Volltext Seite (XML)
^sricr^chcnii^ M l) O z ü A V L cr A über örtliche und vaterländische Angelegenheiten. Sech ft er Jahrgang. Preis für den Jahrgang bei Bestellung von der Post 21 Reugroschen, bei Beziehung de« Blattes durch Botcngelegenheit 15 Neugroschen. - Erscheint jeden Donnerstag. 19. AllH» Konstitn zionsfeste? Das erste Jahrzehend ist nun bald vollendet, seitdem Sachsen in die Reihe der konstituzionellen Staaten ein getreten ist. Der vierte September naht und mit ihm der Tag, an welchem vor zehn Jahren die sächsische Versassungsurkunde publizirt und dem Volke übergeben ward. Als dieser Tag das erste Mal wiederkehrte, wurde er im ganzen Lande mit freudigem Jubel begrüßt und festlich gefeiert. In der Residenz sprangen die Wünsche für das junge Versaffungswerk in Tausend feurigen Raketen zum Himmel empor und auch in den kleineren Städten des Landes gab sich der Dank des Volkes in Festzügen, Festmahlzelten und festlichen Beleuchtungen kund. Auch die folgenden Jahre fehlte es nicht an Herzensergießungen dieser Art. Noch später ward so gar ein offizielles Fest daraus; die Regierung gebot den Tag der Uebergabe der Konstituzion an einem der be nachbarten Sonntage kirchlich zu feiern und ließ über dies nach, ihn als einem besonderen Feiertag zu be gehen, wenn es die Obrigkeit so haben wollte. Nach zehn Jahren ist nun zwar die allgemeine kirch liche Feierns Konstituzionsfestes an einem der nächst gelegenen Sonntage — von der Vergünstigung, einen besondern Feiertag zu gewinnen, haben ohnehin nur wenige Gemeinden des Landes Gebrauch gemacht — der Vorschrift gemäß noch geblieben. Auch giebt es in einzelnen Orten noch einige andere Festivitäten am Kon- stituzionsfestc: es flammen noch hier und da einzelne Lichtchen, besonders in Rathhäusern und andern öffent lichen Gebäuden, offiziell in die schweigsame Nacht hin aus; es wird noch festlich gegessen; vor Allem müssen die Kommunalgarden am 4. September einen Haupt festzug halten. Aber der Jubel ist ein sehr vereinzelter und gemachter. Begeisterung über das Fest oder we nigstens am Feste herrscht häufig erst nach ausgehobener festlicher Tafel oder doch nicht früher, als bis ein an derer Geist, als der politische Geist, die Herzen erwärmt. Die Kommunalgarde zieht aus und herum, weil sie — muß, und erinnert sich dabei weniger daran, daß sie ein konstituzionelles, mit dem Repräsentativsysteme eng- verwachsenes, bei uns noch überdies in der Zeit des ersten politischen Erwachens hervorgerufenes Institut st, als daran, daß das Ererziren und Manovriren eine Last ist. An nichtkommunalgarde-berechtigten oder pfuq)- tigen Orten merkt, wer nicht Ende August oder September gerade am Kirchengehen ist, häufig gar Nie mand, daß am vierten September eine Konstituzion ge geben worden oder überhaupt etwas Besonders vorge fallen ist. , Wie mag eS nun kommen, daß ein solches Erkalten eingetreten ist? Wer trägt die Schuld dieser Verän derung? Haben wir es zu beklagen, daß wir eine Kon stituzion haben? Oder wie erklärt sich sonst diese Er scheinung? Sie ist im Grunde genommen um so auf- sälliger, als wir während der Jubelouvertüre, nämlich im ersten, zweiten und dritten Jahre nach dem Erschei nen der Konstituzion, ja nur erst wußten, daß sie existir- te, an ihren Früchten sie aber noch nicht erkennen konn ten. Daß sie dergleichen getragen hat und zu noch bes seren Gewächsen sprossende-Keime in sich birgt, müssen wir nach zehn Jahren besser wissen und wissen es. Warum also ein umgekehrtes Verfahren? Es kann nicht die Absicht sein, diese Frage hier um fänglich zu entwickeln. Noch weniger ist es möglich, auf die örtlichen Unterlagen der sich kund gebenden Lauheit einzugehcn. Nur einige allgemeine Bezie hungen können bei dem beschränkten Raume, der dazu zu Gebote steht, angedeutct werden. Daß wir jubelten, noch ehe wir uns eigentlich bewußt waren, warum? wenigstens noch ehe wir erkannt hatten, ob die zarte Pflanze zu einem fruchtreichen Baume über uns sich emporwölben werde — wir lassen dahin gestellt sein, ob nicht der Reiz der Neuheit oder eine unklare Vorstellung von der Sache dazu einen erklecklichen Beitrag geliefert hat. Vor dem Jahre 1830 lastete der Alp veralteter, unzeitgemäßer Staatseinrichtungen noch auf uns. Das Volk that einen Nothschrei und die Konstituzion ward gegeben. Möglich, daß nun Viele der Meinung waren, mit diesem Schritte werde alles Alte neu und alles Neue bringe Heil. Die Lasten würden sämmtlich ver schwinden und Glück und Wohlergehen sich wie Milch und Honig über das hoffende Land ergießen. Nein! es ist dies nicht blos möglich, es ist wirklich so. Die aber solchen Sinnes waren, sehen sich jetzt getäuscht