen Verlauf aber anzukämpfcn doch vergeblich ist. Eben so gefährlich, als ein künstlicher Anreiz zur Erwerbung von Grundbesitz, ist die Beschränkung der freien Theilbarkeit und deren mannichfach vermittelte Gliederung; noch ge fährlicher aber die künstliche Ableitung und Hincindrängung schlichter, wirthlichcr Landlcute in Fabriken und Jndustricwcrkstätten, ohne innen, Trieb und praktische Tüchtigkeit. Besser, daß sich arbeitsame Hinter sassen mit Recht und Ordnung liebenden Familien bilden, als daß die Menge nomadisirendcr Proletarier, die nach Arbeit lungern, mehr und mehr zunimmt und endlich herzzerreißende Zustände herbeiführt, welche nur der mitleidsbare, kalt raffinirende, die Menschen nur nach Zahlen und als Waare in Anschlag bringende Krämergeist so lange ansehen kann, bis er in dem muthwillig hcrvorgcrufcnen Kampf auf Tod und Leben zwischen Armuth und Reichthum der Gewalt und Verzweiflung zu eignem Schaden weichen oder erliegen wird. *Äasset, 16. April. Die Verhandlungen unsers seit dem Monat December des verflossenen Jahres hier eröffneten Landtags haben wenig Gegenstände dargeboten, die für das übrige Deutschland von einigem erheblichen Interesse sein könnten. Die Hauptsache, womit sich derselbe während seiner gegenwärtig schon mehr als viermonatlichen Dauer beschäftigt hat, war das vom Finanzministcr v. Motz vorge legte Staatsbudget für die laufende dreijährige Stcuerperiode (1843/45), wie denn auch der jetzige Landtag in auswärtigen Blättern bereits jm Voraus als ein bloßer Geldtag angekündigt worden war, ein Name, womit man in früher» Zeiten oft die Versammlungen der althessischcn Landstände zu bezeichnen pflegte. Nebenbei gelangten mancherlei Ge setzentwürfe zur Tagesordnung in den Sitzungen, die sämmtlich gleich nach Eröffnung der Session der Ständevcrsammlung an diese von der Staatsregierung zur Berathung und Beschlußnahme gebracht worden waren, deren Inhalt jedoch meist nur ein Loealintercsse hatte. Unter diesen bemerkte man mehre, welche von der vorigen ständischen Ver sammlung abgelehnt worden waren, jetzt aber und zwar ganz unver ändert, von neuem proponirt wurden. Obgleich die Zusammensetzung der dermaligen Ständeversammlung eine günstigere Aufnahme der von oben herab kommenden Anträge erwarten ließ, so haben doch einige dieser Gcsehvorschläge abermals das Schicksal der Zurückweisung er fahren und andere haben nur mit mehr oder weniger Amendements, unter der Bedingung vielfältiger Modifikationen einzelner Artikel, die ständische Zustimmung erhalten können. Unter den neuen von der Regierung beantragten Gesetzen hat aber keins so lebhafte DiScusfionen im Schoose der Ständcvcrsamm- ung veranlaßt als das über die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Chen. Die Aenderung, welche die Regierung in der Ge- etzgebung über diesen Gegenstand bezweckte, daß nämlich die religiöse Erziehung der Kinder sich in Zukunft stets nach der Religion des Va ters richten solle, wodurch die bisher noch immer in Kraft bestande nen ältern landesherrlichen Verordnungen, denen zufolge als Regel galt, daß die Söhne in der Religion des Vkters und die Töchter in der Religion der Mutter zu erziehen, aufgehoben wurden, fand allgemeine Billigung und darum auch keinen Widerspruch von irgend einer Seite. Die Unzuträglichkeitcn, welche die Erziehung der Kinder einer und derselben Ehe in verschiedenartigen Glaubensbekenntnissen mit ich führte, konnten nicht übersehen werden, und die vorgcschlagene Ein richtung hatte die Erfahrung in andern Ländern und die Analogie der Gesetzgebungen in der Mehrzahl der deutschen Staaten für sich. Da gegen glaubten die Katholiken großen Anstoß an einer Hauptbestim- mung des proponirten Gesetzes nehmen zu müssen, wonach jede Ber-