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Sonnabend, deit 1V. OcloVer. Revigirt unv verlegt von E. M. Gärtner in Schneeberg und Schwarzenberg. Die Raben (Schluß.) Der Baron fürchtete sich nichtsdestoweniger in seinem Innersten ; er erkannte sein Blut, er sah ein, daß er es mit einem ebenso trotzigen Willen zu thun hatte, al« der seine «ar. Er schlug die Augen nieder, al« Susanne fest auf ihn zutrat und nachdrücklich zu ihm sagte: „Ihr weigert Euch also, un« ,Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, Fräulein von »e-cale und KaSpar Genugthuung zu geben? Wohlan! so «erden wir fie un- selbst verschaffen! Ihr werdet Euer Be. tragen in dieser und jener Welt zu bereuen Ursache haben, mein Bruder! die Menschen werden Eiich verachten und Gott Ätrd Euch strafen! Ja, mein Bruder, in achd Tagen wird man Euch vor Gericht berufen, um Eure Schwestern, die Raben, wie man fie in ganz Marseille nennt, anzuerkennen; wir «erden den Herren vom Parlamente alle erforderlichen Beweise liefern. Ihr wollt e« mit Gewalt haben, daß wir e« so weit kommen lassen; so sei e« denn! — Wir werden wieder hierherkommen, mein Herr, nicht wie heute, demüthig und verachtet, sondern unter unserm wahren Namen. Lebt wohl, mein Bruder, bald sehen wir un« wieder!" . Dieser stellte fich aber mit heftiger Geberde vor die Thure und bedeutete ihnen durch einen Wink, fich wieder zu setzen. „Höret mich an," sagte er, indem er so viel Kaltblütig, keit al« möglich zu erringen und seinen Stolz unter der Noth. Wendigkeit seiner schrecklichen Lage zu beugen strebte; „höret mich an; gewiß kann ich nicht wünschen, daß unser HauS durch ein so großes Aergerniß entehrt werde — allein ich vermag Euer Verlangen nicht zu befriedigen, ich kann e- nicht, Ihr wisset nicht Alles — auch Kaspar nicht." — Mißtrauisch und erstaunt starrte ihn seine Schwester an; er stand düster, mit verschränkten Armen, und wie durch die äußerste Nothwendigkeit gefoltert, sich auch noch aus wettere Erklärungen einznlaffen, vor ihnen. „Sprecht!" ries ihm Susanne ungeduldig zn, „sprecht, wo nicht, so gehen wir." Dem Baron blieb nun nicht» Andere« mehr übrig, al- zum ersten Male in seinem Leben seinen Stolz und seinen Willen zu demüthigen. „Ihr wollt, daß jene« junge Mädchen, Fräulein von LeScale, eine große Dame werde?" sagte er bitter; „Ihr wollt, daß es reich werde? Wohlan! so erfahret denn, daß ich zu Grunde gerichtet bin, daß KaSpar fich blo« durch eine reiche Hetrath helfen kann, denn meine Gläubiger werden di« Herrschaft Greoulx verkaufen." „Wir lösen fie wieder ein!" erwiderte Susanne kalt. „Ihr!" rief der Baron au«, der nickt anders glaubte, al- fie hätte den Verstand verloren; „beim wahrhaftigen Kreuz«, wo solltet Ihr so viel Geld herhaben? Etwa vom Krankenwachen, oder vom Etnhüllen der Todten in ihre Lei. chentücher?" Hier hielt er inne, denn trvtz seiner Noth wurde er von einem krampfhaften Gelächter unterbrochen und mit der Miene kläglichen Mitletden» schüttelte er die Schultern. „Ich will Euch noch eine wettere Geschichte erzählen," sagt« Susanne, ohne eine Miene zu verziehen. „Es mäste» etwa dreißig Jahr» her sein, al- wir -inst zu einem Kaust manne gerufen wurden, um ihn in seiner Krankheit zu pfle gen; er hatte fich das Leben durch Gift nehmen wollet«, ÜnV 'wir sanden den armen Mann sehr hart darnieder liegend, überdies wie- er jede Hülfe von fich. Al« wir ihm »orsttll- ten, daß er durch ein solche« Benehmen nickt nur seine« Lei be«, sondern auch seiner Seele verlustig ginge, gestand er uns, daß er sterben wolle, da er e« nicht ertragen könne, fich dadurch entehrt zu sehen, daß sein« tlntersckrift protestirt «erde. Es handelte fich bloS um 10,000 Livre- und diese konnten wir auftreiben, wenn wir alle unsere Ersparnisse zu sammensuchten; wir borgten fie ihm, und dies bracht« ihm Glück. Bon dieser Zeit an ließen wir unser Geld in seinen Geschäften und er schrieb un- unsern Antheil am Gewtone redlich gut. Gegenwärtig ist da« Han« Vincent eine« der reichsten in Marseille uns unser Antheil beträgt nahe zu vtermalhundertausend Thaler. Die« soll da« Hetratb-gut Gabrielen« sein, wenn fie unsern Großneffe^ eheligt. Glaubt Ihr nickt, daß e« hinreichen werde, um die Baronie ein zulösen?" ! „Gewiß reicht e« hin," erwiderte der alt« Baron, der fich vor Staunen gar. nicht zu fassen wußte. „Danken wir Gott," fuhr Susanne fort, „daß er Alle» so zum Guten gelenkt hat. Bi« zn dem Augenblicke, wo wir KaSpar kennen lernten, war unsere Abficht gewesen, unser Vermögen den Armen zu vermachen; wir haben nie einen Kreuzer davon für un- verwendet; «S ist zu sehr über dem Stande, in dem wir so lange Zeit zu leben gewohnt waren. Nun soll e- dazu dienen, die Angelegenheiten unserer Fami lie wieder zu heben; allein, Herr Baron, die Kinder sollen nie etwa« von all' dem erfahren; e- genügt, wenn Ihr Kas par von Greoulx die Herrschaft zum HeirathSgute gebt." i Der Baron machte eine unwillige, Bewegung. „Oder wäre e- Euch etwa lieber, wenn er fie einlöste?" fuhr Susanne fort; „ich sollte doch meinen, die- wäre der anständigste Au-weg, um Euch einen solchen Schimpf zu er sparen, Ihr.lasset Eure Gläubiger zusammenkommen; wir be zahlen fie, und die Welt wird nicht erfahren, daß ihr da» Erbe unser- Vater- verschwendet habt." Der Baron blieb stets in größter Verwirrung stehen. Man sah e- ihm an, wie der Stolz mit ihm kämpfte, und' doch war er genöthigt, zwischen zwei Demüthigungen zu wäh-' len; er konnte daher nicht langt' zögern. „Ich willigt in Alle«," sagte« endlich;, „allein ich will mich in Nickt« mischen. Mag die Heirath zu Stand» kvm- men und KaSpar sein» Frau hteher führen; fi» soll willkom men, Herrin und Meisterin sein. Ich bin alt und will mich in Zukunft, blo« mit meinem Seelenhelle beschäftigen." Die Raben standen von ihren Sitzeit aufi „Lebt wohl, mein Bruder," sagte Veronika, „wir «erden un« nicht wieder sehen; wir ziehen un- für immer in unser kleine- Häuschen in der Straße St.' Laurent zurück. Die Kinder sollen nicht erfahren, daß fie uns so nahe angehen; allein icks kenne fiel fie haben ein gute- Herz, find dankbar, werden un» t»