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Wochenblatt 2.» Amt für Fernsprecher: Siegmar Nr. 244. Reichenbrand, Siegmar, Neustadt and Rabenstein. AS. Sonnabend, den 18. Juli 1SV8 Anzeigen werde,, In der Expedition M-ichenbrand, N-Voigtstraße ii). sowie von den Herren ^Friseur Weber in Reichenbrand nnd Kautniann Emil Winter in Rabenstcin -ntg-o-ng-nommen und pro Ispoltiae P-titz-ilc mit iv Big. berechnet. Für Jni-ratc glitzeren Umfangs und bei Sfteren Wiederholungen wird entsprechender Rabatt, jedoch nur nach vorheriger B-r-mbarnng, bewilligt. Anzeig-n-An,rahme in der Expedition bis spätestens Freitags nachmittags S Uhr, bei den Annahmestellen bis nachmittags 2 Uhr. Gefunden wurden in hiesiger Flur Mehrer- Schlüssel. Zur Ermittlung der Eigentümer wird diese- hiermit Reichenbrand, am 15. 2uli 1008. Der Gcmcindcvorstand. Vogel. Bekanntmachung. Die Reinigung der Schornsteine im hiesigen Orte findet in der Zeit vom 20. bis 31. Juli 1908 statt. Rabenstein, am 17. Juli 1908. Der Gemeindcvorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Den 15. Juli ds. Js. waren die katholischen Kirchen, und Schuianiagen für I. Termin 1908 fällig. Diese Beiträge sind von den hier aufhältlichen Beitragspflichtigen innerhalb 8 Tagen und spätestens bis zum 20. Juli 1908 zur Vermeidung des Zwangsvollstreckungsverfahrens an die hiesige Ortssteuereinnahme abzuführen. Ravenstein, am 17. Juli 1908. Der Gemcindevorstand. Wilsdorf. Bekanntmachung. Verloren: 1 Brosche. Ravenstein, am 17. Juli 1908. Der Gemeindevorstand. WilSdorf. Die Sparkasse zu Neustadt T.kphon Nr. SS. Amt Siegmar. unter Garantie der Gemeinde verzinst Einlagen mit 3 Vs o/o. Für Einlagen, welche bis zum 3. eines Monats bewirkt werden, erfolgt Verzinsung für den vollen Monat. Die Sparkasse expediert täglich vormittags von 8 —12 Uhr und nachmittags von 2 — 6 Uhr, Sonnabends ununterbrochen von 3—3 Uhr. Durch die Post eingehende Einlagen werden sofort expediert. Die Freundinnen. Original-Roman von Irene v, Hellmuth. (Fortsetzung) ir>-chd,»ck Hugo stutzte bei Nennung des Namens. „Hermann Walter — derselbe, der mit seiner süßen Stimme alle Herzen gefangen nimmt? Die Tagesblätter könne» sich kaum genug tun, seine» Ruhm zu verkünden! In der ganzen Stadt spricht man von ihm als von einem Wunder! Er soll ja schon bei seinem ersten Auftreten Stürme von Beifall entfesselt haben! — Ach,, »ur, lrUeise Ich alles! Er wird H gefeiert wie ein Held! Den mußt du ja lieben!" Ein hartes, höhnisches Auflachen begleitete die Worte des aufs tiefste gereizten Mannes, der im gleichem Tone sortfuhr, indem er sich an Sylvias Vater wandte: „Hast du es gehört, Papa, wem ich weichen mußte? Einem Sänger — einem Komödianten — einem Künstler!" — Freust du dich nicht, solchen berübmten Mann in deine Familie auf- nchmen zu dürfen? Ah — welch hohe Ehre sür deinen altadeligcii Namen! — Eile, und gib deinen Segen zu dem Bunde, sonst könnte sich der große Wnstler am Ende anders besinnen und eine Fürstentochter für sich begehren!" „Hugo, du rasest!" rief Herr v. Schmellwitz dem hohn lachenden Manne zu, „sonst müßtest du wissen, daß ich zu solcher Verbindung niemals meine Einwilligung flcben werde! Ich hoffe, meine Tochter ist klug nnd verständig genug, sich das selbst zu sage». Sie wird es nicht wagen, ein solches Ansinnen an mich zu stellen, und täte sie es dennoch — ich müßte ihr die Türe weisen! Sie könnte dann meinet wegen ihrem Bruder folgen. Wahrlich ich weiß nicht, ob es nicht das beste wäre — sie ginge gleich! Ich werde so wie so demnächst zur Grube fahren! Dann werde ich Ruhe haben!" Mit dem wehen Aufschrei: „Vater, lieber — lieber Vater!" warf sich Sylvia an des alten Mannes Brust. Er faßte den Kopf des Mädchens zwischen seine beiden zitternden Hände und sagte in gänzlich verändertem Ton: „Nicht wahr, Sylvia, — Hugo sieht Gespenster, er bildet sich das alles nur ein, was er soeben sagte? Du bist mein kluges, folgsames Kind, du hast mir nie Grund zur Klage gegeben und ich habe dich immer so lieb gehabt! — Niemand war Zeuge deiner Unbesonnenheit nnd der unangenehmen Szene, die du uns bereitet hast. Du gibst jetzt deinem Verlobten die Hand und bittest ihn um Verzeihung für die ihm zugefügte Kränkung und alles ist wieder gut! Hugo hat dich zu lieb, um dir lange zu zürnen." „Nein, Vater - das kann ich nicht!" Sylvia stand plötzlich wieder in kerzengerader Haltung vor dem Vater. Eine feste Entschlossenheit war deutlich auf ihrem Gesicht zu lesen. „Wie — du kannst nicht? Ich sage dir, du mußt! Du wirst Hugo heiraten! Ich werde dich zu zwingen wissen!" „Verlange was du willst, nur das nicht! Ich tue es nicht, Vater — um keinen Preis der Welt! Ich lasse mich nicht zwingen, auch von dir nicht!" — „Du, — du " Ein röchelnder Laut entrang sich der Brust des Auf geregten, dann sank er stöhnend in den Sessel zurück. Das Gesicht erschien leichenblaß, die Augen waren geschlossen. Der Greis glich eher einem Toten als einem Lebenden. „Vater," jammerte Sylvia zitternd, „Lieber Vater, um Gottcswillen, was ist mit dir?" Er gab keine Antwort. „Es scheint eine Ohnmacht zu sein, die Aufregung war zu groß für ihn," rief Hugo, der ebenfalls erschrocken hinzu- gcsprungen war. Sylvia, die rasch den lähmenden Schrecken abgeschüttelt hatte, benetzte Stirn und Schläfe des Vaters mit frischem Wasser. Unter ihren Bemühungen schlug er allmählich die Angen wieder auf. Er schien sich aber der vorhergegangenen Szene nicht sogleich zu erinnern, denn er fragte sich im Zimmer umsehend: „Was ist denn eigentlich geschehen?" „Befindest du dich wieder besser, lieber Vater?" rief Sylvia aufatmend. Me. kniete neben dem.Sessel nieder rmd streichelte saust, die Hände des Alten. Ihr fiel es wie Bergeslast vom Herzen. „Gott, mein Gott, laß ihn leben, ich könnte es nicht ertragen, wenn er stürbe," betete sie, und ein heißes Angst gefühl quoll in ihrem Innern auf. Nachdem Hugo v. Trostberg gegangen war, saß sie mit gefalteten Händen an dem Lager des Vaters und starrte geradeaus ins Leere. Die ganze Nacht verging so. In die Augen des Mädchens kam kein Schlaf. Stunde um Stunde verrann. Der Kranke schien zu schlummern, wenig stens rührte er sich nicht. Am andern Morgen behauptete er zwar, er befände sich ganz wohl, doch mochte er nicht aufstehen. Am Abend des folgenden Tages verlebten die vielen Theaterfreunde der Stadt eine große Enttäuschung. Hermann Walter, der in der Tat die Herzen aller Hörer im Sturm gewonnen und dessen nächstem Auftreten man mit Spannung und Ungeduld entaegensah, hatte plötzlich abgesagt. Erst gegen Abend war die Absage eingetroffen und das Theater war schon völlig ausverkauft. Der Intendant hätte sich am liebsten die Haare ausgerauft, wenn er welche besessen hätte. Er schimpfte im Verein mit dem Regisseur über die Tenöre im allgemeinen und über Hermann Waller im be sonderen. Derjenige aber, dem all diese liebenswürdigen Aeußerungen galten, lag, die Hände unter dem Kopfe verschränkt, auf seinem Ruhesofa und starrte unbeweglich zur Zimmerdecke empor. Sein sonst so heiteres Gesicht zeigte einen trüben Ausdruck, um die Augen lagen tiefe Schatten. Dem alten treuen Diener Franz, der ihn stets begleitete, hatte er streng befohlen, niemand, wer es auch sei, zu ihm zu lassen. Kopfschüttelnd bettachtete der treue Alte seinen schweig samen Herrn. Franz hatte eine schwere Arbeit, denn der Theaterdiener, der nun schon zum drittenmale kam, um nachzufragen, wie es Herrn Walter gehe, wollte sich durchaus - nicht mehr abweisen lassen. „Nur ein paar Worte will ich mit Herrn Walter sprechen," bat er, „gestatten Sie, daß ich hingehe, ich soll doch genau Bericht erstatten über das Befinden Ihres Herrn." Franz zuckte bedauernd die Achseln. „Ich teilte es Ihnen ja bereits mit: Herr Walter ist stockheiser, er bringt keinen Ton hervor. Es ist absolut nichts zu machen," versicherte er mit ernster Miene, genau so, wie sein Herr es ihm befohlen hatte. „Und was meint denn der Arzt dazu? Wird es lange dauern?" „Wir haben gar keinen Arzt," platzte Franz unbedacht heraus. „Wa — was, — keinen Arzr — bei solcher Heiserkeit, die kostbare Stimme kann ja so leicht verloren gehen," jammerte der Abgesandte des Intendanten, „da muß ich wirklich hinein nnd Herrn Walter Vorstellungen machen wegen seines unbegreiflichen Leichtsinns. Das ist ja un erhört!" Damit schob er den überraschten Franz bei Seite nnd stürmte ins Zimmer. „Du alter Esel, habe ich dir nicht gesagt, du darfst niemand herein lassen?" schrie Walter aufgebracht, und bums — flog dem unschuldigen Franz ein Buch an die nicht eben kleine Nase, direkt über den Kopf des sich eilend duckenden Theaterdieners hin. ,;Aber lieber Herr Walter, so viel ich eben bemerke, sind Sie gar nicht heiser," rief der Theaterdiener freudig erregt und rieb sich vergnügt die Hände. keinen Ton^cM är^Kehle/^versicherte Walter ärgcrli^ „hören Sic nur, wirklich keinen Ton." Die Stimme klang jetzt freilich traurig verändert, aber der kundige, in solchen Sachen erfahrene Theateidicner ließ sich nicht täuschen. Er wußte, daß der Sänger ihm eine Komödie Vvrspielte. „Lieber, lieber Herr Walter," bat er ddshalb dringend, „wenn es nur eine Laune von Ihnen ist, daß Sie nicht singen wollen, so lassen Sie sich doch erweichen und kommen Sie. Das Theater ist völlig ausverkauft, ist es nicht jammer schade, daß die Vorstellung nicht stattfindcn kann? Im vergangenen Winter ging das Geschäft sehr schlecht, diese Saison scheint um so besser zu werden und da kominen Sie gleich am Anfang mit dieser Absage. Der Intendant geht umher wie ein gereizter Löwe und wenn ich ihm nun berichte, daß Sic eigentlich gar nicht heiser find, daß Sie aus irgend einem anderen Grunde nicht singen wollen, — so —" „Jetzt ist es aber genug, ich bitte mich in Ruhe zu lassen!" unterbrach Walter unwillig und gereizt die lange Rede, „mit dem Singen ist es nichts litt heute, adje! Die Stimme klang in der Tat wieder sehr belegt! Franz, der sich vorsichtig in die fernste Ecke des Zimmers zurückgezogen hatte, vermochte ein kleines, schadenfrohes Lächeln nicht zu unterdrücken; denn er kannte diesen Ton seines Herrn aus Erfahrung und wußte, daß dem Uebereifrigen ebenfalls bald etwas an den Kopf stiegen würde. Das geschah ihm schon recht, weshalb war er so zudringlich. Wirklich zuckte die Hand Walters schon bedenklich nach einem ihm erreich baren Buche. Dem Thcaterdiener mochte das ebenfalls nicht entgangen sein; denn er zog sich vorsichtig einige Schritte zurück und schielte nach dem Ausgang. „Es bleibt also keine Hoffnung, daß Sie sich entschließen werden. " „Nun reißt mir aber die Geduld," schrie Walter wütend und der andere zog es vor, eiligst zu verschwinden. Jetzt wagte sich auch Franz wieder aus seinem Versteck hervor. „Ich bitte um Entschuldigung, Herr Walter, — aber es war unmöglich, diesen zudringlichen Menschen zurückzu halten, er schob mich einfach bei Seite." „Ach was, du bist ein Schafskopf, Franz, ein altes Kamel," tönte es sehr energisch von den Lippen des Sängers, ohne eine Spur von Heiserkeit. „Na, heute bin ich wieder eine ganze Menagerie!" brummte Franz verdrießlich. „Ich möchte nur wissen, was dahinter steckt." Eine ganze Woche schon dauerte die Krankheit Hermann Walters. Der Intendant war der Verzweiflung nahe; denn täglich liefen wohl einige Dutzend Anfragen ein, ob der be wunderte Sänger, der „gottbegnadete Künstler" nicht bald wieder anftretcn würde. Man konnte es kaum erwarten, Walter singen zu hören. Endlich nach acht Tagen atmete der Intendant wieder auf. Der Künstler unternahm bereits größere Spaziergänge, und es schien, als ob er endlich auf dem Wege der Besserung wäre. Auch der redliche Franz