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Nummer bis Borm. 29. Jahrgang. Sonntag, den 16. Februar 1902. Nr. 39. Dieses Blatt erscheint mit Ausnahme der Sonn- und Festtage täglich Nachmittags. — Zu beziehen durch die Expedition und deren Austräger, sowie alle Postanstalten. Der Bezugspreis beträgt vierteljährlich 1 Mk. 25 Pfg. incl. der illustrirten Sonntagsbeilage. Redaction und Expedition: Bahnstratze 3 (nahe dem K. Amtsgericht). Telegramm-Adresse: Anzeiger Hohenstein-Ernstthal. JnseilionZg.bühren: die 12Psg. sm Hchiylm-EriiWü, AttlWMtz, GtMls, Lugau, Wüstenbrand, Ursprung, Mittelbach, Hermsdorf, Bernsdorf, Langenberg, Falken, Meinsdorf u. T « g s -s K e s ch i ch t e. Deutsches Reich. Berlin, 14. Februar. Reichstag. Die Berathung des Postetats wird fortgesetzt. — Äbg. Hug führt Be schwerde über das Mißverhältnis; zwischen Wohnungs- geldznschuß und thatsächlichem Wohnungsaufwand der Postbeamten in Baden. — Abg. Müller-Meiningen beschwert sich über unzulängliche telephonische Verbind ung von Meiningen und Hildburghausen mit Süd deutschland, sowie darüber, daß wir im Verkehr mit der Schweiz noch nicht die Inlands-, sondern die theuren Auslandstarife haben. In der Frage der Ein heitsmarke sei der bayerische Partikularismus, so be rechtigt er auch sonst sein möge, doch nicht am Platze. — Äbg. Ulrich widerspricht dein Werner'schen Ver langen, nicht mehr soviel Damen in der Verwaltung anzustellen, man solle vielmehr die Zahl der für die Damen zulässigen Berufe vermehren, statt vermindern. Redner verbreitet sich schließlich über Ueberlastung der Postbeamten mit Arbeit. — Abg. Stöcker spricht seine Genugthuung aus über die Vermehrung der etatmäßigen Stellen im vorliegenden Etat, sowie über das Marken- übereinkommcn mit Württemberg. Anstoß müsse man nach wie vor daran nehmen, daß noch immer Sonntags Vormittags während der Gottesdienstzeit Postpackete bestellt werden, während alle anderen Geschäfte feiern müßten. Auch die Telegrammbestellung müße Sonntags eingeschränkt werden, nöthigenfulls durch Erhebung einer Extragebühr. Es liege das auch im Interesse der Beamten, für die ein zerrissener Sonntag so gut wie gar kein Sonntag sei. — Äbg. Frhr. v. Hertling erklärt, bei aller Hingabe an das Reich sei man in Bayern nicht gewillt, ein Reservatrecht, wie das Markenrecht, aufzugeben. Die Aufgabe der bayerischen Postwerthzeichen würde in Bayern große Erregung Hervorrufen ; und um solchen Erregungsstofs zu schaffen, dazu sei doch die Sache zu geringfügig. — Staats sekretär Kraetke erwidert Stöcker, daß in Bezug aus die Reformen des Serviswesens eine Vorlage in Ausarbeit ung sei. Bei der augenblicklichen Finanzlage sei aber deren baldige Einbringung zweifelhaft. Den Sonntags- Verkehr einzuschränken, wünsche auch die Postverwaltung dringend, aber es gehe nicht an, nach dieser Hinsicht alle Rücksichten fallen zu lassen, sonst werden besonders auch an Montagen die Raumveihältnisse den Dienst bedürfnissen nicht genügen. Was Ulrich über allzu fiskalisches Vorgehen der Verwaltung gesagt habe, in Bezug auf genügendes Personal und dessen Anstrengungen, entspreche absolut nicht den Thatsachen. In den letzten Jahren habe die Zahl der Unterbeamten um 6000, des Beamtenpersonals um 3000 zugenommen. Während Ulrich ihm zurufe, die Post sei zu fiskalisch, heiße es von anderer Seite, sie bringe zu wenig Ueberschüsse. Daraus darf die Post wohl schließen, daß sie die goldene Mitte hält. Energisch müsse er gegen die Unterstellung prolestiren, daß die Reichspostverwaltung die Postassistenten bei Wahrnehmung ihrer Interessen belästige. Auch daß die Beamten bis zur Erkrankung ausgenützt würden, sei nicht richtig. Bezüglich des Wunsches wegen Herstellung eines inneren Tarifs ge- meinsam mit der Schweiz, erklärt der Staatssekretär, die Verwaltung sei gewiß gern bereit, in solcher Richt ung fortzuschreiten, aber solche Dinge erforderten Zeit. — Der Titel Staatssekretär wird bewilligt. — Bei einem weiteren Titel erklärt auf eine Anregung des Abg. Szmula der Sraatssekcetär: An den katholischen Festtagen, die nicht gesetzliche Festtage seien, werde der Dienst zwar nicht eingestellt, aber den katholischen Be amten Gelegenheit gegeben, ihren kirchlichen Pflichten nachzukommen. — Abg. Wiemer empfiehlt einen Antrag, die Zahl der etatmäßigen Assistentenstellen, die der Etat ' um 3000 erhöhe, um 4000 zu erhöhen. Die Postver- waltung selbst habe ursprünglich dasselbe vorgcschlagen, der Bundesrats» ober 1000 gestrichen. An den Be amten.',elältcrn zu sparen, ßi Sparsamkeit am unrechten Orte. — Schotzsckretär v. Thielmann verweist darauf, daß die Zahl der etatmäßigen Beamten gerade in diesem Etat wieder erheblich vermehrt worden seien. Es handle sich bei den» Anträge allerdings nur um 1 Million, aber das sei der Anfang auf einer abschüssigen Bahn. — Abg. v. Waldow steht der Tendenz des Antrags freund lich gegenüb r, aber es widerspreche der Gepflogenheit des Hauses, solche Erhöhungen des Etats vorzunehmen, weshalb er dem Anträge nicht zustimmen könne. — Staatsekretär Kraetke e»klärt, er habe sich mit dem Schatz ekretär dahin geeinigt, daß künftig in die Etats vom 7. Jahre ab das Tagegeld von 4 auf 4'/, Mark resp. in größeren Städten von 4'/, auf 5 Mk. erhöht werde; auch wolle er in den nächsten Etat wieder 3000 neue Stellen rinstellen. Eine gewiße Beweglichkeit müße die Verwaltung haben, er empfehle sich deshalb em Ver- hältniß der Angestellten zu den Nichtangestcllten von zu '/g; das werde er herbeiführen und es werde dadurch erzielt werden, daß das Diätariat nicht länger als durchschnittlich 5 Jahre dauere. Berlin, 14. Februar Der geschäftsführende Aus schuß des Burenhilfsbundes hat gestern unter dem Vorsitz des Professors Limmering beschlossen, im Hin blick auf die in Südafrika beginnende ungünstige Jahres zeit die Summe von 300 000 M. sofort für die Kon zentrationslager zur Versendung zu bringen. Die Ver sendung der vorhandenen Mittel wird in der Weise ge schehen, daß ein größerer Betrag an die in Südafrika lebenden Vertrauensmänner des Komitees überwiesen wird, um zum Ankäufe solcher Gegenstände zu dienen, die dort am leichtesten beschafft werden können. Ein anderer Theil soll in Deutschland zum Ankauf von Waaren, namentlich von Betten, Stoffen, Kochmaschinen, Nähutensilien und Medikamenten verwendet werden — Der Abgeordnete von Kardorff hat in Folge von tumultarischen Angriffen, die die Socialdemokraten in der Zolltariscommission gegen seine Geschäftsführung in Scene setzen, den Vorsitz in der Commission nieder gelegt. — Die Slntiduell-Bcwcgung hat Generalleutnant z. D. v. Boguslawski „mit einem Blick auf Mörchingen, Insterburg, Jena und Springe" in einer kleinen lesens- werthen Schrift kritisch beleuchtet. (Berlin, Verlags buchhandlung A. Schall.) Seine Stellungnahme kenn zeichnet sich in folgenden! Schluß: „Die Antiduell- Bewegung ist eine ganz überflüssige Complication einer ohnehin verwickelten politischen Lage. . . . Mit dem Verlust des alten Ehrbegriffes würde auch ein Stück jenes kriegerischen Geistes aus den höheren Ständen schwinden, den wir nun einmal, eingeengt in Ost und West, besonders nöthig haben. Und wie würde die deutsche Ärmee ohne Duell den anderen Armeen des Continents gegenüberstehen? . . . Ganz verwerflich aber ist das Bestreben, das Officiercorps unter besondere Gesetze oder unter besonders scharfe Verordnungen zu stellen, weil man sich einbildet, das Duell so aus der Welt schaffen zu können. . . . Haltet fest, junges Volk der Universitäten, an Euren Mensuren als der unbe zahlbaren, nur uns Deutschen eigenthümlichen Waffen übung, die Euch im langen Frieden frischen, kampf- freudigen Sinn erhält, haltet fest, junge Soldaten, an der Sitte, mit Eurer Person für Eure Handlungen einzustehen und dies auch von Euren Gegnern zu ver langen. Versöhnung und Abbitte, wo es irgend mög lich, das schändet, wie Euch auch schon der große Kaiser sagte, keinen Ehrenmann, wenn Ihr aber fühlt, daß Eure Ehre, Eure Mannesheiligkeit, wie unsere Altvorderen sagten, aufs Innerste getroffen ist, dann nehmt getrost die Waffe zur Hand ohne Furch Pfafferei und Preßgeschrei." Ferdinand wegen seiner Reise nach Pest st . Lar darin einig, daß der Herzog mcht E bloße Dankvisite für die Generalsepaulelten an Z abstalten wollte, aber über den wnklichen H — der Fahrt gingen die Meinungen auseinander. P und wirthschaftspolitische Motive wurden A der Balkan, bald der deutsche Zolltarif, und g h voll raunte man von förmlichen Abmachungen, Thronfolgers feierlicher Besuch zu besiegeln ha - . öffentliche Meinung in Oesterreich, sonst geg russischen Norden kühl und ablehnend, nahm die pivY liehe Wärme für den Zolltarif nicht unsympathisch - sogar die einst als Russenfresser verschrienen Ungarn überboten sich in russenfreundlicher Stimmung uno dauerten nur, daß dem reisenden Erzherzog ein ungarischer Ehrenkavalier als Vertreter der ungarisch Nation am Petersburger Hofe beigesellt war. Rußland. Petersburg. Hiesige Finanzkreise wollen wißen, Japan habe, nachdem seine Anleiheversuche beim Crsoit Lyonnais gescheitert waren, am 28 Januar in London einen Credit von 1 400 000 Pfund Sterling erlangt. Das am 30. Januar unterzeichnete Abkommen wird als die Prämie Japans an England für diese Anleihe bezeichnet. England. — In der Guild-Hall in London wurde dem Staatssekretär für die Kolonien Chamberlain eine Adresse überreicht. In Erwiderung einer bei dieser Gelegenheit an ihn gerichteten Ansprache führte Chamberlain aus, die Negierung verfolge zwei große nationale Ziele, näm lich die britische Autorität in Südafrika außer Frage zu stellen und die Einigkeit des Reiches aufrecht zu erhallen; beide Ziele seien auf das Engste mit dem Kriege in Südafrika verquickt. Chamberlain erwähnte dann die unerschöpfliche Stärke, die England erwiesenermaßen in seinen Kolonien besitze und sprach von dem unvermeid lichen Ende des Krieges. Ec — Redner — würde auf einen Staatsmann nicht neidisch sein, der in Ver handlungen wieder aufs Spiel setze, was durch die Waffen gewonnen sei. Die Engländer seien nicht rachsüchtig; ihre Feinde von gestern würden, wenn sie sich ergeben, morgen als Freunde willkommen geheißen werden. Wenn England sich weigere, den Unversöhnlichen, welche sich rühmten, sie würden die Engländer in Südafrika von Meer zu Meer treiben, die Rückkehr in ihre Heimstätten zu gestatten, so sei das nicht Rachgier, sondern Selbst, erhaltung. Englands Regierung und Volk wünschten ernstlich einen ehrenhaften Frieden; dieser Friede müße aber dauerhaft sein und England Das gewähren, wofür es so viele Opfer gebracht habe. Wenn der Friede ge schloßen sei, werde Südafrika so kraftvoll, glücklich und frei werden, wie irgend ein Theil der übrigen Besitzungen des König«. Als Chamberlain im Laufe seiner Rede auf die Gesinnungen zu sprechen kam, welche England gegenüber auf dein Kontinent herrschen, sagte er es scheine unmöglich, das Wohlwollen des Auslandes zu gewinnen, England sei aber im Stande, sich die Achtuna des Auslandes zu sichern. " L°uf der Dinge m Südafrika ist der alte. Man steht in England das Ende des Krieges seit einiger Zeit mit Zuversicht entgegen; im stillen wohl hoffend mit goldenen Geschoßen schließlich das zu erreichen, nach dem die Ble.kugel vergeblich hingezielt hat, nämlich dst Unterwerfung der Buren. Dagegen berichten merkwürdiger- weise selbst britische Quellen, daß es im Westen de« Kaplandcs nicht nur stark gähre, sondern daß auch mehrere Niederlagen der Briten zu verzeichnen